Stürme. Roman von Ludwig Habicht. (4. Fortsetzung.) Seltsam. wie aufrichtig auch die Freude des Barons gewesen war, nach so langer Trennung seinen einzigen Bruder, den er bereits für todt gehal ten, so unerwartet wiederzusehen, und wie sehr auch dieser seine Genugthuung zu erkennen gab, daß ihm die Ueber raschung gelungen sei, es hatten doch nur wenige Stunden des Zusammen seins genügt, um den jetzigen Mji joratsherrn empfinden zu lassen, wie groß di« Kluft geworden, die sich in dieser langen Zeit zwischen ihnen auf gethan. Das war wohl noch derselbe Heinrich Ehrensels voll unerschöpflicher Lebenslust, voll ritterlicher Gesinnung; früher trotz seiner Wildheit eigen ge wesen, war doch „da drüben" schon ver loren gegangen; es kam nur zu leicht ein gar zu rücksichtsloses Benehmen zum Borschein, ein Sich-gehen-lasten in Worten und Bewegungen, die den Edelmann vermissen ließen, und doch war seine Frisch«, sein keckes, über müthiges Erfassen der Wirklichkeit so unwiderstehlich: es riß selbst den ver grämelten und so leicht zur Schwer muth neigenden Bruder mit fort. Heinrich schien d«n Triumph, d«n das deutsche Volk errungen, viel stärker zu empsinden, als selbst seiner Freude über den Ruhm und di« Größe seines Vaterlandes nicht stark und lebhaft ge nug Ausdruck g«b«n. Die Baronin und ihre Tochter wa ren h«ut ebenfalls früher als sonst thä tig gewesen; es gab ja noch so viel zu ordnen gerade in den Zimmern mußte die letzte Hand angelegt und nach dem Rechten gesehen werden, da mit es auch an nichts fehle. Als Baron Heinrich, der in aller Früh« überall umherges!rich«n war, die beiden geschäftig hin- und hereilenden Frauen sah, rief er lachend aus: „Ja, warum haspelt ihr euch ab? Das thut in Amerika die Frau des Hauses nie mals. Für was habt ihr denn eur« Leute?" „Wir können unserer Käthe nicht alles überlassen, sie hat «s ohnehin seit gestern schwer genug," entgegnet« die Baronin und fuhr eifrig in ihrer Han tirung fort. „Ihr habt euch wohl dieses Men- Di« Baronin läckMe: „Ja, wir sind sehr glücklich, daß wir wenigstens noch unsere Käthe haben und du hast wirk lich nicht so unrecht, sie ein Menschen juwel zu nennen." „Sie führt einen scharfen Besen; Lciune fort: „Die wäre in Amerila selbst für schweres Geld nicht zu ha ben." „Die Gute hat sich um Arnulf wäh- t, d ch s ich- V r 112" Ren eigenen Willen." „Er ist wohl ganz Amerikaner ge worden?" Der Baron nickte, nicht ohne An wandlung von Stolz, zustimmend mit dem Kopfe. „Als ich ihm sagt«, daß ich einmal über das große Wasser mir einfach: „Well, Pa, dann werde ich den Onkel in Kentucky aufsuchen" und an dem Tage, an dem ich mich wohlg«muth nach dem Westen. Diese Kinder Amerikas sind eben ganz an ders; sie stellen sich zeitig auf die eige nen Füße; aber ich hoffe, die Deutschen lernen dies jetzt auch, haben sie doch der Welt gezeigt, daß sie nicht m«hr ein Volt ron müßigen Denkern und Träu mern sind, sondern das Zuschlagen ver stehen." und der Baron machte bei die sen Worten ein« bezeichnend« Hand bewegung. In den ehemaligen Majoratsherrn schien „da drüben" ebenfalls eiwas Un ruhiges, Fahriges gekommen zu fein; er hatte das Rastlose des Amerikaners angenommen, es litt ihn nicht lang« an «in«r Stelle; jetzt nickte er seinen Verwandten freundlich zu und dann verließ er ebenso rasch wieder den Saal wie er gekommen war, um von neuem überall herumzustreifen und alte, ihm früher lieb gewesene Plätze auszu suchen. Seltsam genug: er fand nirgends Ruhe. Wie oft hatte er sich in der kal ten Fremde nach der Heimath gesehnt, die ihm desto verführerischer vor den Augen gegaukelt, je sicherer er sie auf immer verloren ... Jetzt war er wie der daheim und doch, wie fremd mu rhete ihn alles an, wie anders war al les in der langen, langen Zeit gewor den! Wohl hatte ihn fein Bruder mit alter Herzlichkeit empfangen, wohl zeigte ihm di« Schwägerin, daß er hie: ein willlommener