2 Ihr Weihuachtsbäumchen.' von Antonio Bauuchcrg. Ein ungleiches Paar, der große, et was vierjchrötige Mann mit den nxt terharten Gesichisziigen und dem ruhi gen, klugen, zielbewußten Blick, und die zarte, blonde, jung« Frau mit den verträumten Augen, die sie mit kurzen Unterbrechungen wegwendet von dem Wäschestück, an dem sie näht, und hin überdreht zu dem Manne, der, ein kur zes Pfeifchen zwischen den Zähnen, seine ganze Aufmerksamkeit seinem G ewehrlauf schenkt, welchen er putzt und immer wieder gegen das Licht hält und immer von Neuem mit dem mit Werg umwickelten Stab polirt; abermals reibend und polirend, so lange, bis er innerlich befriedigt von dem —erzielten Glanz, das Gewehr zusammenklappt, ladet, die Hähne absperrt, seinen Lo denrock anzieht, den Hut aufsetzt und mit einem kurzen: „In einerStunde bin ich zum Nacht essen zurück" bei der Thür hinaus geht. Frida, so heißt die junge Frau, steht auf, tritt zum Fenster und blickt lange hinaus in die Dämmerung. Sie steht die Gestalt ihres Mannes nicht; aber sie weiß, in welch« Richtung er gegan gen ist, kennt die Stelle des gegenüber liegenden Waldes, an welcher er einge treten ist, dem Wechsel durchbrechender Hirsche zu lauschen. „Sein Wald, seine Berge, sein Wild, seine Hunde, fein Gewehr!" seufzt Frida. „Ich kom me erst ganz, ganz zuletzt und daheim war ich die Erste!" Jawohl, wenn sie daheim die Erst« gewesen, bei den Eltern, trotz der vier kleinen Geschwister, die Erste ihnen, den vier lustigen Rangen, die an der Schwester hingen, wie an einem höhe ren Wesen; war es doch immer sie, die ein williges Ohr hatte für die kleinen Leiden der schlimmen Schulbuben, die sicher sein konnten, daß die große Schwester stets «in entschuldigendes Wort an höchster Stelle anzubringen wußte für diverse zerrissene Höschen, zertritzelte Thüren oder eingeschlagene Fensterscheiben,oder gar ihre Sparpfe nnige hervorholte, wenn es galt, einen Schaden, der vielleicht eine Tracht Prü gel im Gefolge hätte haben können heimlich gut zu machen. Wie werden sie sich heute Alle nach ihr sehnen! Heute, am heiligen Abend, den sie fern von ihnen zubringt, an dem sie so gerne heimgeeilt wäre, aber den Muth nicht gefunden hatte, ih ren Mann darum zu bitten; sie hatte gedacht, es würde ihm selbst einfallen, und hatte darauf gewartet, daß er so gar sagen werde, er wolle mit ihr zu de» Eltern; daß dieselben an ihn dies bezüglich geschrieben hatten, wußte sie, aber nicht von ihm; er äußert« an jenem Tage, an dem er die Einladung erhielt, nur so nebenher, daß bei deni hohen Schnee an eine Thalfahrt nicht zu den ken sei; das war bei ihm Mittheilung und Absage zugleich. Er sprach überhaupt wenig, und wenn er sprach, meistens so kurz und bündig, daß sich ihr junges Herz zu sammenkrampfte und auch sie sich an gewöhnte, über alle kleinen Vorgänge im Hause nur ganz kurz und knapp zu berichten. Da er das so hielt, erwar tete er das wahrscheinlich auch von ihr, und si« zwang sich dazu, nur ihm zu Liebe. Ihre Art war eS gar nicht; wäre es nach ihr gegangen, sie hätte ge plaudert und gelacht und geschmollt über jede Kleinigkeit, und wäre ihm dann wieder an den Hals geflogen und hätte ihn geherzt und geküßt nach Her zenslust, denn sie hatte ihn ja ausLiebe geheirathet und war stolz auf den ern sten Bewerber gewesen und hatte sich's so