Revanche! <2. Fortsetzung). „Der unselige Krieg!" jammerte Frau Wahl ihr stehender Resrain. „Ich höre, Ihr Papa ist in Paris ein geschlossen und Sie sind ohne Nach sicht von den Ihrigen? Wie schrecklich!" „Die Brieftauben, die mir die Nach richt bringen sollten, dürsten wohl von lden Preußen erlegt und als Briten verzehrt worden sein," scherzte Viktor. Doch unter dem Scherz vibrirte die Enttäuschung, ihm die Unbefangen heit raubend. Der verwundete deutsche Offizier, für den Gertrud die guten Bissen aussuchte, stand ihm von da an überall im Wege. Er hätte viel darum gegeben, wenn er sofort gewußt hätte, wie dieser Zeuner aussah. Und wäh rend seine Lippen mechanisch an der Unterhaltung theilnahmen, grübelten die Gedanken über den Abwesenden. Die alte Dame ist früher sehr hübsch gewesen folglich kann ihr Sohn auch nicht häßlich sein. Er ist Reserve offizier, folglich auch nicht über die Jahre hinaus, wo ein junges Wesen sich in ihn verlieben könnte. Nun be lauerte er Getruds Hantirungen, wie sie das Dessert für den Kranken aus wählte. Er fand diese Sorgfalt zum mindesten übertrieben und er war froh, daß die Tafel aufgehoben wurde, und er nicht mehr Zeuge dieser lächerlichen Hätschelei zu sein brauchte dieses stummen Bekenntnisses, das Gertruds Was ist denn das? Doch nicht etwa Eifersucht? Er kam sich sehr kleinlich vor, doch gelang es ihm nur mühsam, darüber obzusiegen. Nicht allein klein lich sogar ein Gefühl der Klein heit bedrückte ihn. Jener hat für sein Vaterland in der heißen Schlacht ge fochten, er hat sein Blut, fast sein Le hen dafür geopfert er ist ein Held! Er hat als Märtyrer feiner Nationa lität Paris und damit seine Existenz aufgeben müssen. Er ist wohl die Was ist er, Jaminet, dagegen? Er hat Er hat sich mit der großen Herde in ein Gefangenlager einsperren lassen, und schließlich Hai er die Heldenthat begangen, zu desertiren Fünftes Kapitel. Die Genesung des Verwundeten draußen der Reif die Gartenbeete und die Rasenplätze des Parkes mit schneei ger Kruste überhauchte und man durch die Glasscheiben den Rhein in schmu tzig-grauer Winterfarbe daherschnellen sah. Die stolzen exotischen Gewächse schienen sich zu recken und zu dehnen unter der seltenen Sonnengnade und ihre breitgezackten Blattslächen wett eiferten im Glanz ihres satten und prächtigen Grün. Gertrud hatte zur Feier dieses neuen Stadiums der Auserstehung einen Eh rensitz zu den Füße» der Canova'schen Hebe hergerichtet, einen Sessel mit der ihr vertrauten Kissenlage, wie der Kranke sie bedurfte, von Blumen um standen und von dem natürlichen Bal dachin einer prächtigen Chamerops be schirmt. Und sie hatte sich vorgenom men, heute ganz besonders lieb und zu ten zu sein. Als wenn «ine Schuld sie seit gestern belastete! Ah, sie ist doch recht thöricht! Nichts natürlicher, als daß sie gegen den einen wie gegen den andern Gast des Hauses die gleich freundliche Miene zeigt. Ob Franzose oder Preuße was für jenen die Rücksicht des Ge schäftes und der Höflichkeit verlangt, beansprucht hier das Mitleid.... Freiwillige des Rothen Kreuzes in's Haus gebracht worden war, une leise schwankende, in ihrer Last girrende Bahre, auf der etwas Stilles, Unbe wegliches mit Tüchern bedeckt lag. Sie schauerte, als brächte man einen Tod ten. Unendlich behutsam wurde die schweigende Last in das vorbereitete Krankenzimmer gelchasst. Am zweiten Tage machte die unheimliche Stille ei nem leisen Gestöhne Platz; der Kranke war schlimmer geworden und lag im hohen Fi-ber, die Aerzte