Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 01, 1902, Page 2, Image 2

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    2 u« Haare« Breite.
1 Uhr 32l Vier Minuten bis zur
Abfahrt.
Der Führer Martell wirft einen prü
fenden Blick aus die Stationsuhr und
zieht zum Vergleich mit der Linken be
dächtig seinen Ehronometer, während
er mit der Rechten die Putzwolle, an
der er sich eben die berußten Finger
abgewischt hat, aus den Tender wirst.
Dan» gleitet sein scharfes Auge noch
«inmal langsam den Zug entlang. Un
ablässige Sorgfalt ist ihm Gewissens-
Pflicht. Da steht an der Spitze mas
sig, i» stolzem Selbstgefühl, fein
»Siegfried". 1 Uhr 26, mit drei Mi
nuten Verspätung, war der D-Zug 42
in die Station eingelaufen, und Mar
-42 Achsen! Des Führers Stirn l«gt
Abschließen! ruft der Führer der
.Frieda" Hein Stationsarbeiter zu, der
«b«n d«n Tender nachfüllt. Ein Blick
auf die Scala hat ihm gezeigt, daß der
Behälter gefüllt ist und gleich überlau
fen wird. Zudecken, Weber!
Der Heizer klettert von hinten auf
«ifrig über den Bahnsteig. Achtung!
Der gelbe Postkarren rollt heran. In
den Nebengeleisen wird rangirt, un
deutlich schallen di« Befehle der Bedien
steten. Wenn die Puffer gegen einan
roldsrus, und der Pfiff der Locomo
tiv« gibt Antwort.
Eben hat der Zugführer einen jun-
Glllckliche Jugend! murmelt Martell
Geist und Körper folgende Erschlaf
fung zerrütten die Nerven. Man nutzt
gar schnell ab. Am liebsten hatte er sich
weitergehen! Sein geheimes Sehnen
regt sich wieder. Wenn er sich jetzt zur
Ruhe setzen könnte? Unmöglich, ehe
seine lungens auf eigenen Füßen
stehen, ist's nichts mit dem Pevsiom
renlasse». Drei Jahre immerhin noch,
dan» ist er 61 Jahr« alt. Was mag
«en?
Der Tritt des dienstthuenden Sta
tion sassistenten reißt ihn aus seinem
Nachsinne». Der Beamte hat die rothe
Scheitel zu bedenklich > verlängerte
Stirn.
Furchtbar schwül. Führerl Ihne»
treibt der Windzug nachher wenigsteiis
«inige Kühlung in's Gesicht. Wir sind
gleich soweit. Wird wohl heute Nacht
nicht?
Der Führer zuckt mit den Achseln.
Will'S wenigstens hoffen. 42 Achse»
bei 80 Kilometer Schnelligkeit ist keine
Kleinigkeit, und zudem ist die „Frieda"
Tag ein Anderer. Ein unzuverlässi
ge» Ding, ich kenne sie. Ich glaube
übrigens, daß eS an einer kleinen Ab-
Der Assistent folgt dem
t>es Führers und schaut nach dem Ho
blitzschnellen Strahl erhellt wird.
Ein Gewitter, meinen Si«? Ah bah,
gen, uns durchnäßt er den Pelz und er
schwert unS die Aussicht.
Alles in Ordnung! Noch eine yalv«
Mmule! bemerlt oer huizmrei-ndc
geiqaslig und >ag> leine'
in llcl ioiyc.iTa>che ver>chwin-
Assistent tritt aufmerksam ei»
paar Schrille zurück, die Schaffner
schlag«» di« Wagenlyüren zu, und
Mariell steigt langsam aus den Huh
rerstand.
Genug. Keine unnöthige Ver
schwendung! Das Zeug schlackt s»
schon genug.
