Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 13, 1899, Page 2, Image 2

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    2 Z)cr kleine Spion.
Er war ein echtes Pariser Kind,
kränklich und blaß, das 10, vielleicht
auch IS Jahre alt sein mochte; genau
konnte man es gar nicht erkennen.
Seine Mutter war todt; sein Vater,
ein alter Marinesoldat, bewachte eine
Parkanlage in der Nähe des Temple.
Kinder, Bonnen, alte Damen, das
ganze Paris, das überhaupt dorthin
wußte auch, daß sich unter ihm ein
gutmüthiges, fast mütterliche! Lächeln
verbarg und daß man, wenn man es
brauchte: „Wie geht es Ihrem Jun
gen?"
Denn er liebte seinen Knaben über
Alles, der Vater Stenne. Er war so
glücklich, wenn der Kleine des Abends
zu ihm kam und sie dann gemeinschaft
lich die Alleen auf- und abschritten. !
Bei jeder Bank mußten sie stehen blei-
um die regelmäßigen Besucher zu
unglücklicher Weise Alles. Der Park
hörlicher Aufsicht verpflichtete Vater
Bataillone seines Viertels, wenn sie
Musik der 96er nicht viel taugte, wäh-
und war beim Heimmarsch unter den
Nachzüglern.
Seine» Korb am Arm mischte er sich
Eines Tages, als er ein Geldstück
„Bist wohl neidisch, was? Na, wenn
Du willst, sag' ich Dir, wo man sie be
mann mit rother Nase und gutmüthi
gem Gesicht und sagte mit zitternder
Stimme:
„Lassen Sie uns Passiren, lieber
Herr .... Unsere Mutter ist krank, der
Papa ist todt. Ich will mit meinem
kleinen Bruder versuchen, auf dem
Felde ein paar Kartoffeln zu sam
meln."
Er weinte, Stenne, ganz beschämt,
senkte den Kops. Der Posten besah sie
einen Moment und warf dann einen
flüchtigen Blick über die verlassene und
Verschneite Straße.
„Macht schnell!" rief er, sich abwen
dend, den Kindern zu; und sie gingen
»veiter.
Der Große lachte.
Verwirrt, wie in einem Traume, sah
der kleine Stenne die in Kasernen um
gewandelten Hüttenwerke, die verlasse
nen mit feuchten Lumpen gepolsterten
Barrikaden und die durchlöcherten ho
hen Schornsteine, die den Nebel durch
bohrten und bis in den Himmel zu
steigen schienen. Von Zeit zu Zeit eine
.Schildwache, Osficiere im Käppi, die,
der Große noch so schön erzählen, man
wollte sie nicht passiren lassen. Aber
während er noch jammerte, schritt aus
Jungens, heult nicht mehr!
Ihr werden schon zu Euren Kartoffeln
kommen; aber vorher kommt mal her
ein und wärmt Euch ein wenig ... Er
ist wahrhaftig schon halb erfroren, die
ser Schlingel da!"
Ach, es war nicht die Kälte, es war
die Furcht, die Schande, die den klei
nen Stenne erzittern ließ ... In der
Wache saßen einige Soldaten bei einem
schwachen dürftigen Feuer, an dessen
Flamme sie auf den Spitzen ihrer Ba
jonette Zwiebacks austhauten. Sie
! rückten zusammen, um den Kindern
Platz zu m»«'>en und gaben ihnen ein
wenig Kaffee. Während sie noch tran
ken, trat ein Officier in die Thür, rief
den Sergeanten herbei, flüsterte ihm
etwas zu und entfernte sich dann hastig.
„Jungens," sagte er, als «r strahlend
wieder eintrat, „heute Nacht wird'S
was geben, wir haben das Losungs
wort der Preußen Ich glaube,
heute holen wir uns Bourget wieder!^
Er entfesselte einen Sturm freudiger
Ausrufe. Man tanzte,
gemeinen Trubel gelang es den Kin
dern, sich unbemerkt zu entfernen.