schön vorgestellt, als Frau Försterin da. oben in den Bergen zu Hausen, wo sie schon zwei Sommer zugebracht hat te, wo sie so entzückt war von der herr lichen Aussicht hinunter in's Thal, hin aus in die Ferne; wo sie nicht müde wurde, neu« und immer neue Wald wege auszusuchen, Brombeeren zu pflü cken und sich zu «rgötzen an den lustigen Sprüngen der Kälber und jungen OechslM, die da weideten auf den steil aufsteigenden Wiesen. Er hatte sie gefragt, ob sie sich vor der Einsamkeit nicht fürchte, die Ver gnügungen der Großstadt nicht missen werde. Da hatte sie ganz erstaunt auf geblickt und hatte das gar nicht begrif fen, wie er so fragen tonnte. Dachte sie doch der herrlich verlebten Sommer- Monat« —cm all' den Ulk, den die Somm«rpart«ien, von denen es drüben im Schlosse nur immer so wimmelte, aufgeführt hatten; stellte sich vor, wie sie ihrem Manne an langen Abenden vorlesen werde, wie sie traulich bei der Lampe beisammen sitzen würden, sich kosend und küssend, er ihr immer'ver sichernd, wie sie sein Alles sei auf der Welt. Sie hatt« in ihren Träumen ganz darauf vergessen, daß es in den schönen Bergen einen unerbittlich stren gen Winter gibt, dessen Härten der Städter nur aus Büchern kennt, daß ihr Bewerber mit Leib und Seele sei nem Beruf« angehört, d«ß ein ernster Bräutigam einen noch viel ernsteren Gatten erwarten läßt, der in aufflam mender Zärtlichkeit sein Weib an sich preßt, es erschreckend durch Momente ungezügelter Leidenschaft; Ivenn aber diese Momente vorüber sind, wieder dem Alltagsleben seine ganze Aufmerk samkeit zuivendet und sie, das halbe Kind, höchstens lobt, wenn eine Lieb lingsspeise besonders gelungen ist, oder tadelt, wie ein Lehrer seinen Schüler, wenn irgend Etwas im Hause nicht am Schnürchen geht. Ach, es war Alles so anders, so ganz anders, als sie sich's gedacht! und dann erst heute dieser heilige Abend! Wohl hatte sie kleine Ueberraschun gen vor; sogar ein kleines Christbäum chen stand für ihn in Bereitschaft und sie holt es jetzt aus der Speisekammer, Ivo sie es tcUsüber versteckt gehalten. Aber würde er sich auch so freuen, wie sie sich's ausgemalt hatte? Wilderer machten die Forste unsicher in letzter Zeit und das verstimmt ihren Mann ganz besonders; er hat heute mit ihr noch leine zwanzig Worte gewechselt; doch nein, sie darf nicht ungerecht sein. Er hat sie, als sie heut« Vormittags beim Herd« stand, um Kuchen zu backen, in die Wange gekneipt; nein, nein, er wird sich freuen, denn man kneipt sein Frauchen doch nur in die Wange, wenn man es liebt, und er liebt sie; nur zeigt er es so selten! ach, vielleicht heute, wenn die Lichter brennen, vielleicht schließt er sie da in die Arme und flü stert ihr Liebesworte in's Ohr, nach denen sie lechzt, wie ein« Berdürstende nach einem Schluck Wasser. Sie war ja so jung, unsere kleine Försterin, und war so verhätschelt von ihren Lieben daheim. Ja, ja, er wird sich freuen. — Nun aber rasch Alles geordnet, schnell den Tisch gedeckt! Das Bäumch n auf die untere Ecke des Klaviers gestellt, dann rasch in die Küche geeilt und den Fisch ausgebacken, denn auf Leni ist kein rechter Verlaß, das muß man sel ber macken und dann kann'- losae's'nl Es kommt Leben in die junge Ge stalt, sie eilt und hastet und nach einer Stunde meldet die vor das Hausthor postirte Leni, daß sie schon den