2 Unser Schatten. ° Wie ein getreuer Schatten begleitet rins d«r Ruf aus Schritt und Tritt. Abbild unseres Denkens, Fuhlens, Wollens und unserer Handlungen. Zuweilen, ja in den meisten Fällen, macht die Welt unseren Ruf, taxirt und wägt, schmälert oder schwärzt denselben, je nach Berechnung. An seinem Ruf bauet der Mensch jahraus, jahrein und freut sich, wenn derselbe einem stattlichen Gebäude gleicht; bös willige Leute werfen Feuer hinein, und im Nu zerstiebt, was wir mühsam er- Ost auch stellt man eine Pesönlich teit besser dar, als sie in Wirklichkeit ist; wollte man jede Nachrede glauben, würde man oft betrogen sein. Jeden salls ist kein Eigenthum des Menschen mehr und leichter dem Diebstahl aus gesetzt, als seine Ehr«; schwer hält «s meistens, den Urheber aussindig zu machen. Wer unabhängig in der Welt da steht, trägt wohl auch schwer an der Herabsetzung seiner Person, wie seines Charakters; bei weitem schwerer aber derjenige, welcher seine Mitmenschen nöthig hat. Sucht jemand «ine Le bensstellung, fragt man in «rster Linie nach s«in«m Ruf; wie schlimm steht es dann um die Aspirantin, ivenn man ihren Schatten schmälert; sei si« auch noch so würdig, ein«n Posten auszu füllen, er wird ihr verweigert werden. Die Verleumdung bezeichnet Cham sort als eine Wespe, die uns belästigt und gegen die man keine Bewegung machen kann, wenn man nicht sicher ist, sie zu tödten weil sie sonst ihre Angriffe mit verdoppelter Wuth wie derholt. Man ist also werthlos dem geheimen Angreifer gegenüber; mit unser Ehrengebäude in Brand steckt. Ein altes Sprichwort sagt: Mit dem Urtheil nicht eile, hör' zuvor beide bevor man sich von Werth und Unwerth ihres Charakiers selbst über zeugt hat. Zerrissen« Kleider kann man wieder ganz machen, ein beschä- duldet keinen Rost, des Meist«rs schuf: Sieh, Spiegel, Blume, Kleinod , das ist ein guter Ruf. ohne eine Empfindung von Neid nicht loben hören, und bald ist seine Zunge geschäftig, den Werth des Nächsten herabzusetzen. So manche eitle Frau, welche eine Lobrede der Schönheit einer Ge schlechtsgenossin hört, sucht Fehler an der Gerühmten, um sie zu verbreiten; sen Rückerts Worte: lei/was man von Verleumdern erfah ren. Mirza-Schassy sagt darüber: Verächtlich ist, wer als Verleumder Dch ch de H' t Pfeil Rücken ud """drch^" sere heilige Pflicht ist es, un« alsßitter für des nächsten Ruf aufzustellen, seine ist das kostbarste Geschenk, welches wir ehrenvoll. Ordnung muß sein.— Freundin: „Also Du hast Zwillinge gehabt?" Junge Frau: „Ja, erst kam «iner und eine halbe Stunde später viel Arbeit; sie bekamen zugleich die Zähnchen —" Freundin: „Zugleich? Der zweite natürlich ein« halbe Stunde später?" Boshaft. Garderobiere: ~Wi« steht eigentlich Ihr Bräutigam auS?" «alleteuse: „Ein hübsch gelockter, jun ger Mann —" Garderobiere: „Daß Sie ihn erst gelockt, konnt' ich mir ja gleich denken!" Wumero SB. Ein Eisenbahngeschichte von W. v, Schier- Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Der Eichenbaum Wuchs dort so hoch, die Veilchen nick 1. Dies war der einzige Bewerber um die Stelle, der sich seit drei Wochen, seitdem der alte Mike Brennan eines schlimmen Anfalles von Rheumatis mus halber resignkt hatte, gemeldet. Der Hilss - Superindendent blickte den Mann scharf an. Es war eine hohe, kräftige Gestalt, aber Haar und Gesicht war faltig; nur die großen, hellblauen Augen blickten noch mit der