Nachdem sie den Damm überschrit
ten hatten, sahen sie nur noch eine
lange, weiße, vonSchießscharten durch
löcherte Mauer vor sich. Gegen dies«
wandten sie sich, bei jedem Schritt ste
hen bleibend, und zum Scheine Kartof
feln aufzulesen. >
„Kehren wir um, gehen wir nicht
dorthin,' sagte der kleine Stenne im
merzu.
Aber der andere zuckte mit den Ach
seln und schritte immer weiter. Plötz
lich hörten sie das Knacken eines ge
spannten Gewehrhahnes ....
„Duck Dich!" rief der Große und
warf sich selbst zu Boden.
Dann pfiff er, ein anderer Pfiff
antwortete ihm. Sie krochen über den
Schnee langsam näher. Vor der
Mauer, wie aus der Erde gewachsen,
erschien ein schnurrbärtiger, behelmter
Kopf. Der Große sprang in den Lau
sgraben, an die Seite der Preußen.
„Das ist mein Bruder," sagte er,
auf Stenne deutend.
Er war so klein, dieser Stenne, daß
der Preuße, als er ihn ansah, lachen
mußte und ihn in seinen Armen über
die Bresche trug.
Auf der anderen Seite, hinter ge
waltigen Erdausschüttungen und Bar
rikaden aus gefällten Baumstämmen
waren eine Menge schwarzer Löcher im
Schnee, und aus allen diesen Löchern
Soldaten, die Karten spielten und an
einem großen lustigen Feuer Suppe be
reiteten. Das duftete nur so nach
Kohl und Speck. Und dagegen das
Biwak der Franktireurs! Zu ebner
Erde befanden sich die Osficiere. Man
nen zu trinken und nöthigte sie zum
Erzählen. Alle diese Osficiere hatten
ein etwas hochmiithiges Ansehen, aber
der Große erheiterte sie durchVorstadt
„Nicht, Du .. Du .... Ich will es
nicht!"
> Thür.
„Geht hinaus!"
stolz wie ein Doge und klapperte mit
seinem Gelde. Stenne folgte ihm mit
gesenktem Kopf. Als er an dem Preu
ßen vorbeikam, dessen Blicke ihn so ge
peinigt hatten, hörte er eine traurige
Da kamen ihm die Thränen in die
Augen. Wieder, auf freiem Felde, fin
gen sie an zu laufen und beeilten sich,
zurückzukehren. Ihren Sack hatten sie
voll Kartoffeln, die ihnen die Preußen
gegeben hatten. Mit diesen kamen sie
denn auch ohne Hinderniß an den Lau
fgen die Truppen heran und sammelten
sich hinter den Mauern. Der alte Ser
geant war auch dabei. Er ordnete seine
Leute mit einem ganz glücklichen Ge
sicht. Als die Kinder vorbeigingen, er
kannte er sie und lächelte ihnen freund
lichst zu.
Ach, wie dies Lächeln dem kleinen
Stenne weh that! Einen Moment war
„Wenn Du klatschst, werden wir Beide
erschossen!" und die Furcht hielt ihn
zurück.
In der Nähe der Stadl traten sie in
ren, nicht?'
Gegen 8 Uhr Abends hörte man Ka
„Das ist Aubervilliers ... Es geht
gegen Bourget," sagte der Alte, der alle
seine Forts kannte. Der Kleine er
schiitzend, zii Bett. Aber er schlief
Der Preis für all das Blut lag da un
ter, der das Fenster öffnete. Unten,
auf dem Platz wurde Rappel geschla
gen. Ein Bataillon der Mobilgarden
sammelte sich zum Aufbruch. Entschie
den, das war eine wichtige Schlacht.
„Was ist Dir deirn?" fragte der eben
es sprang aus seinem Bett und >varf
sich dem Vater zu Füßen. Bei dieser
Bewegung fielen die Goldstücke klir
„Was ist das? Wds hast Du?"
sagte der Alte zitternd.
nem Athem, daß er zu den Preußen ge
gangen sei und was er dort gemacht
hätte. Nach und nach wurde es ihm
Stenne hörte ihm zu, mit einem fürch
terlichen Gesicht. Als der Kleine geen
det hatte, bedeckte er sein Gesicht mit
„Vater, Vater ..." rief das Kind.
