2 Contra l!e. Vor d«m säulengetragenen Vorbau der Kirche hält eine «udlose Wagen burg von eleganten Equipagen und windet sich wie eine dunkle Riesen schlange schrittweise vor. Eine vor nehme Trauung. Der Bräutigam ein eleganter Cavalier mit verlebten Zü gen. Die Braut eine stolze Schönheil, nicht ganz jung mehr, aber ieder Zoll an ihr die große Dam«. Sie hat sich angeeignet, dessen Nichtvorhandensein ihren Eltern stets den Eintritt in ex klusive Kreis« verwehrt hatte. Schon längst hätte sie sich verheirathen kön nen, aber sie wollte nun einmal «inen „Namen", und so wartet« sie, bis der Mann mit dem alten Ad«lsnamen er schien. Und ihr Herz? Wußte es nichts von der Liebe? Ja doch. Vor langer Zeit einmal war ihr «ine Ahnung di«ses Gefühles aufgegangen. Da hatte auch sie ihren .Roman" gehabt. Sie hatte den sloi ten, fröhlichen Studenten b«im Eis laufen kennen gelernt. Si« besitzt noch heute Briefe von ihm, in denen er schwört, sich «rschi«ßen zu wollen, wenn sie sich von ihm wendet. Der gut« Junge, Das ist, wi« gesagt, lange he: drei Jahre! Die vornehme, feierliche Ceremonie ist zu Ende. Des Beglückwünschens, Küssens und Händeschüttelns ist kein Ende. Das Gesicht des Brautvaters strahlt von Genugthuung. Er hat es herrlich weit gebracht, er, der ehemalige Schlächter, Armeelieferant, Commis sionsrath. Er hat jetzt einen Schwie gersohn, dessen Stammbaum bis in di; Zeit der Kreuzzüge hineinreicht. Ein schönes Stück Geld hat es übrigens gekostet, den Schwiegersohn aus den die Wagen rollen vor. Die spalierbil dend« Meng« reckt die Hälse. Bewun dernde und hämische Aufruf« fliegen Eine Viertelstunde später. Eine schlichte Droschke llappert heran. Noch duften die Blumen um den A!tar, noch auch ihr« Jug«ndbliithe verwelkt dar über, ihr Herz war trotzdem noch nicht gealtert. Und am Ende Ben, hageren Figur, mit den/bartlosen, sommersprossigen Gesicht, den flachs blonden Haaren und den hellblauen »in«? großen Lebensversicherungs - Ge sellschaft gewesen. Nun endlich war er sest angestellt worden, allerdings mit einem lächerlich kleinen Gehalt. Da glücklich miteinander leben. nicht lange, die Rede des Geistlichen ist kurz. Draußen stehen kein« Neugierigen. Niemand beachtet dies Paar, wi« es jetzt wieder die Droschke besteigt. Ihr Ziel ist die Vorstadt, wo di« „letzten Häuser" stehen, in einer Mansarden wohnung, zunächst dem Himmel, haben sie sich ihr bescheidenes Heim hergerich tausendsältigen Lärm und Gewoge deZ Großstadtlebens. Sie brauchen ihr Glück nicht zu erjagen sie führen es mit sich! So hat ein Gruß an die Enterbten Oft auch schon eine Welt erweckt. .. Aus derJnstruktions stunde. Unterofficier: „Rekrut Hu ber, mit was ohn« darf der Soldat nicht am Pulverkasten vorbei gehen?" Rekrut Huber (schweigt). Unter officier: „Sie Kam«el! Mit einer Pfeife ohne Deckel." ... Aie Warienkammer. Zehn Jahre waren vergangen, seit der Senator Gehrenbeck, ein Mann von stattlicher Erscheinung und macht vollem Reichthum, die verwittwete Frau Brigitte von Sarre als sein Weib über die Schwelle der clematis umrankten Villa draußen am Alfter- Bassin geführt hatte. Aber das Glück, das echt«, rechte, das.'achende Glück schien gezögert zu K'.ben, mit über diese Schwelle zu tre ten. Wohl blickte die noch immer schöne, wenn auch Nicht mehr von erstem Ju ten