Revanche! (12. Fortsetzung.) Es war der offenbare Hohn. Viktor fuhr zusammen, zögerte kurz und wandte sich dann zur Thüre, mit ei ner Geste und einem Blicke, die deut lich sagten: „Gut, so wird man Dich ober Sie selbst, der Name, die Die Stimme wankt«. Jaminets Au gen zwinkerten wieder gegen die Pho tographie hm, als suchten sie dort ei nen Halt. Mit einer plötzlichen hefti gen Bewegung der einen Hand winkte «: dem Buchhalter, sich zu entfernen Mchard trat in den Komptoirraum, te eine gute Weile, bis «r im Stande war, den Andern den Bescheid ihres Chefs mitzutheilen. Es war die höchste Zeit, daß er das Allerh«iligste verließ, sonst wäre er Zeuge gewesen, wie in den immer schickten Bart hinabrollten. O, er Ja schwankl« das Abbild der Wahl'schen Fabrik dort an der Wand. „Armer Wühl —" haucht« er baoegt gegen das Bild. „Arme Gertrü —" Vierundzwanzigstes Kapitel. „Herr Boular»-de, eine Dame „Wer? Was? Eine Dains? Wo?" versagen. Solche groß- Spezialisten sind aber theuer und lassen sich bezah len. Und er war ja bereit, mit seiner de zu unterdrücken und sein Gesicht für den Ernst der Angelegenheit zurechtzu setzen. „Madame Gertrü Er liiflete ehrerbietig den Zylinder. Sie war verschleiert, weniger wohl, w«il sie sich vor andern zu kompromit tiren fürchtete, sonst hätte sie sich >a auch nicht der Livree bedient, als weil sie ihm gegenüber die Schaniröthe, die sie wegen dieses Schrittes auf ihrem Antlitz brennen fühlte, verberacn wollte. Bielleicht gab ihr auch der Schleier ei» Gefühl o-r Panzerung ge gen ein unheimliches Etwas. Ja, es hatte ihr Ueberwindung ge nug gekostet, diesen Schritt zu thun. Welch: Ungeheuerlichkeit: eineDeut sche, die einen Franzosen zum Schutz ihrer Nationalität aufbietet! Noch da zu einen den französischsten der Franzosen! Abcr sie wußte, daß sie über ihn verfügen konnte, und da er eine Macht bedeutete, so wäre es eine schwere Unterlassungssllnd- g-w-sen, diese Macht nicht für Zwecke auszu nützen. Es war nicht ganz moralisch, die Schwäche des Feindes zum eigenen Vortheil zu verkchren, aber die äußerste Drängniß gebot. Nur Boulan'de konn te helfen! „Wohin befehlen Sic zu fahren, Madame?" „E5 ist einerlei ich bitte Sie nur um eine Viertelstunde Gehör, Mon sieur Dionys." Ihre stimme klang matt und klein und schi?n ihren Klang eingebüßt zu haben dem Bock als Ziel das Bois und eine bestimmte Allee darin, die sich für sol che Konsultationen wohl besser eignete als andere; dann öffnete er den Schlag „Aber meine liebe Madame Gertrü, was ist denn geschehen? Man sieht es Ihnen an, die Affaire hat Sie tüchtig angegriffen. Ihre Hand zitterte soeben ah, bah, Sie müssen sich's nicht zu Herzen nehmen!" „Ich bin wie zerbrochen. Es ist alles verloren! Mein Baker ist rut nirt. Und wer ist schuld daran? Ich ich! Die ganze Geschichte mit der Amme ich habe diese Krisis pro vozirt ein Fehler über den andern ich habe Viktor nicht zu behandeln gewußt Sie werden begreise», daß diese Freiheit!" lich. „Nichts selbstverständlicher, liebe Freundin. Ich habe Ihnen erst vorge stern Abend gesagt, daß Sie über mich verfügen sollen es freut mich, daß Sie mir vertrauen. Und ich loerde Ihnen helfen wir werden die Sache Er warf sich wichtig in die Brust, mit dem Air des großen Spezialisten. „Sie sind ein