2 Vcrraty. Die Wasserlilie kichert leiS: „Ich muß euch ein Ding verrathen, Ich muß euch verrathen, was gestern Nachts Zwei junge Verliebte thaten. Die kamen mit Vetter- und Basen schaft Den Strom hinunter geglitten, Die saßen, weil Lauscher im Boot, ganz still, Mit auferbaulichen Sitten. Sie tauchte die Hand in's Wogenblau, Den klopfenden Puls zu kühlen, Er wollte zur selben Zeit einmal Nach der Wärme des Wassers fühlen. Verstohlen die beiden Hände, Und fliehen sich und fangen sich Es nimmt das Spiel kein Ende. Die Basen haben nichts gemerkt Von der glücklichen Liebesstunde, Ich aber hab' es wohl gesehn Tiefher aus dem lauschenden Grunde." Vergißmeinnicht. Uhland, Wunderbarer Schlüssel zu unserm Gedächtniß, Du kleines, blauesßlUm chen, welches dem Davongegangenen oder der Daheimgebliebenen zwischen den Blättern eines Tagebuches in die Augen fällt! Bei seiner Betrachtung steigen die Bilder der Vergangenheit empor; in anfangs trüben, dann deut licheren Umrissen das Bild jener Trennungsstunde, in der Ihr beide zum letzten Mal den so liebgewonne nen Spaziergang durch das Userge biisch machtet. Ihr sehet deutlich vor Euch die Wiese, die hängenden Weiden, hört die leise plätschernden Wellen des Baches, und jedes Wort, welches dort gesprochen wurde, belebt sich von neuem. Und wie Ihr Euch endlich gebückt und einige der blauen Blumen am Bache gepflückt, sie wortlos mit einander getheilt und Euch doch ver standen hattet, die kleine, blau« Blume war ja so beredt! Lange, lange ist das Blümchen ver welkt. Sein treues, blaues Auge be sitzt nicht mehr die bittende und mah nend« Kraft, vielleicht berührt Euch gar sein Anblick peinigend, und Ihr müßt das Auge niederschlagen. Aber seid gewiß, wenn Ihr sie auch schnell von Euch geworfen, Ihr werdet die blaue Blume in Ewigkeit nicht verges sen! Woher diese Bedeutsamkeit? Sie entstammt einer alten, oeutschen Volkssage. In ganz Deutschland und darüber hinaus tauchten an den ver schiedensten Orten Sagen von. einer blauen Wunderblume, welche niemand von Ansehen kannte, und die nur der Zufall oder eine freundliche Fee dem Menschen in die Hand geben konnte. Einem Jüngling wurde diese blau« Blume gegeben, und plötzlich sieht er einen Berg vor sich geöffnet, in wel chem Schätze ohne Zahl gehäuft liegen, bewacht von verzauberten Jungfrauen und Gnomen. Den Hut mit der Blume hat er neben sich gelegt, und er erhält die Erlaubniß, zu nehmen, was «r will. Schwerbeladen geht er nach dem Ausweg. Da tönt hinter ihm eine Stimme: „Vergiß das Beste nicht!" Er sieht sich um, greift noch nach einem blitzenden Edelstein, der Berg schlägt hinter ihm zusammen, And zu spät sieht er ein, daß er den noch das Beste vergessen, die blaue Blume, welche ihm immer und immer wieder den Zugang zu den unerschöpf lichen Schätzen hätte öffnen können. In der Auffassung, daß die Wunder blume selber es gewesen, welche gebe dahin ungenannte Blume entstanden zu sein. Bei der deutschen Farben symbolik, die stets den Begriff der Treue und Beständigkeit auf die blaue Farbe übertrug, war eine solche Auf fassung auch höchst naheliegend, und die sinnige Naturdichtung hat sich des halb jener sanftblauen, treuherzigen Blume der Wiesen zugewendet, die sich so leicht als Andenken aufheben und pressen läßt, ohne die Blüthen zu ver lieren. Trost. Sagt ein Mägdlein zu Dir: „Nein!" Sei nicht gleich in Noth, Schaue auf ihr Miitterlein, Denk: „So wird sie auch 'mal sein!" — Dann schießt Du Dich