„Ist das alles?" fragte er.
Der Kleine bejahte stumm. Da hakte
der Alte sein Gewehr los, nahm seine
Patronentasche und steckte das Geld
ein.
„Es ist gut, ich will es ihnen zurück
bringen."
dergesehen. Hh
Das genügt. Dichter: „Was
hast Du denn mit dem Kerl angefan
gen, den Du Nachts unter Deinem
Be<te gefunden?"— Freund: „Ich hab'
vorgele en und ihn dann laufen las
— Ein echter Bergfex. Va
einen Pfennig Mi!gift?" Berg
kraxler: „Aber sie ist schon einmal im
Zlrsulein Freier.
Wenn man vielerlei Menschen, Le
bensverhältnisse und Schicksale kennen
gelernt hat und nicht mit verbundenen
Augen durchs Leben geht, begegnet
man zahlreichen Unbegreiflichkeiten.
Man ist mit weiblichen Wesen in Be
rührung gekommen, von denen man
sich im Stillen gesagt hat: „Warum
hat die nicht geheirathet? Sie ist lie
benswürdig, hübsch, von einnehmender
Art, warmherzig und wäre gewiß eine
gute Frau geworden, eine Gattin, die
ihrem Mann das Leben geschmückt
hätte, eine zärtliche und verständige
Mutter u. s. w." Und wenn man dann
Gelegenheit findet, der Frage nachzu
gehen und weiterzuforfchen, bekommt
man von den Aufrichtigen die Ant
wort: „Weil der Richtige nicht gekom
men ist," oder wohl gar: „Weil Kei-
So wird man wenn es einem
nicht schon früher eingefallen wäre
zu der Frage gedrängt: Sollen die
heranwachsenden Mädchen, die zur Ehe
reifen und die Heirathslustigen aller
Jahrgänge wirklich in alle Ewigkeil
darauf angewiesen sein, den Zufall ab
zuwarten, der „den Nichtigen" oder
überhaupt einen Bewerber herbei
führt?
Wie wär's, wenn die Damen in die
ser wichtigen Angelegenheit ein wenig
aus ihrer Reserve heraustreten würden,
wenn sie selber unter den Söhnen des
Landes Umschau hielten, wenn si- ihr
Herz sprechen ließen, bevor es gefragt
wird. Es ist ja so sehr ihre Sache, eine
Lebensfrage, ein Ziel, für das sie wohl
ohne Ausnahme bestimmt und erzogen
werden. Wie wär's, wenn es dahin
käme, daß die Damen freien, anstatt
müßig abzuwarten, bis sie von ihrem
zukünftigen „Herrn und Gebieter"
vorläufig in der bestechenden Verklei
dung eines unterwürfigen Sklaven, —
aus dem Elternhaus geholt werden? —
Ich weiß, der Vorschlag ist so ab
surd. daß man ihn gar nicht auszu
sprechen wagt. Eine Frau hat mich
dazu ermuthigt. Sie heißt Fernands
Lanles - Uhlemann, ist Philologin und
hat soeben in einem Wiener Verlag
eine Broschüre herausgegeben: „Die
Stellung und Erziehung der Frau zur
Ehe". Ich bin angenehm überrascht, in
dem Capitel über die Ehelosigkeit Aus
führungen zu finden, die ich unter Bei
behaltung der Stil- und Grammatik-
Eigenthümlichkeiten hier citire:
. . Nach unserer heutigen Sitte,
und einer herrschenden Sitte entzieht
sich die Frau sehr schwer, ist sie doch
dadurch mancher Verkennung und Jso
lirung ausgesetzt, die der Mann nicht
kennt, ist es der Frau verboten, zu
freien, sich selbst ihren Gatten zu wäh
len. Die Frau muß warten, bis der
Mann kommt. Vielleicht die schönsten
Jahre ihres Lebens wartet das Mäd
chen auf ihn, und kommt kein Freiers
mann, da gehört sie zu denjenigen
Frauen, die von der Gesellschaft acht
los bei Seite geworfen werden, die,
wenn kein Beruf ihr Dasein ausfüllt,