Herrn g'hört hat, wie er dem „Waldl" Pfeift. Jetzt schnell die Kerzch:n angezündet und das Weihnachtslied intonirt! O, wie sie sich jetzt freut! Ihre Wangen rothen sich, das Her.,chen klopft. Ob er ihr wohl auch eine Kleinigkeit zuge dacht hat? — Die Geschenke von Mama und Papa, die heute Mittags der Bote brachte, waren ja recht schön und freu ten sie sehr; aber was wird „Er" wohl für sie haben? Sei es was immer, al les Andere muß davor zurückstehen. „Herein, Waldl! —Da herein, Feld mann, vorwärts! Da herein!" hört sie ihren Mann commandiren. Sie be ginnt am Klavier zu präludiren, sie hört, wie ihr Mann draußen den Schnee von den Füßen stapft, der Magd be fiehlt, die Suppe auf den Tisch zu tra gen endlich tritt er ein, bleibt einen Augenblick verblüfft unter der Thür stehen Frida klappt den Deckel zu, steht auf, stellt sich neben den Christ baum und blickt lächelnd und fragend den Erstaunten an, als wolle sie sagen: „Nun, hab' ich Dich überrascht, was?" „Bist Du ein Kindskopf, Frida! Putzt Du mir alten Esel gar einen Christbaum auf? Hast nicht warten können, bis wenigstens ein kleiner Ben gel seinen Spaß daran hat? Heut' über's Jahr, wie alt wird er denn da schon sein, unser Prinz? Han? Waldl! Feldmann! Da kommt's herein, da schaut's das Frauerl an! Ist das ein Tschapperl, was? Uns Drei einen Christbaum! Ha, ha, ha, ha, und so gar das Weihnachtslied haben wir zu hören gekriegt! Ha, ha, ha!" Und er wirft sich auf t«s Sopha, streckt die Füße mit den nassen Stiefeln von sich und lacht, daß ihm schier die Thränen kommen; plötzlich steht er auf und tritt zu Frida, die ganz blaß an dem Kla vier lehnt und mechanisch mit dem klei nen Löscher anfängt, K«rzchen um Kerzchen auszulöschen. „Na, na, na, Frida, Du wirst doch nicht am Ende gar gekränkt sein! Das wär' der Müh' werth! Na, jetzt gar noch Thränen! Sei so gut! Für so albern hab' ich Dich d«h nicht gehalt'n. Aber Frida." Er will sie an sich ziehen, sie aber reißt sich los, eilt zu dem Tisch, aus welchen mittlerweile Lini di« dampfen de Suppe g«ftcllt hat, und diese beginnt sie auszutheilen. „Das hätt' ich mir eigentlich ohne dies denk'ii können, daß Dir für so Et was der Sinn vollkommen fehlt!" schluchzt sie auf, un's zwar heftig, wie Metkn^ Flocken fallen, leichte Flocken Irdisch Licht erlosch hienieden, Auf die Erd« leis hernieder, Pracht vom Himmel glänzt hernieder, Und die hellen Weihnachtsglocken ! stahlt ein Gottesfrieden Klingen ihr- heil'gen Lieder. j Herzen wieder. Nacht ist's, doch im Schneegewand« ! Glanz des Himmels, der DLmmerhell die Auen slimm rn, >ln den Nebeln dieser Erden ' Und ein Glanz erfüllt die Lande Leuchtest du, und willst zur Sonne Wie des Morgens erstes Schimmern. Dunkeln Menschenherzen werden. noch kein einziges Mal in ihrer sechs monatlichen Ehe. „Na, na, na, so schrecklich hab' ich Dich geärgert. Wenn mir nur die dum me Leni d'rauß'n einen Wink gegeben hätte dann kannst Du sicher sein, daß ich Dich nicht ausgelacht hätte; ich weiß ja, wie's gemeint war; aber jetzt trockne Deine Thränen. Wenn Dir im Leben nie etwas Aergeres passirt, kannst Du zufrieden sein," fügt er jetzt schon etwas verstimmt hinzu. Schweigend löffeln Beide ihre Sup pe aus, Leni bringt den gebackenen Karpfen, dazu Kartoffelsalat; der Förster läßt sich's gut schmecken, doch Frida schiebt ihren Teller