Gehorsam st«llt d«r H«izer die Koh
lenschipp« w«g und greift nach der Oel
kanne. Duntelroth flammend liegt die
wogende Mass« in der Buchse, gierig
lecken bläulich züngelnde Spitzen an
dessen Inhalt bis zu 12 Zltmosphärcn
fahren! erschallt der Befehl des Assi-
Pfeife des Zugführers zieht Martell
den Griff der Dampspseife. Kur, und
scharf durchdringt das Signal die
Halle. raschem Griff legt Martell
dann mit wachsender Geschwindigkeit
setzt sich der Zug i» Lauf. Die im Ne
bengeleise mit der Rangircolonv« ar
b«itend« Rangirmaschine wird über
holt. Der Führer tust einen flüchtigen
Gruß herüber, der «benfo rasch erwi
dert wird. Noch einen Blick wirft
Martell <rnf die Station zurück, daS
langhingezogcne Lichtmeer schwindet,
die Umriss« d«r Bahnhofshalle und der
Verwaltungsgebäude verschwimme»
undeutlich mit dem schwor,bewölkten
Hintergrund. Dos Ausfahrtsignal
an dem hohen Mast ift offen. Nun noch
«ine scharfe Eurv«, und dann liegt die
frei« Strecke vor dem Fiihr«r.
Jetzt ist Martell vollauf in Anspruch
genommen. Der Heizer ist noch ein
Neuling in feinem Handwerk, manche
Unterweisung muH ihm der Führer ge
ben, aber dieser weih, daß sein Gehilfe
sich nach Kräften anstrengt, und sucht
ihn da und dort durch ei» freundliches
Wort aufzumuntern, was jener dank
bar anerkennt. Dann heißt's wieder,
auf dem Führerstand AuSlug halten.
Die Ausguckfenster sind blank und un
getrübt, und nur manchmal muß der
Führer zur schärferen Beobachtung
den Kopf seitwärts in den schneidenden
Windzug hinaushalten. A»g«pr«ngt
unt«rsucht er die vor ihm li«g«nde
Streck«. Kein Signal darf unbeobach
tet vorbeifliegen. Und oftmals muh,
wo das Auge nicht ausreicht, das Ohr
,zu Hilf« komme». Nur auf wtnige
dreißig Meter durchbrechen die von den
blitzenden Blendern der Kipssignalla
terne» »ach vorn geworfenen Strahlen
der Petroleumlichter den Schleier der
Nacht, während seitwärts vom Zuge
der auS den Wagenfenstern fallende
Schein lang«, helle Streifen auf daS
Gelände wirst. Wie in einem Zauber
märchen stieben im Fluge Telegraphen
stangen, Bäume, Hecken und Gehöfte
vorbei, abseits liegende Dörfer erschei
nen in ti«s«r Ruhe als schwarze,
plumpe Mass«, und nur auf eiue kurze
Minute tauchen die Signallaternen
größer» und kleinerer Stationen auf,
um ebenso schnell wieder in die Finster
niß zurückzusinken.
Duster, die Faust um die Forme»
des BremSventilS geklammert, schaut
Martell in die gleich einer flüchtenden,
ungreifbaren Mauer vor ihm liegende
Finsterniß. Zwar die frühere Mattig
teit ist geschwunden. Gehirn und Kör
per arbeiten angespannt. Aber durch
des Führers Kops gehen mancherlei
ernste Gedanken. Wohl stumpft die
Tretmühle deS Berufs gegen manche
inneren A»d äußere» Eindrücke ab.
Eines lann sie nie einschläfern, das
schwer lastende Verantwortungsgefühl.
Nicht sowohl die Sorge um die eigene
Person ist eA, die ih» aus'tz Aeußerste
anspornt, die nie erlahmende Triebfe
der ist weit mehr daS Bewußtsein, daß
so viele Ntenschenleben seiner, eines
felde. Als der Soldat? Ja, aber wäh-
Ausguck bei seinem täglichen Flug» den
Frühling in'S Land ziehen, er sieht die
zarten Gräser sprießen und die junge
mer verlangend die schwergercisten
Aehren der Sense des Schnitters ent
gegenreckt. Er sieht im Herbstmond de»
Landmann, den Winzer srohbewegt die
Früchte ihrer harten Mühen einheim
sen, und er fühlt es auch, wen» der
Winter die Laade im Frost erstarren
macht und eine weiße, endlose Leichen
decke über die müde Erde ausbreitet.
Leben und Tod? Ob jugendfrischer'
Lenzmorgen oder regnerischer Herbst
mittag, ob linde Sommernacht oder
abgestorbener Wintertag, dessen eisig«
Nord di« schneidenden Schneekörner
aufwühlt, der Führer steht unentwegt
auf vorgeschobenem Posten und kämpft
tapfer die Schlacht mit, die der die Fes
sel abstreifende Menschengeist den wi
derstrebende» Naturgewalten schlägt.