guter ein echter Freund ich dankeJhnen ich weiß, was es Ihnen kostet —" Zweifelte sie in dieser Stunde wirk lich nicht an seiner uneigennützigen Freundschaft? ganz leicht fiel, die Hand, aus der sie die ihre gleich wieder entgleiten ließ. „Es ist möglich, daß man mich stei nigen wird aber einerlei, das Be wußtsein, Ihnen einen großen Dienst geleistet zu haben...." Das war keine Lüge. Sein nächstes Ziel war sie! Und seine Leidenschaft würde auf dies Ziel losstürmen, un bekümmert um die Steinigung. Er fühlte das erregte Funkeln seiner Au ge», und um sich nicht zu verrathen, wandle er diese ab, nach dem offenen Fenster hin, an dem die Häuser, die Bäume und das Menschengewimmc! der Trottoirs in einem Gewirr vvr übersausten. „Er fährt exzellent, Ihr neuer Rap pe," warf er zur eigenen Ablenkung hin. „Aber Sie sollen mir ja erzählen. Wir überlegen dann." „Ach!" machte sie mit einer Hand bewegung, welche die Hoffnungslosig keit nur zu deutlich ausdrückte. „Was ist zu erzählen? Das ganze Personal des Komptoirs ist entlassen, Herr M<Z jard an der Spitze; der Schwiegervater hat all- gehen heißen. Es sieht schon jetzt einem Bankerott verzireifelt ähn lich. Er droht damit, lauter Deutsche zu engagiren und mit diesen das Ge schäft'fortzusetzen. allen zum Trotz. Von einem Nachgeben ist keine Rede er ist seit vorgestern wie umgewandelt. Aber gerade sein Starrsinn verdirbt alles erst recht. Es ließ- sich überlegen, man müßte zusammenhalten aber er will nichts von einem Einlenten wissen. Natürlich besteht nun auch Vik tor auf seinem Kopf. Wie zwei Felsen stehen sie gegeneinander. Und seine Schwester, sein Schwager Hetzen ihn natürlich. Man muß den Alten zwin gen! heißt es. Allerlei Vorschläge: das Geschäft soll seinen Namen ändern Schneider soll darin eintreten, und der Name des Elsässers soll als Deckman tel dienen. So würde die Krisis vor übergeht!. Am liebsten möchte man meinen Schwiegervater zu einem völli gen B-rzicht bringen. Dann wäre es um uns Wahls geschehen.... mein ar mer, auter Vater! ich, ich will ia nicht zählen und ich bin b-reit, mich zu opfern...." Die letzten Worte verloren sich in einem ausbrechenden Schluchzen. Sie schlua den Schleier zurück und preßte das Taschentuch gegen die Augen. „Ich hab- es geahnt. Ich hätte nicht nach Paris kommen sollen! Ich war dazu bestimmt. Viktor und mich und uns alle unglücklich zu machen. Fran zösisch und Deutsch, das paßt nicht zu ° "zch hätt« Ihnen recht von Herzen gewünscht, daß Sie sich glücklich hier bei uns gefühlt hätten —" sagt« ihren Ton einstimmend. „Ach, und Sie verdienen das Glück Sie sind zum Glück geboren! Man möchte zornig werdend daß alles so gekommen!" Sein ganzes Wesen schien in plötzli cher Begeisterung aufzuflammen. „Sie sind so schön! So anbetungswürdig! Ja, man möchte alles niederschlagen, was Ihrem Glück im Wege steht! Sie sollen und müssen glücklich werden!" Ihr Schluchzen stockte. Als sie das Tuch von den Augen sinken li-ß, fuhr sie zusammen vor der Gluth seines Blickes, die der andern, so plötzlich ent fachten Gluth seiner Wort« «ntsprach. Er stutzte selbst vor der eigenen Unvor sichtigkeit. „Also wir wollen die Sache in die Hand nehm«n," sagte er, die verräth«- rische Begeisterung des Tones ibnen allen reden. Ick, bin Ihnen dank