Einfalt des Kindes in die Welt. Er sagte, er sei 54 Jahre alt. Der Be amte unterwarf ihn einer kleinen Prü fung. „Auf Nummer 98 ist's einsam, das müssen Sie im Voraus wissen," sagte er. ich schon," erwiderte der Can „Umgang haben Sie da nicht Ihre Vorräthe an Eßwaaren und Heizung werden Ihnen einmal die Woche durch einen Boten aus Drop Rock gebracht. Sonst sehen Sie manchmal lange Zeit keine Menschen seele. Auch die Bezahlung ist nicht hoch reich können Sie dabei nicht werden." „Das ist mir schon Alles bekannt," sagte der Anwärter. Und dann fragte ihn der Beamte noch aus über sein bis heriges Leben. Friedrich Knaack er zählte kurz, daß er aus Ostpreußen ge bürtig sei, daß er nicht Kind noch Ke gel habe und daß er seit 25 Jahren sich überall in Amerika herumgetrieben habe, ruhelos und nie lange aus einem Platze verweilend. Seine Zeugnisse waren vortrefflich. Alle rühmten seine Pflichttreue, seine Zuverlässigkeit, seine Ruhe und Nüchternheit. Es war etwas an dem Manne, das dem Beamten im ponirte, und so wurde er denn, zumal es drängte, sofort angestellt als Wei chensteller und Stationsmeister von Numero 98. Der Beamte erklärte ihm noch genau seine Pflichten, die einfach waren, aber beschwerlich, na mentlich im Winter, wo der Schnee oft haushoch da oben lag und die Kälte der in Sibirien wenig nachgab. Und so war denn Friedrich Knaack am näch sten Tage dort oben, 5000 Fuß hoch, weit entfernt von jeder anderen menschlichen Wohnung, inftallirt. Es war ein Blockhaus, das ihm angewie sen war, rauh und klobig aus mächti gen Baumstämmen gezimmert und die Kitzen und Fugen mit Lehm und mit Moos ausgefüllt. Aber drinnen war das Haus wohnlich, wenn auch gerade kein Ueberfluß an Möbeln darin herrschte, und wenn im mächtigen Ka min ein tüchtiges Feuer lohte, so war ts sogar gemüthlich in dem Raume. Der neue Ankömmling staffirte noch oen Raum aus. An die Wände hing » Bilder meistens Photographien waren es, Männer und Frauen, deren Tracht und Typus ihren europäischen Ursprung verriethen. Nur einßild war eine Zeichnung. Es stellte ein Haus am Meeresstrande dar nahe dabei »blickte man einen mächtigen Forst oon Eichen und Buchen, und am Gie bel des Hauses war ein riesiges Hirsch geweih sichtbar. Als Friedrich Knaack das an die Wand nagelte, da blieb er davor stehen und blickte es sinnend, traurig an. 2. Was der knorrige alte Ostpreuße hier oben fand, das war gerade, was lr gesucht hatte Einsamkeit. Sein Lebensglück war unwiderbringlich da hin, und nur Arbelt und treue Pflicht erfüllung waren noch die zwei Dinge, die ihm am Herzen lagen. Arbeit fand tr ja genug da oben auf seiner welt verlorenen Station. Sechs mal des Tages mußte er die Weichen stellen für die vorbeisausenden Züge der Central pacisic, und zwei Mal des Nachts. Dabei mußte er stets eine ganze Strecke hinunterklettern, denn die Bahn ging hier steil und schmal zwischen zwei Felsrücken dahin, und es war über haupt eine gefährliche Stell?, bei der das geringste Versehen des Weichen stellers die Entgleisung des Zuges und tin schreckliches Unglück, den Sturz in die unermeßliche Tiefe den Abgrund hinab bedeutet hätte. Außerdem gab's iuch noch Holz zu fällen, Reparaturen >u machen, sodaß stets die Pausen zwischen den Zügen nützlich ausgefüllt werden konnten. Aber das gerade be hagte Friedrich Knaack. Der Frühling kam. Unten im Thale prangte es schon von all' dem lungen