Und das macht den Charakter ernst.
den Geist grüblerisch, das Haar grau.
Tief aufathmend zieht Martell feine
Uhr auS der Tasche. Noch 22 Kilome
ter, fast die Hälfte, bis zur nächsten
Hallestation. Die Maschinen gehen
ruhig und gleichmäßig, es wird ein«
normale Fahrt geben. Der Heizer be
schickt unermüdlich das Feuer. Der
durch die geöffnete Feuerthür dringende
Schein der Flammen wird von der
weißlichen Dampf- und Rauchwolke
zurückgeworfen, in der einzelne, durch
die gewaltige Lungenkraft des Exhau
stors auS derßuchse gesogene und durch
die schwarze Esse ausgeworfenen Feu
«rfunte» Haschen spielen.
Da «in scharfer Knall, «in durch
dringendes Zischen und Sprudeln, und
eine undurchoringliche Dampfschicht er
füllt den Raum des FührerstandeS.
Martell unterdrückt -ine Verwün
schiing. Kaum eine Biertelstunde ge
fahren und schon solch' ein Pech! Das
Wasserstandsglas zersprungen! Gut,
daß der Schutzkorb die sprühend«»
Gtasjplittkr ausfängt. Kurzes Su
chen. dann ein rascher, sicherer Griss
am Hahnenzuge, und der rechte Zau
ber,neister hat die losgelassenen Geister
wieder in ihr Gefängniß eingesperrt.
Während der Fahrt und gar noch bei
ill'aqt ist es unmöglich, ein neues Glas
einzusetzen, und der Aufenthalt unter
ivegS ist zu kurz, denn 2ö Minuten
dauert die Arbeit ini günstigsten Falle
immerhin. Die Fahrt muß eben ohne
Wasserstandsglas fortgesetzt und da
für die Wasserhöhe im Kessel durch
zeitweises Offnen der Probirhähnc
controllirt werden. Mißlich zwar,
nimmt's in Kauf, Derarti-
Mit dem ausströmenden Dampf ha
ben sich die Ausschaufenster beschlagen.
Martell nimmt etwas Putzwolle in die
rechte Hand, und indem er sich mit der
linten an der Zugstange des Sand
streuers festhält. beugt er sich »ach
vorne hinaus, um die Scheibe abzuwi
schen. Trotz seiner Vorsicht berührt
er die zur Feststellung der Steuerungs
welle bestimmte Klinke, diese löst sich
aus, die Steuerung schlägt vor, und
mit großer Gewalt fährt der Hebel der
Steuerungsschraube herum. Ein
Glück, daß er eben die Hand weggezo
gen hatte.
Immer weiter geht's. Endlich
schimmern aus der Ferne die Laternen
der Stadt F. Hohe Signalmasten
tauchen auf. Martell zieht allmählich
die Bremse, knarrend legen sich die Ei
senklötze der Westinghousebremse an
die Räder. Die Bahnstrecke führt durch
einen Theil der Stadt. Langsam
gleitet der D.-Zug durch di« an
schwellenden Massen der Weichensignal
laternen, bis er mit einem letzten leisen
Ruck in der von großen Bogenlichtlam
pen erhellten Stationshalle zum
Stillstand kommt.
Vier Minuten Aufenthalt. Wäh
rend der Heizer das Nachölen besorgt,
klettert Martell von der Locomotive
herab und nimmt «in« rasch« Untersu
chung vor. Die kurze Zeit muß nach
Möglichkeit ausgenutzt werden. Alles
in Ordnung. Keine Feder gebrochen,
lein Lager heißgelaufen, keine Unregel
mäßigkeit zu bemerken. Jetzt hebt
Martell aufmerksam den Kopf in die
Höhe. Aha! Jetzt erst spürt er, daß
eine leise, unruhige Brise die glühende
Luftschicht zu verscheuchen versucht.
Während der Fahrt hat er davon na
türlich nichts bemerken können.
Schon ist die Frist verstrichen, der
Stationsbeamt« gibt dem Zugführer
den ausgefüllten Rapport zurück.
