2 Weltuntergang. Einer der unfreundlichsten Ziovem bertage verdämmerte. Btttzen umwetterten Damm. Links kollerten die kurzathmigere« Wellen des Boddens. Auf der enge» Sand zunge dazwischen arbeitete der Bursche sich keuchend durch den Sturm bis ans Ziel. Einen schnellen Blick warf er, als die Hütte erreicht war, hinter den ?!erttig der Kern. Lodernd die gezack ten Ränder. Eine unermeßliche, bis zur Himmelsmitte steigende Feuers brunst iiberhellte die Gegend. Dir Meereswogen trugen roth« Kämme. Die Straßenpfützen spiegelten Gluth. In den Prismen der Regentropfen glimmerte der Widerschein. Feuer oder Blut. Den Burschen schüttelte daS Grau sen. Unwillkürlich griff er in die Ta sche nach dem raschelnden Papier, 's hatte schon seine Richtigkeit, was da gedruckt stand! Herr Jes', solchen Elend! An allen Gliedern bebend, warf er die Hausthür ins Schloß, stürzte in die Stube, die fast den gan zen Raum der Fischerhütte ausmachte und Großvater, Vater, Mutter, Sohn und Tochter Kruse sowie dem Schlaf burschen Karl Böttcher als Wohnzim mer und Küche diente, überrannte jung und alt und stieß mit einer ihm sonst fremden Hast das kl«ine Fenster aus, das nach dem Meere sah. Herein pfiff d«r Sturm. Ueber Diele und Tisch sprühte der Regen. Mutter und Tochter entglitt das Netz, an dem sie flickten. Alt- und Jung - Jochen, die sich mit Karl Bött cher schwatzend am Tische rekelten, blieb das Wort im Munde stecken, und dem Greise auf der Herdbank fiel vor Schreck die Thonpfeif« aus dem zahn losen Munde splitternd auf die Diele. Gott bewahr' mich, wie der Jung', der Willing, aussah! Beschmutzt, durch näßt, mit klebendem Haar und kreide bleichem Gesicht stand er am Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Die blonde Stine faßte sich zuerst. Neb«n ihn tretend, that sie einen hellenSchrei: »Gotting ja, wat's dat?" Flammend schaute der Himmel durch „Feuer!" gellte die Mutter. „Feu er!" zeterte der alte und der junge Jo chen. „Feu«r!" schrie Karl Böttcher dem tauben „Größing" schadenfroh in die Ohren, daß d«m im Todesschreck Aber Wilhelm Rüg« schüttelte den Kopf. „Wenn's man blos Feuer wär'!" sagte er dumpf. Alt-Jochen stieß ihn unsanft in die Rippen. „Red doch, Minschenskind!" stöhnte er und drückte sie, daß es sie schmerzte. Dabei schoß ihm das Blut zu Kopf«. Unter der Berührung ihres warmen klemmendes G«fllhl in ihm auf. So «twas sollte vergehen? So etwas Weich«s, Warmes? Vergehen, ohne In seinen Augen flammt« es aus. Trotzig fast riß er sein werthvolles Dokument aus der Tasche. Eine zer tnitt«rte Zeitung war's. Die warf er mit dröhnender Fraust.aus den Tisch: Natürlich, Stine tonnt«. So drückt« man mit aller Kraft das Fenster wie der gegen den Wind, verriegelte es und ben der kleinen Lampe stand und las. Schrecklich viel Kauderwelsch zuerst: astronomische Untersuchung .... Te geskop«n...» Leaniden .... Wilhelm riß ihr d<B Blatt aus d« Hand. H«r, auf der zweiten Seite, Brand mcd 81u5t.... Sternfall... Erdbeben Komet, Zusammenstoß, Untergang. Weltuntergang. Heut«. den 15. November. „Quatsch!" lachte Karl Böttcher. Ätt-Jochen warf die Lippe auf. „Wahr wird das wohl si«n. Aberst was is da groß? Unnergaho muß sie ja doch mal. Laß man kommen, von ineinswegen!" höhnte er g«r«izt. Und der junge Jochen kranke sich hinter dem Ohr. .Wenn so was erst in die Zeitung steht —" memt« er nachdenklich. Wilhelm nickte. .Ganz meine Mei nung. Unkel Jochen hat «cht! unter gehen geht sie, und damit Punktum! In die