Blumenschmuck, der das Auge trunken machte. Gelbe Primeln in Menge, und dazwischen die wilden Veilchen, die Sternblume und die Ane mone in allen Farben, der Ginster und die Narzisse und die Cyclomen, alles wild emporwuchernd —es war eine Farbenpracht, die kein Pinsel wieder >ugeben vermocht Halle. Und eine Luft dazu, so wunderbar rein und klar, so geschwängert von den süßen Düften all' der Millionen jungen Frühlingsboten. Und von den Ber gen stürzten die Gießbäche, rannen und plätscherten die Wässer chen und die Sturzbäche alle die Fel sen hinab. Und die Schmetterlinge flatterten von Blume zu Blume in der Höhe an der sonnengetrünlki, Fels wand, und darüber spannte sich der dein Blockhause der Schwelle und labte sich an all' ! der Natur und ließ seine leuchtenden Blicke schweifen weit hinaus Über die Berg». Und in seinen Ohren klang es wie Melodie, wie ein sllßes Lied aus das Land, das einst seine Heimath ge wesen war, fern über dem Weltmeer. Er saß lange starr und stumm da, und Bart. chen vor. Und dann gebar ihm sein Weib ein Kind, ein rosiges, einziges Ebenbild ihrer selbst, und er wußte sich vor Wonne kaum zu fassen. Da kam das Verhängniß mit eher nem Fuß innerhalb einer Woche raffte der Tod beide geliebte Wesen da hin. Und dann erkrankte er selbst am Nervenfieber, und als er wieder genaß, da war die alte Kraft gebrochen. Es ging wie ein unheilbarer Riß durch seine Seele. Und so gab er seinen Be ruf, der ihm jetzt keine Freude mehr machte, plötzlich aus und ging über's Meer; vielleicht würde er drüben Ruhe und Frieden finden. Aber er fand kei nes von beiden. Der Schmerz um die geliebten Todten wühlte krampfhaft weiter und ließ ihn nicht Ruhe finden. Rastlos trieb's ihn umher. Jeden Staat in der großen Union hatte er gesehen, und nirgendswo duldete es ihn auf längere Zeit. Darüber wurde er zum alten Mann. Aber seine Glie der waren noch rüstig, wenn auch das Herz morsch und rostig war. Und so 3. Im heißen Juli war's. Die Fels- Anttitz,' Heine'sche Lied: Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Der Eichenbaum gesehen. Doch da stieß der Fremdling auf der gegenüberliegenden Felswand auch schwenkte ihn grüßend und im Will komm. Eine halbe Stunde später saß der Wanderer neben ihm am Tische in der kühlen Blockhütte und ließ sich den Imbiß, den der Alte gastfrei aufgetra gen, trefflich munden. Es war ein Landsmann, ein Ostpreuße, der junge Wanderer, und bald waren die Zwei im besten Erzählen. Der Fremdling war erst im vorigen Jahre aus der Heimath fort, und so wußte er denn dem weltverlorenen Alten gar viel des Neuen aus dem Lande des Bernsteins und der Wandemden Dünen, der mäch tigen Buchensorste und der brandenden Ostsee zu erzählen. Und selig und seiner selbst vergessend, lauschte der Alte. Der junge, rüstige, lebensfrische Bursche muthete ihn an wie ein leben diger Gruß aus der halbvergessenen Heimath, und immer wieder und wie der mußte ihm derselbe erzählen. Und dann, als die Beiden schieden, da schüttelte der Alte dem Jungen beide Hände und segnete ihn und wünschte ihm alles Liebe und Gute im Leben. Und der Jüngling schritt wieder für baß. Aber der Alte sank wieder an seinen mächtigen, rohgezimmerten Tisch, stützte das mächtige Haupt in die bei den Fäuste und weinte bitterlich. Ab und zu warf er einen Blick auf das Bild dort an der Wand, das sein einstiges Eden darstellte, und auf das Bild der hübschen, jungen Frau, das daneben hing und das sein Weib dar stellte. Die Heimath stieg vor ihm auf Stück um Stück, mit allem Glück, das sie für ihn beherbergt hatte. Noch einmal durchlebte er seine Jugend, seine kurze, aber so glückliche Ehe. Und immer wieder tropften ihm die Thrä nen zwischen den Fingern durch. 