Fertig! Die Mundpfeife tönt, das
heisere Signal der Dampfpfeife gibt
scher sich jagenden Zügen stößt der
„Siegfried" seinen gepreßten, glühen
den Athem aus. Manchmal fährt ein
Personenzug aus entgegengesetzter
Richtung heran. Nur auf einen Bruch
theil einer Minute sichtbar, zertheilen
die Strahlen der Kopfsignallaternen
die Finsterniß, vorweltlichen Titanen
gleich scheinen die rollendenKolosse zor
nig gegen einander anzurennen. Aber
da lenkt sie auch schon der mächtig«
Menschengeist auf sicherer Bqhn vor
bei. Mit donnerndem Getöse und ei
ner Geschwindigkeit von ISO Kilometer
brausen sie wie «ine Windsbraut an
einander vorüber.
Nichts Neues! Nur der häufige Be
vor. Es scheint mit dem Dampf
.Frieda" nicht mehr so recht zu gehen.
Seine Vermuthung wird bestätigt
das Schutzdach und gegen die Wände
der Wag«n. In lurzen Zwischenräu
men jagen sich grelle Älitze, unmittelbar
folgt knatterndes Donnerrollen. Der
Sturmwind wirft sich dem Zug« entge
gen, faßt ihn von vorn und von der
Seite und «rschw«rt seinen Gang. Kein
Helles Leuchten der Kvpflaternen mehr,
die Lichtstrahlen vermögen nicht mehr
das dichtmaschige Netz zu durchbrechen.
Wenn die Feuerthür geöffnet ist, wer
fen die von außen beschlagenen Aus
guckfenster den leuchtenden Schein wie
in einem Spiegel zurück. Des Oefte
ren muß jetzt der Führer zur Ausschau
den Kopf seitwärts hinaushalten. Der
Sturm peitscht ihm große, schwere Re
gentropfen in das bärtige Gesicht, sein
Oberkörper wird bis auf die Haut
durchnäßt. Die Blitze blenden, die
Aufmerksamkeit muß verdoppelt wer«
Rastlos Wik Peter Schlehmil geht'S
vorwärts durch Stationen, vorbei an
einsamen Warterhäuschen, Signalen
und Weichen. Dann »ur Abwechslung
auf der Locomotive weiter. DaS Ende
der Fahrt winkt. Zwei Meilen noch!
Eine mehrere Kilometer lange sanft«
Steigung folgt, mit voll«r Geschwin
digkeit rollt der D.-Zug 42 dahin.
Jetzt zeigt sich das Licht des Ein
fahrtssignals der Station P. Es steht
auf freie Fahrt. Die Station selbst
liegt mit Haupt- und Nebengeleisen
Plötzlich hat Martell den blitzartigen
Im selben Augenblick fühlt er deutlich
eine Erschütterung der Locomotive.
Ein knatterndes Getöse und Geprassel
schlägt an sein Ohr, und gleichzeitig
derholt gibt Martell das Signal
„Bremsen fest!" Schon liegt das Sta-
Aber sie alle werde» erdrückt durch die
Riesenlast des Verantwortungsgefühls
für die Insassen des Zuges. Zwi
rer, in die Wüste gejagt werd« für die
Sünden des Volkes. Unmöglich, «r ist
sich doch keiner Unachtsamkeit, keines
Fehlers bewußt! Das Einfahrtssignal
stand offen!
Endlich! Gott sei Dank! Ein tiefer,
der beklommenen Brust. Die „Frieda"
ist besser als ihr Ruf. Fest, mit gewal-
Rasch die Fackel, Wettstein! ruft
ein Zündholz.
Hier, Meister! Das war ein Schreck!
Der Heizer reicht die Fackel hin und
Erd«.
gemüthlichen Platz verlassen muß.
Was hat's denn gegeben? Die
Bremse functionirt wohl nicht? Wa
überhaften sich seine Fragen.
Wie, Sie haben nichts bemerlt?
Wir sind aufgefahren!
sprengt.
Der Führer der „Frieda" hat sich
ihnen aufhorchend zugesellt. Ein lau
tes „Ah!" kommt aus seinem Mund«.
Eine nett« B«scheerung, College!
Na, da haben wir ja die Ursache, wes
halb Ihre Bremse versagt hat. Er
deutet mit dem Zeigefinger auf das
stark beschädigt« Lustl«itungsrohr.
Martell nickt, er hat es bereits bemerkt.
.Frieda" ist heil davon gekommen.
Sondirbar, daß ich r«:n nichts
merkte. ,
Ruf« werden laut. Die Schaffner
suchen nach Möglichkeit die Reisenden
zu beruhigen, von denen einig« des Re
gens ungeachtet aus d«n Wagen ge
sprungen sind, während andere angst
voll rufend die Köpfe aus den Fenstern
strecken. Sie wollen Aufllärung.