elend an Geist und Körper verkümmern
und vielleicht gar als das „alte Jung
fer" dem Gefpötte der Welt preisgege
ben ist. Heute, wo die Frau mehr
oder minder nur als ein Geschlechtswe
sen ihren vollen Werth in der Gesell
schaft besitzt, heute, wo die Frau in
Folge ihres kargen Wissens, ihrer
wirthschaftlichen Abhängigkeit, ihres
Unvermögens, auf eigenen Füßen zu
stehen, den Mann als ihren Ernähre:
und Erhalter betrachten muß, heute ist
die Ehelosigkeit für die Masse der
Frauen eine wenig beneidens- und be
gehrenswerthe Stellung. Da die Ehe
an sich infolge dessen für die Frau von
wichtigerer Bedeutung ist, als sür den
Mann, so sollte ihr auch billigerweise
die Gesellschaft und die Sitte dasßecht
einräumen, dem Manne nach ihrer
Wahl einen Antrag zu machen, wodurch
sicher ein großer Procentsatz der heuti
gen Ehrlosen der Ehe zugeführt wür
den, denn erfahrungsmäßig gelangt
mancher Mann ausSchüchternheit nicht
zur Ehe, andererseits bleibt mancher
arme, vornehm denkende Mann ledig,
weil er sich nicht getraut, einem ihm
passenden, mit Glucksgütern gesegneten
Mädchen einen Antrag zu machen, aus
Furcht, sie werde denken, es triebe ihn
nur ihr Reichthum zu ihr." . . .
Und weiter sagte die Verfasserin:
„Wohl versteht es die Frau, durch
manche harmlose Zeichen dem Manne
zu beweisen, daß sie ihn gern hat und
dadurch dem Manne ihre Geneigtheit,
ihn zu Heirathen, kundzugeben. Aber
Frivolität, gar Unanständigkeit aus
gelegt, und der Mann zieht sich zurück,
wenn er um den Besitz nicht mehr zu
Mädchen dem Manne offen ihre Gunst
und ihren Wunsch, zu Heirathen, geste
hen dürfte. Andererseits verstehen die
Männer diese erwähnten kleinenKunst
griffe ebenso gut zu handhaben, so daß
ich sicher bin, daß eine kluge Frau sich
niemals d» Unannehmlichkeit
die Hände über dem Kopf züsammen-
Product einer durch viele, viele Jahr
hunderte vererbten Tradition und Er
ziehung sind, den meinerseits gewiß in
uneigennützigster Weise unterstützten
Vorschlag, der sich mir schon lange Zu
ziehung als Muster dienen soll, „wird
betreffs ihrer Heirathsneigungen gar
nicht gefragt, denn sie erwartet das Ur
theil ihrer Eltern, da mädchenhasteße
scheidenheit ihr die Selbstwahl eines
Gallen verbietet!" In Smiths „Wör
terbuch der christlichen Alterthümer"
lesen wir, daß „ein irländischer Kir
chenrath, in der Zeit des heiligen Pa
trik um das Jahr 450, se erNch erklärte,
daß der Vater den Willen seiner Toch
ter zu befragn hat, daß jedoch die Toc
hter zu thun hat, was ihr Vater be
schließt, da der Mann der Gebieter des
Weibes ist."
Diese Beschränkung des persönlichen
Willens, die man für wohlgesittete,
weibliche Zurückhaltung ausgiebt, hat
ihren Ursprung in der tiefen Erniedri
gung des Weibes zur Zeit, als man
dasselbe alz „das Thor zur Hölle" dar
stellte und als die Mutter aller mensch
lichen Uebel! Noch im 17. Jahrhun
teren Clauen als Packesel, in den höhe
ren als ein Zierrath. Die Beispiele
wären hundertfältig zu vermehren,
man denke an den unwürdigen Mäd
chenkauf und Mäpchenraub bei ver
schiedenen Völkerschaften, Sitten, die
sich bei Nationen höherer Cultur
strenggenommen, wenn auch in verfei
nerter Form, noch jetzt erkennen lassen.