riethen drin gend, daß man die Mutter schleunigst herbeirufe. Wochenlang schwebte er am Todesrand, bis endlich eine plötzliche Wendung den Alp von ihnen allen löste. Dan« kam der Tag. wo sie, aller Zimperlichkeit trotzend, die Diakonissin, die von ihrem Mutterhause zurückge zogen ward, ablöste, um im Verein mit Frau Zeuner die Pflege zu überneh men. Sie würde nie den Eindruck ver gessen, den der erste Anblick des blaffen, vom langwuchernden blonden Bart umrahmten, in seiner stummen Lei densmiene fast an einen gewissen Chri stustypus gemahnenden Antlitzes auf sie gemacht. Sein« Lider hoben sich langsam, und als er sie nun neben sei nem Bette gewahrte, schien ein leises Lächeln von den g»oßen, durch das lang« Leiden noch geweiteten stahl blauen Augen auszustrahlen, «in Lä chkln, das den bebenden Lippen noch nicht recht gelingen wollte. Seine hage -r« Hand bewegte sich langsam, über die Se'dendecke tastend, und jetzt l«gte sich «on selbst die ihr« in deren Höhlung. ES war sein Dank für khre Sorge, die er während seiner schwersten Leidens zeit gleich Engelsfittichen über seinein Haupte verspürt hatte; es war wie ein gemeinsames Gelöbniß, daß sie beide gut« Kameradschaft halten wollten. Und sie blieben gute Kameraden. Sein braves Mlltterlein konnte fast eifersüchtig werden, wie wohlig ihm Gertruds Pflege b«hagte. Und diese führte die Rolle der barmherzigen Schwester mit einem Eif?r durch, der fast wie Schwärmerei aussah. Mit ei ner seltsamen Verwirrung gedachte sie des Tages, da er aufstehen, sich wie andere Menschen regen und bewegen und gar das Haus verlassen würde, um nicht wiederzukehren.... Frage jedesmal mit einem gelinden Schreck zurück. Gewisse sentimentale Geschichten, in denen ein Verwundeter tische Produkt des Mitleids und der Verehrung für den heldenhaften Mann sei? Welche U-berraschung, als sre ihn zum erstenmal wirklich aufrecht sah! Sie hatte sich seine Gestalt nicht so machtvoll hoch vorgestellt, obgleich der Jetzt fuhr sie aus der Lektüre des noren Organes und den freundlichen Klang, mit dem sich Frau Zeuners Rede in die Hirzen schmeichelte. Sie erhob sich und eilte den Ankommenden entgegen. Fast wie «in Jubelruf schallte ihm ihr' Gruß entgegen: „Will kommen im Grünen! Willkommen!" Er nickte freundlich, wie ein Kame rad dem andern zunickt. Dann ließ er es gern geschehen, daß sie ihm den ei nen Arm aus der Krücke löste und er sich nun ihres Armes und ihrer Schul ter als Stütze bedienen sollte. „Nur recht tüchtig aufstützen, Herr Lieutenant!" rief sie und sie reckte sich empor die Hilfe sollte doch nicht nur eine Höflichkeit bedeuten. Als sie so durch die Flügelthür« in den Glasraum traten, klirrte an dem Erkervorbau des Hauses, von dem aus man das Innere des Wintergartens übersehen konnte, Fenster. Es war das Fenster des Franzosen, der sich so spät aus der lang entbehrten Rast er hoben zu haben schien. Gertruds flüch tiger Blick glitt dorthin und sie sah ei nen dunklen Kopf zurückhuschen. Sie wußte nicht recht, warum sie sich freute, daß jener die kameradschaftliche Ver traulichkeit beobachtet. Als wenn der Zufall sie vor einer Unseligkeit schützen wollte, die ihr Herz zu bedrohen schien. Viktor beobachtete von seinem Fen ster aus. Immer wieder zog es ihn von seiner Toilette nach dem Vorhang, hin ter dem er dann stand und lauerte, gie rigen Auges, mit klopfenden Pulsen. Ja, ein hänselnder Zufall mußte ihn die Jalousie öffnen heißen, da ge rade Gertrud mit dem Preußen in die Thür des Gewächshauses