Der Wagenwärter des letzten Per
sonenwagens laust, in der Hand sein«
Laterne schwingend, herbei.
Haben Sie da drunten etwas be
merkt? ruft ihm der Zugführer zu.
Ich will's meinen! Die Seiten
wände d«r letzten Wagen sind zum
Th«il «ingedrückt, am Postwagen ist
die Hintere Achs« abgerissen. Ein
Wunder, daß er mit s«inen zwei Rä
dern noch auf den Schienen steht. Muß
wohl eia Güterzug gewesen sein, ich
habe grad« noch so etwas bemerkt.
Da soll doch gleich —! Rasch Ihre
Laterne, ich muß selbst nachsehen.
Er nimmt dem Manne die Laterne
aus der Hand und eilt den Zug hinab,
im Borbeigehen die geängstigten Rei-
zersplittert. Es hilft nichts; sein eiser-
Wir haben sogenanntes Glück ge
habt, ruft ein junger Schaffner. Wis
sen Sie schon, wie's zuging? Na, da
hinten auf dem Nebengeleise steht der
letzte Magen des 768 quer über dem
Geleise. Ist un>anst gerüttelt worden.
Die Ladung, Langholz, ist in tausend
Stücke zersplittert. Wollte nicht dazwi
schen gesteckt haben! Hahaha!
Dem Führer lcmfts kalt über den
Rücken. Er weiß besser als der leicht
fertige jungeMann, welch einer furcht
baren Gefahr sie alle entronnen sind.
Un» HaareS Breite!
Es ist um ihn herum sehr lebhaft
geworden. Das Personal deS Güter
zuges 768 drängt sich neugierig fra
gend heran und sieht sich di« Beschä
digungen an Wagen und Lokomotiv«
an. Der Zugführer kommt in leb
hafter Auseinandersetzung mit dem
Stationsbeamten zurück.
Höchst sonderbarer Fall! wendete er
sich kopsschüttelnd an Martell. Der
768 hatte nämlich 4V Minuten Ver
spätung und mußte für uns in's Ne
bengeleise umsetzen. Grade da, wo
die Curve anfängt, standen zwei be
laden« Gütenvagen. Auf dies« fetzt«
letzt«, «in Langholzwagen, iib«r die
Br«mskeil« zuriickgedrllckt, entgleiste,
ohne daß die Bediensteten etwas merk
ten. Ein paar Decimeter brauchte er
weiter geglitten zu sein, und wir möch
ten vielleicht ganz oder halb todt in den
Trümmern stecken. Aber was nun?
Drehte er sich wieder dem Stations-
Jetzt liegt der Sachverhalt völlig
klar vor Martellt Augen. Durch die
furchtbare Gewalt des Anpralles war
das Schnittholz zersplittert, der zer
drückte Wagen selbst aber zurückge
schoben worden. Fast unmittelbar
jedoch hatte sich der zurückgeworfene
Wagen, durch den hundertfachenGegen-
Postschaffner nicht unbedenklich am
Kopfe verletzt.
Uno das alles war das Werk von
Bald ist die Ruhe wieder hergestellt.
Die Passagiere verfügen sich in ihre
der nächsten, zwei Kilometer entfernten
Etation setzt di«„Fri«da" ihren fchwer
v.-rwundeten Genossen auf ein Neben-
Zi«l."N" bedenklich«» Verspätung ans
Jetzt beginnet daS schwerst« Stück
Arbeit für di« lxiden Männer. Das
nöthige Werkzeug, Hammer, Schrau
benschlüssel, Zange, Durchschläger,
wird von d«r Maschin« h«rabg«holt.
Vorerst muß noch der Dampfkessel mit
Wasser gespeist und das Feuer auS der
Feuertiste entfernt werden. Zur Ei
genbewegung durch Dampf ist die Lo-
Sonni schwebt verheißend imOsten em
por, und ihr Licht erleichtert die Aus
führung der Arbeiten.
wo ihm Panzer und Gewaffen wieder
ausgebessert werden. 7 Uhr IS setzt
ihn Güterzug 763 ein, um ihn nach sei»
Strecke, die der D-Zug 42 heute Nachi
Schon ist Martell zur Abgabe deS
über den Bahnsteig. Heute Nacht 10
Uhr 22 hat er den Schnellzug 63 zu
fahren. Er hat zwar den Werkmei
biste» Willen nicht! Ich brauche alle
Ein frohbewegtes Durcheinander
umgibt ihn. Es ist nicht umsonst die
Reisesaison. Wer sichs leisten kann,
flüchtet aus der Stadt auf's Land, aus
dem dumpfen Häusergewimmel in die
umher lautes Lachen und Schwatzen.