nicht todt. Ungalant. „Wer war denn die geschwätzige Dame, liebe Braut, die soeben von Dir ging?" „Eine Milchschwester von mir, lieber Felix." »50?... Ich hätte sie eher für eine Kaffeeschwester gehalten. Selbstbewußt. „Das treten wollen, füllt eigentlich einen Abend nicht aus!" Schauspieler: »Unbesorgt!... Die übrige Zeit wird applaudirt!" „. ..O, Frau Nachbarin, diese Män ner! Wie war der Meine früher lieb mit mir! Wenn ich damals 'was ha ben wollt', hat er immer gleich g'sagt: „Ja, Schnecherl!" Wenn ich aber jetzt 'was will, schreit er: „Ja, Schne cken!" Ein Zeitkind Herr: „Ach, mein Fräulein, ist das ein rei zendes Kind! Komm und laß dich streicheln!" Kind: „Aber mein Herr, seien Sie doch anständig!" Erhebe Dich nicht anders über Deine Mitmenschen, als gleich soweit, daß sie Dich nicht wieder ht» avzureißen vermögen. Der vergiftete Meil. Lieutenant Malcolm war erst 28 JahrMlt, aber im Westen hatte er sich beiieidenswerthe» Ruf er worben als ein Mann, der Umsicht und Ruhe mit großer Tapferisit verband. Die Indianer fürchteten ihn nicht blos, sondern sie achteten ihn auch wegen seiner die ihm die Feindschaft von mehr als einem be trügerischen Jndiane:age»icn, dessen Lieferungen er als uiiiiderwerthig oder ungenügend zurückgewiesen, ->inqcbracht hatte. Aeußerlich war Lieutenant Mal colm loder wie ihn die Indianer nann ten: „Klr-üiM Uc-ui't") groß, mager, starkknochig und mit röihl'chem was allein schon seine schottische Ab kunft bezeugte. Mit einem Wort, er war durchaus lein Adonis, und als es Maggie Pingree, der gefeierten und sehr hübschen Tochter des Majors und Commandanten des Fons, verlobt kiabe und nächstens die Hochzeit statt- Denn Malcolm war nicht allein läß lich mit seinem sommersprossigen, sehr rothen Gesicht, sondern er war auch bis vor Kurzem die einzige Stütze seiner Mutter und seiner Schwester gewesen. Letztere war nun aber verheirathet und die Mutter todt, sodaß Malcolm an's Heirathen denken konnte. Das Verhältniß zwischen ihm und Maggie hatte übrigens, ohne daß es bekannt geworden war, schon einige Jahre gedauert; zur Zeit als dasMäd chen bei Verwandten ihres Vaters in Washington auf Besuch und der Lieu tenant in der Bundeshauptstadt noch auf Commando war, hatte die erste Annäherung stattgefunden. Und als dann Malcolm nach Fort Holborn, New Mexico, zur Dienstleistung ge sandt worden war, da hatte er die Ge liebte wieder gefunden. Zuerst mochte ihn der alte Major nicht leiden, seines trocknen Humors wegen, aber nachdem er den tüchtigen Kern in dem jungen Mann erkannt, da begünstigte er des sen Bewerbung um die Hand der Toc hter. Und wäre nicht die langwierige und gefährliche Erkrankung Maggie's, die sie an den Rand des Grabes brach te, dazugekommen, so wären die Zwei wohl schon vor 6 Monaten ein Paar geworden. Jetzt indeß waren alle Hin dernisse aus dem Wege geräumt und übermorgen sollten sie von dem Ar meekaplan, dem alten, weißhaarigen Dr. Lester, getraut werden, denn des sen Anwesenheit in Fort Holborn muh te benutzt werden —es konnten sonst Jahre vergehen, ehe die Gelegenheit wiederkehrte. So standen die Dinge am 27. Au gust. 1895. „Was soll ich thun, Saxe? Um Gottes Willen, so svrechen Sie doch! Manners ist krank, Rowley und Brit ton beurlaubt, Proctor zu unerfahren und ungeschickt, Sie selbst zu schwach noch. Wen zum Teufel soll ich hin schicken, wenn ich nichtMalcolm schicke? Ich selbst ja, wenn ich nicht so Hitz verderben. „Hm, hm —eine ganz