trat. Er war vor Ueberraschung zurückgeprallt ah, fürwahr bravo! bravo! ein fa moses Bild! Herrlich zum Malen! Wie die Sonne durch das üppige Ge wirr des Blätterwerkes brach und die beiden Gestalten mit ihrem Golde über goß! Ei wie zutraulich! Welch tauben haste Herzlichkeit! Wie sie jeden seiner Schritte hütet! Wie es sich so wohlig auf die Rundung ihrer Schulter stützt! Welch willkommene Kupplerin ist doch solche Krankheit! Wie fröhlich sie jetzt zusammen plaudern! Welch ein lieb liches Spiel von Blicken, Mienen und Worten sie scheinen ja beide Virtuo sen im Flirt! Jetzt vernahm Viktor deutlich Ger truds Lachen, wüthend, mit einem zornigen Klirren, schloß er das Fen ster. Doch der Dämon der Eifersucht dul dete nicht, daß er sich mit einem Achsel zucken abwandte. Steht es so? Hat man sich so ernstlich in das deutsche Gretchen verliebt? Wo bleibt denn das Vater mit dem Stuhl heran an seinen Sessel! Ach, das Vorlesen der Zeitung da ist doch nur ein lächerlicher Vorwand! reizende Gruppe abermals zum Malen! Das lass' ich mir gefallen, mein Herr Prussien, sich von solchen Sammethändchen füttern und pflegen und hätscheln zu lassen! zum Teufel, das ist ja nicht mehr zum An sehen! Ein knabenhafter Trotz packte ihn. Das allerliebste Spielzeug gehört mir! Ich will und muß es haben! Ich lasse es mir nicht entreißen, am allerwenig sten von einem Preußen! Soll bat Preußengelichter abermals siegen? Wohlan, wir wollen sehen! Ich nehme den Kampf auf! Gleich sagte er sich, haß er ein leich tes Spiel hätte: wllnscht doch der alte Wahl nichts sehnlicher als diese Ver bindung. Und die and«rn thun ja nur, was dieser Tyrann dekretirt. Was ist der Preuße denn? Und was bedeutet dagegen er, Jaminet? Plötzlich wandelte sich ihm der jah relange Scherz, den man mit dem zu künftigen Paar getrieben, in einen Vertrag, auf dessen Erfüllung er pachte. Sie gehört mir kinem andern! Ich liebe sie und sie wird mich lie ben! Ich werde Gewalt anwenden! Und mein- Gewalt heißt: französische Lie benswürdigkeit mit der kein deut scher Tolpatsch, und arbeitete er noch fo mit den schmachtenden Heiligenau gen, rivalisiren kann! Und er begann sofort den Kampf. Bald beugte sich das ganze Haus sei ner Art von Gewalt. Herr Wahl wünscht« sich Glück: wenn die Verlo bung zu Stande käme, so könnte Nie mand behaupten, daß Gertrud dem Interesse geopfert worden sei, denn ei nen solchen Schwiegersohn müßte man weit und breit suchen hübsch, tllch tig, ja schneidig, wie er bewiesen hat, llber die Maßen liebenswllrdig, des seien sie alle Zeugen dazu eine bril lante Partie! „Tillchen, nun wie findest Du ihn?" fragte Herr Wahl seine Frau. Aus die erste derartige Frage hatte diese mit einem ausweichenden Heben ihrer etwas spitzen Schultern geant wortet; sie war vorsichtig, auch in ihren Urtheilen. Der Gedanke, daß ihre Tochter nach Paris, in das Sündenba bel, Heirathen sollte, erregte ihr ein Grauen. Schließlich hat thr Gatte aber zu befehlen! Schließlich geschieht ja doch, was er will! Diesmal glitt ein Lächeln der Be friedigung um ihre scharf auslausen den Mundwinkel „er scheint brav zu sein wenigstens hat «r Religion." Biktor hatte die anfangs widerspen stige Gunst der stark zur Frömmigkeit neigenden Dame durch seine religiösen Korrektheiten zu erobern gewußt. Er hatte gleich am Sonntag das Hochamt lange hätte er nach solchem Gottesdienst geschmachtet! Ein Schwiegersohn wie Zeuner wäre ihr im Ganzen sym pathischer gewesen, aber trennte diesen nicht eine Kluft von solcher