Die Frau genießt noch heute vor dem
Gesetz und vor der Gesellschaft be
grenzte Rechte, und vor allem sie hat
nicht die Freiheit, einen Gatten zu
wählen. Die Heiralhssähigen empfin
den dieseßeschränkung, besonders wenn
sie mit dem Denken nicht ihre Zeit ver
lieren, wahrscheinlich nur undeutlich.
Es ist ganz in der Ordnung, so wie es
ist, und die Leserin wird vielleicht sa
gen: „Ja, um alles in der Welt, ich
kann doch nicht vor einen Mann hin
treten mit dem Geständniß: „Herr
Assessor, Sie haben einen unauslöschli
chen Eindruck auf mich gemacht; ich
würde mich glücklich schätzen«.an ihrer
Seite durchs Leben zu gehen. Bitte,
werden Sie der Meine!" Also ein
Assessor ist überhaupt schon da; er ist
auch vielleicht erst Referendar. Leut
nant, Bankbuchhalter, Mater. Beamter
oder sonst was. Keinesfalls kann es zu
dieser Erklärung kommen, denn der
Himmel würde einstürzen. Man läßt
ihn also zappeln und genießt das
Schauspiel, daß er sich in übereifriger
Servilität bis zur Erniedrigung er
schöpft, oder daß er, des Kampfes vor
zeitig müde, das Schwert streckt, wenn
er die Sprödigkeit mißversteht oder sich
nicht geschickt genug für den Kampf
fühlt.
Man weiß auf Grund unwiderleg
barer statistischer Ziffern, daß die Ehe
losigkeit in Zunahme begriffen ist, daß
die Männer in dieser Beziehung zag
hafter werden. Die socialen und wirth
schaftlichen Gründe hierfür sind oft
genug erörtert worden. Es ist darum
wohl auch kein Verlaß darauf, daß sich
die heirathsfähigen Männer mit einer
sehr standhaften Ausdauer in den
Kampf des Werbens begeben; es
müßte sich denn um eine sogenannte
gute Partie handeln, um eine sehr gute
noch dazu. Das ist dann etwas Ande
res. Die Heirathsconcurrenz unter den
Frauen ist eine bedrohliche. Um wieder
die Statistik zu Hilfe zu rufen, es giebt
in Europa 3 255 Millionen mehr
Frauen als Männer. Es liegt auf der
Hand, daß unter diesen Umständen das
Zuwarten sehr häufig zu einem negati
ven Resultat führen muß; die Thatsa
chen beweisen es. Ja, da müßte man sich
doch rühren, meine Damen! Nun soll
keineswegs der Sitte das Wort ge
sprochen werden, daß ein vollständiger
Rollentausch stattfinden möge, und daß
die Damen um den Mann ihrer Wahl
schlechtweg anhalten sollten. Aber es ist
wieder zweifellos und nach dem Ge
ständniß vieler Männer erwiesen, daß
eine große Zahl von Heirathsfähigen,
die eine Ehe eingehen könnten, dazu
nicht rechtzeitig den Weg finden. Un
entschlossenheit, Schüchternheit, ja so
gar eine gewisse Ungeschicklichkeit im
Umgang mit jungen Damen, Eigen
schaften, die sich in der Ehe sogar als
Vorzüge bewähren könnten, veranlas
sen viele zum Aufschub dieses Planes,
und allmälig gewöhnen sie sich an das
Junggesellenthum. Haben sie gar ein
mal einen Korb bekommen, so werfen
sie die Flinte für alle Zeit ins Korn,
denn ein solche Erfahrung verletzt auch
das robustere Männergemüth. Berus
und Existenzkampf nehmen viele voll
ständig in Anspruch, verwehren ihnen
Gelegenheit und Zeit für das edle
Waidwerk des Werben«, und mancher
scheut sich, wie die Verfasserin der ci
kirten Broschüre zutreffend bemerkt,
feinen Antrag bei einer reichen Erbin
anzubringen, weil er nicht für einen
Mitgiftjäger gehalten werden will.