bar. daß Sie mir s-lch-n Einfluß zu trauen. Und ich vermag viel, das wis sen Sie! Es liegt an mir. die Leute in der Press- zu beschwichtigen und die ganze unerquickliche Affaire todt zu machen. Ich brauche nur die Hand zu rühren, so wird man sich ducken. Sie sollen sehen, Sie werd-n sich nicht in mir getäuscht hab-n. Wenn ich wollte, was ich könnte...." Er warf sich abermals mit dem Pru sten eines Truthahns in die Brust, so wenig solcher Anfall von Selbstver- tig; er mußte es über sich ergehen las sen wie ein Fieberschütteln. „Wenn ich nur wollte!" rief er exal tirt, die Faust auf die Brust schlagen». „Ich hätte die Geschicke Frankreichs in der Hand wenn ich nur wollte! men...." Es war fast unheimlich unwill kürlich dachte sie an ihren Onkel, den handelt. Und dieser Großthuer soll uns zu retten bestimmt fein? Wie war sie nur dazu, gekommen, ihre letzte Hoff nung an ihn zu klammern? Mit einem kräftigen Zusammen fahren gleichsam den Größen- Madc,m« Gertrü —" „Ich fürchte, alles Ueberlegen nützt nichts," erwiderte sie scharf. Es war wie ein Aufraffen in ihr. „Ich vergesse immer wied-r, daß wir hier in Frank reich sind —" murmelte sie mit bitterer Betonung. „Es wird wohl bei meinem Ent schluß bleiben." Sie richtete sich aus ih rer anlehnenden Stellung straff empor. „Es ist das Best« ich werde fliehen!" „Oh!" „Ich habe längst daran gedacht. Wenn die Preußin das Haus verlassen hat. so ist ihm der böseste Makel ge nommen. Aber ich fürchte, das Mittel kommt viel zu spät. Es hätte vor einem halben Jahre angewendet werden müs sen. Ich hätt> längst gehen sollen. Uebrigens (und sie schloß dabei die Augen, und «ine Blässe rieselte über ihr Antlitz) übrigens mag diese Krisis sich lösen, wie sie will, meines Bleibens Jaminets kein Glück, Niemand von Ihnen fort also! Ich werde ge hen!" sie tonlos in die Pause. Das war etwas so völlig Neues, n-n Gunsten. War das nicht die deut lichste Aufforderung? Deshalb war sie doch Wieder überfiel ihn der Macht solchen Sonnenglanzes das häßliche politische Gewölk und wei! dahinten, tief unter demGötterbswußt sein solcher Seligkeit, versank Paris mit seinen banalen Freuden, seinen billigen Triumphm, mit seinen In triguen. seinem Gassenbubenlärm und dem Jndianergeheul der Revanche.... Doch seine Phantasie raste zu unge stüm! So weit war es noch nicht! Sie ist doch eine Deutsche. (Der einzigeMa kel, der ihr anhaftet!) Und das erfor d-rt einige Weitläufigkeiten. Vorsicht also! „Fliehen?" sagt« er mit d-r äußer sten Anstrengung, kühl zu bleiben, während seine Pulse flogen. „Wir wol len diesen Fall in Betracht zielen. Es wäre das beste, das einzige ich hätte Ihnen das nicht vorzuschlagen gewagt aber da Sie selbst.... Ich will Ih nen offen und ehrlich gestehen, daß mein Dazwischentreten die Krisis nur hinausschiebt, sie aber nicht heilt. Sie ist in der That unh:ilbar. Das schei nen Sie selbst einzusehen." Was für ein unausstehlicher Chac er blos die Hand auszustrecken, damit ganz Frankreich sich duckte, und nun ihren Brauen wettert« es. „Sie sind nicht glücklich Sie sind nicht an Ihrem Platze." „Was wollen Sie denn?" fuhr sie auf. „Das Glück ist mir doch nicht die Hauptsache. Was ist das Glück?" Und sie stieß ein paar mitl-idige Lachtöne aus. „Reden wir doch nicht davon, es