dankbar an, wenn er sich stets auf's neue bestrebt zeigte, ihr Leben zu schmücken, ihren Weg zu ebnen, wohl mühte sie sich um den complizir ten Haushalt, daß er wie auf Räd chen ging aber etwas Verschleier tes, Unaufgelöstes haftet« ihr an, ein gequälter Zug prägte sich täglich tie fer um ihren Mund. Langsam breitete sich um das Paar jene schwere, unbewegliche Atmosphäre aus, wie wir sie in Häusern finden, die kein Kinderjauchzen durchschallt, kein froher Lärm, durch dessen Räume nie mals eiligere klein« Füße lustig trip peln. Der Senator fand endlich eine tröst liche Erklärung für das seltsame We sen seiner Frau. Sie sehnte sich nach Muttergliick! Nach einem holden Ge genstand für Zärtlichkeit und Liebe, nach rosigen Kinderlippen, nach tiefen, Ihr Sohn erster Ehe, ihr einziges Kind, war durch einen Unglücksfall > — das Kentern eines Schiffes früh dahingenommen worden. So kam Gehrenbeck dazu, Brigitte eines Tages den wohlUbersonnenen Vorschlag zu machen, ein Pflegekind in nen; doch mit unverholenem Entsetzen wies die Frau das Anerbieten zurück. Abwehrend erhob sie beid« Hände. „Nie!" stieß sie heftig empor. „Nie kammer. Kühl und feierlich war es hier, der gothische Schwung der Fenster, der Gebete, lassen. Rand des Tisches. „Wer lügt, trägt hinein. Mit bebenden Knieen schlich Antheillos öffnete sie den Umschlag, gleichgültig senkte sie den Blick aus die diese Schrift. ,n ihre Lippen, an ihr Herz. Sie Doch plötzlich entsank das Briefblatt Sie stöhnte .. " Gatten — ihren Richter! ihm bot. „Was bedeutet das?" fragte er mit erzwungener Gelassenheit auf seine Frau zug«hend. „Du sollst alles erfahren," sagte sie nach Athem ringend, den Blick am Bo verfchollen —— Er lebt, lebt!" Durch alles Weh und alle Furcht brach der Jubel des Mutterherzens. Der Senator trat «inen Schritt näher. Eine tiefe Blässe lag auf sei ner Stirn. „Und aus welchem lebtest in einer Lüge an meiner Seite —? aus welchem Grunde, Brigitte?" Gleich einer Anklage schleuderte er ihr „Ich verstehe das nicht!" gann: „Ich liebte meinen einzigen Sokn über alles, abgöttisch! Selber fast noch ein Kind, verzog ich ihn, statt hatte Gewalt über ihn. Ich versuchte es, mit verspäteter Strenge, ihm lam so weit, sich an —an fremdem Eigenthum zu vergreifen." Ihre Stimme erlosch. ihn als Schiffsjungen an Bord. In finsterem Trotz schied der Liebever-- wohnte von mir Halbgebrochen, wie ich war, vermochte ich es nicht, letzten Male vielleicht. Ich blieb in Hamburg. Da lernte ich Dich ken nen, Johannes, Dich, die Wahrhaftig keit, die Mannesstärle und Mannes größe selber. Ich faßte eine tiefe, starte Neigung zu Dir Du batest um mein« Hand. Johannes, kannst Du es mir verzeihen, wenn ich es nicht wagte, Dir das Verbrechen meines Sohnes zu gestehen? Wenn ich den für todt ausgab, der fortan verschollen Da seufzte Gehlenbeck tief. Er ge dachte einer finsteren- Stund- seines Lebens. „Steh' auf, Brigitte," sagte er mild, „ich verzeihe Dir." Er nahm sie in seine Arme und küßte ihre Stirn. „Wir alle erleben wohl unser Golga tha, wir Menschen. Du hast meine eigene Geschichte erzählt. Nur ist mein Vergehen —"> er zögerte, als er fortfuhr, zitterte seine Stimme: „Mei bissen gefoltert, wieder in seine Kasse zu legen— nur ist mein Vergehen ein Geheimniß geblieben zwischen mir und Gott. Mein Fall