So wie die Dinge jetzt liegen, wartet
das Mädchen, bis der „Herrlichste von
allen", der oft gar nicht mal so herrlich
ist, erscheint und sich um sie bewirbt.
In vielen Fällen wird die Begehrte
unter dem elterlichen Einfluß ihr Ja
wort geben. Ist es der, den sie lieben
möcht,', auf den ihre freie Wahl gefal
len wäre? Kennt sie am Ende nicht ei
nen Anderen, den sie schon früher im
Stillen liebenswerther gefunden hat
einen Ah»!lngslosen, der vielleicht auch
mit beiden Händen nach ihr gegriffen
hätte? Ist es der weiblichen Würde so
viel angemessener, sich eine Neigung,
wenn es sich überhaupt darum und
nicht um andere Interessen handelt,
sozusagen, aufdrängen zu lassen und
sich in vielen Fällen überhaupt erst zu
einer Gegenliebe zu erziehen? Freilich,
wenn die Ehe nur ein Capitel in dem
romantischen Zauberspiel der Liebe be
deutet, ist die Auflehnung des hyper
trophirten weiblichen Zartgefühls ge
gen ein freimüthigeres Entgegenkom
men begreiflich. Aber was nach der
Hochzeit mit dem ganzen Festesjubel,
denGlückwunfchtelegrammen und Toa
sten und der glücklichen Hochzeitsreise
kommt, ist ja mehr und etwas Ernst
hafteres. Und für diese? ungleich län-
Gere Nachspiel sollte daS Weib doch ei»
ncn Partner nach seinem Geschmack
wählen dürfen. Sie wird mit der
Feinheit der weiblichen Empfindung
wahrscheinlich das Richtige treffen, und
Irrthümer und Mißgriffe, die in un
seren modernen Ehen so zahlreich sind,
würden voraussichtlich verringert wer
den.
Man hört so viel von den Kämpfen
um die Frauenrechte, die um die Gleic
hstellung der Frau entbrennen; nur in
diesem einen Punkte scheint oas Weib
seine Unterordnung nicht deutlich zu
fühlen. Wenn es das erlangt, was es
in dem Kampf um die Frauenrechte er
strebt, nennen wir es die Gleichstellung
mit dem Manne, die Zulassung zu
männlichen Berufsarten u. s. w., so
wird das weibliche Zartgefühl hundert
fach und in viel derberer Weise verletzt
werden, als es geschehen könnte, wenn
es in der natürlichsten und wichtigsten
Angelegenheit die von mißverstandener
„weiblicher Würde" dictirte Passivität
aufgeben würde. Jemanden „aus
freien Stücken lieben und erwählen zu
dürfen, das ist auch ein Frauenrecht!
Nun schüttelt auch die Federn ab,
Ihr Winterschläser all'!
Hört ihr nicht schon den Berg herab
D«s Frühlings Peitschenknall?
Nicht wie «in Dieb in dunkler Nacht,
Nein, brausend wi« ein Held
Kommt er und stürmt als wie zur
Schlacht
Durch das erschrockene Feld.
Doch, kommt er auch ein wenig wild
Und ungestüm in's Land,
Sein Herz ist gut, sein Blick ist mild
Und fürstlich seine Hand.
Rings theilt er Glück und Gaben aus,
Und alles läuft ihm zu.
Und du. mein Herz, bleib' nicht zu
Haus,
Gesegnet wirst auch du.
Ungesunde Areundschaslen.