Gast; aber wo war der lebenslustige Bernhard geblieben, der dort am Rl>ein mit seiner jungen Gattin sorglos in den Tag hinein gelebt hatte? Di« Sorgenfalten auf seiner Stirn war«n zu ties eingegra ben; sie konnten einem Manne am we nigsten entgehen, d«r von j« gewohnt war, scharf zu beobachten. Was mochte nur den guten Bernhard bedrücken? Hat er ihn nicht durch den Verzicht au' das Majorat in eine glänzende Lage gen, sich auch „da drüben" eine geach tete Stellung zu verschaffen. Bern hard dagegen, der «s all' die Zeit über nich/zu wissen, wie weich ihn das Le ben gebettet habe und wie verpflichtet er sei, sich glücklich zu fühlen. Nun, die Stunde würde schon kommen, wo er ihm ehrlich und rückhaltlos die Wahrheit sagen konnte. Wirklichkeit Überein. Wohl war das alte Schloß so ziemlich unverändert geblieben, aber man sah jetzt überall die nachbessernde Hand, die jedes Zeichen des Verfalles sogleich sorgfältig zu ver wischen gesucht, während Heinrich ge rade diese Spuren des Alters stets so ehrwürdig gefunden und sich ängstlich gehütet hatte, sie irgendwie zu lxseiti gen. Auch d«r Park war j«tzt völlig ver wandelt; er erinnert« in seiner engli schen Anlage mit seinen grünen Rasen teppichen und seinen verschlungenen Wegen weit «her an einen wohlgepsleg ten Garten; die frühere Wildheit, die hier geherrscht, war verschwunden. Gerade hier hatten die Ahnen aus einem früher sumpfartigen Boden gezaubert, der von der magern Kie fcrnheide merkwürdig abstach, di« in dieser Gegend vorherrschend war; wohl standen hier und da noch einzelne Baumriesen, aber das war nicht mehr der köstlich« Park, in dem er sich als Knabe herumgetummelt und seine glücklichsten Stunden verlebt hatte. Wie fremd muthete ihn alles an, wo darauf stets dieselbe Antwort: „Ach, Di« Schwäg«rin und auch Irmgard zeigten sich gegen ihn sehr artig und freundlich; aber es wollte dem Baror. Heinrichdoch bedünken,daß sie sich «inen gewissen Zwang auflegen müßten und ihr« Freundlichkeit nicht recht aus dem Herzen käme. Es klang nicht so hell zusammen, wie er es sich vorgestellt hatte. War er hier doch kein will kommener Gast mehr? Ach, das waren ganz abscheulich! Gedanken! Der ehemalige Majorats herr strich sich über die Stirn, um sie zu zerstreuen; er war ja nicht in die H«imath zurückgekehrt, um an d«n auf richtigen Empfindungen seiner Ver wandten zu zweifeln, sondern um das Glück in vollen Zügen zu genießen, daß sich das alte Vaterland so plötzlich zu ungeahnter Macht emporgeschwungen. Dissen Freudenrausch wollte er gend einen Rest der alten lieben Ver gangenheit wiederfinden. Jetzt sah er nach der Uhr, es war schon halb zwölf baw zu ihrem Empfang bereit zu hal wagen, trotzdem Bredow bereits von seiner Anwesenheit Kenntniß hatte? Wie konnte nur der Bruder so unvor kopf herumkriegen, und Baron Hein rich lächelte siegesgewiß vor sich hin; er eilte in das Schloß zurück und Flügels auf, das den bequemsten und weitesten Blick auf die Dorfstraße bot. Von dort mußten auch die Bredows jede Seelenregung deuttich wicder spiegelle. „Du brauchst dich nicht zu schämcn," voll Wohlgefallen über die unmuthige Erscheinung hinweg und ehe sie noch eine K>«insten." Der Baron reckte sich bet „Und siebzehn Jahr!'' Schleier ,cigte sich e.n Irmgard, die Spannung war gelöst; ihr feines, zartes Antlitz, das bisher nichts als sehnsüchtige Erwartung aus tern wollen den Grafen zuerst begrü ben," „Dann werde ich mich ihnen anfchlie- Haß bewahrt hatte? Mußte nichi Wirklich, jetzt roll!« der Wagen nä her. „Kurt!" hätt« di« Baron«ß auf jubeln wollen, denn dort faß d«r Ge> Sie fchivenkle von neuem eifrig mit dem Tuche; er sah zu ihr nicht hinauf, sondern ernst und ruhig vor sich hin. Trat an diesem Festtag« sein Leiden wieder ein wenig stärker auf? Und ihre Blicke ruhten voll Zärtlichkeit auf seinem heut wieder so bleichen, ernsten Antlitz. Aber wo blieben die Eltern? Kein zweiter Wagen war zu sehen. Ah, der Graf kam nicht „er kann noch immer nicht vergessen, er bleibt unversöhnlich!" zuckte es der jungen Barvneß durch den Sinn, und ein schnxrer Seufzer hob ihr« Brust. 