wurde meine Er- Wie sie ihn anblickte! Voll von Verehrung, von> Dankbarkeit! „Auch mein Sohn wurde «in gebesserter Mensch, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Er steht auf eigenen Füßen. Und nun sleht er mich an, zu mir zurückkehren zu dürfen." „Schreib' ihm, daß er kommen soll, Deinem Sohn —! Er wird einen Vater in mir finden." Sein Gesicht trug wieder den stillen friedlichen Ausdruck. Die Madonnen schienen von den Wänden niederzu lächeln, die kleinen Engel zwischen den Wollen ihre Flügelchen zu regen Ate neue perfekte. ginge.^ Von Zeit zu Zeit der Zwischen stellte die Male. Ich fragte der"Ord- nes. worauf ich «ine Antwort erhielt, be: der sich meine Gesichtsmuskeln schlänge ihre Verführung bei mir. Wie sie es verstand, mir das Real Turtle Ragout, die getrüffelten Wach teln, die Gelees von Mandarinen zu beschreiben, wie sie mich mit dem Eis, das sie in hundert Arten zu bereiten wußte, köderte, wie die Krebssuppe es mir endlich anthat. . ich sah sie vor heimlich, im Stillen, ohne daß sie es merkte, einen Cursus bei ihr durchzu machen. Dafür konnte ich mir dann das Lehrgeld, das außer dem Hause sehr kostspielig ist, vom Lohn abrech nen, . . . überdies ersparte ich dann Köche und Conditoren, die nicht mehr in mein Haus zu kommen brauchten. Blitzschnell addirte und subtrahirte ich ... da würde mir ja die Male eigent lich erstaunlich billig kommen. . . Ich stellte noch bescheiden einige Fra gen. . . Reinmacherei. . Putzen betref fend. Wie ein Generalfeldmarschall, der die Uebergabebedingungen diktirt, sagt« die Perfekte: „Das Speisezimmer übernehme ich, mein Kupfer, mein Messing, mein Blech, weiter nichts." 'Ob nicht die Messer und Gabeln . . . vielleicht mit dem Hausmädchen ? Mich traf ein niederschmetternder Blick. Darauf ein kategorisches: „Ich möchte mein Zimmer sehen." Es überlief mich eiskalt. Eiskalt war freilich das rich tige Wort; der lange, schmale, unheiz bare Raum verursachte schon Frösteln bei der Besichtigung. „Kein Ofen!" constatirte Male gleich. „Das Zim merchen ist allerliebst", lobte ich, „nur ein bischen warm, eben die Näh« der Küche, aber man kann ja das Fenster öffnen. . ." „Liebe ich nicht sehr" sagte sie wegwerfend also warm . . . auch im Winter?" Jetzt war's Frühling. Ich log darauf los. „S«hr warm ... ja wohl, liebe Male!" Mein Gott, was konnte bis zum Winter nicht alles passirt sein! Außerdem ging mir so etwas wie Wärmflaschen und doppelte Betten durch den Kopf . . . Na, sie nahm Miethsgeld Schon, um nicht insßüroh zu geh'n. Madame, fo'n Sklavenhandel mit öffentlicher Abfragerei gefällt mir nicht, man hat sich bis jetzt noch immer unter der Hand um mir gerissen. . ." Die Meinen behaupteten, ich wäre seit diesem Moment in sonderbar ge hobener Stimmung gewesen. Ich be schäftigte mich in der That viel mit der neu«n Ausgestaltung der Küche, damit di« künftige Beherrscherin keine defek ten Schüsseln, keine Schrubber ohne Borsten und nicht einmal den ausge franzten Holzkorb vorfinden sollte. Ich hatte fabelhaften Respekt vor ihr. Nach einigen Tagen zog sie ein mit Koffer, Kommode, Bettsack und Korb. Ich ordnete an, daß Einiges davon nach dem Boden geschafft werde. Das verbat sie sich dringend. „Ich muß mein mühsam Erworbenes unter Au gen haben, ich habe jetzt von so viel Bodendiebstählen