Wenn die Freundschaft in einem Le
ben eine wirklich« Macht geworden ist,
dann hört man häufig von verständ
nißlosen Gemüthern spöttisch von „un
gesunder" Freundschaft reden. Gewiß
gibt es ungesunde FreundsckMen,
aber die, welche das Schlagwort so
bequem bei der Hand haben, sind sich
oft am wenigsten klar, daß das Unge
sunde seiner Freundschaft nicht in dem
Grade der Liebe, sondern nur in der
Art derselben besteht. Das Bertrauen,
das sympathische Verständniß für ein
ander ist allen Freundschaften gemein
sam, aber die Aeußerungen dieser
Freundesliebe sind verschieden. Bei
ruhigen Personen werden si« sich in
den Grenzen halten, die dem landläu
figen Begriffe der Freundschaft ent
sprechen, während impulsive Naturen
einen ganz anderen Ausdruck sür das
selbe Gefühl finden. Zärtlichkeit, so
gar etwas Leidenschaftlichkeit ist «wer
gesunden Freundschaft erlaubt. Wes
halb sollte die Freude über die edle
Anregung, die aus einem Freund
schaftsverhältniß fließt, sich nicht so
äußern dürfen? Man hält Liebenden
so manche Thorheit zu gut«! sollte man
d«r Freundesliebe in diesem Punkt« so
verständnißlos gegenüber stehen? Hier
liegt aber zugleich die Klippe. Es darf
nicht bei dem äußeren Gefallen an ein
ander bleiben, es darf nicht allein das
Liebebedürfniß befriedigt werden durch
gegenseitiges Verzärteln; die Freun
desliebe darf nie blind sein. Das
Wohlgefallen an einander ist die sinn
liche Seite der Freundschaft, das gei
stige Geben und Empfangen aber
die sittlich« Seit«. Beruht «in Ver
hältniß nur auf der sinnlich«» S«it«,
so ist «s inhaltlos« Schwärmerei. Eine
solch« Freundschaft verweichlicht durch
die künstliche Atmosphäre von Bewun
derung und Schmeicheln; sie nährt
die Selbstliebe, statt das sittliche Leben
zu stärken. Di« Betheiligten werden
nicht, liebensiverther, nicht gewissen
hafter, sondern empfindlicher gegen je
des mahnende, strafende Wort und zie
hen sich vor jeder Berührung des All
tagslebens in ihre urtheilslose Freund
schaft zurück. Eiivem solchen Verhält
niß darf man mit Recht den Vorwurf
des Ungesunden, Schädlichen machen.
Ebenso ungesund sind die Freund
schaften, bei denen der eine Theil ganz
Unterordnung ist, während der ander«
den Ausschlag gibt, sogar in Ansichten
und Anschauungen. Eine wahre
Freundschaft erweitert den Jdeenkreis
und macht die Anschauungen vielseiti
ger. Dieser Segen g«ht natürlich ver
lor»», wenn der eine nur mit den Au
gen des anderen sieht. Ein solches
Verhältniß ist für beide sittlich fchiidi-
Das zeigt sich bei Menschen, die stets
von einer Anzahl urtheilsloserFreunde
umgeben sind. Dieser Schwärm ver
ändert sich stets; die gesunderen Ele
mente, die sich auf sich selbst besinnen,
scheiden aus und werden durch minder
werthigere ersetzt; «in sicheres Zeichen,
das auch das herrschend« Element die
ses Kreises nicht ungeschädigt aus sol
chem Verhältniß hervorgeht. Man hat
Liebe als Einheit von Wohlgefallen
und Wohlwollen desinirt. Diese Defi
nition gibt den rechten Maßstab
zu. .
Unbewußte Selbstlri»
ti k. „Der Meier ist doch ein entsetz
licher Säufer. In jedem von den acht
ich den Menschen im WrthshauZl'
Selbs».
Unverzagt in all den Stürmen,
Die das Leben allen bringt,
Steht ein rechter Mann und dringt
Vorwärts, ob sich Steine thürmen.
Aber auf sich selbst beschränken
Darf ihn freuen nicht noch kränken,
's cachtatzl.