4. hatten in nicht geringer Spannung ihre Gäste erwartet. Würde der Graf nun doch erscheinen? Und wie würde das Zusammentreffen der beiden sich gestal ten? Heinrich schien freilich nicht die mindesten Besorgnisse zur zu stellen und die Anlömmlinge eben falls sogleich zu begrüßen. Mit seinen scharfen, klugen Augen mußte der kecken, ziiversichtlichen Weise: „Sei nur ganz ohne Sorge. Ich werde ihn, noch ehe er ein finsteres Gesicht machen kann, rufen: großen Zeit müssen Nach feiner Gewohnheit schob sick: ihm entgegeneilen und ihm zuerst die helfend« Hand reichen; wußt« sie doch aus Erfahrung am besten, wie ihm jede Bewegung zu erleichtern und jeder Schmerz zu ersparen sei. Beim Anblick seiner Braut, bei ih rem jubelnden Zuruf schwand die ge drückte Stimmung, die den jungen sanft und vorsichtig zu unterstützen ver- Diefe Elfengestalt schien dann Mus- V t rßt sich tsch ld' Seite seines Schwiegervaters stand und er schwieg. Kein Zweifel, das war gewiß der io plötzlich und gerade zur Unzeit wieder aufgetauchte Ma joratsherr und das Zartgefühl d«s jungen Grafen hinderte ihn, vor dem Ankömmling Dinge zu erörtern, die ihn gewiß peinlich berühren mußten. Kaum hatten der Baron und sein« Gattin di« Geschwister da heran und di« Hand des jungen Gra fen ergreifend, sagte er in seiner leb haften >u:z angebundenen Weife: alten Bekannten die Hand reichend, setzte er hinzu: .Und was Ihren Vater betrifft, da seien Si« ohne Sorge, der Schwiegervater: „Um Gotteswillen, lassen Sie ihn nicht fort. Ich fürchte, es geschieht ein Unglück, wenn die bei den heut zusammentreffen. An eine Aussöhnung ist gar nicht zu denken." Der Baron hatte inzwischen schon das kurze Schreiben des Grafen gele sen, er ahnt« ja bereits dessen Inhalt und doch wurde er davon sehr schmerz lich berührt. „Der läßt sich doch nicht zurückhalten; er ist der Alte geblieben," sagte er mit einem tiefen dann zugeworfen, schien doch ihre rheinische Lebenslust und Lebensfreudigleit noch einmal in voller Stärke erwacht zu sein, denn ihr Gesicht strahlte vor Glück und selbst das Fernbleiben des Grafen konnte ihre gehobene Stimmung nicht Stillen nichts anderes erwartet. Sie schloß jetzt ihren Schwiegersohn, wi« «s nur eine liebende Mutter vermag. fen, denn di« müssen jeden Augenblick falls hier," sagte Waltrud und setzt« Auch Waltrud freute sich auf das Wurzeltraft. gung. Sein Haß war in den vielen Jahren nicht schwächer geworden Milien «in« Brück« gewölbt, die freilich jetzt schon wieder in's Schwanken zu gerathen schien. Seitdem der Vater seinen Wider stand gegen die Herzensneigung des Sohnes aufgegeben hatte, war Wal trud auch mit den Eltern Irmgards in nähere Berührung gekommen, und sie konnte diesen vortrefflichen Menschen ihre vollste Anerkennung nicht versa gen. Der Baron zeigte zwar selten ein« fröhliche Miene; ab«r s«in ganzes We sen verrieth doch eine vornehme, echt ritterliche Gesinnung. Wie war es nur möglich, daß der Vater auf «inen solchen Mann den Haß übertrug, den «r mit Recht oder mit Unrecht noch im mer gegen dessen Bruder im Herzen trug? Und vollends die Baronin! Sie verstand es in ihrer feinen, liebens würdigen Weis«, alle Herze» zu gewin nen. Waltrud fühlte sich zu der fast noch jugendlich aussehenden Frau um so mehr hingezogen, als ihr selbst der Himmel jenen Frohsinn und jene Fri sche versagt, die sich die Mutter Irm gards trotz aller Alltagssorgen, die auf junge Comtess« fühlte gerade ini Hause Schwere ihres Verlustes. Mit welcher Wärm« und Begeisterung sprachen die in die Ferne lauscht«. Jetzt ließ sich schon Hurrahgeschrei „Sie kommen! sie kommen!" rief die Baronin und streckte ihre schlanke Gestalt noch mehr in die Höh«, als könne sie den Augenblick