zurück und faltet langsam ihre Serviette. „Warum ißt Du denn Nichts von dem Fisch? Er ist doch sehr gut." „Ich kann nicht sssen jetzt." „Frida, solche Faxen bitt' ich mir aus!" „Das sind gar keine Fax'n! O Gott, o Gott! Wie war das doch zu so ganz anders!" Die junge Frau schluchzt auf und sinkt mit dem Oberkörper auf den Tisch. „Frida, das ist mir zetzt zu dumm. Entweder Du läßt vernünftig mit Dir reden; oder ach yol' der Kukuk alle zimperlichen Frauenzimmer! iß oder iß nicht, ganz nach Deinem Be lieben." Draußen ist er bei der Thür und auf dem Weg zum Dorfwirthshaus. Wi« er schon die Hand noch der Thürklinke ausstreckt, thut es ihm plötzlich leid; er glaubt, sein junges Weibchen vor sich zu sehen, wie es schluchzend und ganz unglücklich beim Fenster steht und mit brennenden Augen in die Nacht hin ausstarrt. Er macht einen Schritt zu rück, will umkehren und ihr sagen, daß er sie jetzt ganz gut versteht, daß er nur nicht verwöhnt wurde in seinem Leben durch zarte Aufmerksamkeiten, sich auch daher nicht gleich zurecht fand, als st« ihm «ine solch« bereitete; er wird ganz weich gestimmt; da aber plötzlich fallen ihm Geschichten ein von anderen Ehemännern, die ihre Frauen nur da durch untergekriegt haben, daß sie sich zu empfänglich für deren Thränen ge zeigt haben nnd schließlich war sie incyt sogar zornig ausgcsahren gegen ihn, den Herrn des Hauses!? Jetzt umkehren, hieße schwach sein; nein, nein, nein, solche Fax'n darf man gar nicht aufkommen lassen. Ein paar Stunden muß er da hinein, dann ist'S noch immer Zeit, mit der Kleinen nett zu sein. Nach Mitternacht kommt er heim; er fragt Frida um irgendEtwas, ganz als ob Nichts vorgefallen wäre; sie gibt keine Antwort und stellt sich schlafend; das merkt er und ärgert sich von Neuem. Man schläft ein ohne den von Beiden ersehnten Versöhnungskuß und der nächste Tag beginnt wie alle Tage, die nächsten Wochen verrinnen wie alle Wochen, Monate gehen in's Land; un ser Ehepaar lebt still, ohne irgendwelche seelische Erschütterungen, nebeneinan dr lhin. Frau Frida bedarf großer Schonung, denn ein Ereigniß, das ihr Mann bei der verunglückten Christ baumfeier angedeutet hatte, steht vor der Thür; es tritt ein; aber es kostet der jungen Frau das Leben. Einsam steht der Mann nun wieder da; fremd« Hände Pflegen seinen Bu ben, dem er kaum einen Blick gönnt, ihn als den Schuldigen betrachtend, der ihm seinen lieben Sonnenschein aus dem Hause getrieben hatte. Wie sehr und wie innig er sein Frauchen geliebt hatte als es nicht mehr war, wurde es ihm erst recht klar, und finster und unzugänglich wird der früher nur ern ste, etwas ungeschlachte Mann. Sein Heim dient ihm nur mehr als Schlaf stätte, den ganzen Tag bringt er im Walde zu und die Mahlzeiten nimmt er im Dorfwirthshaus ein; er kann den leeren Platz beim Tisch nicht sehen; er hat es einmal versucht, sich zu bezwin gen; doch mit einem Faustschlag auf die Tischplatte, daß Teller und Besteck zur Erde flogen, war er aufgesprungen; einen zweiten Schlag führte er gegen seine Stirn, daß sie schmerzte, und hinaus trieb es ihn wieder mit seinem Gewehr and seinen Hunden. Wieder kommt Weihnachten, wieder klettert er herum in den Bergen Abend wird es und er muß nach Hause. Aschfahl ist er im Gesicht und ein klei nes Tannenbäumchen trägt er in der Hand; heimgekommen, schließt