4. Za mein Zug!" Und in die steifen, al ten Glieder fuhr die Gelenkigkeit der Jugend. Mit mächtigem Satze war er vor der Hütte und mit Anspannung wo die Weiche gestellt werden mußte, wenn nicht eine Katastrophe, ein gräß liches Unglück und durch seine Schuld sich ereignen sollte. Wie ein gehetztes Wild Alte über^die Brust und das faltige Gesicht ist hoch leise abzweigen. Der Alte wirft einen flehenden Blick zum Himmel und spannt seine letzt» Furche. Vorbei! Nur eine schwärzliche der Alte durch seine Nachlässigkeit so sträflich gefährdet, sie sind gerettet! Aber was liegt da? Neben der Weiche, das bleiche Gesicht dem strah- Wohl bckomm'S. um dort so lange lieg«i zu bleiben, bis sie in ziemlich starke Verwesung übergegangen sind. Die alsdann wie- Eigenartig ist dabei, wie der Birmane, dem als Buddhist das Tödten von Thieren strenastens untersagt ist, die ses Religionsgesetz umgeht. Die ge fangenen Fische werden nicht getödtet, langen Nässe endlich abtrocknen kön nen. In Wirklichkeit bleiben die Thiere so lange in der Sonne liegen, bis sie sterben. Der Birmane beruhigt sein Gewissen damit, daß er die beste Ab sicht gehabt habe, und wenn die Fische absterben, so sei dies ihre Schuld. Der Ethnologe Bastian erzählt in einem seiner Werke, daß über ganz Birma «ine von diesem Ngapi verpestete At mosphäre lagere. Heilige Einfalt. Es ist unglaublich, was das Land volk gemäß uralten Rezepten in den Apotheken zur Herstellung besonders heilkräftiger Salben verlangt. Kam da ein Bäuerlein in eine Apotheke zu Heilbronn und verlangte um 18 Kreu zer „Armensünderschmalz". Der Apo theker gab ihm ein kleines Döschen ge reinigtes Schweinefett und ließ den Bauern auf dem Glauben, daß es ausgekochtes Schmalz von einem Hin gerichteten Verbrecher sei. „Was hat denn der thö?" fragte der Bauer. „Das weiß ich nicht so genau", entgegnete der Apotheker, „er ist halt sei'n Lebtag a rechte Sau gwä." Druckfehler. Endlich trat die berühmte Bir tuosin an den Flügel und begann mei sterhast zu schielen. Einen ungemein fesselnden An blick gewährte es, die sämmtlichen Da men im Sportcostüin vorüber wadeln zusehen. Marie schob ihren Stuhl an den Flegel heran, ließ ihre zarten Fin ger über ihn hingleiten und entlockte ihm die süßesten Töne. (Aus den Memoiren des Ren tiers Müller.) Im vorigen Jahr« hielt mir mtine Frau 366 Gardinenpredig ten es war ein S ch e l t j a hr.. Gute Anlag«. Gastwirth (zu seinem sechsjährigen Sohne, der seit Ostern di« Schule besucht): „Junge, wenn Du nun einem Gaste Bier bringst, wieviel Glas muß er dann bezahlen?" Söhnchen: „Fünf!" Bater: „Gut, mein Junge, fahr' so fort!" D " t' gam (beim Verlobungsmahle): „Gnä dige Frau, welch' sinnreiche Zusam menstellung. Im Strauße: Vergiß meinnicht und Tausendguldenkraut; im Menu: Vielliebchen und ein Gäns seine Bedeutung haben." Benützte Gelegenheit. Sie (im Theater): „Siehst Du, Franz, die Heldin des Stückes wechselt in jeder Scene ihren Anzug und Du bist böse, Zeit. Infanterie - Oberst: „Ich denn ab?" Bataillonsadjutant: „Eben > deswegen, Herr Oberst!" Der Ainderöaü. Bon W. Walter. I. Es