Stadt Haujahnen si« all tohop. Ein Frugenstimmer hat sich schönsten versäuft vor Bange. Gussing Briid gam, was der Hausknecht zum grünen Esel is. wo ich Marktens ümmer aus spannen thu', hat mich heut morgen verzählt, kien ZVru bat die Kinner nich in die Schaul schickt, weil daß sie ab. slut mit sie zusammen sterben will. Un was Gussing sein Herr is, der hat ver zahlt. Jud' Nathan hat verzählt, in Italien sünd sie jawoll reinemang wattig vor Angst " Jung.Jochen riß die Augen auf. «Bei na Italien geht die Welt unter?" .Tchapskopp!" schrie skin Vater, letzte Stunde drin!" Stine schrie auf: „Herr Jes' ja!" Nur Frau Kruse rührte kein Glied. Wie sie gestanden hatte, stand sie noch. Regungs-, verständnißlos. „Woans, Willing?" stammelt« sie blöde. Alt-Jochen, ihr Mann, fuhr sie grob druckte Beweise unumstößlich über zeugt. .Kakel nich, Ollsch; Kiek na de« Hcben: Brand und Blut! Un hör auf dem Wetter und der willen See: En'n geht di de ganze Erdenkram. Paß Achtung: wenn de grote Knall trimmt, sitteu wi sast, un ke«n Düwel mich makt uns wedder flott!" „Brand und Blut!" murmelte der Oreis in seiner Ecke. .Bescher uns, Gott, ein sanftes End«, Am«n!" ~N«, Größing, ne!" Stine stürzte sich an seiner Seite zu Boden und um klammerte außer sich seine Kniee. „Du hest good reden, bi die» Oelkr töwst du so wie so nich mihr lang! Aberst ich! Siebzehn Jahr', un nu all allens vörbi!" Sie riß die Hände vors Ge sicht. An der Herdecke, die nassen Kleider zu trocknen, lehnte Wilhelm Rüge. Finster schaute er auf das Mädchen herab. Das Lämpche» spann einen matten Strahl über ihre dicken, blon den Zöpfe. Dazwischen, weiß wie Schnee, schimmerte der volle Nacken. Die Schultern wogten in hestigem Schluchzen, und die runden Arme streckten sich verzwriflungZvoll. Sieb zehn Jahre, und unbegehrt aus d«m Leben gehen! Seine Hände ballten sich. Jammer und Schande! Draußen ratterte der Sturm. Pfei fend johlte er durch den Kamin. Heu lend strich er um die Wände. Das Branden der See trug er ohrbetäu bend vom Ufer herauf. Dazwischen murrte der Donner. Keiner sprach. Es war, als warte man auf etwas Unnennbares, das mit jedem Pendelschlag der schwachbriisti gen kleinen Kuckucksuhr näher schlich und aller Rede und Gedanken lähmte. Nur der Alte bewegte murmelnd die zahnlosen Kiefer, während Stine wei ter schluchzte. Auf dem Fenstersims Hockte Jung- Joch«n. Durch das herzförmige Loch der Läden gössen jagende Blitze ihren Schein über seine zusammengekauerte Gestalt. Er pfiff stumpfsinnig vor sich hin und schüttelte von Zeit zu Zeit den strohblonden Dickschädel. Neben ihm die Mutter stierte nach wie vor blöde ins Weite. Nur, daß sie mitt lerweile auf ihren Sitz zurückgesunken war. D«n Oberkörper hielt sie ker zengerade, wie zum Sprunge bereit. cheln. Am Himmel draußen erlosch gemach das Flammenmal. Schleier zogen darüber. Wolken deckten es zu. „Kinnings," meinte Alt-Jochen end lich, „denn helpt dat nich. Wat sien möt, möt si«n. Aberst in voller Ord nung will ich aus die Welt gehen. Dat Hus bestellen, dat schall un will ick! se, Karl Böttcher, du büst mich noch die letzte Miethe schüllig. Her dor :nit!" bogen auf den Tisch und den Kopf in die Fäuste gestützt und blätterte in Wilhelms Zeitung. „Red du!" lachte Alt-Jochens Stirn färbte sich. kein Saufaus nich 'west „Dat is mien Sak! Kümmer di mich üm anner Lüd' Geschäften!" äffte Böttcher. „Dien Sak? Teufel auch! Wenn een verrückt ward, ward he toierft in'n Fleck. H«st hürt?" „Gehört