Der Godte Korror- ZsLcrnd. Roman von Harry Shcss. (10. Fortsetzung.) „Das könnten Sie, denke ich, von sich selbst in erster Reih« behaupten," bemerkte der Hofrath verbindlich. „O, wie sehr haben Sie recht! Ja, verirrt, versunken vergessen! Einst träumte ich von einer anderen Lauf bahn. Menschenschicksal, Herr, Men schenschicksal! Doch besser, wir spre chen nicht davon. Ich wollte Sie um «ine Gefälligkeit ersuchen, mein Herr." Der Hofrath faßte mechanisch in die Tasche, in welcher er seine Börse trug. Doch als hätte Cäsar Mandel diese Bewegung bemerkt, fügte er schnell ""kaufte „Das verkaufte Weib?" lächelte Schaller, „ein anziehender Titel." Libretto, ich habe es selbst versaßt der. Das verkaufte Weib! Herr, Der Hofrath mußte sich heimlich ein gestehen, daß er schon schlechtere Musik gehört, und begegneten ihm auch in Pianist des .Herrn Dechert unbedingt bessere künstlerische Tage gesehen haben müsse. Plötzlich erlitt Cäsar Mandels Vor trag eine jähe Unterbrechung. Bruno Dechert, der Beherrscher dieser Ver gnügungsstätte, war mit zornglühen dem Gesicht hinter den Stuhl seines Kapellmeisters getreten, und ein un sanfter Rippenstock brachte den in höhe ren Sphären schwebenden Maestro wieder in dasJammerthal des Dechert schen Restaurants zurück. „Sind Sie wieder 'mal toll gewor den, Mensch", raunte der Wirth ihm zu, „was spielen Sie denn da für Zeug zusammen, das ist ja grauenvoll anzu hören und vertreibt mir meine Gäste. Schnell, was Lustiges, was Ver gnügtes, wobei man sich 'was denken kann!" Und Cäsar Mandel, gewohnt dem Befehle seines Brotherrn blindlings zu gehorchen, intonierte seufzend einen Walzer, den damals ganz Berlin sang, psiff oder auf dem Leierkasten hörte. Das Publikum war schon nach den ersten Tönen wie elektrisirt. Man stand hastig auf, schob Tische und Stühle beiseite, und die Biergläser schwingend, begann alles in buntem Durcheinander zu tanzen. In toller Trunkenheit tanzten auch Strohbach und seine irische Ehehälfte mit, die un ter Decherts Leitung vorher des Guten zu viel gethan. Der Hofrath war beim Ausbruch bes tollen Lärms eiligst geflohen, ohne sich bei dem Componisten der Oper „Das verkaufte Weib" für den gehabten Kunstgenuß bedanken zu kön nen. 11. Capitel. Als Susanne an einem der ersten Tage des December früh morgens ihre Wohnung verließ, um sich nach dem in der Kronenstraße belegenen Bureau des Justizraths zu begeben, gesellte sich ihr an der Ecke der Prenzlauerstraße ein Mann bei, dessen Anblick trotz sei nes freundlichen Grußes ihr sichtlich unangenehm war. Mit flüchtigem über blieb hartnäckig an ihrer Seite und sagte mit süßlicher Freundlichkeit: .Erlauben Sie, daß ich Sie ein Streckchen Weges begleite, Fräulein, tch hätte ein paar Worte mit Ihnen zu „Aber ich wüßte wirklich nicht, Herr Hähnchen, was wir beide miteinander noch zu sprechen hätten," entgegnete Susanne und beschleunigte ihre Schritte. Doch der Rechtskundige ließ sich nicht abweisen. „Ich denke, die alten Geschichten zwischen uns sind verges sen", meinte er gemüthlich schmun zelnd, „ich wenigstens trage Ihnen wirklich nichts mehr nach wahrhas tig nicht!" „Was sollten Sie mir denn nachtra gen? Vielleicht, daß ich meine Pflicht that und den Herrn Doctor Gallus auf Ihre langjährigen Betrügereien und Veruntreuungen aufmerksam machte?" „Na, na, Fräulein Strohbach, Sie bedienen sich sehr starker Ausdrücke, aber ich nehme sie Ihnen weiter nicht übel, im Gegentheil, ich will Böses mit Gutem vergelten und Ihnen eine vor treffliche Nachricht bringen." „Ich wünsche von Ihnen nichts mehr zu hören und bitte, Sie, mich