nicht erwar h«ran. Selbst das wieder so ernst und sor genvoll gewordene Gesicht d«s Barons Eltern! „Du hast Recht, Bernhard, fügte schens nicht zu stören; aber sie konnte durch das leicht« Geziveig die An kömmling« betrachten, während sie Welche Veränderung war mit den Ju g«ndsr«unden vorg«gangen! sie erkannte sie heute kaum wieder und doch hatte sie dieselben kurz vor Ausbruch des Krieges, wenn auch sehr slüchtig. ge sehen, Sie schienen um viele Jahre gealtert zu sein; selbst der jüngste Ba ron, der damals erst 20 Jahre gezählt und auf dessen Lippen kaum ein ivei cher Flaum gesproßt, sah jetzt mit sei nem von Wind und Wetter gebräunten Beide Brüder waren blond und so ziemlich von gl«icher Größe, nur wa ren die Schultern Arnulfs ein wenig waren ganz in Eichenlaub «ingehüllt, selbst ds« Mützen zeigten sich damit geschmückt. Ach, diese glückstrahlenden Gesichter! Es befchlich Waltrud kein Gefühl der als Krüppel aus diesem glorrei chen Feldzug und der nie wieder, wie diese vom Schicksal Be günstigten, zu einem völligen Genuß Ves Daseins kommen konnte; sein süße ster Traum sollte sich wohl jetzt ver wirklichen; aber den freien Gebrauch wieder. (Fortsetzung folgt.) Für die Küche. Rosinen, IlX> bis 125 G. gereinigte Ko- Citronat, bis 90 G. eingemachte. Gedämpfte Kalbsbrust. Eine schöne, weiße Kalbsbrust klopft man mit der Fläche des Hackmessers man ein Stück Butter in einen Topf, legt die gut abgetrocknete Brust darauf, fügt zwei in Scheiben geschnittene Mohrrüben und eine Zwiebel hinzn und läßt die Brust aus nicht zu star kem Feuer im Ofen fest zugedeckt, däm pfen. Sollte der Fond zu kurz ein kochen, daß das Fleisch anfängt zu braten, so fügt man eiwas Bouillon hinzu. Nach cirka 2 Stunden nimmt man das Fleisch, das bis dahin fleißiz begossen wurde und welches eine schöne, Kornstärke verlocht hat, durch ein Sieb und gibt ihn als Sauce zum Kalb fleisch. R«st« von Kalbsbraten hackt man fein, würzt es nach Ge schmack mit Pfeffer, Salz und Senf, rührt etwas Butter dazu und streicht die Masse auf frisch geröstete Brot schnitten—Toast. Ein Rest von ge kochtem Schinken mit dem Fleisch ver hackt, verbessert den Geschmack. Junge Hühner nirtPeter silie gebraten. Junge, fleischi ge Hühner werden gut gereinigt und eine Bratpfanne, übergießt sie mit ei ner Obertasse voll zerlassener Butter und bratet sie in Stunden gold braun, wobei sie fleißig begossen wer den müssen. Tranchiren legt vor dem Anrichten die Lebern der Hüh ner in steigender Butter sautireft un>» mit zum Braten geben. Magen und Herzen geben gute Suppeneinlagen oder Beigaben zu Ragout sin. Die Sauce wird nicht gebunden, sondern G e 112 ü l lteKartoffeln Die selben sind als Abendgericht sehr zu empfehlen. Recht große Kartoffeln werden geschält und die erste Scheid« oben abgeschnitten. Mit einem Messer höhlt man die Kartoffeln aus und füllt si« mit gehacktem Schweinefleisch. Die oberste abgeschnittene Scheibe wird als Teckel oben darauf gelegt. Dann schichtet man die Kartoffeln in einen Topf und läßt sie mit F«tt oder Butter, dem man etwas Wasser zusetzen kann, weich dämpfen. Kalbshirn - Würstchen. Man nimmt dazu zwei recht frische, sauber gewässerte und abgezogene Kalbsgehirne, die man mit etwa 4 in Weißbrödchen fein hackt und mit eben so viel zerlassene: Butter oder noch bes ser gehacktem Rindermari vermischt. Nun würzt man diese Masse milSalz, Pfeffer, 6—B Tropfen Maggi-Würze und giebt sie so lange in kochendtZ Wasser, bis sie fest geworden sind. Dann hebt man sie heraus und brät sie einander, nimmt die Fäden weg und richtet die Würstchen nit gebacken» Petersilie an. Energisch. Schuperjung« (singt auf der Straß«): „Will mich ein mal ein guter Freund besuchen, so soll er mir willkommen sein; ich setz' ihm vor den allerbesten " Herr: „Willst Du wohl den Mund halten!" — Schusterjunge: „Nanu, wie kommen. 3
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