versl — Geschichte." Lieutenant Saxe sagte gar nichts, Gotteswillen!" „Herr Major, es ist da nichts zu sa gen außer Sie schicken mich hin!" Während dessen schritt der alte ein reitender Eilbote von der Reserva tion angelangt, der berichtet hatte, daß die Apaches aufgeregt und einem Aus descontractor bei der letzten Lieferung von Fleisch und sonstigen Vorräthen betrogen worden waren. Eine sofortige Beschwichtigung der aufsätzigen India ner war nöthig, wenn man einen blu tigen Aufstand nicht gewärtigen woll te. Und das Schlimme an der Sache war eben, daß Niemand im Fort zur Hand war, außer dem künftigen Schwiegersohn des alten Majors, dem die wichtige Mission anvertraut wer den konnte. Es schien grausam, densel ben am Vorabend seiner Hochzeit aus ein derartiges Unternehmen auszusen den, ein Unternehmen, das immerhin Gefahr für das Leben des Unterhänd lers in sich trug, denn der tückische, jähzornige Character der Apaches war bekannt, und obwohl Lieutenant Mal colm bei ihnen angesehen und beliebt Lieutenant Malcolm trat indeß ein, als sei er aus Erz gegossen, ruhig und gefaßt. Nachdem ihm der alte Major in bei nahe traurigem Tone die besonderen Umstände mitgetheilt hatte, die ihn den, neigte Malcolm nur stumm sein Haupt und sagte: „Gut wann soll ich gehen und wen soll ich mitnehmen?" Preußen das ist ein tüchtiger Kerl, und Corpora! Higgins. Sie können, Mt Und der alte Major drehte sich um und wischte sich mit der flachen Hand eine Thräne aus den Augen. Der Abschied von Maggie war kurz aber schmerzlich. Lieutenant Malcolm bemühte sich, einen scherzhasten Ton anzuschlage», aber es gelang ihm nur schlecht. Und wenige Minuten später war er im Sattel und ritt durch die glühende, staubige Ebene, nach der Re- Dort ging Alles schneller und besser ab. als man angenommen. Natürlich ohne die langen Reden und nachdenk lichen Berathungen ging es nicht ab, die dein Indianer einmal zur zweiten Natur geworden sind. Aber die „Burks" und „Brakes" kannten den Lieutenant und hatten Zutrauen zu ihm, und als er sich dafür verbürgte, daß ihnen Ge rechtigkeit widerfahren solle, da glaub te» sie ihm und besiegelten am Schlüs se der mehrstündigen Berathung den frieden mit verschiedenen Hände drücken. So schritt denn der Of ficier am Schlüsse befriedigt aus dem Zelt nach seinen Leuten hin. Draußen aber vor dem Zelt hatte Wa - no - mo, die schöne Tochter des obersten Häuptlings Ma-sa-wi , auf das Wiedererscheinen des weihen Un terhändlers gelauert. Schon lange war sie sür ihn in Liebe entbrannt, aber der junge Osficier hatte ihr Entgegen komme» bisher stets mit Kälte zurück gewiesen. Nun hörte sie auf einmal — durch die JndiAcretio» der zwei Un terofficiere war es ruchbar geworden — daß Lieutenant Malcolm am nächsten Tage mit der Tochter des alten Ma jors, der schönen Maggie Pingree, Hochzeit feiern solle. Und wilde, ver zehrende Eifersucht hatte sich ihrer be mächtigt. Wie eine Schlange, geräuschlos und geschmeidig, schlich sie hinter dem Manne, der ihre Liebe verschmäht, durch das hohe Gras. Ein zischendes Geräusch, und ein Etwas slog durch die beiße Luft und blieb im Arm des rasch dahineilenden Officiers sitze». Er wandte sich um—kein Feind war zu sehen. Er zog den Pfeil heraus aus Nur einige wenige Blutstropfen sickerten aus derselben und fielen auf die Erde. Lieutenant Malcolm aber hielt den Pfeil in's Sonnenlicht und untersuchte genau die Spitze. Er ent deckte eine dunkle Flüssigkeit an der