ist ganz nebensächlich! Ich virlange nur nicht, um eines Hirngespinstes wil len zu Grunde zu gehen. Mit meiner Entfernung ist dennoch etwas gethan. Man beruhigt sich vielleicht und besinn: sich. Deshalb geh« ich." Er hörte nichts, er sah nichts, das Fieberschütteln verstörte ihm die Sinne. „Ich will aber, daß Sie glücklich werden!" rief er. „Es ist Ihr Rech«, und ich bestehe darauf. Ich werde Ihr Glück erzwingen!" Die Worte gingen ihm durch. Es war kein .Halt gegen den Sturm, der ihn fortwirbelte. Mit wachsenden Au gen des Staunens und des Schrecks starrte sie ihn an. Und ihre ganze Ge stalt erzittert« unter dem Geloder sei nes Blickes. „Fliehen ja fliehen wir wer den fliehen gleich heute noch —" „Wir —?" stich sie entsetzt aus. Ich werde bei Ahnen sein! Ich wer ich Nur noch ein halbersticktes Stam meln der Leidenschaft. Er ergriff ihre Hand mit feinen beiden. Sie schrie auf, so heftig war der klammernde Zwang dieser Hände. „Gertrü Geliebte!" Schrecks, dann tastete sie nach dem Gummiball der Signalleitung, preßte und riß so heftig daran, daß der „Hilf« Hilfe^—" Doch nur das entsetzte Beben ihrer Lippen kein Laut. Der Wagen hielt. „Gertrii Madame Gertrii!" stieß er sprach- und regungslos zu, wie sie auf den Knopf des Wagenschlages drückte, diesen aufdrängte, hinaus sprang und davonstürmte, ihr ganzes Msen von Schreck und Angst durch schüttelt. Gleich zog der starke Rappe wieder an und fort flog das Gefährt die vom Sonnenschein iiberfluthete Avenue der Kaiserin entlang. Eine Weile ließ er es geschehen, seine Gedanken schienen still zu stehen. Dann entfuhr ihm eine lautgellende Lache, die das Rollen der Räder über tönte und die Spaziergänger auf dem von Blumenguirlanden besäumten Trottvir nach dem seltsamen Insassen des stürmenden Gefährtes umsehen hieß. Er hatte einen sehr starten Sinn für das Komische, der ihm auch in den heikelsten Situationen plötzlich durch brach. Und dies war wahrhaftig das Komischste, was ihm je passirt war! Noch lachend rief er dem Kutscher ein Hatt zu. Erst als er ausgestiegen und festen Boden erreicht hatte, befiel ihn der Grimm über das Fiasko. — Fiaker. „Wohin?" Ach so! Sie mußte doch ein Ziel an geben. Mechanisch entfuhr ihr Stra ßenname und Nummer. Erst untec- Wie gespensterhaft, wie häßlich ver zerrt alles aussieht! Wie salsi der Son nenschein welch ein widerliches Grinsen entstellt all die Gesichter, auch die der elegant daherrauschenden Da? men, wie schmutzig, wie hohl, wie nich tig das alles ist! Wie sie daherhasten, rennen, jagen, von Leidenschaften ge peitscht durcheinander wimmeln welch ein ohrenbetäubender Lärm! Ein Schauder erfaßte sie: Sie sind alle wahnsinnig! Ganz Paris ist ein Tollhaus.... Fünfundzwanzig st es Kapitel. Der Kutscher lenkte in die Rue de Cl6ry ein und hielt vor dem Jaminet'- schen Hause. Gertruds eigenartig fra gender Blick glitt die Fensterfront ent lang, sie stutzte kurz, als wenn sie den Kutscher bedeuten wollte, wieder um zulenken. Das hier ist ja nicht ihr Zu hause! Wo denn? Vergangenheit flog vorüber: es war t>er Tag, da sie beide als junges Paar, nach dem rastlosen Flug der Hochzeits reise, hier vor dem Portal angelangt waren; mit festlich flackernden Flam auf Viktors Arm gestützt war sie die mit schwellendem Teppich belegte