war mir schon lange verdächtig vorgekommen! Das Frühstück stets pünktlich, größte Ruhe bei der Lectüre der Zeitungen und Mittags als Mehl speise Schinkenfleckerln oder Zwetsch genknödel! Ich war aus der Hut! Dennoch ging ich in die Falle, wie ein alter erprobter General. Aber wer konnte auch solch heimtückischen Ueber fall ahnen! ner, nach einem guten Diner! Ich hatte mich in meinen Lehnsessel zurück gezogen; meine Jüngste brachte mir den schwarzen Kassee, heiß und stark, wie ich ihn liebe, und fragte mich, ob er genügend gezuckert sei. Mein Junge reichte mir die Cigarre, bereits abge schnitten, ganz richtig im Zickzack ab geschnitten und osserirte mir Feuer. Die Aelteste stand schon mit der Zei tung in der Hand da. Im Hintergrunde saß ruhig meine liebe Frau, würdevoll und selbstbe wußt, und meine liebe Schwägerin. Meine liebe Schwägerin! Was soll ich über sie sagen? Sie ist als das Ideal Ich wähnte mich im Paradies«. Die Avantgarde, meine Jüngste, be gann die Plankelei. Mit jenem lieb reizenden Lächeln, das mich schon so viel Geld gekostet hat, fragte sie mich, ob sie zur letzten großen Tanzstunde einige Freundinnen einladen dürfe. „Aber ja!" antwortete ich zerstreut. „Ich auch?" antwortete die Aelteste rasch. „Meinetwegen," brummte ich und wollte lesen, aber es ging nicht, denn alle drei wollten mich gleichzeitig um armen und küssen. „Das wird aber schön werden!" sagte die Kleine. die Große. „Ich lade mir auch drei oder acht ein," der Junge. „Und was für Costüme?" fragte meine liebe, gute Schwägerin. Ich blickte erstaunt auf; mir ward unbehaglich: eine unbestimmte Ahnung überkam mich; ich roch Pulverdampf! „Costüme?" fragte ich gedehnt, „wo zu denn Costüme?" „Aber zum Kinderfest!" riefen Alle schwieg noch immer. „Weißt Du, Pa, die können wir immer brauchen," eröffnete die Aelteste frisch und fröhlich das Pelotonfeuer. „Walther geht natürlich als Tiroler, er braucht sowieso für den Sommer einen Lodenanzug. Und ich als Zi geunerin; das wird zu meinem dunk len Teint sehr gut passen, und Henny, unser Liebling, muß natürlich als Maiglöckchen gehen. Ach, wie zart und duftig sie aussehen wird!" Ich sah ich war überrumpelt worden; aber ich ahnte ja noch gar nicht die Größe der Gefahr und hielt das Ganze für eine kleine Plänkelei. Nur daß meine liebe Frau noch im mer schwieg, beunruhigte mich. „Also gut!" knurrte ich und griff nach der Zeitung. Da ertönte aus dem Hintergrunde die Stimme meiner lieben Frau, ru hig, ernst, gemessen, scharf accentuirt. „Also es ist Dein Wunsch, daß der Ball stattfinde?" Das war ein Kanonenschuß! Ich war in einen Hinterhalt gefallen und schmählich geschlagen, besiegt! Das war meine letzte ruhige Stunde für die nächsten vier Wochen. 11. Bon früh Morgens bis spät Abends stand die Thür nicht mehr still: Wä scherin. Büglerin, Näherin, Hutmache rin, Kleidermacherin, Friseurin, Putz macherin, Tischler. Schlosser, Gasar beiter, Tapezierer, Maurer, Schneider, Schuster, Hutmacher, das Alles gab sich gewöhnlich Rendezvous bei uns zur Frühstückszeit, Dann die Brief träger mit den unheimlich großen Pa cketen; circa eine Million gab ich allein Mit dem Essen sah's traurig aus; wir müßten sparen, erklärte meine liebe Frau rundweg, der Ball toste zu viel und auf eine kurze Bemerkung von mir erfolgte ein kurzes: „l'u l'u» „Ich? Ich gewollt?" Aber ich Die Liste der Einladungen wurde entworfen: die „verlängerte Kinder tanzstunde" erforderte etwa 30, „das Kinderfest" weitere 40, der „Ball" noch 60! Ich fiel vom Sessel, aber meine liebe Frau tröstete mich, daß im letzten Moment mindestens die Hälfte absa gen kämen. Das wäre Immer so! Dann großer Kriegsrath wegen dei kalten Büffets! Es wurden ungefähr 2000 Schüs seln proponirt. Ich protestirte! Aber meine liebe Frau erklärte mir, man müsse reichlich gerüstet dastehen. 