selben, die jetzt rasch eine andere Fär bung annahm. „Vergiftet," murmelte er mit zucken der Lippe. Er sann nach. Der Coniractor war nicht auf der Reservation. Er hatte Schutz im Fort gesucht. Kein Arzt, keine Medicin, kein Gegengift näher als im Fort. Lieutenant Malcolm wußte genug über die schnellwirkenden, absolut tödt lichen Pfeilgifte der Indianer, um zu wissen, daß er wahrscheinlich durch kein der Wissenschaft bekanntes Mittel sich retten könne. Dennoch bewahrte er fei ne eherne Ruhe. Er betrat sein Zelt, wo die beiden Unterofsiciere, seine Be gleiter, schon auf ihn warteten, als ob nichts vorgefallen sei. Dann trank er seine Feldflasche voll Whiskey völlig leer. Vielleicht Hals's jedenfalls würde es ihm die Reise in's Jenseits erleichtern. und fort ging's zurück nach dem Fort. Nach Mitternacht langten sie dort an. Lieutenant Malcolm lebte noch, ihn vom Rosse hob, aber feine dem Lager ihres Bräutigams, dessen glanzlose Augen das Licht nicht mehr sahen. Tic Heimlich. Was ist die Hnmath? Ist's die Scholle, Das Licht der Welt zuerst geschaut? Nicht ist's die Heimath, heißgeliebt. Du wirst nur da die Heimath finden, Wo's gleichgestimmte Herzen gibt! Die Mutter sang dein Wiegenlied. Gern gewährt. Frau: Ach Emil, wie wunderbar schön, wie ro manlisch! Hier möcht' ich ewig sipen bleiben. Mann: Bitte, laß' Tich durch mich nicht störe»! Adie»! Tanlkiid abgelehnt. Haus ira» lium Besuchende»!: Herr Hubcr, Student: Gehst Tu mit? Zweiter Student: Wohin? Erster Student: In die Kneipe. .'.weiter Snident: Naiv. „Aber Heinerl, ich glaube gar. Du haust Dein kleines Brüderchen?" „Wen sotl ich tcnn sonst haue»? Die Kleine Grasmücke. Von Albert Clin. Arme kleine Grasmücke! In dem schattigen Garten eines Kl osters der Rue de Picpus sah ich sie zum ersten Male. Sie war IS Jahre alt und seit dem sechsten Jahre befand sie sich hier. Ihre „Ausgänge" bestanden im Winter darin, daß sie sich in dem Spielsaale oder in dem Zimmer irgend einer mitleidigen Nonse aufhielt: im Schatte» einer jener kleinen Holzca pellen saß, wie man sie in fast allen Mädchenpensionaten für vornehme junge Damen findet. Von Zeit zu Zeit wurde sie indeß ins Sprechzimmer gerufen und zwar stets am Freitag. Ihr Vater wünschte sie zu sprechen, ein Mann mit bereits grauen Haaren von etwa 60 Jahren, auf dessen elegante Haltung und vor nehme Erscheinung sie stolz war. Er küßte sie, erkundigte sich nach ihrer Ge sundheit, ihren Spiele» und ihren St udien; zog aus seiner Tasche irgend ei ne Leckerei, eine Düte mit Chocola den - Bonbons und eingemachten Früchten und verschwand schleunigst wieder. Er hatte es immer so eilig, der arme Papa! Einmal im Jahr, ein einziges Mal, und auch das nicht immer, gewöhnlich gegen Ende August oder Anfang Sep tember, holte sie der Papa oder einDie ner ab und führte sie entweder in ein Theater oder brachte sie gar in eine am Meere gelegene hübsche Villa. Nur hier sah sie ihre Mutter, eine große, schöne Frau mit blitzenden Au gen, frischem Teint, vollem, üppigem Gesicht und gleichzeitig imposanter und doch nachlässiger Haltung. Dann kehrte die kleine Grasmücke wieder nach 14 Tagen in ihren Käsig Trotz dieser Lieblosigkeit oderGleich giltiqkeit war aber die Kleine durchaus nicht traurig und machte keineswegs den Eindruck eines Opfers. Im Gegen theil. gerade wegen ihrer guten Laune, ihres lustigen Geschwätzes und ihrer Lebhaftigkeit hatten sie ihre Mitschü lerinnen ihres Familiennamens An dree Vaucamp