Elegant« H«rren mit Feriengesichtern
wetteifern um die Gunst hübscher Da
men in duftigen, hellen Sommertoilet
ten. Ein neuer Zug ist in Hauptge
leis 2 eingefahren. Man steigt aus,
begrüßt sich, dort nimmt man rasch
noch einmal mit einem Händedruck Ab
schied. Es ist schon spät am Nachmit
tag. Die prächtige Sommersonne
dringlich unter die GlaSbedachung der
Halle. Die Abkühlung der Erdober
fläche heute Nacht wirkt merklich und
angenehm nach
Martell hat keinen Sinn für das
warm pulsirende Leben um ihn herum.
falte auf seiner Stirn vertieft sich
Mit dem Schlaf wird es wieder wohl
nichts Ruhelos, mit heißem
es. Und doch hätte ers, weiß Gott,
Luxu« tn alter Zeit.
Wenn man von Ehemännern heute
rechnungen der Frauen immer höhere
Anforderungen an ihren Geldbeutel
stellen, so können sie sich mit ihren Vor
vätern trösten. Was eine deutsche Frau
der „guten alten Zeit" für Aufwand
machte, wenn sie einmal zu einer vor
das zeigt eine Eintragung in dem
Hausbuch des Rathsgerbermeisters
Valentin Gierth in Liegnitz, das sich in
einer culturhistorischen Sammlung be
findet. In dieses trug am 12. Mai
1619 der Herr Gerbermeister die Ko
sten einer „Einladung zum Vesper-
Kleide 18 Thlr. 18 g. Gr.: silberne
Posamenten zum Besatz 11 g.
mit silbernen Zwickeln 3 Thlr. Bg.
ei^Fächer lB g" G.; eine neue
Haubenkappe mit silbernem Deckel 13
Thlr.; allerlei Gebänderich und Spi
tzcnzeug 7 Thlr. 14 g. Gr.; Macher
lohn des Kleides sammt Auslagen 6
Thlr. 3 l>. Gr. 4 Heller; gemachte Blü
melein auf den Lazz zu heften 1 Thlr.;
die güldene Kette nebst den Armringen
Summa ll g. Gr. 13 Hel
ler."
«uf »cm «asern«,,Hof.
Sergeant: Millionensternkreuzdon
nerwetter! Was sind Sie für ein
stumpfsinnig«! Kerl! Haben Sie noch
Schwestern oder Brüder?
Soldat: Ja, noch ein«n Bruder.
Sergeant: Ist der auch so stumpf
sinnig wie Sie?
Soldat: Noch stumpfsinniger!
Sergeant: So, was ist denn der
Schafskopf?
Soldat! Er ist Sergeant.
Boshaft. Alte Jungfer
(schwärmerisch): „Ach, ich verehre die
Musik. Ich möchte mich der Kunst in
die Arme Wersen." Junger Mann:
„Kann ich Ihnen nicht verdenke». Ein
— Rücksichtsvoll. Hausfrau:
„Sie tragen ja die Schuhe gar nicht,
die ich Ihnen geschenkt habe!" Bett
fterniß!" . ....
Nlevngr Haerfrisur.