gehört... und wenn gar Feuer ausbricht. . ." Meine Beru higung, daß auch der Leute Sachen bei uns versichert seien, half nichts. „Wenn von Unsereins 'was brennt", meinte sie Versicherung bezahlt." Es half also nichts ich mußte Verschiedenes um führte ich sie in das Kllchenparadies; prüfte Alles mit Kennerblicken. „Es fehlt sehr viel", tadelte sie. „Zum Beispiel, liebe Male?" „Zum Beispiel „Hier ist Liebig's Fleisch-Extrakt, liebe Male." „Das versteht sich von selbst, Cognac zur Öxtail-Suppe . . . natür lich blieb ich nicht. . . sind Sie schon mit dem Menu für morgen einig, gnä dann gebratene Leber ... es kam mir plötzlich wirklich ärmlich vor. Deshalb begann ich: „Erbsensuppe mit Crou tons, Kalsleber mit Kartoffelpüree und Salaten. . ." „Natürlich fiehn serbs", schaltete sie ein. „Ja, ja ge chen!" Das ißt der Junker wohl gern?" fragte Male herablassend. „Junker?" ich mich in dem Moment, daß wir nicht ein Bischen adlig sind. Bis dahin hatte ich den Mangel gar nicht so sehr em- warf sie bitterböse Blicke. „Der gehört doch in'i Musikzimmer", brummte sie. Mit meinem Mann hatte sie es gleich verdorben; denn die „Pflaumenweichen" kamen „steinhart" auf den Tisch. „Hoben Sie denn nicht nach der Uhr gesehen?" „Bewahre, nein, so etwas Einfaches mache ich im mer nach Gutdünken." „Wir werden Sonntag ein Mittagessen haben", gleichgiltig, halb anmaßend, „mein Ruhm steht fest zu Oberpräsidents; ich fühle mich nicht beleidigt, wenn Sie es mir nicht anvertrauen, natürlich Hilss köchin will ich nicht spielen." Wir be sprachen darauf das Menu nichts war ihr zu kostspielig. Küche; ich wollte gern sehen, wie eine „Perfekte" die Omeletten machte, auch die tln<>B Ii(?rt>o8 interessirten mich. Sie Pflanzte sich breit vor dem Küchen tisch auf und wehrte mir das Beobacht ten. „Ich liebe das nicht in meiner Küche", sagte si« mit malitösem Ton fall. Betrübt ging ich hinaus, denn es war mir, als ob ich meine Koch cursus - Illusionen soeben begraben hätte. Unser Mittagessen kam am ersten Tage eine halbe Stunde später auf den Tisch als gewöhnlich. Endlich war die Terrine erschienen. Ich hob den Deckel . . . o weh. . . denn ich merkte «s so gleich und die Andern einen Augenblick später: die Erbsensuppe war ange brannt, dafür fehlten aber auch die be sprochinen Croutons: die hatte Male einfach vergessen. Mann und Kinder sahen mich mitleidig an. Einer Vision gleich tauchte der hilfreiche Dienstmann von der Ecke auf. „Ja ich bin es eben anders gewöhnt", meinte sie . . . „so die simple Hausmannskost." Ach, nun furchtbar in den Gliedern. Wohin ist meine Glückseligkeit? Ein Stein lastet mir auf dem Herzen, denn Gesellschaf ten geben wir doch nur ein, zwei Mal im Jahre und simple Hausmanns kost haben wir täglich. Wie werde ich meine Perfekte Wied«? los? Ein Blume im ikorsct. Der französische Naturforscher Cu vier, der von Karl X. zum Baron und Mitglied des Oberhauses gemacht worden war, besaß unter den Damen des Hofes sehr viele Freundinnen und die schönsten Mädchen von hoher Ab kunft besuchten ihn häufig in seiner Wohnung im Jardin des Plantes. Zu diesen holden Besuch-rinnen zählte auch die bildhübsche Prinzessin de Penthiövre, die regelmäßig erschien, um ihre botanischen Studien zu ver vollkommnen. Cuvier war ein auf richtiger Bewunderer dieser jungen, halberblühten