zu ver lassen." „Auch wenn ich Ihnen sage, daß ich nicht aus eigenem Antriebe gekommen bin, sondern daß mich Baron Hans v. Rheden geschickt hat." Susanne blieb plötzlich wie ange wurzelt stehen. Sie fühlte, daß eine heiße Welle ihr zum Herzen stieg und dort ihr einen körperlichen Schmerz verursachte. Baron v. Rheden! Diesen Namen von diesen Lippen zu hören Halle sie weniger erwartet, als des Himmels Einsturz. Und diesen erbärmlichen Menschen, diesen elenden Betrüger sollte der Baron geschickt haben, um ihr eine Mittheilung welcher Art sie auch sein mochte machen zu las sen? Unmöglich! Nein, das das konnte nicht sein das mußte Hähn chen zu irgend einem Zw«ck erlogen ha ben, sie kannte ja den Biedermann aus der kurzen Zeit, w«lche sie mit ihm bei Gallus zusammen gearbeitet hatte. „Sit sind ja ganz blaß geworden, Fräulein," nahm Hähnchen das Ge spräch wieder auf, „ab«r Sie brauchen gar nicht zu erschrecken, wenn Sie den Namen des Barons hören. Im Ver trauen, er ist ganz, ln Sie verschossen, und wenn Sie ein kluges Mädchen sind und ich weiß, Sie sind nicht aus den len!" stung über den unverschämten Ver leumder. „Baron v. Rheden hat Ihnen keinen Auftrag gegeben, mir das zu Seite an. „Thun Sie doch nicht so, Fräulein Suschen, als ob der Baron mir nicht anvertraut hätte, daß ihr b«id« im Thiergarten zusammengetrof fen seid und daß er auch schon beim Schneidermeister Grün, bei Ihrem Wirth, ein- und ausgeht." Jetzt war jeder Blutstropfen aus Susannes Gesicht gewichen. Mechanisch hob sie den kleinen Muss, in welchem sie ihr« Hände verborgen, vor di« Augen, um den schmerzlichen Ausdruck ihrer Züge nicht gewahren zu lassen und die tiefe Erregung, deren Beute sie plötzlich geworden war. Also doch nicht erlogen! Der ver ächtliche Mensch an ihrer Rechten muß te doch gewisse vertrauliche Mittheilun gen von Rheden erhalten haben, wie hätte er sonst von ihrer Begegnung mit dem Baron Kenntniß haben können! Dieser Gedanke legte sich wie ein Bleigewicht auf Susannes Hirn und raubte ihr für einige Minuten die Fähigkeit zu denken oder zu überlegen. In namenloser Angst, noch mehr, noch Schrecklicheres, aus dem Munde des tief verachteten Menschen zu verneh men, stürzte sie vorwärts, sie hörte nur wie im Fiebertraum ihn von Reich thum, Millionen, Brillanten, von ei nem Leben in Glück und Seligkeit, das ihr blühen würde, erzählen dann winkt« sie mit der letzten Kraft, die ihr blieb, einer vorüberfahrenden Droschke und floh vor dem Rechtskonsulenten in den Wagen, der sofort anhielt. Hähnchens Frechheit ging so weit, sie am Schließen der Thür hindern zu wollen. Er steckte seinen spitzen Kopf in das Innere des Wagens und fragte höchst vertraulich: „Wann kann ich mir eine Antwort holen, Fräulein Sus chen? Lassen Sie den armen, guten Baron nicht so lange warten." Diese bodenlose Unverschämheit gab dem Mädchen einen Theil ihrer That kraft und Besonnenheit wieder. Sie klopfte an das zum Kutscher sührende Fenster und rief ihm hastig die Adresse des Justizraths Gallus zu, dann wandte sie sich mit blitzenden Augen und zornsprühendem Gesicht an den Elenden: „Fort! Befreien Sie mich von Ihrem Anblick, oder ich wende mich an jenen Schutzmann dort und lasse Sie verhaften!" Hähnchen zog sich bei dem Wort „Schutzmann" mit auffallenderSchnel ligk«it zurück. Susanne vermochte den Schlag zu schließen, und die Droschke setzte sich in Bewegung. Die wirksame Zurückweisung des ed len Rechtskundigen war aber auch das Letzte gewesen, was Susannes erschüt terte Willensstärke zu leisten im Stan de gewesen war. Jetzt, da die Gefahr weiterer