woll. Aberst thun thu' ich de Welt gahn. Das Geld brauch« ich—- .Woll to dien Leichenbegängniß?" spottet« der andre. Alt-Jochen fuhr in die Höhe. „Ki«rl, we«z k«en schrie er er schlug ihm, bevor der sich's versah, mit der Rechten schallend ins Gesicht »Das von wegen dem Lumpenhund! Smeckt sachting, wat?" Der Getroffene heulte auf. Im Nu hatte er seine Faust um Böttchers .Hundsfott!" donnerte der. .Weil för? Jawoll, kriegen will ich dir un Fiddelbaaen up diene Knalen spelen! Kann sien, dat mi«n Geld rutesöllt, wenn ich dir dächten ausklopfen thu'!" Sein Gesicht war wuthgeschloollen. Wie ein Thier stürzte er alles beiseit, beinigen Schemel ergreifend, schwang er ibn mit voller Wucht und schmetter te ihn aus Böttcher's Schädel herab. Aber dieser 'chlllpfte drunter durch. Im nächsten Augenblick hatt« ersuch schon die Thür aufgerissen. Hinaus war er, in di« brüllende Nacht. Alt- Jochen keuchend hinterdrein. „Dat giwt 'ne dächte Prügelte!" meinte Jung - Jochen und pfiff gleich müthig weiter. Ueber Wilhelm» Züge ging ein dü steres Lächeln. Mochten die zwei to lxn und wüthen. Stumm wurden sie doch bald genug. Stine hatte der Lärm aufgestört. Sie rieb sich mit der Warpschürze die Augen trocken. Dann griff sie nach dem rostigen Schlüsselbunde üb«r dem Herd«. .Was nu?" fragte Wilhelm. .Uns' Farken födern." »Denn man to!" nickte der eifrig. »Ich komm' mit un helf dich!" Bei der Erwähnung d«s Ferkels ging mit Jung - Jochen «ine merkbare Veränderung vor. Er hob den Kopf, dos eintönige Pfeifen verstummte, und der breite Mund dehnte sich zu einem behaglichen Schmunzeln. Gleich dar auf tlotzte er in seinen derben Holz pantoffeln vom Fenster herab. „Mut ting, ich weiß was," rief er, an Frau Kruses Stuhl tretend. „Die Welt Lat Stine dat lütt' Farten flachten. Kein Mensch nit giwt uns da nochGeld für, weil daß kein M«nsch nich morgen mehr leben thut. Wi will'nt «eten, Mutting! Un drinken will'n wi ok. De Buddel Rum steht noch baben in't Schapp. Kinnings, supen will'n wi. Feiern, bis der groß« Knall kömmt. Lustig geht die Welt zu Grunde " Er hatt« lange nicht so anhaltend ge sprochen. Die Aussicht auf den ver gnügten Abend begeisterte ihn augen scheinlich. Frau Kruse antwortete nicht. Sie kaum zu hören. Der lächelnde Ausdruck ihrer einfachen Züge wurde immer ausgeprägter. Sie saß vorge beugt und hatte die gerundeten Finger um das Ohr gelegt, als lausch« sie in die Ferne. Jetzt hob sie statt aller Entgegnung bedeutsam den Zeigefin ger der andern Hand. „Horch, Musik!" slülterte sie geheimnißvoll. „Schnickschnack!" antwortete Jochen ungeduldig. .Der Wind fiddelt in'n Schosteen, dat is de ganze Musik! Paß Achtung, un lat Stine dat Farten flachten ich hab' all' dächten Hun ger!" Ermunternd stieß er sie in den Rü cken. daß ihr Kopf unfreiwillig vorn überfant. Er nahm das in seiner Bauernschlauheit ohne weiteres für ein Zeichen der Gewähr. .Fixing, Stine, Mutting nicktöppt!" kommandirte «r. .Uns' lütt' Farten!" meinte sie be bedenklich „Wenn Baiting das wüßt, halb dotschlagen thät' er dir! Uns' einzigstes Vermögen!! Woans schall'n Pen?" „Red du un de Düwel!" schnitt Jo chen ihr ärgerlich das Wort ab. „Ver töpen! Grotfodern! Bet hüt Abend, he? Thu, as Mutting seggt!" Herausgehen, nahm sie das Messer, ne stelte ihre Schürze los und schlug sich die als Regenschutz über den Kopf. Wilhelm begleitete sie. Draußen arbeiteten sich die beiden durch den Sturm. Nach den ersten drei Schrit-" ten verlöschte die Laterne. Ueber