Schönheit, doch konnte er nicht umhin, die Blässe des schmalen Gesichts und die tiefen dunklen Ringe unter den melancholisch dreinschauen den Augen zu bemerken. Er wußte auch bald die Ursache dieser krankhaf ten Symptome, doch wagte er nicht, über nach, wie er dem blassen Kinde zu frischen rothen Wangen ixrhelfen könne, ohne dessen Zartgefühl zu ver letzen. Eines Tages zeigte er der Prinzessin «ine eben entfaltete, pracht volle exotische Blüthe, deren große rosaroth« Blätter durch ihre wunder bare Frische und Schönheit unter allen anderen Pflanz«» auffielen. Die jungeDame äußerte laut ihr Entzück«n, trüber Gedanke durch ihr zierliches Köpfchen. „Wie herrlich!" rief sie im ersten Enthusiasmus und fügte „O nicht doch, diese prächtige Blume ist ebenso schön wie zäh und lebens kräftig; wenn ihr nicht etwas ganz kann sie sehr lang« blühen und das Aug« des Menschen durch ihren Far benglanz erfreuen." Drei Tage spä erfchrak sie aber, als sie kleine gelbe Streifen auf den rothen Blüthenblät tern bemerkte, deren Schönheit dadurch bereits beeinträchtigt wurde. Auf den Ausruf d«s Bedauerns von den Lippen seiner jungen Freundin meinte Cuvier mit schalkhaftem Augenzwinkern, daß er sich garnicht erklären könne, aus welchem Grunde die schöne Blume schon zu verwelken beginne. Nach kaum einer Wocye war die köstlich« ausländische Blüthe völlig abgestor ben. „O wie schade!" rief Made moiselle de entsetzt; „und Sie sagten doch, daß die Blume unge wöhnlich lange frisch bleibe. Was ist nur geschehen?" „Nur dieses hier," antwortete Cuvier mit ernster Miene, und zeigte dem jungen Mädchen ein Stückchen Seidenband, das ziemlich sest um den fleischigen Stiel der Blü the gebunden war. Die Prinzessin blickte verwirrt in das Gesicht des Ge lehrten und als sie sah. daß dessen Auge ihre iiberschlanke Taille streifte, »rröthete sie und senkte schweigend den Kopf. „Vollü, das ist Alles." sagte der kluge Mann langsam und bedeu nicht mebr erwähnt. Als das reizend« junge Mädchen einige Tage später zur Stunde kam. sah Cuvier zu seiner großen Freude und Erleichterung, daß Mademoisell-s Taille weiter geworden war und sich ihr schlanker Körper viel gewandter zu den kleinen Blümchen, die sie augenblicklich nähe« kennen ler nen wollte, hinabbeugen konnte. Entsprechende Vari ante. „Der Director hat Dir also «in glänzendes Engagementsanerbieten gemacht und Du?" Balletteuse: habe dem Glücke den Fuß gebo ten." Aer Binörechcr. Rolf Schmitt war seit einem halben Jahre Rechtsanwalt. ten. mäße Reclameformen, er knüpfte auf den Gerichtsgängen in leutseliger Weise Gespräche mit Personen an, die vertretungsbedürstig oder vertheidi mine entsetzlich unter der ungestillten Sehnsucht ihres Mannes. Sie, die noch vor einem Jahre von der Streit natürlich nicht uneingeweiht in den Jammer der Dynastie Schmitt. Die Einen lachten laut, die Andern leise; die Besten darunter zuckten die Achseln und ein gutmüthiger Onkel erklärte kürzlich beim Gehen mit freundlichem Schmunzeln: „Wißt Ihr, Kinder, es ist ja sehr nett bei Euch das kleine Frauchen kocht sogar, was ganz wider die Mode ist, ausgezeichnet aber Ei- Euch gern geseyen zu werden, müßte man mindestens immer unterwegs Ei nen todtgeschlagen hzben und für die beste Portion Rehschlegel oder Forellen ist mir «ben doch meines