Möglich keit? War er nicht Protestant? Viel lieber das Sündenbabel, das, wenn man Viktor hört, ja doch nicht ganz so entsetzlich sei» soll. Die beiden schreckhaften Tanten ka men nicht aus dem Entzücken über den prächtigen jungen Mann heraus, der sie mit seinen allerliebsten Aufmerk samkeiten fast bis zur Unbequemlichkeit überhäufte; sie meinten krank und ner vös zu «werden vor Ungeduld darüber, daß die Verlobung, die doch längst reif wäre, immer noch nicht „platzen" woll te. „Jesus Maria, sie lieben sich doch! Wie sie zu einander passen! Es ist eine Freude, sie beisammen zu se legenh«it ganz von der praktischen Sei te ihres Vaters. „Du bist zu beneiden." sagte sie zu ihrer Stiefschwester, deren Taille zärtlich umfangend. „Wieso?" „Nun wegen Paris! Daß Du in Paris wohnen wirst. Ich schwärm« für Paris! Wenn wir «s nur nicht b»m bardiren!" Gertrud entriß sich ihrem Arm, huschte davon und ließ sich am Flügel nieder, wo sie das „Ach wie schön ist Carmosanella!" zu nüoniren begann. Hier, während sie sang, war sie wenig stens all die Anspielungen los, die ihr den Purpur in die Wangen trieben. Doch das Lied war wie ein Signal, das sofort den Allerweltsschwerenöther herbeilockte. Warum erschrak sie jedes mal über sein Kommen? Warum be engte sich ihr Athem? Dort vorwärts an der Seite des Flügels stand er nun in nonchalanter Pose und der Blick sei ner Augen ließ nicht von ihr ab ein so glllhender, von Begeisterung trunke ner Blick, daß sie sich fllrchiete, ihm mit ihren Augen zu begegnen. Das Vibri ren ihrer Stimme kllndete ihm die selt same Erregung ihres Herzens. „Wundervoll! Ganz herrlich!" rief er, als sie geendet. Es war gne ein Ju belruf, der nicht nur galt. Ja, Gertrud kam nicht mehr aus der Erregung heraus. Sie wußte nicht, was war und was werden sollte; sie be gann irre an sich selbst zu werden. Und der Verwundete? Wenn sie an seine still« Leidensmiene dachte; an seine ru hige, von innerer Festigkeit zeugende Art; an die kameradschaftliche Herz lichkeit seines Verkehrs, an den Blick seiner innigen blauen Augen, der nichts für sich zu begehren, aber eine Fülle sorgender Treue zu geloben schien... Dann kam der Wirbelwind dalierge braust und vor dem Glanz des Feuer werks, das Viktor vor ihren Sinnen Sechstes Kapitel. „Herr Jaminet ist der charmanteste Franzose, den ich je kennen gelernt!" Das war das Urtheil Zmners über Viktor, das er mehrfach wiederholte. Die beiden Herren mutzten sich oft genug treffen, und es war allen eine Freude, zu sehen, wie friedlich sie sich zu einander stellten. Viktor staunte über sich selbst, wie er sich zu beherrschen, wie er sowohl den Franzosen, als auch den Eifersüchtigen zu verbergen ver stand. Kein Zucken «iner Wimper v«r- rieth den Prsußenhaß, der in seinem Innersten gährte. Zeuner hatte über zehn Jahre in Pa ris »erbracht, das ihm zur zweiten Heimath geworden war. So bot ihnen die Weltstadt den neutralen Boden, auf dem sich ihre Unterhaltung leicht „Herr Jaminet ist der charmanteste Franzose, den ich je kannte...." Es war kine Heuchelei bei diesem Ausspruch des Verwundeten. Fast hät te er den allzeit gutlaunigen und auf merksamen Gesellschafter liebgewin nen können. Geschäftsinteresse lugte nicht Ger seinen Willen nicht umfesselt gehalten, so hätte er sich sofort gegen die Illusion solcher Gaukelei gewehrt. Was ist es denn, das ihn zu einer Hoffnung be rechtigen könnte? Er ist nicht mehr jung, der Krieg und der Rassenhaß ha ben ihm den mühsam aufgebauten er ist durchaus kein Schwiegersohn für einen Wahl! Wozu sich also Hoffnun gen hingeben wie ein von der Poesie be thörter Jüngling? Es gab den Tag über und des inn6o in.