er sich damit ein, und nach einer halben Stunde sieht ihn Leni wieder damit fortgehen. Sie erkennt den Flitter, die kleinen Sternchen und Kettchen alle, die jetzt daran hängen; sie hatten ein Jahr lang in jener kleinen Schachtel gelegen, die im Schlafzimmer im hintersten Winkel der Commode steht. Es knarrt die Friedhofthür; der Förster tritt ein mit feinem Bäumchen, trägt es durch den Kunterbunt großer und kleiner Gräber und macht Halt da mit vor einem schönen, weißen Stein, auf diesen stellt'er es und entzündet nun alle die Kerzchen, die er auf den kleinen Aesten befestigt hatte; hell auf flackernd, beleuchten sie den Namen, der mit goldenen Lettern eingravirt ist Frida. Der starke Mann kniet nieder und umklammert schluchzend den Grabstein. Was gäbe er darum, hätte er sie nicht ausgelacht damals und nicht allein ge lassen heute vor einem Jahr. Auf hoher See. Stille Nacht naßkalte December nacht! Geheimmßvoll umspielen di« schneeigen Schleier den silbernen Voll mond und hüllen die mit leichtem Wind segelnd« Schvnerbark in «ine weiße Decke. Nur das Anprallen de» Bugwellen und dai Knarren der Block« und hartgefrorenen Taue verräth Le ben, Leben in der endlosen Wasser fläche des Oceans. Dem in Woll- und Theerzeug ge hüllten Ausguckmann auf dem erhöh ten Vorderdeck dem Back ist der frei« Ausblick über das zu recognosci rende Fahrwaff«r völlig b«nommen, und di« dicken, nassen Schneeflocken, die ein unaufhörliches Blinzeln seiner kleinen, scharfen Seemannsaugen un-! vermeidlich machen, verhindern ihn! gänzlich an der Ausübung seines har- ten Berufs. Seit einer Stund« schon hält er Wache, zu der ihn di« Schiffs glocke aus vierstündiger, kurzer Nacht, ruhe abgerufen hat. Noch drei Stunden in diesem feuchtkalten Wet terl Mit Anspannung aller Kräfte versucht er es. seiner Müdigkeit Herr zu werden. Vergebens! Unauf haltsam kommen die schneeigen Flocken und gleich lichten, schwankenden Ge stalten umgauleln sie feine Phantasie und erwecken lichte, süße Träume in des armen, einsamen Seemanns Hirn. Weihnachtsträume! Immer stärker schlägt sein Herz bei diesem Gedanken und schon tragen diese schneeigen Schemen seiner Phan tasie ihm wohlbekannte Züge, und glücklich sieht er sich im Kreise seiner Lieben in der Heimath —da reißt ihn der langverhallende Ton einer Pfeife, di« das Nahen eines Dampfers verkündet, aus seinen Träumen. Di« Hände an den Mund gelegt, er schallt sein Ruf zur Commandobrücke: „Dampfer voraus Ruder backbord" und ein schweres Gerassel der Ket ten verkündet ein Ueberholen des Ru ders nach Backbord. Ein klagender, immer stärker anschwellender Ton des Nebelhorns auf dem Segler unterrich tet auch den Dampfer von dem Herin nahen eines Schiffes. Schon zeigen sich in kurzem Abstand die grün-rothen Lichter des Dampfers und nun wie ein sagenhaftes Wesen nehmen die im mer deutlicher aus dem Nebel auftau chenden Formen des andampfenden Eisenkolosses die Gestalt eines moder nen Passagierdampfers an. lm nächsten Moment schon gleiten die Schiffe längsseits aneinander vorüber. Wieder ertönt die Schiffsglocke als Zeichen der Ablösung der Wache und wieder wird es stille an Bord. Miid und durchnäßt sucht der Aus gucksmann seine harte Koje auf und überläßt einem anderen die Obhut des Fahrzeuges, um in seiner stillen Klause weiterzusinnen und weiterzuträumen