ih nen jagten die Wolken, trieben die Blitze. Bor der zum Bach geschwolle nen Goss« bückte sich der Bursche, um schränkte des Mädchens Knie« und ihn die Wärme ihres jungen Körpers. Sie fühlte sein Herz tlopsen. „Stining!" flüsterte er dicht an ih- Stining?" Aber sie wehrte sich und lachte. „Hier mitten mang den Regen, Willing?" „Keen Tid nich? Ja, du! In'ner woll mehr Zeit?" Mi! schnellem Ruck befreite sie sich. rief sie h«ftig .Hiirst, Willem? Ich den will ich, leben!" Sie ballte die Hände. Ihr Busen flog Voll Leidenschaft riß Wilhelm sie Gesicht! Mitten letzte Stuhl, stemmte den rechten Arm auf die Platte und drückte die Stirn in die Sand. Voll heimlicher Scheu betrachtete Jung-Jochen den Bater. Still stellte er die Flasche Rum beiseite, die er kommender Genüsse harreckd als Abschlagszahlung bereits aus dem genblick wünschte er sogar, von der be wußten Ferkelangelegenheit geschwie gen zu haben. So düster war des Va ters Miene Hinten am Feuer hob Größing den Vlick. .Na nu wur hest Korl Bött chern laten?" Alt-Jochem fuhr mit dunkelrothem Kopf herum. „Weet ick't?" schrie er „Na, na, man sachten —" meinte der begütigend und lehnt« sich einge schüchtert gegen die warme Herdwand Des Fischers Haupt sank wieder in die Hände. Was der Alte neugierig war! Er Jochen wußte doch wahrhaftig nicht, 'wo Böttcher geblie ben. Blos schreien hatt' er ihn ge hört, und auf der Flucht vor ihm Jochen wie einen Plumpsack im tollsten Sturm und Rabenbiesterniß das glitschige Ufer hinabturleln hatt' er ihn gesehen Vom Damm, über Kopp, ins Meer. Weiter nichts. Und da frug der 011, wo er Karl Böttchern gelassen hätt'! War der nich groß ge nug, um für sich selbst zu sorgen? Sollt' er Jochen vielleicht nach springen und mit ihm versaufen? Das wär' dir was! Ja, wenn er Karl Böttchern wirklich vom Tod retten könnt' worum nich?! Aberst der war ihm sicher, so oder so. Wenn der groß- Untergang losging, war der doch kaputt. Nun ging er tben ein büschen früher flöten. Das war die ganze Ge schichte, Perdüh gehen mußten sie alle. Und darum so'n Gethu von dem Ollen da drüben! Dröhnend sank sein« Hand auf die Tischplatte. Zum Dunner, sein Geld hatt' er nu richtig verloren! Das lag in Korl seine Hofentasch' mang die Fisch' unten! Das ganze, schöne Geld! So'n Filuh! So'n tückschen Slauber ger! Nu konnt' Alt-Jochen zusehen, woans daß er zu seine Miethe kam! , Er starrte mürrisch vor sich hin. Ein Weilchen war es still im Zimmer. Größing hatte di« Augen geschlossen. Jung-Jochen wippte auf seinem hohen Sitz stumpfsinnig mit dem überge schlagenen Bein. Mutter Kruse be wegte bald nickend, bald schüttelnd den nißvolle Zwiesprache. Plötzlich >vas war das? Bom Meere kam's. Dumpf klang's, und doch Mark und Bein durchdringend. „Gott erbarm dich!" stöhnte der Greis. Karl Böttcher! Er meldete sich an! Kruse in Ausbruch. „Ich lich! Alt-Jochen athmete auf. Dies- Schifs in Todesnoth. sich ab. übers Meer. Ans Haus heran. Auf Fenster. „Hurrah!" jauchzte Frau Kruse. „Uemmer 'ran! Dat's ein Witz! Kin nings, Rinnings, ne, so wat!" Sie Weib hinterdrein. große Stille. Die Wuth der Natur schien erschöpft. Nur den Regen ver einmal mit den glasigen Augen und Der Greis öffnete die Lider. Ge schlafen hatte der nicht. O nein, dazu Enkel. Der war besorgt und aufgeho ben. Gottlob, noch war's Zettl Müh sam streckte er den Rücken und stemmte war ihm und der Welt noch Frist ge- Ein triumphirendes Lächeln zlitt über sein Runzelgesicht. Gefunden, Gott