beraubt und sie „die kleine Grasmücke" getauft. An einem Aprilabend die Kleine ging gerade ins siebzehnte Jahr —ließ sie die Oberin, Madame de Saint- Aldone in ihr Zimmer rufen. Hier fand sie die Kammerfrau ihrer Mutter, Claudine, tiefschwarz gekleidet, und man theilte ihr mit der üblichen Sch onung mit, daß ihr Vater plötzlich am Herzschlage verstorben wäre. Das war der erste Kummer, den Andree erlebte und obwohl sie fast garnicht im Familienkreise gelebt hat te, so empfand sie diesen Verlust doch auf das Heftigste und vergoß bittere Thränen. Am Tage nach dem Vegräb niß kehrte die Kleine wieder in das Kloster zurück. Sie hatte sich draußen ganz vereinsamt gefühlt, und hatte trotz ihres Kummers Eile, ihren Platz bei ihren Kameradinnen unter dem Schutze der guten Schwestern wieder einzunehmen. Doch ihr Aufenthalt in diesem frommen Orte sollte nicht lange dau ern: denn etwa 3 Wochen nach dem Tode ihres Gatten erschien Madame Vaucamp im Sprechzimmer der An stalt es war das erste Mal, und theilte ihrer Tochter mit, daß sie sie aus der Pension nehmen und von nun an bei sich behalten würde. Madame Vaucamp war sehr ver ändert. Hatte der Verlust, den sie er litten, sie tief betroffen, hatte sie die Trauer benutzt, um gewisse Hilfsmit tel der Toilette fallen zu lassen, kurz um, sie besaß nicht mehr den blenden de» Teint und die rabenschwarzen Haare, die Andree stets an ihr bewun dert hatte. Sie waren plötzlich ganz grau, ja fast sogar weiß geworden, und auf der Stirn hatten sich zahlreiche, noch ganz seincßunzeln gebildet. Trotz hobeitgebietende Erscheinung sich auch jetzt noch bewahrt. Selbst die Silber färbung ihres Haarschmucks, das wie großes Vermögen hinterlasse», dessen weitaus größten Theil er seinerWitt we vermacht hatte; höchstens ZO.OtXZ Francs fielen Andree von Seiten ih- Madame Vaucamp, die noch 30,(XX> Hausstand nur ganz unbedeutend. Der Kutscher wurde verabschiedet, doch man nahm ein Miethcoupee und behielt die große Wohnung in der Avenue de Vil liers mit den drei Dienstboten, der K öchin, der Kammerfrau und dem Kam merdiener. Doch das Leben der Madame Noemi Vaucamp, das bis dahin in Vergnü gungen und Gesellschaften ausgegangen war, hatte sich bedeutend verändert. Bälle, Festlichkeiten, große Diners ihrer Jahre in Betracht gezogen und sich ganz leise eingestanden, daß sie schon 43 zählte; dann hatte sie den erhabenen Muth gehabt, sich ohne Schminke und Puder in dem Spiegel zu fthen und sich zu sagen, daß es Zeit wäre, in den Hafen einzufahren und die Segel zu streichen! Die „kleine Grasmücke", die von dem Kloster in die große Wohnung der Avenue de Villiers verpflanzt wor den, hatte keine andere Beschäftigung, als ihrer Mutter Gesellschaft zu leisten und nähere Bekanntschaft mit dieser stolzen Dame zu machen, die sie „Töch terchen" nannte, und die von ihr „Mama" titulirt wurde und mit der sie bis dahin leine fünf Minuten allein zugebracht hatte. Mit ihrer angebore nen Sanftm?»th und Liebenswürdig keit bemühte sie sich instinktiv, ihr zu gefallen und ihre Zuneigung zu ge winnen. Die beiden Frauen gingen wenig aus. Ihre Besuche beschränkten sich aus einige Bekannte, zu denen auch Herr Pages, ein reicher Bauunterneh mer gehörte, der in der Nähe der M adame Vaucamp wohnte und Andrees Vormund war. Er war mit einer kranken Frau ver heirathet, die seit Jahren ihr Bett nur verließ, um sich auf ihrem Balcon auf ihrer Chaiselongue auszustrecken, und hatte, während er das