Belästigung vorüber und Su sanne sich allein und unbeobachtet wuß te, lehnte sie sich in eine Ecke des Wa gens zurück, und ein Strom heiß«r, lang zurückgehaltener Thränen brach aus ihren Augen und seuchtete das liebliche Gesicht. Si« weinte! Und dies« Thränen er preßten ihr ein Weh, tiefer, als sie es je zuvor im Leben gefühlt hatte. Und sie empfand auch klar und deutlich,was es war, das ihre Seele mit unbarm herzigen Messerstichen verwundete, sie legte sich Rechenschaft darüber ab, wes halb sie di« Mittheilungen eines Elen den, denen sie wohl sonst nicht die ge ringste Bedeutung beigelegt hätte, wie mit Keulenschlägen getroffin hatten. Susanne war Rheden gegenüber, obwohl es ihr hart ankam, abweisend, auch dk leiseste nenreichen Edelmann klar gemacht hat te. Dank ihrer Thätigkeit war sie ge wohnt, auf der Grundlage nüchterner Auffassung die Dinge zu prüfen, täg lich hatte sie Gelegenheit, in Verhält nisse hineinzusehen, welche sie darüber belehrten, daß nicht die Neigungen, die Wünsche, das Verlangen der Menschen ausschlaggebend sind, sondern ganz an dere, mächtigere Faltoren, und unter di«sen nahmen Besitz und Gleichberech tigung und das Streben nach ihnen keineswegs die unterste Stelle ein. gesponnene Faden zwischen ihr und Rheden zu innigerer Verstrickung ihrer Schicksale werden könne. Das niemals, aber, indem sie den Mann floh und nes edlen Wesens, dem Zauber feiner ritterlichen Persönlichkeit widerstehen können und immer mehr hatte schlag in ihr, sogar des Traumes un bewußtes und unlenkbares Wollen, hatten ihm gehört. Nichts hatte Sus chen verlangt, als daß das stille, un nennbar süße Gefühl dieses forschenden Blicken verborgenen Glückes ihr zu ei gen bleiben solle. entrissen! Zwischen Baron Rheden und Hähn chen bestand Verbindung, genüber zu veranlassen. Diesem Elenden, dem nur das Schlechteste zu zutrauen war, in dessen Augen das Interesse eines reichen, hochgestellten Mannes für ein armes Mädchen na türlich nur Jagdlust auf ein ihm be gehrenswerth scheinendes Wild sein konnte, ihn also hatte er zu ihr ge sandt, um seinen Absichten Gehör zu verschaffen! O, das war elend, das war infam das glich einem mit ro her Faust geführten Schlag in ihr Ge sicht. Das war eine nie zu vergebende Brutalität! Der Schlag hatte getroffen, er hatte ihrer Seele zu wehe gethan, sie blutete unter seiner Wucht. Und Suschens Thränen galten dem Tode ihrer Liebe, der Zerstörung ihres so heimlich und so gehegten Glückes. Die Droschke bog in die Krone«- straße ein, sie näherte sich dem Hause, worin sich die Bureaux des Justizraths befanden. So gut es ging, tilgte Su sanne die Spuren ihres Leids. Gallus durfte ihr nichts anmerken, er durfte niemals erfahren, was in ihrem Her zen vorgegangen und welche schmerzli che Enttäuschung ihr zu theil geworden war. Sie besaß in ihm einen vaterli chen Freund, vor dem sie sich einzuge stehen geschämt hätte, daß, wenn auch nur vorübergehend, ein Unwürdiger ihre Achtung ihre Liebe besessen. Aber würde es ihr gelingen, seinem Scharfblick ihre Erregung, ihre Nieder geschlagenheit zu verbergen? Las er nicht mit fast unfehlbarer Sicherheit in den Seilen der Menschen, und nun gar in der ihrigen, mit welcher er sich so liebevoll und sorgsam beschäftigt«, uIN sie vollkommener und für das Schöne und Edle noch aufnahmefähiger zu machen? Susanne nahm sich vor, Gallus während der nächsten Stunden wenig stens und so weit «s möglich sei fern zu bleiben, sie durfte auch darauf rech nen, ihre Absicht zu erreichen und Gele genheit sich zu sammeln und zu beruhi gen zu finden, da der Justizrath, der oft