und mit Blumen geschmückt- Treppe hinan heiM'ivinnenden Sonnenschein ihrer Erscheinung entzückten Dienerschaft begleitet. „Bitte, Herr Mongenast, wollen Sie den Kutscher bezahlen!" Es fiel dem Manne nicht einmal auf, daß sie in einem Fiaker zurück kehrte, nachdem sie mit eigenem Wagen ausgefahren war. „Wissen Madame schon, Herr Ar mand...." „Was ist denn?" , Ein Blutsturz —" Seltsam, trotzdem bei Armand der Fanatismus am drastischsten zum Ausdruck kam, war ihre Sympathie ihm immer zugewandt geblieben. Sie hatte über sein „Tanatoid" gelacht und sie war di.> einzige, die ihn vis zu letzt wegen seiner Manie necken durfte. Es bestand zwischen ihnen ein fast herzliches Verhältniß, und es war ko misch zu sehen, wie er sich vergeblich gegen diesen Bann der Preußin wehrte. Allmählich hatte er sich die mütterliche Bevormundung, die sie über ihn aus zuüben sich verpflichtet fühlte, gefallen lassen. Trotz der sprühenden Aeuße rung seines Hasses hielt sie diesen für harmlos. Er ist nervös und kränklich, man muß ihm solche Zerstreuung er lauben wie man kranken Kindern sind."''' bestimmt Armand im Sterben? Wie si« er schrak! Gleich verschwand jede andre Regung vor dieser Nachricht. Wie ist berichtete der Portier, es wäre dabei etwas lebhaft zugegangen. Ersterer hätte sich nach seinem Laboratorium begeben, und dort fand ihn der Gehilfe in seinem Blute. Die A«rzt« schüttel ten die Köpfe, es wäre wohl alles vor bei. Sofort «ilt« sie durch den Garten nach dem Laboratorium. Armand be wohnte neben dem Arbeitssaal einen kleineren Raum, der seines ursprüng lichen Charakters als Wohn- und Schlafzimmer fast entäußert schien, denn er war, wie das Laboratorium selbst, mit Instrumenten, Gläsern und phantastischen Gefäßen in alle Winkel hinein angefüllt, ja bis auf das Sofa und die Stühle. Auf dem von scharfen Säuren zerfressenen Teppich des Ti sches machte sich der hohe und weit aus holende Aufbau eines umständlichen Apparates von Destillirkolbe». Rea gensgläsern »nd geschwungenem Röh jaStunden all das andere darüber ver gessen! Es schien ihm sogar den Muth zu verleihen, ihr, seinem Weibe, wie der in die Augen zu sehen. Also es hatte eine stürmische Unter redung zwischen Armand und Papa hatte und durch dessen Gebrechlichkit selbst die bitterste Schärfe der haßer füllten Rede entschuldigt wurde. von seinem Sohne ein Wort ins Gesicht geschleudert, das wohl den Inbegriff aller Entsetzlichkeit bedeuten mußte. „Preuße!" weiter nichts. Aber das Wort fuhr wie ei» Peitschenhieb über das Antlitz des Kaufmanns. Das von seinem Jüngste» seinem Lieb ling! von ihm, dessen Launen und Seltsamkeiten er sich allezeit unterjocht, dem er keine Bitte und kein Blinzeln eines Wunsches unerfüllt gelassen hatte! Er meinte sich verhört zu hab«n flatt-rte doch das Wort überall in der Luft umher, bereit, sich als Brand mal des Berraths an einen zu hänge». Nochmals: „Preuße!" scharf hin schnellend von den dünnen Lippen des Krüppels, dazu die wüthendstenStich flammen der winzigen Augenpupillen, jene Stichflammen, die man zischeln zu hören wähnt«. Aufprasselnd vom gewaltigen Zorn war der Alte «mporgefahr«n. „Was? Das mir..." brüllte er. völ lig entstellt von dem hochrothen Brand, der sein Gesicht üb«?goß. Und er hatte den Beleidiger beim Arm