2 Z)cr kleine Spion. Er war ein echtes Pariser Kind, kränklich und blaß, das 10, vielleicht auch IS Jahre alt sein mochte; genau konnte man es gar nicht erkennen. Seine Mutter war todt; sein Vater, ein alter Marinesoldat, bewachte eine Parkanlage in der Nähe des Temple. Kinder, Bonnen, alte Damen, das ganze Paris, das überhaupt dorthin wußte auch, daß sich unter ihm ein gutmüthiges, fast mütterliche! Lächeln verbarg und daß man, wenn man es brauchte: „Wie geht es Ihrem Jun gen?" Denn er liebte seinen Knaben über Alles, der Vater Stenne. Er war so glücklich, wenn der Kleine des Abends zu ihm kam und sie dann gemeinschaft lich die Alleen auf- und abschritten. ! Bei jeder Bank mußten sie stehen blei- um die regelmäßigen Besucher zu unglücklicher Weise Alles. Der Park hörlicher Aufsicht verpflichtete Vater Bataillone seines Viertels, wenn sie Musik der 96er nicht viel taugte, wäh- und war beim Heimmarsch unter den Nachzüglern. Seine» Korb am Arm mischte er sich Eines Tages, als er ein Geldstück „Bist wohl neidisch, was? Na, wenn Du willst, sag' ich Dir, wo man sie be mann mit rother Nase und gutmüthi gem Gesicht und sagte mit zitternder Stimme: „Lassen Sie uns Passiren, lieber Herr .... Unsere Mutter ist krank, der Papa ist todt. Ich will mit meinem kleinen Bruder versuchen, auf dem Felde ein paar Kartoffeln zu sam meln." Er weinte, Stenne, ganz beschämt, senkte den Kops. Der Posten besah sie einen Moment und warf dann einen flüchtigen Blick über die verlassene und Verschneite Straße. „Macht schnell!" rief er, sich abwen dend, den Kindern zu; und sie gingen »veiter. Der Große lachte. Verwirrt, wie in einem Traume, sah der kleine Stenne die in Kasernen um gewandelten Hüttenwerke, die verlasse nen mit feuchten Lumpen gepolsterten Barrikaden und die durchlöcherten ho hen Schornsteine, die den Nebel durch bohrten und bis in den Himmel zu steigen schienen. Von Zeit zu Zeit eine .Schildwache, Osficiere im Käppi, die, der Große noch so schön erzählen, man wollte sie nicht passiren lassen. Aber während er noch jammerte, schritt aus Jungens, heult nicht mehr! Ihr werden schon zu Euren Kartoffeln kommen; aber vorher kommt mal her ein und wärmt Euch ein wenig ... Er ist wahrhaftig schon halb erfroren, die ser Schlingel da!" Ach, es war nicht die Kälte, es war die Furcht, die Schande, die den klei nen Stenne erzittern ließ ... In der Wache saßen einige Soldaten bei einem schwachen dürftigen Feuer, an dessen Flamme sie auf den Spitzen ihrer Ba jonette Zwiebacks austhauten. Sie ! rückten zusammen, um den Kindern Platz zu m»«'>en und gaben ihnen ein wenig Kaffee. Während sie noch tran ken, trat ein Officier in die Thür, rief den Sergeanten herbei, flüsterte ihm etwas zu und entfernte sich dann hastig. „Jungens," sagte er, als «r strahlend wieder eintrat, „heute Nacht wird'S was geben, wir haben das Losungs wort der Preußen Ich glaube, heute holen wir uns Bourget wieder!