-»» nennen. Die erzwungene Aufgabe seines Pariser Geschäftes be deutete ihm mit Nichten einen Zusam bauen für ihn gibt es kein kleinmU thiges Verzagen. Er würde die verlo rene Position schon wieder zu erobern wissen! Niemand soll auch nur eine Spur der schmerzvollen Enttäuschung erspähen, die hier im Geheimen seiner Brust brennt. Wenn es nicht für ein Weib sein soll nun. so geschieht es für sein bravesMUtterlein, seine tapfe re Mitkämpferin in allen LebenZstllr iiien! Aber dies Mlltterlein war «icht mit solcher Resignation zufrieden. Wie gerne hätte sie ihren Platz einer an dern eingeräumt! Sie hatte Gertrud innigst'in ihr Herz geschlossen kein größeres Glück für sie, als das liebe Kind dereinst ihre Tochter nennen zu dürfen. Dieser Franzose mit seinem jonglcurhasten Wesen wird sich doch noch aus dem Felde schlagen lassen! Aber wie Friedrich darüber beschließt das ist stets das Rechte! Sie war zu stolz, um die Künste des Weibes, die vielleicht einen Erfolg errungen hätten, für ihren Sohn einzusetzen. Viktor hatte nun bereits vierzehn Tage im Wahl'schen Hause verbracht. Es war Zeit, an die Abreise zu denken. Wohin? Nun über die Grenze nach Frankreich! Hat er dem Vaterlanv nicht seine Paar gesunden Fäuste ver sprochen? Und er lag hier müßig und ließ sich vom zwecklosen Flirt bethören! Ein Boulevardier, der Liebe glrrt es war ein Hohn! Ulibrigens war es offenbar er hatte gesiegt, der Deutsche war ihm un terlegen. Jeder Blick Gertruds sagle ihm das das ganze Haus wartete ja nur darauf, daß ihre Hände sich zu einem Bund fur's Leben ineinander fügten.... Ah, er dachte ja gar nicht an's Hei rathen! Ist jetzt die Zeit dazu? Sein Zweck ist erfüllt er hat den verhaß ten Deutschen aus dem Felde geschla gen. Es erheiterte ihn, wie sie wähnten, er könnte Ernst machen. Plötzlich jedoch sollte er zum Be wußtsein kommen, daß er vor sich selbst nur den eitlen Renommisten spielte, daß sein Herz willen- und wider standslos in ihren Banden angefesselt lag und daß ein Losreißen ihm eine blutige Wunde bedeutete. Eines Nachmittags trat Herr Wahl in das kleine Boudoir, dessen lauschige Erternische Bittor und Gertrud besetzt hielten? ein heftiger Strichregen prall te gegen die Fenster, das fröhliche kin derhafte Geplänkel der Beiden fast übertosend. Es that Herrn Wahl fast leid, das Paar so überraschend unter brechen zu müssen: „Sir Rowland ist soeben von seiner Reise zurückgekehrt," meldete er näher tretend, „er bringt wichtige Nachrichten mit." Rowland dies? Persönlich- Nachricht." Sir Rowland jetzt erst erinnerte sich Viktor. Aha, das ist der verrllckte Kauz, der in den Humbug des ewigen Völkerfriedens vernarrt ist. Am Tage nach seiner Ankunft hatte er den Eng haben schien. Er war ein werkthätiges und wohl eines der rührigsten Mit glieder der großen internationalen Friedensliga. Er war Junggeselle und hatte die Millionen seines Vermögens der idealen Utopie zur Verfügung ge stellt, nachdem er seine Verwandten abgefunden und sich selbst eine mäßige Rente reservirt hatte. Er befand sich das Jahr Über aus te bei einflußreichen Persönlichkeiten, beart>eitete und bestach die Presse für sein« Ideen, schrieb frömmelnde Frie- Viktor hatte sich gleich über den Mann amüsirt. Nichts komischer, als jetzt, in dem ungeheuren Getöse des Völkerschlachtens, wo das Wort den Großmäulern von Geschützen gehörte, den