gepackt und ihn zur aufgerissenen Thür hinaus verwiese». Ein« Viertelstunde darauf fand man Armand >m Laboratorium in seinem Blute zusammengestürzt, da er eben im Begriff gewesen, sich im Dienste seines „Tanatoid" an die Arbeit zu machen. Die schleunigst herbeigerufenen Aerzte gaben kein« Hoffnung. Der Alte schien 'gänzlich gebrochen: zuerst der Peit schenhieb des Wortes, das ihm noch üb«r der Stirn brannte, dann das verhängnißvolle Unglück «s war zu viel! Gertrud war wie erstarrt vorStau nen, als ihr später der Auftritt vom alten Jaminet geschildert wurde. Und daran ermaß sie erst die dämonische Gewalt des Fanatismus: d-r Name ihrer Nation, d-r bloße Name, dessen Hauch allein schon den. der ihn aus sprach, zu todten vermochte. War si« selbst nicht damit geächtet? Es bedurfte nicht mehr eines Enl-' fchlusses das Wort wies ihr ohne dies die Thüre! Und wenn noch eine verflog es vor dem Hasseston. der alle Poren des Hauses durchdrang. Wohl an! Aber noch galt «s auszuharren, bis d-r Krank- von seinen Leiden erlöst wäre. Bedurfte er nicht ihrer Pflege? Hatte sie ihm nicht bei ihrem Eintritt ins Haus Muttersorge und Mutlerliebe gelobt? Ihm persönlich sollte nichts entgalt«» werde», er war ja ein schwa ches und zerbrechliches Gesäß, das durch die Revanchekrankheit leichter zerfressen und zerstört wurde. Man mußte Mitleid mit ihm haben auch jetzt, nach allem, was geschehen war. Und sie blieb. Bis der Tod, der mit seinen dunklen Fittichen bereits Ar mands Lager umschattete, ihr die Er laubniß zum G«h«n «rtheilt hätte. Man war erstaunt, mit tvelcher Aufopfe rung sie den Kranken pfl?gk; sie hatte aufgeboten, bald wieder entlassen und theilt« sich mit dem Gehilfen in die mühevolle Wartung. Sie verließ den Pavillon nicht mehr, mit keinem Schritt 'sah man sie die vordere Wohnung be trete». Mit einem stummen Kopfwie gen wies sie Viktors und des Schwie gervaters Bitten und Beschwörungen ab: ihr Platz ist hier! und wo sie nachher ihren Platz wählen wird, das sein. Ihre hoheilvolle Art, das starr« Schweigen ihrer Lippen, ihrer Augen, ihrer ganzen Erscheinung, erfüllte alle, die mit ihr in Berührung kamen, mit einer Art weihevollen Schauers als wenn sie selbst die Verkörperung einer engelgleichtn Macht bedeutet«. Jede triviale Annäherung stockte in ihrer Nähe. Sie schien der Welt und den er bärmlichen Weltsorgen wie entrückt. Viktor schien dieser Sonderart ge genüber seinen Halt zu verlieren. Was bedeutet das? Mit wachsender Ver wunderung beobachtete er sie. Es ist et was Entscheidendes mit ihr vorge gangen! Und sein Herz erbebt« in der Vorahnung eines Verhängnisses. Er weiß, das alles, was geschehen, ist sehr klein und häßlich und verächtlich ge wesen. Aber dennoch würde sie verzei hen sie würde sich ihrer Liebe, ihres Glückes erinnern sie würde die Opferschale seiner Reue, die er ihr dar zubieten bereit war, mit dem Himmels lächeln der Duldung «ntg«g«nnehme». Sie wurde die traurige» Umstände be greifen lernen, und sie würde sich dem Zwang zu beugen wissen, wie auch er und sie alle sich gebeugt. Ah, wie lechzte er nach einer offenen, rückhaltlosen Zwiesprache mit ihr! Dann würde al les noch gut werden.... Aber nichts als das starre Schwei gen ihrer Lippen, ihrer Augen, ihrer ganzen Erscheinung. Kranken dort