den seligen, sehnsüchtigen Traum vor der Heimath, von Frau und Kind, vor Weihnachten! Weihnachten in Zug. Die inneren Kantone der Schweiz nehmen hervorragenden Theil an der Anhänglichkeit zur römisch-katholischen Kirche. Diese sowohl als auch die Lieb für das Vaterland und die Frei heit waren immer bisher die Richt schnur gewesen, womit alle Ereignisse, welch« an das Volk herantraten, ge messen wurden. Der stets fröhliche Humor, bei Offenheit und Biederkeit auch der Sinn für das gesellschaft liche Zusammenleben gaben auch den kirchlichen Festen bisher immer «inen rauschenden Glanz und bei aller weihevollen Stimmung drang die jauchzend« Freude doch überall durch. Der Einzug Christi am Palmsonntag fand unter großer Theilnahme des Volkes statt? am Himmelfahrtstage wurde die reichbekränzte Statue Chri sti von der fröhlichen Menge mit Blu men, Nüssen und Oblaten bestreut. Manches religiöse Gepräge früherer Zeit ist heute verschwunden oder ein- W«ihnachtsingen. facher geworden. Die Tellensahrt im Kanton Uri, das Kirchenfest Maria zum Schnee auf Rigiklösterli, verschie dene Prozessionen und di« W«ihnachts krippen bilden dagegen immer noch Freudenfest« für das Volk. Auch das Weihnachtsingen hat sich noch «rhalten und'wird namentlich im Kanton Zug in d«r Zeit von Weihnacht bis Dr«i königen ausgeführt. Junge Leute als Sänger und Hirten verkleidet ziehen umher und singen vor den Häusern geistliche Lieder, wobei oft mehrstim mig und recht hübsch gesungen wird, was immer einen großen Kreis von " Zuhörern heranzieht. Früher wurden noch di« heilige Familie und di« Wei sen aus dem Morgenland mit ihrem Stern dargestellt, der Stern ist geblie ben, aber die Weisen kamen nicht wie der. Freundliche Aufforde rung. Mann: „Ich habe also meine Lebensversicherung so abgeschlos> sen, daß ich die 6(I,(XX) Mark bereits ! mit dem sechzigsten Lebensjahre ausge zahlt kriege!" Frau: „Na. dann be eile Dich nur 'n bischen!" Weihnachten. Die alte Thurmglocke läutete fröh lich und feierlich zugleich Weihnachten ein, und das gute Christkind hatte voll auf zu thun; es mußte von Haus zu Haus fliegen und durch die Schorn steine den artigen Kindern Zuckerwerk hinabwerfen. Es schneite und schneite ohn' Unter laß, das arme Christkind fror und es hatte große Eile, denn um Mitternacht erwartete man es in der Kirche. Da tonnte es also nicht selber allen Kin dern Gaben bringen. Di« gut«n Eltern mußten helfen und selber in die winzi gen Schühlein, die ihre Lieblinge vor dem Schlafengehen auf den Kamin ge stellt hatten, die Überraschungen glei ten lassen. Aber ein Haus hatte das gute Christ tindlein ganz und gar vergessen, ein armes, dürftiges Zimmerchen, knapp unter dem Dache. Das Feuer war erloschen, im Bett chen lag ein schlafendes Kind und da neben faß auf einem Schemmel der alte Großvater, zitterte vor Kälte und vergoß bitter« Thränen. „O, gutes Christkind, wi« konntest Du, das Du die Demüthigen und die Kinder likbst, wie konntest Du nur di«s arme Dachstübchen vergessen!" Der alte Großvater weinte. Das Kind, das da vor ihm im Bettchen schlief, war Alles, was ihm an Lieben geblieben war, all' die Seinen sah er sterben, und seine einzige Tochter hatte ihm nur diesen Kleinen hinterlassen. Bilder der Veraangenbeit zoacn an ihm vorüber. Er sah sich selber als kleinen Knaben im Bettchen