130 Personen wären eingeladen und im letzten Momente kämen immer mehr als vorausgesehen. Das wäre immer so!- Getränke! l d I Faß Bier und den dazu gehörigen Kü fer! Wein! Ich hätte ja genug im Keller. Ja. mein armer Weinkeller ging darauf! Zehn Jahre mühevoller Arbeit! Alles, was ich mir von guten Aber ich müsse noch etwas Feineres, Besonderes bestellen! Im letzten Mo- Man müsse Vorsorge treffen. Das wäre immer so! Die Toilettenfrage war noch di« einfachste! Meine liebe Frau erklärte schwenderin halte? Für sich brauche sie nichts, gar nichts! Aber für die Kinder dürfe man nicht sparen. Das schaffen; denn der meinige wäre schon etwa 20 Jahre alt und sehe schäbig aus. Aber da wurde ich wild! Was, sagte: richten; dann geht's ganz gut!" Mir wurde schwül! Die große Woh- Athem, geschweige zum Sprechen kom men. Es wäre schon Alles abgespro chen und vereinbart; die zum Balle reau hätten schon ein Comite gebildet, welches den Damen hilfreich zur Seite stehen würde; man hätte mir nur die len und mir nichts gesagt. Aber es wäre schon Alles in Ordnung. Die Maler arbeiteten schon! Eigentlich solle ich gar nichts erfahren; es solle schon sehen, wie schön es wäre; ich hätte so viel zu thun und den Kops nicht frei für solche Dinge! Und jetzt wäre es Zeit, in's Bureau zu gehen. Es wäre schon um mich telephoniri worden, und draußen war ich! Wehmüthig dachte ich der schönen Verse: „In der Nacht mit meinem Kummer Lieg ich schlaflos wach. Träumend, wie im halben Schlummer Wandle ich bei Tag." Dieser Heine, dieser Heine! Meine schönsten Ideen, meine besten Gedan ken Alles, Alles schon fünszigJahre IN. Der große Tag war da! Pünktlich um 5 Uhr wurde Alarm geschlagen und dann begann unter dem Titel „Ordnung machen" ein Wirr warr, wie wenn beim Spiel der Kin der ein „Kinderball" in einen Ameisen haufen hineinfällt. Die Ameisen wa ren wir. Selbstverständlich war ich stets genau auf dem Punkte, wo ich im Wege stand. Aus allgemeines Verlan gen verließ ich deshalb das Schlacht feld und ging in's Bureau; aber kaum war ich dort, so wurde ich durch di« satanische Erfindung des Telephons stets wieder zurückgerufen, was doch schließlich nur ein gutes Licht auf meine Beliebtheit und Unentbehrlich keit wirft. So verging der Vormittag angenehm zwischen Bureau und Woh nung - meistentheils auf der Stieg«. Im Bureau konnte auch ein großer Theil der Herren die Köpfe nicht fin den! Dafür wurde es nach Tische fei erlich! Dutzende von Fracks und weißen Kravatten tauchten auf das feinste Bureau der Welt. Die Ordre de Bataille lautete für mich, daß ich präcise um 4 Uhr 45 Mi nuten in knll anzutreten habe. Ich kam, sah und fiel in Ohn- Der liebe Gott hat die Welt doch «uch in sieben Tagen erschossen, aber was hier in der letzten Woche voll bracht war, überstieg die Erschaffung der Welt denn doch um ein Bedeuten des! Nachdem ich mich durch einige Ur wälder von exotischen Pflanzen hin durchgearbeitet, nachdem ich den Ver suchungen einer altdeutschen, sehr