eifersüchtig zu nxrden, der allein die Barmherzigkeit ihres Lä chelns und die trostspendende Milde ih res Blickes genießen durfte. Ah, war er, Viktor, denn nicht noch kränker? Bedurfte er nicht noch mehr als der bloß körperlich Todwund« ihres Tro stes. ihrer Pflege und ihrerVerzeihuug? Vier Tage noch schwebte Armand am Todesrande. Er war zumeist ohne Bewußtsein, und seine Fieberphanta sien beschäftigten sich mit seiner Erfin dung und dem Haß, dessen explosiver Ausdruck si« fein sollt«. Beim ersten ckes schien er erstaunt, sich gerade unter Gertruds Pflege zu finden. Wie paßte die liebliche Engelsgestalt in die von dänionischen Leidenschaften durchlo derte Hölle seiner Fieberphantasien? Seine feuchte heiße Hand klammerte sich in flehendem Kampf an ihre Hand: daß ihr Engelszauber sie von sol chen Qualen erretten möchte. Und siehe da, bald begann sich das wilde Chaos seines Paroxismus zu sänftigen unv sein Schlaf schien von freundlicheren Gestalten belebt. Er fühlte sich so woh lig geborgen unter ihren Händen, unv die Erinnerung an sein Mütterlein tauchte aus dem Dämmern der fern versunkenen Kindheit herauf. Einmal nahm er ihre Hand und führte sie mühsam an seine Lippen. Eine Bitte hauchte in den inbrünsti gen dieser Lippen hinein etwas wie ein Stammeln, daß sie ihm ver- Dann ergriff ihn wieder die Er findermanie und er gab von seinem Lager aus dem Gehilfen allerlei An ordnungen, dies oder das Experiment betreffend. Stundenlang konnte er den Apparat auf dem Tische betrachten, wie in dem Kolben dießlafe» sich lösten »nd die chemische Gährung sich ent wickelte; stundenlang horchte er auf d«n Taktschlag, den ein gewisses Tröpfeln d-r Flüssigkeit in dem Apparat h^r verlangsamt«s Tempo dieses Tropfen falles regte ihn auf. „Nicht wahr, Gertrü, ich darf nicht sterben, bis es bis es —" Seine schwach hingeächzten Worte erstickten in einem Hustenanfall. „Beruhige Dich, Armand! Louis (der Gehilfe) behauptet ja, auf dem richtigen Wege zu sein." „Ist er? Man ruf« ihn! ich will ihn sprechen! mir ist «ine Idee Dich jetzt in D«in Kissen ducken und hübsch schlafen sonst werde ich ernstlich böse!" Und willig, weil das Mütterlein es so haben wollte, ließ er sich den Kopf ins Kissen ducken und entschlummerte, ein glückselig wehmüthiges Lächeln um die Mundwinkel. Nicht wahr, das Mütterlein wird unterdeß dafür sor gen, daß sein „Tanatoid" Fortschritte macht? Als handelte es sich um irgend ein schwieriges Gericht, dessen Zuberei tung sie überwachen sollte. So achtete sie mit Sorgfalt, daß das Feuer auf dein Patentofen in Athem blieb, damit, wenn er erwacht«, der rothe Schein des Herdes sein« suchenden Augen träfe. Das schien ihn zu stärttn. ja aus dem Anblick des Scheines schien er immer wieder neu« Kraft zum Leben zu ge- Bis auch dies seltsame^Stärlungz wo der arme Adept von der Angst um das Gedeihen seiner Erfindung für im mer befreit sein sollte. Am Morgen des fünften Tages, als das Frühroth sich mit dem verblassenden Schein des Herdfeuers mischte, hauchte «r den letz ten schwache» Rest seines in Haß und Fanatismus verkümmert«» Ltbens in den Armen seines Schutzengels aus. Wohlan, nun hat sie ja Erlaubniß zu gehen! (Fortsetzung folgt.) Aür die Küche. Orleanssuppe. Am Tage vorher kocht man aus allerlei Fleisch