Sonderling die Friedensschalmei blasen zu hören! Sir Rowland ver schmähte auch nicht den kleinsten Vor theil, den er zu Gunsten seiner Manie erhaschen konnte. So hatte er sich sofort auf den interessanten Fall dieses Ge fangenen gestürzt. Eine dunkle Idee schwebte ihm vor, wie man diese Hun derttausende von Franzosen, die in Deutschland gefangen saßen, zur Ver wirklichung des hehren Friedensideals benlltzen könnte. Er dachte daran, sie freizukaufen, und die so Erlösten müßten zum Dank in ihrer Heimath nicht hinreichen auch könnte sich Moltke aus militärischen Gründen der humanen That entgegensetzen. Er höhnt« Viktor. „Hat er wirklich die Gefangenen aufgekauft? Freut mich unendlich! Was kostet denn das Stück? Nun, da werde ich mich auch noch losschlagen müssen! Was aussprach). Gertrud lachte und in schelmischer Stellung schätzte sie ihn von der Seite, Herrn Toujouret (sie stutzte stets bei dem Pseudonym) taxiren sollen?" Herr Wahl wehrte fast ärgerlich ab. Und in einem strengen Ton fügte er auf Deutsch hinzu: „Aber es ist wirk lich von Wichtigkeit, «s betrifft das Le „Wieso?" fuhr sie erschreckt auf. „Nun, man hat ihn kriegsgerichtlich verurtheilt. Man hat ihn in conru mneinul mit dem Tode bestraft. Ist das nicht wichtig genug?" Gertrud stieß einen Schrei aus und erblaßte. Viktor fragte, um was es sich handle, und s«ine Lippen schlössen sich über der noch lächelnden Grimasse feiner Zäh ne. Er ahnte, daß ihm ein Unheil droh te und das Erblassers galt ihm! Wahl erklärte auf französisch, was der Engländer berichtet hatte. Gertrud bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. „Nichts weiter?" ri>,f Viktor mit Hel lem Hahaha. „Das ist ja lustig!" Er sprang auf; der eitle Franzose war sofort wieder wach, und er fühlte sich zur Heldengröße emporschnellen. „Mir übrigens nichts Neues! Das hab' ich längst gewußt! Ich hätte mich ja schon längst davonmachen können. so viel Tausende sich drüben in Frank reich auf dem Altar des Vaterlandes opfern! Mögen sie doch kommen hier!" Er riß die Weste auseinander unv schlug mit der Faust auf die gesteifte Leinwand der Hemdenbnist, daß es wie ein hohler Trommelschlag erklang. „H.'er ich bin bereit!" Seilt triumphirender Blick weidete sich an Gertruds Schreck, an dem Schauder, der ihre Gestalt erschütterte. „Schrecklich! Halten Sie «in, Mon sieurViktor! Sie müssen fliehen! Gleich müssen Sie fort!" rief sie in höchster Erregung. „Ja, was haben Sie denn alle im ferteur schießt man todt, wenn man ihn kriegt. Ich war doch von der ersten Stunde an dem ausgesetzt." Steht er jetzt nicht unendlich größer da, mit viel h«llerer Glorie umstrählt, als sein Rivale, der Deutsche? Den hat ein« stupide Kugel lahm gelegt; ich aber bin bereit, das freiwillig« Märtyr thum fürs Vaterland zu bestehen! Da öffnete sich die Thür« und Sir Papieren, Broschüren und Traktätchen vollgestopft. Nie hatte er beim Kommen Zeit und stets wollte er sogleich wieder aufbre- Er schlürfte auf Viktor zu und Dienst zu erweisen." Sein Französisch zeigte eine für ei nen Engländer merkwürdig sichere Aussprache. „Wir werden fliehen, mein Herr. Ich werde Sie unter meinem Schutz Herr!" Viktor konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Es sah so aus, als zen und den Nimbus, den die Situa tion ihm lieh, noch zu vergrößern. „Bah, warum soll ich fliehen? Ich versenkt, das Zimmer in selbstgefälli gem Wiezefchritt zu durchmessen. „Ich danke Ihnen, mein Herr, für die Sorge, die Sie um mich haben! Aber ich greife meinem