Schicksal dieser Unglücklichen nach Möglichkeit zu mil dern suchte, ausschließlich in der Arbeit Trost und Zerstreuung gefunden. Sein Bureau, seine Geschäfte waren sein L eben. Erst nach langen Jahren war er zu Ansehen und Vermögen gelangt. Er erinnerte sich seines Ursprungs, hatte seine einfachen Manieren, seine Ver traulichkeiten seinen Arbeitern gegen über bewahrt und duzte dieselben aus nahmslos; aber er hatte sich auch sein gutes Herz erhalten und war stets be reit, zu helfen und zu lindern; denn er wußte, wie schwer es ist, selbst seinen Weg zu finden ui»d wie wohl ein wenig Hilfe thut. Commis, einen jungen Mann von 25 lahren, eine große Zuneigung gefaßt, der von einem unbekannten Wohlthä ter in die Anstalt von Saint - Nikolas gebracht worden, wo er eine elementa re. aber praktische Erziehung genossen hatte. Durch seinen Fleiß, seinen Eifer, seine Kenntnisse, namentlich aber durch die Regelmäßigkeit seines Lebens und sein tadelloses Betragen rechtfertigte Antonin Lefuel vollkommen das In teresse, das ihm sein Chef entgegen brachte. Aber er war auch ehrgeizig, und zwar so ehrgeizig, daß ihn Skrupel nie besonders störten; das hatte er sich Ein hübscher Mensch von mittlerer Größe mit blauen, stets lächelnden, schmeichlerischen Augen, einem präch tigen, schwarzen Schnurrbart, auf den er sehr stolz war und den er mit großer Sorgfalt Pflegte, war er ganz dazu geschossen, sich die Sympathien des weiblichen Geschlechts zu erwer ben. Madame Vaucamp und ihre Toch ter hatten bei ihren Besuchen beiMa dame Pages den Schützling des Bau unternehmers mehr als einmal getrof fen. Diese Besuche wurden, als die Trauer der beiden Frauen zu Ende ging, immer häufiger, und es kam ein Tag, da Madame Vaucamp Herrn Lefuel einlud, sie zu besuchen. Tief gerührt von dieser Gunst, die er als eine hohe Ehre betrachtete, zer floß der junge Mann in Dankesbezeu gungen und ermangelte nicht, der Ein ladung zu folgen. Das Verhalten der Madame Vau camp war bei dieser Gelegenheit den Oft hatten sich Mutter und Toch tend, taktvoll und geistreich er war!" Die kleine Grasmücke fand an ihm alle erdenklichen Eigenschaften und die Mama beeiferte sich, ihre Meinung zu bestätigen, indem sie sagte: „Oh, gewiß! er ist ein vortrefflicher junger Mann!" » 5 » Diese Neigung, die Andree für An tonin Lefuel empfand, wurde vollauf genblick; gewisse Händedrücke, be stimmte Blicke der Freude und Dank barkeit hatten es ihr unwiderleglich be wiesen. Nach und nach wurde diese leichte Schwärmerei ernsthafter. Andree über raschte sich, wie sie die Tage zählte, die sie zubrachte, ohne „ihn" zu sehen, wie sie auf sein Erscheinen lauerte und ihn mit fieberhafter Ungeduld ganz leise zu sich rief. Sie beschäftigte sich nur noch mit ihm, sah nur ihn und lebte nur für ihn. Antonin hielt sich jetzt nicht mehr an die kurzen, einmal in der Woche zuläs sig«: Pflichtbesuche. Manchmal, und gegangen war, da ihre Mutter sie zu ° irgend einer Pensionsfreundin geschickt hatte, fand ihn die Kleine bei ihrer Rückkehr in dem kleinen Salon, der ' Vaucamp als Boudoir dien „Weißt Du schon, Töchterchen? Ich muß Dir eine N.'uigkeit mittheilen; ich verheirathe mich wieder." errn Ant n'n - „Mit Herrn ..." Die kleine Grasmücke blieb mit weit aufgerissenen Augen wie vom Donner gerührt sitzen. „Ich weiß schon, was man sagen wird," fuhr Madame Vaucamp, die das Bedürfniß empfand, ihre Thorheit zu erklären und zu entschuldigen, mit zögernder Stimme