Die jetzige Mode begünstigt wieder
sehr die tief im Nacken befestigte Haar
knotcn aufgesteckt wird. Bekanntlich
ist bei den Damen eine starke Haarfülle
seltener geworden. In den meisten
Fällen kann man dies berechtigt auf
kleine Vernachlässigungen in der Haar
pflege, zu starkes Brennen oder straf
fes Einwickeln, schieben. Die niedrige
Haarfrisur scheint sich aus diesem
Grunde nicht so schnell einzubürgern,
trotz der kleidsamen Hiitmodelle für
Frühjahr und Sommer, die durchwegs
KleidsanUeit für feine Kopfformen
und schmale Gesichter wird dieser
Haartracht im Allgemeinen auch nach
gerühmt, außer dem entschieden ver
nünftigere» und natürlichere» Arran
gement des Haares. Während bei der
bisher beliebten hohen Frisur das
Haar, ganz entgegen seinem natürli
chen Wüchse, zur Scheitelhöhe emporge
kämmt und dort, um den nöthigen
Halt zu gewinnen, sehr straff befestigt
werden mußte, bleibt bei der niedrigen
Frisur das Haar w seiner natürlichen
Lage. Bei einiger Aufmerksamkeit
dürste eS bald zu bemerken sein, wie
das Haar bei dieser vernunftsgemä
ßeren Behandlung ein besseres Wachs
thum zeigt. Schon aus diesem Grunde
kann man der neuen Haarfrisur er
höhtes Interesse entgegenbringen und
sie nicht so kurz ablehnen, weil in man
chen Fällen der Mangel an vollem
Haar dagegen zu sprechen scheint und
Haarersatz dafür verschmäht wird.
Falsches Haar, wenn es nicht unbe
dingt nöthig ist, wird jetzt gemieden,
aber aus der bescheidensten Haarsträh
ne läßt sich nach folgenden Winken
mittelst einiger ganz einfacher Kunst
griffe ein duftiger, voller Haarknote»
bilden. Dazu gehört in erster Linie,
daß das Haar durch öftere Waschungen
mit Boraxwasser, dem ein wenig
Franzbranntwein zugesetzt wurde,
recht trocken und locker gehalten wird.
Bei blondem Haar ist anstatt des
Wassers ein Aufguß von römische»
Kamillen mit Borax und Franz
branntwein zu empfehlen. Auch mit
Einpudern von feinem Reismehl wird
dieser Zweck erreicht. Bei dieser Gele
genheit sei auf die Schädlichkeit des
Kreppens des Haares hingewiesen, das
auch das gesündeste Haar binnen kur
zer Zeit glanzlos und brüchig macht
und leicht für immer ruinirt; das tiefe
Einwellen, was viel schöner wirkt,
kann auch nur gut von einem geschick
ten Friseur ausgeführt werden. Vor
der Anwendung von Seife beim Wa
schen des Haares wird häufig abgera
then: der Boraxzusatz ist vollständig
reinigen. Das gewaschene Haar muß
sodann möglichst rasch und möglichst
gründlich getrocknet werden, wozu man
sich erwärmter Tücher bedient. Dan»
setzt man sich mit offenem Haar an ei
nen warmen Ofen oder in die Sonne.
Leute, die zu Erkältungen neigen,
sollten die Waschung des Haares am
Abend vornehmen; man vermeide aber
ein Einflechten des Haares in noch zu
feuchtem Zustande, da es das Haar an
greift. Ein gelindes Befeuchte» vor
dem allabendlichen Einflechten ist nicht
schädlich, sondern die Wellen, die sich
dabei im Haar bilden, lassen es viel
voller erscheinen und erleichtern das
Frisiren. Bei Herstellung der Frisur
wird zuerst das Vorderhaar von Ohr
zu Ohr abgetheilt, je nach Belieb«» in
Wellen gebrannt, leicht toupirt und
entweder scheitellos oder mit dem wie
der ganz besonders modernen, schiefen
Scheitel durchzogen nach hinten ge
kämmt und mit dem Hinterhaar verei
nigt recht tief im Nacken zu einer
Strähne abgebunden. Nachdem man
das Vorderhaar mit dem Stielkamm
leicht vorgeschoben hat, kämmt man die
Strähne von der Unterseite recht glatt
(auf der Oberseite wird sie stark tou
pirt) und rollt sie, von den Haarspitzen
anfangend, nach oben flach über zwei
oder drei Finger auf. Die so entstan
dene Rolle steckt man an beiden Seiten
fest und zupft sie recht Bei
Boshaft. 1. Freundin: „O,
»ch sage Ihnen, «in«n so vorzüglich«,,
Gesellschafter, wi« Herrn N., gibt «Z
Tante (auf einem Spaziergang zu ih
rer Nichte): „Du,, den General dort
hätte ich beinahe zum Mann bekom
men!" „Was Du nicht -^r-
Sckiule aan, knapp neben niir saß!"
Protzig. „Wissen gnädige
Frau schon, Herr Blumfeld ist gestor
ben?" „Ja, mein Lieber, da? Schick
ist et so weit."