^ Er entfesselte einen Sturm freudiger Ausrufe. Man tanzte, gemeinen Trubel gelang es den Kin dern, sich unbemerkt zu entfernen. Nachdem sie den Damm überschrit ten hatten, sahen sie nur noch eine lange, weiße, vonSchießscharten durch löcherte Mauer vor sich. Gegen dies« wandten sie sich, bei jedem Schritt ste hen bleibend, und zum Scheine Kartof feln aufzulesen. > „Kehren wir um, gehen wir nicht dorthin,' sagte der kleine Stenne im merzu. Aber der andere zuckte mit den Ach seln und schritte immer weiter. Plötz lich hörten sie das Knacken eines ge spannten Gewehrhahnes .... „Duck Dich!" rief der Große und warf sich selbst zu Boden. Dann pfiff er, ein anderer Pfiff antwortete ihm. Sie krochen über den Schnee langsam näher. Vor der Mauer, wie aus der Erde gewachsen, erschien ein schnurrbärtiger, behelmter Kopf. Der Große sprang in den Lau sgraben, an die Seite der Preußen. „Das ist mein Bruder," sagte er, auf Stenne deutend. Er war so klein, dieser Stenne, daß der Preuße, als er ihn ansah, lachen mußte und ihn in seinen Armen über die Bresche trug. Auf der anderen Seite, hinter ge waltigen Erdausschüttungen und Bar rikaden aus gefällten Baumstämmen waren eine Menge schwarzer Löcher im Schnee, und aus allen diesen Löchern Soldaten, die Karten spielten und an einem großen lustigen Feuer Suppe be reiteten. Das duftete nur so nach Kohl und Speck. Und dagegen das Biwak der Franktireurs! Zu ebner Erde befanden sich die Osficiere. Man nen zu trinken und nöthigte sie zum Erzählen. Alle diese Osficiere hatten ein etwas hochmiithiges Ansehen, aber der Große erheiterte sie durchVorstadt „Nicht, Du .. Du .... Ich will es nicht!" > Thür. „Geht hinaus!" stolz wie ein Doge und klapperte mit seinem Gelde. Stenne folgte ihm mit gesenktem Kopf. Als er an dem Preu ßen vorbeikam, dessen Blicke ihn so ge peinigt hatten, hörte er eine traurige Da kamen ihm die Thränen in die Augen. Wieder, auf freiem Felde, fin gen sie an zu laufen und beeilten sich, zurückzukehren. Ihren Sack hatten sie voll Kartoffeln, die ihnen die Preußen gegeben hatten. Mit diesen kamen sie denn auch ohne Hinderniß an den Lau fgen die Truppen heran und sammelten sich hinter den Mauern. Der alte Ser geant war auch dabei. Er ordnete seine Leute mit einem ganz glücklichen Ge sicht. Als die Kinder vorbeigingen, er kannte er sie und lächelte ihnen freund lichst zu. Ach, wie dies Lächeln dem kleinen Stenne weh that! Einen Moment war „Wenn Du klatschst, werden wir Beide erschossen!" und die Furcht hielt ihn zurück. In der Nähe der Stadl traten sie in ren, nicht?' Gegen 8 Uhr Abends hörte man Ka „Das ist Aubervilliers ... Es geht gegen Bourget," sagte der Alte, der alle seine Forts kannte. Der Kleine er schiitzend, zii Bett. Aber er schlief Der Preis für all das Blut lag da un ter, der das Fenster öffnete. Unten, auf dem Platz wurde Rappel geschla gen. Ein Bataillon der Mobilgarden sammelte sich zum Aufbruch. Entschie den, das war eine wichtige Schlacht. „Was ist Dir deirn?" fragte der eben es sprang aus seinem Bett und >varf sich dem Vater zu Füßen. Bei dieser Bewegung fielen die Goldstücke klir „Was ist das? Wds hast Du?" sagte der Alte zitternd. nem Athem, daß er zu den Preußen ge gangen sei und was er dort gemacht hätte. Nach und nach wurde es ihm Stenne hörte ihm zu, mit einem fürch terlichen Gesicht. Als der Kleine geen det hatte, bedeckte er sein Gesicht mit „Vater, Vater ..." rief das Kind. „Ist das alles?" fragte er. Der Kleine bejahte stumm. Da hakte der Alte sein Gewehr los, nahm seine Patronentasche und steckte das Geld ein. „Es ist gut, ich will es ihnen zurück bringen." dergesehen. Hh Das genügt. Dichter: „Was hast Du denn mit dem Kerl angefan gen, den Du Nachts unter Deinem Be