noch spät in die Nacht hinein arbei tete, gewöhnlich erst gegen zehn Uhr sichtbar wurde. Also blieben ihr fast noch zwei Stunden. Sie erschrak nicht wenig, als ihr der Bureauvorsteher, der Nachfolger Hähn chens, «in älterer, ruhiger Mann, nach dem er ihren Morg«ngruß freundlich erwidert, mittheilte, daß der Doctor so wurde Gallus auf feinen Wunsch mit Umgehung seines anderen Titels zu Hause genannt sich schon lange in seinem Sprechzimmer befinde und in Conferenz mit einem fremden Herrn begriffen sei. Die Herren hätten sich, noch bevor die Schreiber zur Arbeit an getreten, hinter der verschlossen«« Thür befunden, und nur auf einen Augen blick sei der Doctor erschienen, um die Weisung zu g«ben, daß er durch nichts bis auf weiteres gestört zu werden letzte Mittheilung beruhigte Susanne wieder ein wenig, hoffentlich dauerte die Unterredung hinterher ver schlossenen Thür noch recht lange. Sie nahm ihren Platz vor dem an dem breiten Fenster stehenden Tisch ein, auf dem sich nebst vielen Papieren und Briefschaften auch ihr- Schreibmaschine befand. „Sind Sie krank, Fräulein Stroh bach?" fragt- der Bureauvorsteher kopfschüttelnd. „Ihre Hände zittern ja. und auch Ihr Gesicht ist auffallend blaß." „Ich danke Ihnen. Herr Reinhard, ich bin wirklich ein wenig leidend." Es war keine Unwahrheit, die sie gesprochen. Sie litt, sie litt unsäglich, und sie mußte ihre ganze Selbstbeherr schung aufbieten, daß die Papiere, mit denen sie zu chun hatte, nicht feucht von Thränen wurden. Plötzlich sie mochte kaum eine halbe Stunde gearbeitet haben er tönten aus dem Zimmer des Justiz raths zwei Glockenzeichen. Susanne erhob sich schnell, sie wußte ja, daß die ses Signal ihr galt. Mit Papier und Bleistist versehen, eilte sie zur Thür, um sie zu öffnen. Doch sie war noch verschlossen, und Gallus eilte erst auf ihr kurzes Anpochen herbei, um den Riegel von innen zurückzuschieben. „Guten Morgen, Fräulein", sagt- er. „nehmen Sie Platz, ich möchte Ihnen «inen Brief diktiren." „Ist es nicht besser, wenn wir tele graphiren?" ließ sich eine männUche Mtte des Gemaches stehenden Schreibtisch zu Gallus und Susanne Suschen 'fuhr zitternd zusammen ; ihr scheuer Blick flog hinüber dahin, von wo die wenigen Worte gekommen von einem plötzlichen Entschluß belebt und gestärkt, tapfer widerstand. Er war es, er stand nur wenige Schritt« von ihr entfernt, der Mann, mit d«m sich ihre Gedanken seit Wo- vor ihm geflohen wäre, da sie sein Antlitz nie wieder schauen wollte. Aber er sollte sie nicht schwach sehen! Nur das nicht, nur nicht ihn ahnen lassen, ihn! Das war's, was sie ihre Schwäche überwinden und mit entschlossenen Schultz! Sie hier? Welche Überra schung!" Susanne trat, ohne eine Bewegung zu machen oder ihren ruhigen Gesichts nen Schritt zurück. Die Hand, die sich ihr entgegenstreckte, sah sie anscheinend nicht. kalt, „ich kennt Sie nicht." Rheden fuhr zurück. Eine Erwide rung schwebte auf seinen Lippen, doch cr ließ sie unausgesprochen. E« hatte gekannt sein wollte. Lächelnd kam Doctor Gallus näher. „Das scheint hier eine kleine Verwechs lung gegeben zu haben," nieint« er. „Hörte ichSi« nicht „Fräulein Schultz" sagen, Baron? Nein, ich kann dem Fräulein bezeuge«, daß sie diesen be rühmten Sammelnamen nicht sührt, mit ihrer Erlaubniß stelle ich den Jrr- Und ehe Susanne Protest erheben konnte, war die Vorstellung erfolgt. „Baron Hans v. Rheden Fräu lein Susanne Strohbach." Rhiden verbeugte sich stumm, Su sanne neigte leicht das Haupt. Gallus schien sich für verpflichtet zu halten, der bloßen Namensnennung noch eine Erllärung folgen zu lassen: „Diese junge Dame besitzt mein vollstes Vertrauen, und obwohl ich gerade und einzig und allein unsere Angelegenheit vor ihr noch nicht berührt habe, so dürfen wir ohne Rückhalt alles in ihrer Gegenwart verhandeln. Wirklich, sie ist eine seltene Evastochter, zumal was ihre Gabt, mit Verständniß zu schwei gen und schweigend zu verstehen, an langt." „Dieses Talent ist äußerst schätzens werth," antwortete Rheden; „auch ich bilde mir ein, das Schweigen ande rer zu verstehen." Doctor Gallus merkte natürlich nicht, daß diese Antwort nicht ihm, sondern seiner Stenographin galt. Er nahm in dem kunstvoll geschnitzten Lu therstuhl vor seinem Diplomatentisch Platz, nachdem sich Rheden neben ihm und Susanne den beiden Herren ge genüber niedergelassen hatte. Das junge Mädchen, dessen Wangen jetzt wie in Fieberhitze glühten, beschäftigte sich angelegentlich mit ihren Papieren. War es denn möglich, daß dieser Mann irgend eine Verbindung mit diesem gesunkenen, ehrlosen Menschen, dem Hähnchen, haben konnte? Seine Augen blickten so klar und ehrlich, daß man durch sie auf dem Grunde seiner Seele lesen zu können verneinte. So edelmännisch, so echt, so fern der Fä higleit, niedrig zu denken oder gar zu handeln, schien sein ganzes Wesen, daß Susann« ein« innere Stimme zu vernehmen glaubte, die Ihr zuries: „Glaubt nicht, was Du gehört, was Du gesehen hast selbst das beruht oft auf Irrthum und Täuschung nur dem glaube, was Du sühlst, was Dein Herz Dir sagt, und Du wirst nicht irren!" Doch da klangen di« Wort« Hähnchens in ihr wieder: „Hat der Baron mir nicht anvertraut, daß ihr beide im Thiergarten zusammenge troffen seid?" Sie preßte d'e Zähne fest aufeinander, und ihre Hände um klammerten mit krampfhast.'in Druck die Platte des Schreibtisches. Doch auch Rhedens Gedanken weil ten durchaus nicht bei d«n Auseinan dersetzungen des Justizrath«s. Ihm war so eigenthümlich zu Muthe, daß das geliebte Mädchen, das ihn heute in d«m schlichten Arbeitsll«id, mit dem kunstlos aufgewundenen, tizianisch goldene» Haupthaar noch weit liebrei zender und bcgehrenswerther erschien als an jenem Sonntag im Thiergar ten, daß sie ihm so nahe war und doch so unendlich fern geschieden von ihm vor allem durch die eisige Kälte, mit welcher sie auch heute wie der seine Annäherung zurückgewiesen hatte. Hans suchte nach einem Grunde ih rer eigenthümlichen Handlungsweise und kam endlich zu einer schmerzvollen Beantwortung seiner Frage. Wie, wenn sie ihn fliehen mußte, weil sie einem anderen gegenüber bereits sich gebunden hatte? Es überlief ihn kalt bei dieser Erwägung, und schmerzbe war wohl ein Fehler von mir, Sie durch meine Nachtdepesche schon für den frühen Morgen zu mir zu bit ten; aber ich that es in der Freude meines Herzens, weil wir ganz uner wartet einen Schritt weiter in un seren Nachforschungen gekommen sind." „Ich dachte soeben darüber nach," entschuldigte Rheden seine Unaufmerk samkeit, „ob wir die Mittheilungen dieses Mr. Davis nicht am Ende über- Mindeften gänzlich andere als die un seligen." Der Doctor warf einen prüfenden hen. 2 sch 3 ha „Daß dieser Mr. Davis aus New Jork einer der erfolgreichsten und ge wiegtesten Detectives Amerikas ist," sagte er langsam, als spräche er mehr zu sich als zu einem anderen, „das ist mir gestern Abend von dem amerikani schen Gesandten selbst bestätigt wor den. Dieser stellte Davis gewisserma ßen mit dem berühmten Pinkerton auf eine Linie. Natürlich, diese amerika nischen Detectives sind oft gewissenlos und haben sich meist aus einer dunklen Vergangenheit, die sie oft selbst sehr nah« mit den