fort. „Ja, ich er rathe es wohl! Er ist zu jung! Aber wegen der zwei bis drei Jahre, die ich älter bin! ... . Uebrigens geht das wahr, mein Herzchen? Ich habe doch Keinem Rechenschaft abzulegen! . . . . Und dann ist er auch so gesetzt, so ernst .... vi»i ernster als ich! Man sieht ernsten Miene.. ." Ja, sie war wirklich sehr wenig ernst, die unverbesserliche Cocette; die Ge rechtigkeit mußte man ih: widerfahre» lassen. Doch was sie nicht erzählte, was sie selbst nicht wußte, das war der U mstand, daß der schöne Antonin seine Blicke erst dann auf sie geworfen hatte, nachdem er sich klugerweise nach der ge weiter schwatzen können, die kleine Grasmücke hörte nichts, sie blieb sprachlos, ohne zu denken, ohne sich zu rühre», auf ihrem Stuhle sitzen. Trotz der energischen Mißbilligung des Herrn Pages und des spöttischen Lächelns der.„guten Freundinnen" fand die Hochzeit statt. Doch eine Person fehlte bei der Ceremonie; sie war an demselben Morgen verschwunden und erst nach fünf Tagen fand man ihren Leichnam unter einemßriickenpfeiler des Quai von Grenelle. Arme kleine Grasmücke! Sein Stellvertreter. Bon Max Hirschelo. Es fand ein Liederabend des de rühmten Tenoristen Hochzeh statt. Unter dem athemlos lauschenden Pu blikum befand sich auch Laura. Ihre schwarzen Augen hingen wie gebannt an der schlanken Gestalt des göttlichen Sängers, ihre Ohren gewissermaßen an seinen Lippen. Auf ihrem Schooß hielt sie einen Handschuhkasten, in wel chem noch drei Paar neue Handschuhe lagen. Ursprünglich war es ein vol les halbes Dutzend gewesen, aber wäh rend der Vorträge hatte sie bereits zwei Paare zerklatscht und als total un brauchbar fortgeworfen. Das dritte Paar hatte sie auf den Händen, es sollte bald den beiden ersten folgen. Neben Laura saß Waldemar, ein schüchterner, junger Mann, der sie an betete. Sie hatte ihn niemals erhört, sie wollte nichts von ihm wissen. In der Nähe des Tenoristen erschien er ihr geradezu als ein« klägliche Figur. Er konnte nicht singen, das war barba risch, er war unmusikalisch, das fand sie im höchsten Grade verächtlich. Und doch, gerade heute sollte Walde mar einen Äugenblick höchster Selig keit erleben. Der Tenorist hatte so eben eine Glanznummer beendigt. Laura klatschte in überwallender Be geisterung das dritte Handschuhpaar zu nichte, es siel in kleine Fetzen zerris sen zu ihren Füßen. Ein neues Paar anzuziehen, dazu fehlte es an Zeit, aber wohin mit dem Ueberschwang des Enthusiasmus. Sie wandte sich nach der linken Seite, an welcher eine ihr unbekannte alte Dame saß. Aber die alte Dame schüttelte sie ab. und doch war noch ein Rest von Begeisterung vorhanden. Laura wandte sich nach rechts und umarmte Waldemar, der sie entzückt an sein Herz drückte und „Mein, mein!" stammelte. Da war aber gerade Lauras Begeisterung zu Ende, und sie stieß den Anbeter mit dem Ausruf: „Abscheulicher!" zu rück. Sie wurde ruhig und zog das vierte Handschuhpaar an. Er sang die Schlußnummer. Unter „Er" versieben wir immer den Tenori sten Hochzeh, nicht Waldemar. Er war zu Ende. Man überschüttete ihn mit Blumen. Laura hatte keine Blu men bei sich, eine Vergeßlichkeit, für welche Waldemar ein böser Blick aus den dunklen Augen traf. Sie warf ein Zehnmarkstück auf das Podium. Soviel hätte sie für ein Blumenbou quet ausgegeben, wenn sie daran ge dacht hätte. Und nun hinaus, hinaus an das Pförtchen, aus welchem der begnadete Künstler heraustreten mußte. Hun derte weiblicher Enthusiastinnen