sei's gedankt! Ein alter, grauer Wollstrumpf war's, mit dem er sich den wie ein Sack In Füßling und Wade drall ausgestopft. Sekunden lang wog er ihn zärtlich in den Hän seinem Sitz vorüber zum Herde. Den Kessel hob er vom Ofenloch. Den Strumpf band er auf. Stück für Stück ließ er den Schein und die Mün dern. Alles. Bis er den Strumpf leer in den Fingern hielt. flackernde Gluth. Wie sie lockte. Wie nur noch ein Klümpchen Metall ein Häuflein Asche Heiß sammelte sich's in seinem Auge. er ein Bettler. Nichts, als das Hemd Als Stine und Wilhelm das ge schlachtete Ferkel brachten, fand sich Niemand, der Appetit zum Schmause besaß. So ließen sie es unzubereitet und gingen still an ihre Plätze. Der eine hier, der andre dort. Durch Ende. Es wurde spät. Die Lampe gloste, flackerte und erlosch. Durch die Herz löcher der Läden blinkte erst flüchtig, dann stet, der Mond. Kaum noch ein Lüftchen ging draußen. Die Wolken zertheilten sich. Der Regen schwieg. Nur von dem Dachfirst traufte es noch auf den Fensterrand. Gleichtönig. Rastlos. Tick-tack, tick tack. Und mit jedem Pendelschlage kreiste das Blut unruhiger in aller Adern. Elf. Biertel, halb zwölf. Wie, wenn die Welt sich besonnen hat te? Wenn sie, allen Zeitungen der Erde zum Trotz, nicht unterging? In »Krem Winkel drüben legte Sti vor ihr glühendes Antlih. Wie sollte ben? Vater und Mutter ins Auge se hen? Wilhelm saß und starrte in die Nacht. Das Herz hämmerte ihm ge- Am Herde lauerte der Alte. Die her. war's und sein Weib. Stirn. Mondschein floß hinter ihnen drein über die Schwelle. Er spann sein« Karl Böttchers lag. Todt. Kalt und Da lag er. Und der Mond kroch ihm über das bläulich starre Gesicht. Von ihren Plätzen kamen die andern und umringten ihn. Keiner fragte. Keiner sprach. Auch Alt-Jochen nicht. Halb abgewendet schielte er dem Tod ten ins Antlitz und nagte an der ta baksbraunen Lippe. Reglos umstanden sie den stillen Schläfer. Und alle sahen mit gleichen Gefühlen auf ihn herab. Karl Bött ch«r. Todt. Fertig. Durch damit. Wer ihnen gestern um diese Zeit ge sagt hätte, daß sie jemals in ihrem Le< ben den Nichtsnutz, den Karl Böttcher, beneiden würoen! Von der Wand her störte das Schnarren der Uhr sie auf. Der Pen del hob aus. Oben im Holzgeschnitz öffnete sich das Thürchen. Heraus trat der Kuckuck, sperrte den Schnabel und rief zwölfmal seinen Namen. Doiin ging in seine Ve- Stwas über Tcppiche. Leute, denen dieses Wor- Kind, Selbstverständlich handelt es sich hierbei um »echte" Teppiche, um Webereien oder Knüpferelen, die aus den Händen fleißiger einem flüchtigen Blicke. Woran sind sie kenntlich? Es gibt eine ganze An zahl der verschiedensten Arten. Also was ist ihr gemeinschaftliches Unter scheidungsmerkmal? Eigentlich besteht kein absolrtt auf alle anwendbares Waare, und „durchweben", d. h. so wirken, daß das Muster auch auf der linken Seite klar zu ist kön denen man das '.Anilin" sofort an sieht. Das aber gerade ist das Kenn zeichen guter Waare: es gibt nie einen gebraucht. Aus den stärksten, sattesten Farbtönen setzt sich eine vollendete braucht nur daran zu denken, daß Per sien, die Bucharei, Turkestan u. s. w. Länder von einem Flächeninhalt sind, der den Deutschlands bei weitem übertrifft, um sofort zu begreifen, daß Landstrichen wohnen, einen grundv«r fchiedenen Geschmack entwickeln und dementsprechend auch ihre Teppiche grundverschieden in Muster, Farbstel lung und Gewebe wirken. Und gerade meist von Frauen aus Grund Jahr hunderte langer Ueberlieferung ge pflegte Hausindustrie. In Hütte und Palast ist der Teppich beinahe da« ein zige Stück, das den Raum nicht .rur wohnlich macht, sondern mit seiner Farbpracht auch schmückt; denn Bilder verbietet der Kor.'