abfällen, frischen Knochen und einigen Schinkenstiickchen mit S Quart Waffer, Salz und Suppenwurzeln eine leichte Fleischbrühe, die man passirt und er kalten läßt. Mit dieser Bouillon über füllt man am nächsten Tage zwei vor gerichtete Suppenhühner, schäumt gut, thut das Gerippe eines dritten Huhnes, von dem vorher das Brustfleisch gelöst wurde, nebst etwas Kerbel hinzu und kocht die Suppe langsam mehrere Stunden. Das abgelöste Hühnerfleisch wird feingewiegt, mit vier Löffeln zer lassener Butter, einer Panade von zwei Semmeln, einigen Eigelb, Salz unk» wenig Pfeffer vermischt, eine lockere Farce daraus bereitet und mit zwei Theelöffeln kleine Quenelles davon ge formt, die man in etwas abgeschöpfter Fleischbrühe garkocht und im Wasser bade heiß stellt. Darauf brüht man Semmeln und drei Viertel Quart Hühnerbrühe darauf und kocht ihn weich, worauf man ihn durch ein Sieb mischt, eine Unze ganz frische, schau mig gerührte Butter dazu gethan und mit dieser Masse im Augenblick des Anrichtens die Suppe legirt. Man richtet die außerordentlich wohl schmeckende Suppe über den kleinen, rothen Quenelles an und streut zuletzt etwas blätterig gepflückten und blan chirten Kerbel hinein. ner läßt man in lauem Wasser auszie hen, daß sie völlig weiß werden, brüht sie ab und kocht sie in fetter Bouillon mit wenig Gewürz in etwa dreißig Minuten gar, um sie darauf erkalten zu lassen. Sie werde» nun in dicke Stücke geschnitten. Eine weiße Mehl schwitze verkocht man mit der entfette ten und durchgeseihten Kalbsmilch briihe, thut eine halbe Flasche Rhein wein, vier gehackte, gedünstete Cham pignons und einen Löffel Citronensaft dazu, kocht die Sauce sehr dick ein, fünf Eigelb und wenig süßer Sahne ab. Die Kcilbsmilchstiick« werden nun in die Sauce getaucht, auf eineSchüssel gelegt, die übrige Sauce darüber ge strichen, daß sie völlig eingehüllt sind, worauf man sie in Semmel, dann in niert, in heißem Fett ausbäckt und mit gebacken» Petersilie garnirt. L a m m v i e r t e l u In S.ilruoit)'. Man nimmt die Keule mit dem Nie renstück bis zu den Rippen, parirt das Bein um den Knochen, entfernt etwa überflüssiges Fett, klopft das Fleisch etwas und brät es im Ofen in einer guten Stunde in Butter unter fleißi gem Begießen gar. Indeß bereitet man aus Savoyerkohl kleine farcirte Kohl rollen, kocht Bauchspeck, der schon frü her angesetzt werden muß, weich, bohrt Karotte» rund aus, kocht sie in Fleisch brühe und glacirt sie mit Butter und Denßratensaft verdickt man mit brau ner Mehlschwitze, gibt eine große Mes serspitze Fleischextract. ein Glas Ma deira und einige zerschnittene Cham pignons daran und servirt diese Sauce Das Mittelstück eines Störs wird von mit Speckscheiben umwickelt und in halb Bouillon, halb leichtem Weißwein mit Petersilie, einem Lorbeerblatt und weich ist, worauf man den Speck ent fernt und das Fischstück bis zum Er kalten leicht preßt. Ist der Fisch kalt, kocht nun die Fischbrühe mit brauner Mehlschwitze sämig, streicht die Sauce durch, gießt sie auf den Stör, den man Fonn gefüllt ist. Man läßt den Pud» dann, füllt die Mitte mit steife» Früchte. Ein höflicher Stalle knecht. „Nun, wie geht es de» Pferden, Johann?" „Dankt, end Ih'«", Herr Vero?.?" 3
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