war teten darauf, den» sie wollten ihm die Pferde ausspannen. Sein Diener er schien. Man umringte ihn, man fragte ihn aus. Der Herr werde in einer Droschke nach Hause fahren. Es stand eine ganze Reihe von Droschken auf der Straße. Im Nu hatte man sämmt lichen Droschken die Pferde ausge spannt. Laura hatte das Glück, die Droschke ziehen zu helfen, welche der Tenorist erwählt hatte. Es war der Zug ihres Herzens. Er bewohnte drei Zimmer im Hotel. Das erste war das Schlafzimmer, das zweite das Audienzzimmer, das dritte den die Verehrerinnen Hochzehs und nahmen die Nummern in Empfang, welche der Diener unter sie vertheilte. Mechanisch reichte er Laura eine Scheere hin. Sie schnitt noch zwei Wartezimmer übrig. Die Größe des Augenblicks machte Laura stumm. Nur durch eine Art nach und versteckte sich'hinter der Por tiere. Wenigstens wollte sie den An blick des geliebten Künstlers noch eine küssen " „Alles!" sagte er aus'Z Geradewohl. s'tzer. Gründlich geheilt. „Weshalb sind Sie eigentlich Nicht raucher? Halten Sie das Rauchen für schädlich?" .Ja." ? schichte erzählen! Ich bekleidete auf einem größeren Comptoir eine sehr ein trägliche Stelle. Natürlich war dort auch das Rauchen verboten. —" „Ah, verstehe, Sie verscherzten sich durch Ihre Leidenschaft Ihre Stel lung?" „Lassen Sie mich auserzählen. Da war eines Tages auf dein ziemlich dunklen Flur die Tochter unseres Ehess geküßt worden." „Ah!" „Der Thäter verschwand in die Bureaux. Der Chef und sein Com dazu, Ihre Unschuld —" „Lassen Sie mich auserzählen. Der Thäter war nicht zu ermitteln. Außer mir waren Alle ans's Tiefste entrüstet, und mich bracht« selbst dieser Lärm nicht aus die Beine. Da hieß es plötz lich: „Feuer! Feuer!" Erschreckt lief blitzschnell erwacht und bemerke zu mei nem Entsetzen, daß mein Papierkorb brannte. Ter Eonipagno» meines Ehess ergriff ihn und stopste schnell mit großer Geistesgegenwart seineil Mantel hinein. Das Heuer, das kaum begonnen hatte, erstickte und als nach einiger Zeit der Mantel entfernt worden, schüttete man das angekohlte Papier aus de» Fußboden, um die Ur sache des Feuers zu ermitteln. Und wissen Sie, was man entdeckte?" „Nun?" „Meine noch brennende, frisch ange rauchte Cigarre." „Ah! Sie hatten nicht geschlafen, Sie hatten geraucht, der Schlaf sollte nur sozusagen Ihr geistiges Alibi dar „So ist es." „Sie selbst hatten das junge Mäd chen geküßt?" „So ist es." „Nun? Und Sie wurden aus der Stelle entlassen?" „Leider, nein." „Leider? Na. das versteh' ich nicht." „Ich mußte die Tochter meines vhefs heirathe». Seitdem bin ich Nicht raucher geworden." Selbstbewußt. ~... Fräu lein Hedwig, ich liebe Sie! Lieben Sie mich ebenfalls?" „Ja, ich liebe Sie, Herr Lieutenant!" „Hedwig, das ist der schönste Tag Ihres Le bens!" Beim Wort genommen. Sk <seuszend>: „Ach Gott, ich bin so genäht." Er: „Na, daseist keine Arbeit. Ich kaiinte einen Herr», der sagte immer, das Nähen sei sür die Franc», was das Pfeife,, für die Männer." Sie: „Na. dann nimm mal hier Hänschens Hofen und drei Flicken darauf." Verunglücktes oin p: i» m ent. Fräulein: „Herr Meier, wie haben Sie mich denn so schnell er. kannt?" Herr: „Ach, mein Fräulein. Sie sehen ja Ihrer Frau Mama schauderhast ähnlich." Unberechtigter Vorwurf! Psarrer: Schämt Ihr Euch nicht. ,o verwahrlost herumzulaufen, das Hemd sieht Euch ja überall hervor? Bettler, Unmöglich. Herr Psarvr. ich habe i», xar keins an!
Significant historical Pennsylvania newspapers