.n. Der Boden ist mit Teppichen bedeckt, alle Sitzgelegen heiten, die Wände, und vor den Thü ren hängen die dünneren Gewebe, die Kelims und Djidjims. Der Orientale zieht dementsprechend auch stets hie auf der Straße getragene Fußbeklei dung aus, ehe er die Gemächer seines Hauses betritt. Bon den Ktätten ihres Ursprungs werden nun die kostbaren Wirkereien nach den Hauptstapelplätzen gebracht, nach Bagdad, Damaskus, und zwar durch Karawanen, die heut noch wie zu den Zeiten Harum al Raschids die alten Kaufmannsstraßen bevölkern. In Damaskus mischt sich oft schon der abendländische Kaufmann ein, ebenso in Kairo, immer aber in Konstantino pel. Hierhin senden die großen Lon doner, Pariser, Berliner Häuser schon ihre eigenen Einkäufer oder haben sie gar dauernd am Ort sitzen. Und in diesen großen Weltmetropolen wendet sich dem«ntsprechend auch der „kundige Thebaner". wenn er «inen Teppich kaufen will, an eines dieser Häuser, da er weiß, daß ihm dort ein der Waare entsprechender Pteis gemacht Wirt,. Und doch blüht der Kleinhandel, die „Teppichnepperei", wie der Berliner sagt, auf das üppigste daneben. D«r Kleinhändler, der. bewaffnet mit ei nem Dutzend Teppichen und einer fabelhaften „Unrausschmeißlichkeit", seine Opfer, meist notorisch gut ge stellte Leute, überfällt, wird im An blick seiner Waare zum Märchendichter mit wahrhaft orientalischer Phantasie und weiß durch seinen unhemmbaren Redefluß oft skeptisch veranlagte Leute zu überzeugen, daß er ibnen die Waare halb schenken will, da er unbedingt morgen wieder nach Konftantinopel und Kairo muß. Er hat diefe Städte nie gesehen, sondern stammt meist aus der Gegend zwischen Preßburg und Temesvar und kauft seine Waare auf den Hauptzollämtern der großen Städte, den „Packhöfen", nach Gewicht vom Großhändler, der sie dahin diri girt und lagern läßt, da er selbst im mer auf Reisen ist und einen festen Wohnsitz überhaupt nicht besitzt. Des halb heißt es aufpassen, wenn man echte Teppiche kaufen will. Das theuerste Buch, das bis jetzt hergestellt wurde, ist „Die of ficiellt Geschichte des amerikanischen Sezessionskrieges", die im letzten Fe bruar fertig geworden ist. Nicht we niger als 2.800.000 Dollars sind da für aufgewendet worden. Das Werk umfaßt 110 Bände, die Druckzeit er streckte sich über zehn Aabre. Tie Ruhekur. Drei Wochen Zeit und ein« bedeu tende Summe Geld ist der Preis der .natürlichen Ruhekur", die jetzt die nach ewiger Jugend suchenden Parise rinnen am meisten anzieht. Man nennt diese Kur in Paris „natürlich", wahrsch«inlich w«il die Sonne und die Landluft mit dazu gehören und die Schauplätze gegen die prächtigen Sa lons und Boudoirs mit allen ihren elektrischen Instrumenten und chemi schen Mitteln abstechen, die bis jetzt die Zuflucht der erschöpften Pariserin wa ren. Es werden nicht etwa alle In strumente zurückgelassen, so daß sie durch Nichtgebrauch rosten; denn wenn die gnädige Frau den Pariser Staub von ihren Füßen schüttelt, so ist sie auf der Fahrt Seiligthum der Schön heit von einer ausgebildeten Wärterin begleitet. Diese trägt einen Beutel bei sich, in dem sich Töpfe mit Poma den, Oelen, Schönheitswässern, Bün del süßduftender Sachets, Puder, alle möglichen feingearbeiteten Instrumen