li«gen, hörte den Wind im Kamin pfeifen, er fah seine Mutter, die bei ihm saß und ihn mit schönen Märchen und Liedern einschläferte. —Wie weii das ist, wie fern! Und dann sah er sich wieder, als Mann; im Bettchen liegt wieder ein Kind, fein Töchterchen, und er erzählt ihm dieselben Geschichten, die seine Mutter ihm erzählt hat, singt es mit denselben Liedern in Schlaf. Damals ging's ihm noch gut, wenn's auch keine Reichthümer gab; er war rüstig und konnte arbeiten, sie hatten genug und zu Weihnachten fand sein Töchterchen immer ihre„Ueberraschung" und wenn es auch nur eine schlechte Puppe oder eine Orange war, die Kleine war so glücklich, wie die reichste Prinzessin. Daran dachte jetzt der arme Groß vater, als er zitternd vor Frost am Bettchen s«in«s Enkelkindes faß, und er weinte, weil er für das Kind nicht einmal solch' «ine arme Ueberraschung vorbereitet hatte, weil er so arm >var und Nichts besaß. „Und morgen werden die Nachbar kinder, die Kameraden kommen, wer den ihre Geschenke freudig zeigen, und sein armer Junge wird mit leeren Händen dastehen, weinen und-nicht be greifen können, warum das Christkind chen ihn vergessen hat, da er doch so „brav" gewesen!" Plötzlich steht d«r Großvater auf wie einer Eingebung folgend, aber dann zögert er, schüttelt das Haupt und murmelt: „Nein, es ist nicht möglich, es wäre ein« Entweihung!" Aber nun steht er vor d«m Bettch«n und betrachtet beim fahlen Kerzen scheine das blasse Gesichtchen des Kin des. Die kleine Brust hebt sich, es klingt klagend, wie ein Äufzer, und dort am Fußende des Bettes stehen die leeren Schühlein und scheinen zu war ten. zu bitten. „Nein, nein," sagt nochmals wie ab wehrend der Alte; da aber ist ihm plötzlich als vernähme er die Stimme der theueren Verstorbenen und sie flü stert: „Ich erlaube es gern, ist es denn nicht mein zweites Ich?" Da geht der Großvater zum Schrank und entnimmt ihm ein Kästchen, das er schluchzend küßt. Das Päckchen ent hielt eine Puppe, eine Reliquie von der geliebten Verstorbenen und ein Anden ken an besser« Zeiten. Der Alte kniete beim Bettchen nieder und legte die Puppe in den einen der kleinen Schuhe und nimmt dann wie der seinen früheren Platz ein. Und glücklich und getröstet bei dem Gedanken, daß der Kleine nun doch seine Ueberraschung haben wird, weinc der Großvater sanfte Thränen, wäh rend draußen die alte Thurmglocke röhlich und feierlich zugleich Weihnach ten einläutet. vftristlinds Kaden. Statistik der LicbtserklSrttngen. Ein moderner „Statistik«!", dem sein trockener Beruf bedürftig schien, auch mal ein wenig versüßt zu wer den, hat eine kleine Aufstellung da rüber gemacht, auf welch« Weife in den Romanen und Novellen einiger be kannten Autoren die Liebe erklärt, ge brochen, angenommen und abgesagt wird. In 100 Fällen von erhörten Liebesschwüren fand der Statistiker, daß 81 Männer behaupten, ohne sie nicht mehr leben zu können; 72 hal ten die Hand der Herzensdame fest, 60 küssen sie auf die Lippen. 10 küssen sie auf die rechte Hand, einer küßt sie auf den Scheitel und zwei küßten ihre Auserwählte in ihrem Liebesfeuer so gar aus die Nasenspitze. 18 können vor Rührung kaum sprechen und 26 haben nachträglich Gewissensbisse. 