Verbrechern in Berüh feln. Also dieser Mr. Davis schreibt bensverhältnisse des Grafen selbst. möchte ihm meine Ansicht hierüber bal digst mittheilen. Davis hält sich ge genwärtig in London unter dem Hseu domvn Thomas Thornton auf." „Und was sind Sie zu thun geson nen?" stalt mit beiden Händ«n aus den Tisch. „Ich werde ihm nicht brieflich antwor ten", entschied er, „sondern selbst nach London reisen, um mit Mr. Davis persönlich den Fall zu erörtern. Denn ich ahne es nicht nur, nein, ich weiß cs, ich rechne es aus dem Exempel, welches über ein Jahrzehnt mich schon beschäf tigt und doch nicht aufgehen wollte, heraus, daß wir jetzt auf dem Wege sind, den langgesuchten Schlüssel des Räthsels in die Hand zu bekommen. Auch Sie, mein Freund, haben in selbstloser Weis« diesem Problem der Felssche» Familienwirren seit langer Zeit Geld, Mühe und Interesse ge opfert deshalb will ich leinen wich tigen Schritt ohne '.hre Billigung thun. Nun, so sprechen Sie! Wollen wir Mr. Davis die Hand reichen und mit ihm gemeinsam unsere Forschun gen fortsetzen?" „Wir wollen es," rief Rheden; „viel leicht gelingt uns <>As diese Weise, was wir so lange gemeinsam vergeblich angestrebt; vielleicht führen uns die Entdeckungen des Mr. Davis auf die menschlicher Macht'liegt, aufzufinden und in den Besitz des ihnen zukommen den Nachlasses zu setzen, ist unser ei gentliches Ziel, das wir nicht aus den Augen verloren wollen." „Und nicht v«rlieren werden," setzte Gallus lebhaft hinzu. „Ich halte die Enthüllungen des amerikanischen De tectives über das Treiben der interna tionalen Gaunerbande für äußerst wichtig gerade für unser Ziel. Davis glaubt Beweise zu haben, daß die Ga uner bei der Eheschließung des Grafen ihre Hand im Spiele gehabt. Ich bin nunmehr überzeugt, daß die Tänz-rin Krakowska, jetzige Gräfin Fels, das Werkzeug jener Burschen gewesen ist und wahrscheinlich noch heute von ih nen geleitet wird. Ich gihe aber in meinen Vermuthungen noch weiter und behaupte, daß dieselben Schurken es waren, welche den unglücklichen Eldor, meinen armen, unvergessenen Schuler. planmäßig in Amerika verfolgt und ihn durch ihre Machinationen der Mö glichkeit beraubten, auf dem Wege ehr licher Arbeit sein Leben zu fristen. So trieben sie ihn zur Verzweislung, und er beging die Thorheit, sich von Weib und Kind zu trennen und fern von ihnen dem Glück nachzujagen. Unser armer Freund war aus dem Wege ge räumt, doch die Seinigen waren noch vorhanden, und sie konnten sein« Richte wahrnehmen. Deshalb mußten auch sie verschwinden. Mit welchen Mitteln das die Elenden haben, weiß ich nicht, aber bewirkt ha ben sie sicherlich den Untergang der Frau und des Kindes, denn nur so wurde ihr Weg frei, daß die Beute ihnen endlich zufallen mußte." „Welch ein Agrund von Abscheu lichkeit!" stieß Rheden erschüttert her vor. „Doch Glied an Glied ist zur Ketle gereiht ich bewundere Ihren Scharfsinn, Doktor. -- Indessen be antworten Sie mir eine Frage. Sie waren Eldvrs Lehrer und Freund, sind?" unterschlagen worden „Unmöglich, das würde niemund Gallus hin. Der Justizrath las das Wort: lender. „Ich möchte die Weihnachtsseiertage benutzen," entschied er, „und d>nke, «s ist das beste, am Dreiundzwanzigsten mit dem Nachtzuge über Vlissingen zu reisen." „Bis dahin sehen wir uns wohl noch. Sollte es jedoch nicht möglich sein, so bitte ich Sie, folgende Erklä rung von mir anzunehmen. Sämmt liche Kosten der erneuten Nachforschun gen trag« ich, und besonders bin ich bereit, dem Mr. Davis, wenn er in unserem Sinn« weiterarbeitn will, den." Gallus schlug in die dargebotene Hand. „Ich