ap petitlichen Weinstube (mit Hilfe mei ner lieben Frau) mannhaft widerstan fallene Ritterburg ungefährdet pafsirt, kam ich in das Allerheiltgste, in den Tanzsaal. Sämmtliche Federn der Welt sind zu schwach, den Tanzsaal zu beschrei ben; also unterlasse der Einfachheit Begrüßer der Herrschasten zu beziehen! Von 5 bis 6 Uhr empfing ich die Herr schaften und die dazu gehörigen war- stigte sich das junge Volk, wurde über zu spät! dort mit Jemandem anzustoßen, ja ich weiß es nicht! Aber kein Glück dauert ewig auch das Vergnügen ging vorüber! Um 12 Uhr empfahlen sich die jüng sten Kinder, um 2 Uhr die größeren; Um 4 Uhr hatte sich der letzte Gast ich IV. Ein langer, langer Schlaf! Wenigstens hatten wir es uns alle vorgenommen, aber es mußte doch auf geräumt werden. Die Pflicht weckte meine liebe Frau und meine liebe Frau weckte mich! Wir schauten das Schlachtfeld an! Schrecklich, fürchterlich, wie Schlacht- Acht Tage lang wurde aufgeräumt, geputzt, gescheuert, geklopft, gebürstet! Acht Tage lang bekainen wir zum Frühstück „kalte Küche". Kaltes Geflügel, kalten Braten, kalten Schin ken, kalten Käse und warmes Bier! Wochen lang dauerten die Recon naissance - Visiten, Monate lang die Gespräche über den Ball und Jahre lang die Vorwürfe und hämischen Be merkungen der nicht Eingeladenen. An einigen Feindschaften werden wir ewig zu tragen haben! Die Kriegskosten! Meine Ersparnisse deckten ein Drit tel. Die Deckung des Restes war schwierig; aber da siel es mir ein, daß ich ja nur nöthig habe,meine Passions geschichte zu beschreiben und daß ein solches Feuilleton natürlich reißenden Absatz finden müßte! Und hier ist es! FrWiliMhming. Von A, B-ssel. Was bewegt mir heut' die Brust? Bist du, gold'ner Aether, Lachender Verräther? Schwellen wirklich schon am Strauch Zarte Vlättertheilchen, Meldet sich mit süßem Hauch Schon das erste Veilchen? Horch! Und welch' ein Heller Ton Scheucht von mir die Sorgen! Ist es wohl die Lerche schon, Hoch im Blau verborgen? Nein, noch liegt die stille Flur Tief im Wintereise: Mir im Herzen tönte nur TaS Kuckuckski. gm«" Der Kuckuck hüpfte auf den Ast her ab, aus welchem seine Frau saß, und noch warten muß, bis es einen Mann kriegt. Laß mich erst antworten." „Aber ich —" „So sei doch still! Du weißt, daß wir augenblicklich keine feste Wohnung haben. Es ist eben jetzt eine Woh nungsnoth unter den Vögeln. Aber für das eine Ei will ich Rath schaffen. Spatz sein Nest geklebt. Die Alten sind gerade nicht zu Hause, und einige Spatzeneier liegen bereits drin. Lege das Deinige dazu." Erfreut gehorchte die Kuckucks frau. Eine halbe Stunde später kehrte die Spatzenmutter heim, eine Raupe im Schnabel haltend, die sie ihren Jun gen bringen wollte. Aber entsetzt prallte sie zurück und ließ die Raupe fallen, als sie ihren Eheherrn mit fun kelnden Augen und gesträubtem Ge fieder im Neste stehen sah. „O Du Elende!" rief er ihr entge gen. „Deine Schandthat ist offenbar geworden. Gesteh', wie kommt diese» fremde Ei in unser Nest?" „Ich schwöre Dir, lieber Mann, ich habe es nicht selbst gelegt —" „Schwöre nicht! Ich habe wohl be merkt, wie Du mit dem aufgeblasenen Specht charmirtest. Von heute ab ist unsere Ehe geschieden. Betrachte Dich als Wittwe." ganzen Kasernenhof ist ja nicht ein Papierkorb!" Unterofficier: „Einjähriger Mül ler, um welchen Civilberuf sind Si«
Significant historical Pennsylvania newspapers