12 sagen im Brustton der Ueberzeugung: „Gott sei Dank" und 8 find nach ih rem eigenen Geständniß „unaussprech lich glücklich". In nicht erhörten Lie beserklärungen laufen 40 Männer wie besessen aus dem Zimmer oder fort, 21 behaupten, daß nun das Leben für si: keinen Werth mehr habe und daß sie es sich nehmen müßten, 14 sind völlig sprachlos und geistesabwesend, 6 sind resignirt und fügen sich ver nünftig in das Unabänderliche, 6 wollen nach Amerika auswandern, 3 raufen sich wie unsinnig die Haare, 2 beißen sich die Lippen blutig, einer steckt die Hände in die Hosentaschen und Pfeift: „Du ahnst es nicht," ein anderer stäubt behutsam seine Rock ärmel ab, und wiederum ein anderer blickt gen Himmel und fängt an, das Vaterunser zu beten. Von den Da men wissen bereits 87 im Voraus, daß der Betreffende ihnen feine Liebe er klären wird. 70 sinken wonnetrunken in die Arme des Geliebten und 4 ge rührt in einen Stuhl oder Sessel, 14 bergen erröthend ihr Antlitz in den Händen und 8 schlingen die Arme hef tig um den Hals des Mannes, 2 sa gen: „Bitte, sprechen Sie mit Mama," und eine niest. Eine 48jährige Dame sträubt sich gegen den Verlobungskuß, eine ebenso alte Dame sagt: „Gewiß, gern, aber Du mußt Dich anständig benehmen," und eine dritte ruft la chend aus: „Sie sind ein Affe!" Heiter ist vre Kunst. Von einer gebildeten Priesterin.der Kunst spricht nachstehender, wortgetreu nach dem Originale copirter Theater zettel aus einer kleinen deutschen Pro vinzialstadt: Gasthaus in Neustadt a. M. Vis a vis von Platz! M. h. o. b. Die Verschwörung des Fias'o, Doggen von Genua und Venedig. Vaterländi sches Helden, großes berühmtes Ritter schauspiel mit einem wirklichen Brand zum beschluß. bearbeitet von Julius v. Wellenau in Sachen in 3 Aufzügen. Personen: Fiasko der Doggen, .Herr Schmidt; Elohnore sein: Gemahlin, Mad. Schmidt; Doria Fürst von Ge nua, Hr. Rossipol; Julie, eine Bulle i,'in, dessen Schwester, Drm. Rossipal; Verrina, ein geschworener Häuptling aus Genua. Theaterfreund); Husfah, ein Mohr, kleiner Schmidt; Gehrte Herrschaft! Gähner und Kunstfreinde! Dieses berühmte Stück empfiehlt sich, wo keine Köstenersparung nicht ge scheit? und überall bereits mit größten Beifall aufgenommen w«il wir in der hierortigen Gegent nur eine kurze Zeit verhalten können, bitten wir doch recht f«hr um Ihrige Gnad« und Bestand. Preis« der Plätze: Erster Platz nach Belieben hohe Gähner. Zweiter Platz 20 kr. Dritter Platz oder Kinderbilljet wird eingesammelt. Anfang 8 Uhr wegen Schnit! (Ernte!) Auch sind an der Casa vorzüglichste wohlriechet« Seifen und in die größte Städte abgegangen« Flecktugeln, wo man selb« sich sogleich von der rob überzeugen kann, um billigste Preis zu haben, so auch wohlriechende Vidibus im Etwi. bitte um zahlreiche Verehrung, Un tertänigste Josefa Gabler. So lautet das Unicum eines Thea terzettels aus dem Jahre 1867, ver faßt von einer Dame, die das Recht für sich in Anspruch nehmen kann, eine Collegin Laube's und Dingelstedt's zu heißen. Von seinem Stand punkt. Bauer fdas erste Automo bil sehend, zu seinem Sohn): „Sixt, Sepp, alle Tag' werden's elender, die Stadtfexe, jetzt können's schon so a Rädel nit mehr ertreten und müssen Dampf dazu nehmen!" Boshaft. Erster Radfah rer: „Kennen Sie den Weg von hier nach.?-Dorf?" Zweiter Radfahrer: „O ja, auf diesem Wege kenne ich jeden St-in Erster Radfahrer: „Vom Fallen?" . ,
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