dank: Ihnen für dieseZ Anerbieten und nehme es. soweit es sich besonders auf Davis bezieht, an. Sie sind ein wackerer Mann, und Ihr .Herz ist nur edler, menschensreundlicher Re gungen fähig." Susanne senkt« die Augen auf das vor ihr liegende Papier, In dikfem Augenblick wurde an die Thür gepocht, und der 'Bureauvor steher bat den Justizrath, auf ein« Minute herausznksmmin. Gallus ging. Kaum sah sich Rheden mit dem jun gen Mädchen allein, als er, über den Schreibtisch gebeugt, ihr zuflüsterte: „Fräulein, ich bitte, ich beschwöre Sie geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen eine Mittheilung zu machen ich muß Sie ungestört sprechen bestim- Jn furchtbarster Erregung streckte Suschen beide Hände abivehrcnd aus. „Warum verfolgen Sie mich? Doc tor Gallus nannte Sie soeben noch ei nen guten Menschen v, so seien Sie barmherzig auch gegen nich, und ver nichten Sie nicht den Frieden meines „Ein Ehrenmann spricht zu Ihnen, Fräulein sein Wunsch ist, Sie un endlich glücklich zu sehen." „Ein Ehrenmann schenkt nicht einem Schurken sein Vertrauen kann es nicht über sich gewinnen, ein schutzloses Mädchen durch einen Elenden beleidi gen zu lassen." Rheden schaute, keines Wortes mach tig, auf. Sein Gesicht drückte gänzli ches Nichtverstehen aus. „Was sagten Sie?" stieß er endlich erregt hervor; „ich habe Sie nicht verstanden." „Lassen Sie nur", entgegnet? Su sanne ; „ich will Jhcem Gedächtniß nicht zu Hilfe kommen es ist besser, wenn wir beide einander nichts mehr sagen." „Hier ist ein Räthsel ein Mißver ständlich «ine Täuschung," rief Rheden schmerzvoll aus. „Abc: Fräu lein, ich werd« mir KIaUM schassen, ich schwöre es Ihnen." Gallus trat ein, und Rheden verab schiedete sich hastig von ihm; es litt ihn nicht länger in dem Zimmer. Tann sagte er auch Susann« slüchtig, doch durchaus ehrerbietig, Lebewohl i>i>d verließ das Gemach. Zum Glück für Susannes Ge müthszustand nahm Gallus jczt so gleich ihre ganze Aufmerksamkeit und Thatkraft in Anspruch, indem er ihr einen langen Brief nach Londcn an Mr. Davis dictirte, worin cr dem Detective schrieb, daß «r am 23. De cimber Berlin verlässt,: und vitrund zwanzig Stunden später auf dem Vik toriabahnhof zu London einiressen werde, wo Davis ihn bestimmt trwar ten möge. (Fortsetzung folgt.) Graf Rominski in Posen hat 1370 sein linkes Auge durch «inen Bomben splitter verloren. Vor einiger Zeit mußt« einen Nachfolger anwerben. Als er nun Abends zur Ruhe gehen wollte, befahl er dem Diener, ihm eine Schal« mit Wasser zu füllen. Dieser gehorchte Graf den linken Augindeckel hob und das künstliche Auge der Höhlung ent nahm. Zu gut sein E^ ruhig mit der Schale in der Hand stehen. „Ja, worauf ivarten Sie denn noch?" Die Antwort lautete: .Auf das andere, gnädiger Herr." Die Schwäche ist die Stlbst sucht der Güte. Jur die Küche. Spargel mit Karotten und Saucischen. Man putzt und wäscht jung« Karotten, dünstet si« mit Wasser und Butter weich, setzt ih nen einen Theelöffel voll Fleifchextratt zu, verdickt sie mit «twas weißem Schwitzmehl, schmeckt sie mit Salz ab und streut sein gewiegte Petersilie über. In derselben Zeit macht man ein« gleich große Portion in Stücke ge schnittenen, zuvor geputzten guten Mittel - Spargel in leichter Bouillon aus Fleisch«xtrakt gar, läßt ihn auf dem Siebe Z" kommt ein Eßlöffel voll Zucker, etwas Muskatnuß und ein zerklepp«rtes Ei dazu, dann zerrührt man die ganze Masse recht fein. In kleine Backförm sii durch ein Haarsieb. 