Nächsten ar mes Leben nicht feil! Also gehabt wenn Ihr mal einen dauerhaften und leistungsfähigen Klienten besitzt!" Die Sache war noch immer erträg lich gewesen, so lange Dr. Müller, SchniittsJugendfreund, der sich gleich zeitig als Arzt niedergelassen, keinen Patienten hatte. Getheiltes Leid ist halbes Leid und es that dem Schwit schen Ehepaare außerordentlich Wohl, wenn es der Leidenschaftlichkeit lau schen konnte, mit der sich die Mllller schen Leutchen gegen die boshafte Ge ßerten. Nun war aber auch hier das Entsetz liche, lange Gesllrchtete eingetreten: Ein unglückseliger Leberleidender hatte sich zu Dr. Müller verirrt und war dort mit ausgesuchtesterHöflichkeit auf genommen worden. Dr. Müller machte ihm nach halbstündiger begeisteiterUn terfuchung die freundliche Eröffnung, daß es auch um seine Milz bedauerlich und um seine Nieren nicht zum Besten stände, daß er aber an die rechte Schmiede gekommen sei und auf Hei lung unbedingt rechnen könne, daß übrigens mindestens ein halbes Jahr darüber hingehen müsse. Nun kannten sich Müller's natürlich vor Hochmuth nicht mehr aus. Frau Dr. Schmitt fühlte sich auf's Blut gepeinigt, so oft sie mit denselben zusammenkam, und warf sich eines Dienstags Abends nach einem Kaffeekränzchen schluchzend an ihres Mennes Brust und stöhnte: „Rolf, ich hakt's nicht mehr aus nun hat sich auch noch eine Köchin, die sich im Mörfelden quetscht-, sen die kleine arrogante Person re det jetzt schon von zunehmender Praxis und wir haben noch immer keinen Klienten es ist unsäglich!" - „O!" knirschte er. „Als ob sich das hätie!"° Da. am andern Morgen geschah das Ungeahnte. Jammerbries an ihre Mutter, worin sie dieser ihr Leid in d«n lebhaftesten Farben schilderte. Plötzlich ging die Thüre auf und ibrMann stürzte herein kirschroth im Gesichte. „Ich hab' — ich hab'" rief er, nach Luft schnappend. „Um Gotteswillen, Du wirst doch kein« Stahlfeder verschluckt haben?" stammelte sie entsetzt. „Einen Klienten hab' ich!" rief er jubelnd. „Da —da —" Sie bekam Herzklopfen vor Ent zücken und Stolz. Na warte, Frau Müller! Dann eilte sie mit ihm ans Fenster. „Wo wo?" „Dort!" „Aber es geht ja Niemand auf der Straße!" „Niemand?" wiederholte er im Tone schwersten Vorwurss. „Ist mein erster Klient Niemand?" „Aber dieser abgerissene, herunter gekommene Mensch doch nicht—" „Und das ist Dein erster mir« allerdings ganz an s g „Ja, Kind," lachte Schmitt, „Com merzienräthe werden nicht als Einbre cher verdächtigt!" „Er ist also ein Einbrecher?" frug sie interessirt und betrachtete ihren „Und was für Einer!" fuhr es die sem heraus. „Das heißt," setzte er so fort hinzu, „er wird eines höchst kecken Einbruchs bezichtigt, den er aber zwei felsohne nicht begangen hat o, ich sage Dir, das wird eine großartige Verhandlung ich werde eine glän zende Rede halten ich werde den Staatsanwalt vernichten!" „Und Du hälft ihn also wirklich slli unschuldig?" fragte sie und ihre Wan gen begannen sich lebhaft vor Freude „Unschuldig?" rief er. „Für einen Ehr«nmann halte ich ihn, für ein« brave Seele durch und durch! Meine Hand lege ich für ihn ins Feuer! O, ich sage Dir, wir haben ein Alibi zu sammengebracht —" „Zusammengebracht? Du wirst doch nicht —" „Du mißverstehst mich!" meint« er ärgerlich. Der Klient der unerfah rene Mann aus dem Volle