Bei'm Hinterwimmerslmmern hab'n
f' g'rad' Dampfnudln 'gess'n zum
Mittag da hat a' Handwertsbursch'
g'klopst und g'sagt: ~J' bitt' gar schö'
um an' Zehrpfennig!" Da hat eahm
d' Bäu'rin an' Zehrpfennig geb'n und
a' Dampfnudl, und der Handwerks
bursch' hat g'sagt: „Vergelt's Gott
tausendmal!" Und im 'nausgeh' hat
„Im Garten aus'm groß'n Nuxbaam
is an Oachkatzl!" Da war'n s' glei'
vom Tisch aufg'rumpelt. „Laßt's des
Oachkatzl Oachkatzl sei'", hat der Hin
terwimmer g'sagt, „Oes derwischt's ja
der Thür' drauß' g'wen zum Oach
katzlsanga. D'raus is der Mittertnecht
d' Gabel wegg'schmiss'n und san aa'
'naus. Und s Deandl und d' Mitter
dirn und d' Oberdirn, de san Alli
der hat 'brummt nach an Zettl is er
aber do' aa' 'naus. Da san s' Alli um
an' groß'n Nußbaam 'rumg'standen
s' aa' g'rad' Mittag g'macht und hab'n
a' G'selcht's 'gessen mit an' Sauer
traut. Da hat d' Mitterdirn zum
Fenster 'naus g'schaut und hat g'sagt:
„Was gibt's denn bei'm Hinterwim
mer? Da steh'n s' Alli mitananda
im Garten um den großen Nußbaam
'nllber g'schrian und hab'n g'sragt und
da hat's g'hoaßen: „Ja, auf dem gro
ßen Nußbaam, da is an Oachkatzl!"
Da san Alli vom Oberwimmer zum
Hinterwimmer 'nllber g'lasa und
hab'n si' zum groß'n Nußbaam hi'g'-
stellt und hab'n g'schaut, ob sie 'sOach
' katzl net seg'n. Aus oamal hat der
Hinterwimmersimmernwasterl g'sagt
(des is der Vua g'wen vom Hmter
wimmersimMrn): „I'siech' 's Oach
katzl!" Es is aber dees 's Oachkatzl
net g'wen, sondern g'rad' a' braun's
Nußbaamblattl an an' ober'n Ast.
Aba glei' hat der Oberwimmersimmerl
g'sagt (des is der Bua g'wen .vom
Oberwimmer): „I' siech' 's Oachkatzl
aa'!" Er hat aber net amal des braune
Nußbaamblattl g'segn, und doch hat er
g'schrian: »I' siech' 's „Oachkatzl."
Und nacha hat 's Hinter
g'sagt, daß sie 's Oachtatzl segn. Und
aus oamal hab'n's de Mannsleut' aa'
g'segn. D'rauf hab'n f' g'fchwind
zum Lehrer aufi g'schickt: „Der Lehrer
soll glei' kemma mit sein' Zimmer
stutzen; denn im Garten auf dem gro
ßen Nußbaam war' an Oachkatzl!"
Da is der Lehrer mit 'm Zimmer
stutzen kemma und hat g'sagt: „Wo iS
denn 's Oachkatzl?" Nacha hat der
Hinterwimmersimmeiwasterl g'sagt:
„Aus 'm obern Ast der braune Fleck
der is's Oachtatzl!" Da hat der Leh
rer 'nausg'schaut und an Zimmer
stutzen o'g'legt und 'zielt und g'schos
sen. Da is dees braune Nußbaam
blattl richti' 'runta g'sall'n. Da hat
der Lehrer an Kopf g'fchüttelt und
g'sagt: „Ja, dees is ja gar toa' Oach
katzl dees is ja g'rad a' Nußbaam
blattl!" Nacha hab'n s' alli mitan
anda an Kops g'schüttelt und g'sagt:
„Ja, decs is a' Nußbaamblattl!"
Da is der Lehrer wieder hoam'ganga
mit sein' Zimmerstutzen; und de An
der'n san aa'wieder Wia
g'wen, und an Bauern sei' silberne Uhr
Und wia de Leut' vom Oberwim
merwastl in 's HauS kemma san, da is
Wia s' aber außi g'lasa san und
g'schaut hab'n, da is koa Handwerks
bursch aa' nimmer dag'wen, sondern iS
„Glück".
Sicherung mit der Gesellschaft ein
und bricht das Bein. Der Bruch ist
complizirt, heilt langsam, bleibendes
Mark zu. ch l '
Gericht zahlt die Gesellschaft schließlich
will er sein von neuem.
Doch der Agent streckt die Hände
weit von sich und schreit: „Geh'n Se,
Herr Hersch, geh n Se, mit Sie schließ'
ich nix mehr ab ii Contrakt Sie ha
ben uns zu viel Blick!"