Schicksal nicht vor. Ich warte ab, was kommt! Wenn mich auf dem Schlachtfeld die Kugel getroffen hätte, so wäre die Wirkung doch dieselbe, nicht?" Gertrud streckte flehend die Hände nach ihm aus. HerrWahl ließ sich wirk werden fliehen! Ich bestehe darauf? Ich den die Hilfe Sir Rowlands annehmen wir können ihm nicht genug für sei ne Aufopferung danken!" Er schüttelte dem Engländer kräftig die Hand. Viktor zuckte wegwerfend die Schultern, als wollte er sagen: Wenn ich mich todtschießen lasse, was geht es euch an? Aber es war genug der Komödie? „Da ich aller Welt «inen Gefallen thun kann gui!" sagte Viktor großmüthig mit einem unwirschen Zögern, als ko stete es ihm ungeheure Mühe. „Ihnen besonders, Fräulein Gertrü, nicht?" Er sandte ihr dabei einen bedeutsam herausfordernden Blick zu. Zuvor jedoch wollte er die näheren Umstände hören. Sir Rowland berich tete also über sein« Mission. Er hatte das Koblenzer Gefangenlager aufge sucht und war natürlich von dem Grobian eines Kommandanten abge wiesen worden; erst die geschriebene Empfehlung eines hohen Namens, ein Zaubermittel, mit dem er auch die hartnäckigsten Thllren zu öffnen wuß te, verschaffte ihm Eingang in das La ger. Doch aus den geplanten Vorträge» war nichts geworden. „Bringen Si« Tabak und Zigarren, damit ist den Herren Franzosen besser gedient als mit einer Predigt —" höhnt« man auf dem Lagerbureau. Uebrigens wäre tcn Franzosen die Friedenssrage durchaus gleichgiltig, si« fühlten sich hier im La ger vorzüglich aufgehoben. In dieser Hinsicht war also die Mis sion gescheitert. Die barbarischenPreu ßen wollten nichts von einem Humani tätsideal wissen. Aber dennoch war die Reise nicht ganz ohne Resultat geblie ben: wenigstens gelänge es ihm nun, Herrn Jaminet zu retten, «inen von den Hunderttausend! Im Lager wehte eine scharfe Luft. Jaminets Flucht und die Entdeckung des geplanten Komplotts, so hirnver b rannt «s sein mochte, hatte die Preu ßen in Alarm versetzt. Man faßte die Sache sofort mit der bekannten Ener gie an; Verhöre wurden angestellt, mehrere Gefangene wurden in der Ka sematte von Fort Alexander internirt, darunter der Hauptraisonneur Boula röde. Auch diesen sollte ein TodeSur theil bedrohen. Dem Entflohenen wa ren Steckbriefe nachgesandt worden die Preußen wollten unter allen Um ständen ein Exempel mit ihm aufstel len. Kriegt man ihn, so wird er ohne Gnade und Erbarmen erschossen! (Fortsetzung folgt.) Mr ote KUlye. Eine vorzügliche Suppe bereitet man,indem man einen Eßlöffel voll Kerbel, doppelt so viel jungen Sauerampfer, einen kleinen Salat- Kopf und ein Bündelchen Petersilie sauber wäscht, zwischen zwei Tllchem ausdrllckt und mit dem Wiegemesser gröblich zerschneidet; hierauf dämpft man die Kräuter eine halbe Stunde tn kräftige, mit Wurzelwerk verkochte Bouillon, fügt ein Stückchen Butter hinzu und giebt die Suppe mit fol genden Klößchen auf die Tafel. Ein Eßlöffel voll Butter wird zu Schaum oerllhrt, mit einem Ei, einem viertel Pfund fein gewiegtem Rindfleisch, einigen gekochten und geriebenen Kar toffeln, Salz und ein wenig Muskat vermischt, mit etwas Wasser oder Bouillon angefeuchtet und glatt ge rllhrt. Nun formt man kleine Klöß chen, kocht diese in Salzwasser gar uni» giebt sie dann in die Suppe. Schü 112 s e l-K lop s. Ein Pfun!» Rind- und ein Pfund Schweinefleisch werden durch eine Fleischhackmaschine getrieben, alle Abgänge des Fleisches in einen Topf gethan und mit Salz gekocht. Nun reinige und wiege man Sardellen, fllge diese nebst ein