ist natür lich unbewandert, unbeholfen im Kri minal man muß ihm an die Hand sen, was er vorbringt, das Treffende, das Einschlagende auslesen und an einander reihen —" „Wie Du das Alles verstehst!" rief sie jetzt in Heller Begeisterung. Ich gratulire Dir, Rolf, zu unserem Ein brecher! Aber jetzt muß ich fort! Ich muß zu Müller! Die werden eine Wuth haben!" Er nickte ihr freudig zu. „Wir gehen mitsammen!" sagte er, „ich will doch auch im Vertrauen mit ein paar Freunden über den Fall spre chen! Ein Menschenleben darf man nicht so auf die leichte Schulter neh> Mittags kam er spät mit den deut lichen Spuren «ines animirten Früh schoppens heim. Aber Hermine ver zieh ihm jetzt Alles. Die nächsten Wochen verflogen im Taumel der Freude. Der große Tag rückte heran. Ein ausgewähltes Au ditorium füllte den Gerichtssaal. Schmitt stand vorne am Vertheidiger tisch nach außen triumphirend, sie gesgewiß, innerlich aufs Aeußerste be unruhigt! denn s«it gestern war ihm das Concept seiner Rede auf spurlose Weise verschwunden: er beherrschte sie auch nicht mehr im Gedächtniß aber sei's d'rum, di« Inspiration, die Be geisterung für die gute Sache würde sicher die Gedächtnißlücken leicht aus füllen lassen! Seine Frau faß bei ih rer besten Freundin—Frau Dr. Mül ler in der ersten Reihe; na, was die Müller heute ausstehen mochte! Hun dert Leberkranke wogen ja doch einen Einbrecher nicht auf. Nun trat der Gerichtshof ein. Es wurde feierlich still. „Angeklagter, treten Sie vor! sprach der Präsident. Da zeigte sich Plötzlich, daß der An geklagte fehlte. . „Mein Klient wird sicher erschei nen!" betheuerte Schmitt. „Er war noch gestern bei mir!" „Man hätte den Verbrecher gleich verhaften sollen!" bemerlte derSiaats- Schmitt fuhr auf. „Die Ehre eines Unschuldigen rief er. Da wurde dem Vorsitzenden «m Schreiben überreicht. Dieser winkte. „Soeben," sagte er, „empfange ich einen Brief des Angeklagten, den ich hiermit verlese: „Werther Herr Ge richtshof! Die schlechten Erfahrun gen, welche ich schon mehrmals bei Sie g«macht habe, verhindern mir am per sönlichen Erscheinen ich sehe mich die Sache lieber aus sicherer Ferne an, wo mir der hochgeschätzte Herr Staats anwalt auch nicht finden wird! Dem Herr» Vertheidiger feine Rede habe ich gelesen: ich fand sie in dem Ueberzie her, den ich gestern, als ich ihm besuch te, aus Versehen anzog! Die Rede ha! mir sehr gerührt, weshalb ich sie ihm anbei zurücksende: denUeberzieher kann ich leider nicht beilegen, weil der Brief sonst Strafporto losten würde. Mit den höflichsten Grüßen Simon Schlau „Herr Vertheidiger." sagte der Vor sitzende. „bitte. hier ist Ihre Rede!" Schmeichelhaft. A.: „Was ist denn aus der entzückenden kleinen Wittwe geworden, mit der Sic vor mehreren Jahren so häufig tanz ten? B.: „Die ist jetzt verheirathet! A.: „Oh das thut mir leid; aber ich weiß. Sie hatten immer Unglück mit Ihren Liebesgeschichten." B.: „Ja, da haben Sie recht!" A.: „Apropos, wen hat sie denn geheirathet?" B.: „Mich!" Ein guter Schwieger sohn. Mann: „Donnerwetter, was ist das sür'n Wein. Der ist ja zum Davonlaufen." Frau: „Nun, das ist eine von den Flaschen, die Du separat aufbewahrst." Mann: „Ja. so. Der sollte ja für den Befuch von Deiner Mutter aufbewahrt werden." ,
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