2 Glas Roth wein werden mit einem Pfund Zucker zum Kochen gebracht, dies wird zur, Hälfte «ing«kocht und zu der Erdbeer masse gegeben. Nun bringt man das Ganze zum Sieden und rührt dann 2 Eßlöffel „Cornstarch" daran. Nach dem das gut aufgekocht hat, nimmt man es vom Feuer und mischt den Schnee von 12Eiweißen darunter. Das läßt man auf Eis erkalten und garnirt es vor dem Serviren mit schönen fri schen Erdbeeren. Behandlung der Gemüse beim Kochen. Alles grüne Ge müse setze man in kochendem, gesalze nem Wasser auf. Kaltes oder lauwar mes Wasser dringt nicht in frifchesGe mllfe ein. Alle Pflanzen enthalten- Gummi (Pflanzenschleim) und dieser löst sich schwer in kaltem Wasser auf. Nur hoher Hitzegrad und namentlich Dampf vermag die Widerstandskraft der Zellen und ihres Inhalts zu bewäl tigen. —Kartoffeln hingegen werden in kaltem Wasser aufs Feuer gesetzt, wel ches nur in di«sem Zustande so in die Zellen zu dringen vermag, daß die da rin enthaltenen Stärkemehlkügelchen gehörig aufquellen können, was in dem .kochenden Wasser das gerinnende Ei- GefllllteZwiebeln. Große spanische Riesenzwiebeln werden ge schält, ein dünner D«ckel abgeschnitten und die Zwiebeln mit einem spitzen Messer ausgehöhlt, bis ein großes Loch entstanden ist. Nun bereitet man «ine seine Fleischsüll«, entweder von rohem oder gelochtem Kalb-, Schweine und Rindfleisch, oder alle dr«i Sorten zu sammen; auch «in Ei und Weißbrot nebst d«m nöthig«» Gewürz kommt zur Fülle. Die Zwiebeln werden gefüllt, und der Deckel mit Faden aufgebunden. So vorbereitet, setzt man dieselben in einem Schmortopf in gute heiße But ter und schmort sie ungefähr eine Stunde unter fleißigem Begiiß-n mit Fleischbrühe. Beim Anrichten entfernt man die Fäden, schichtet die Zwiebeln n«b«neinander und übergießt das G.- Fleifch 2—3 Tage in Essig. Dann nen Zwiebeln, einigen Lorbeerblättern, Pfefferkörnern, Citronenscheiben, mit Butter oder gutem Fett zum Feuer und läßt Alles zusammen leicht anzie hen. Daun gießt man noch ein Glas Weißwein und ein Quart Fleisch- oder brauner Brüh« hinzu und läßt es un gefähr 3 —4 Stunden zugedeckt gar dämpfen. Den gezogenen Saft läßt man kurz einkochen, gibt einen Sup penlöffel spanische Sauce dazu und läßt unter gehörigem Abfetten durch ein Sieb laufen und gibt die so gewon nene Sauce darüber. Hat man keine spanische Sauce, so verdickt man den Saft durch in Butter geröstetes Mehl. Sollte dieSauc« nicht sauer genug sein, so gibt man noch ein wenig Weinessig dazu. Kalbsinilch k In N illerol. Die recht große, aut gewässerte Kalbs milch wird blanchirt, in Bouillon mit Salz, Avieben und Wurzelw«rk weich gekocht und zwischen zw«i «twas be schwerte Bleche oder Bretter gelegt. Erkaltet schneidet man sie in^Schew-n Weißmehl und einem Glase Weißwein bereitete, mit Citronensaft abgeschärfte, dicke, weiße Sauce, in die man beliebig feingewiegte Champignons oder Trüf feln mischen kann. Wenn die Sauce aus den einzelnen Scheiben erstarrt ist und dieselben wie mit einem Ueberzuge umgibt, panirt man die Stücke zunächst mit feingeriebencr Semmel, dann mit gequirltem Eigelb und nochmals mit Semmel, die mit Parmesanläse ver mischt wurde, und bäckt die Kalbsmilch in kochendem Backfett zu goldgelber Farbe, sie mit kleinen, ebenfalls im Fett croquant gebackencn Petersilien - Bou quets garnirend. EierkuchenvonGries. In dreiviertel Quart Milch kocht man ein halbes Pfund fein«n Gries mit einem kleinen Stückchen Butter unter fleißi gem Umrühren zu einem ziemlich dicken Brei. Nachdem er ausgekühlt, salzt man ein wenig, gibt 3 Unz«n Zucker und fünf bis fechs Eier dazu und bäckt mäßig dick« Ei«rkuch«n in gewöhnlicher Weise von d«r Masse. 3
Significant historical Pennsylvania newspapers