te, ein mit der Maschine geschriebenes Berzeichrnß von Vorschriften, Tabel len und Notizbücher befinden. Sehr oft gehören auch besonders construirte Bäder zu d«m Gepäck. Ist sie in der Ruhe des Landes angekommen, so durchsucht die Schönheitswärterin daS ganze Haus und wählt den Raum, der ihr am passendsten zur Ausübung der Kur zu sein scheint. Ob das nun das Gastzimmer, die Kinderstube oder die »Schatzkammer des alten Schlosses ist, bleibt sich gleich. Alles darin Be findlich« wird eiligst fortgeschafft und der Raum in ein Boudoir verwandelt, bis die Verjüngung der gnädigen Frau vollendet ist. Nicht nur die Lage des Zimmers, sondern auch die besonderen Räume in nächster Nähe, der Epheu oder die Schlingpflanzen, die an den Fenstern hängen mögen, all' das wird in Erwägung gezogen. Ist die Wahl des Zimm«rs getrof fen, su werden alle Fenster geöffnet und Tag und Nacht offen gehalten, ein Verfahren, das in Paris unbekannt ist, denn gewöhnlich glaubt man dort, daß offene Fenster zur Nachtzeit gesahrdro- Dies ist nun der Schauplatz der Thätigkeit, und je nach der Persönlich keit kommen Sonnen-, Milch-, Oel-, Dampf- oder adstringirend« Wasser bäder, heiße und kalte Milchcompressen u. s. w. zur Anwendung, die je nach dem Wetter von stundenlangen Massa gen mit Cremes oder schaumigem Eiweiß und Honigwaschungen unter brochen werden. B«i Sonnenschein wird die Gelegenheit zum „Schmoren" in ihren Strahlen wahrgenommen; zur ruhigen Siesta wird das Gesicht mit einer Teigmaske bedeckt und gegen jeden Schein beschattet, di« Haare wer den in der Sonne ausgebreitet. Zu diesem Zwecke ruht die Patientin in der denkbar bequemsten Lage, und ihr Kopf ist vorher eine halbe Stunde lang elektrisch massirt worden. Ein« ein fache Kost und sehr viel ruhiger Schlaf sind wesentlich« Bestandtheile der Kur. die die elegante Pariserin so entschie den bevorzugt. Die Ergebnisse dieser Behandlung machen Furore in den Kreisen, die die französischen Schön heitsspecialisten umgeben; denn nie mals früher soll die ermattete Parise rin jene Reinheit und jenen Glanz des Teints so wiedererhalten haben, wie er der jugendlichen Schönheit unter zwanzig Jahren eigen ist. Der Glaube an die Kur wird durch den Zufall unterstützt, der das Tage buch einer berühmten Schönheit aus dem 18. Jahrhundert an den Tag brachte und damit einige kostbare Ge heimnisse zur Herstellung von CrSmes und Schönheitswässern, die den Ruf und die Schönheit Marie Antoinette'S und anderer Schönheiten jener Zeit fördern halfen. Heutzutage münzen Leute, die in Paris die Figur machen und verbessern, Gold. Am beliebtesten ist die sogenannte Kaltwasser - Zaube rin, die so heißt, weil sie einen eisigen Strom über ihre Kundinnen gießt. Pfunde überflüssigen Fleisch«s ent fernt sie durch Beutel, die mit feinge schabtem Eis gefüllt sind. In ein Betttuch gehüllt, wird die Patientin erst aus einen Holztisch mit einer dem das Begießen fertig ist. kommt rauf das Opfer sich Im Laufen Bewe — Ein Eisenbahnunfall ungewöhnlicher Art ereignete sich auf der Station Pattburg der Strecke Neumiinster - Wanderup in Schles wig - Holstein. Ein Güterzug von 6 Waggons wurde beim Rangiren rück wärts gestoßen. Der letzte Wagen durchbrach einen Prellblock, vier Wa gen entgleisten, und der Zug rannte direkt in ein am Bahnkörper stehendes Haus. Der Bremser Ehlers aus Neu miinster fand bei dem Unfall seiner» Tod, während die Bewohner des Hau-
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