weniz Muskatblüthe, Salz, einem Stllckchei» Butter, einem ganzen Ei und zwei Gelbeiern an das> Fleisch, gebe gerie bene Semmel daran und so viel von der ausgekochte» Brühe, daß man be quem von der Masse Klößchen formen» kann. Vor dem Formen muß alle! sehr gut durchgearbeitet werden uni» nach demselben die Klopse noch mit ge riebener Semmel bestreut werden. Nun schmiere man eine Porzellan- oder Steingut-Schllssel, welche Ofen hitze vertragen kann, gut mit Butter aus, lege sie mit geschnittenen Sar dellen und Citrcnenscheiben, streu« Champignons hinzu und stelle die Schllssel auf's Feuer, am besten ini eine nicht zu heiße Röhre, wo sie nu? so lange bleibt, bis alles gekocht hat. Man richte die Klopse in derselben Schllssel mit Salzkartoffeln an. Kartoffelspeise. Die Kar« toffelw werden in der Schale gesotten, dann geschält und (nicht sehr fein) in Scheiben geschnitten. Dann bestreicht man eine Backschllssel mit Butter, legt eine Lage Kartoffeln hinein, dann ei nige Löffel sauren Rahm, eine Hand voll Werkmehl, Salz und etwas Ma joran, dann eine in Butter etwa? angedämpfte Zwiebel und ein hartge kochtes Ei, sein zerschnitten. Dann kommen wieder Kartoffeln und so ab wechselnd bis die Schllssel voll ist. D'ie oberste Schicht mllssen Kartoffeln sein, über die man dann noch etwas Rahm schllttet, Werkmehl llbersiebt und kleine Butterstiickchen auslegt. So wird die Speise gebacken, bis sie oben schön braun und innen durchgekocht ist. Türkischer Salat. Man. schäle und schneide sechs kleine Zwie beln sehr fein. Man gieße darauf kaltes Wasser über sie und drücke sie zwischen den Händen, um den scharfen Geschmack zu entfernen. Dann lasse man sie trocknen. In die Salatschüs sel thue man eine und eine halbe Pinie kalter gekochter Bohnen und mische damit die geschnittenen Zwie beln, einen halben Theelöffel vollSalz, einen halben Theelöffel voll ungari schen Pfeffer, zwei Eßlöffel voll Sa latöl und eine Tasse Weinessig. Zum Garniren benutze man Oliven, zwei hartgekochte Eier und Lattichblätter. Raffklöße. 3 Tassen Mehl. I—2 Eier, 1 Tasse nach Belieben auch 1 Tasse in Butter ge einem festen Teig verrllhrt. Mit einem Löffel sticht man Klöße ab und thut sie in kochendes Salzwasser. Wenn sie gar sind, kommen sie an di« Oberfläche. Reisauflauf. Ein halbe> Pfund Reis, ein viertel Pfund Butter, 8 Eier, ein viertel Pfund Zucker, Ci tronenschale und Zimmt, einige Zwie bäcke, drei Viertel Unzen gewaschen« Rosinen und ein Quart Milch. Der Reis wird in Wasser einige Minuten gekocht, abgegossen und mit kochender Milch auf's Feuer gesetzt und, ohn« ihn zu rllhren, gar- und steifgekocht! Brandteig-B retzeln. Man bereitet dieselben, indem man ein Pint Wasser mit einem viertel Pfund But ter, 2 Unzen Zucker und einer Prise fllgt man unter öfterem Umrllhren drei gehäufte Kochlöffel voll Mehl hinzu und röstet eine halb» man 7 Eidotter und 2 ganze Eier hinein, vermischt alles gut und stellt die Masse kalt, am besten auf Eis, Mehl bestreuten Brett und formt Poesie und Prosa. Back fisch (schwärmerisch): „Ach, in der frei en Natur auf sausendem Rad. WaZ rem Rad dahinfliegen?" Radfah rer: „Wenn nur bald das nächste Wirthshaus käm'." Vom Kasernenhof. Un» terofsicier: „Lehmann, es ist nur gut, daß Sie nicht als siamesischer Zwil» ling zur Welt gekommen an Ihnen ist in einfacher Auflage das Unglück schon groß genug." Erklärung. „Warum nennst Du Deine Frau stets Deine Soimei" »-..Weil iie mir beik . .. » 3
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