Uevanche! (l. gor setzung). „Monsieur Jaininet —" flüstert die Stimme vorsichtig „ich bin's Lodert, Sie wissen aus ein Wort es ist eilig!" Es war ei» Mitgefangener, ein Lo thringer, der vermöge seiner Kenntnis se d«s Deutschen und seiner Schriftge wandtheit auf dem Lagerbureau be schäftigt wurde und infolgedessen al lerlei Freiheiten genoß. Jaminet erhob sich, mürrisch knur rend wegen der Störung. „Was ist denn los?" „Ich komme, Sie zu warnen, mein Lieber! Sie haben Unsinn begangen—" „Wi«so?" einer ausgesagt, Sie hätten ein Kom plott angezettelt Sie wollten mit dein Lager ausbrechen. Man hat ge lacht aus dem Viireau, aber der Alte" steht leinen Spaß. Er duldet solche Scherze nicht. Er sprach was vom Nie derschießen meint natürlich Sie da „Wär' mir auch einerlei —" warf Jaminet sinster hin. „Na, ich weiß doch nicht ich thät mich an Ihrer Stelle davonmachen heut noch ginge es, von morgen an wird die Bewachung verdoppelt der Befehl ist schon da übrigens die richtige Nacht dazu ich hör die Ran de aclilin und gute Reise!" Es war Jamin«t doch nicht einerlei! Sich in der Gefangenschaft von den Preußen todtschießen zu lassen wegen eines Hirngespinstes! Sind sie doch mit den blauen Bohnen sehr freigebig hier zulande! Der Schreck fuhr ihm in die Glieder. Gleich bäumte sich sein Stolz auf dieses Ende wäre doch gar zu erbärmlich! Also auf und davon! Lo dert hat Rech! es ist die richtige Nacht! Es wäre auch die Nacht gewesen, wo der allgemeine Ausbruch gelingen konnte.... bah, das ist ja nun vorbei! So r«ttet er wenigstens dem Vaterland die beiden Fäuste da statt der zehntau send, die er ihm ocrsprvchen! noch in der Nacht aus dem Zelt heraus zuholen und ihm den Prozeß zu ma chen..,. Eine Weile hockte er in den Knieen und horcht«. Draußen war ein chaoti sches Durcheinander von allerlei Tö nen: Fernes Rauschen drüben im Walde, gleich einem gewaltigen Was sersturz donnerartiges Daherwäl zen des Sturmes wuchtig pral lende Schläge tiefe or^elähnlich« eines Soldatentrupps, dann das Trot ten, ja das Wiehern eines Pferdes zu vernehmen. Jetzt fuhr etwas mit scharfem Klir ren zu Boden, jedenfalls jene Laterne, streckte den Kopf durch den Schlitz des Eingangs es war so, das Flacker alles sinster. Das ist das Signal zum Aufbruch! Jetzt oder nie! Er wollte noch einiges Mosel senkte, etwas abseits des Lagers gerüttelten Zelte beleuchtend. Gleich wieder die dichte Finsterniß. Jaminet schwang sich hinüber und gen Armen eine Streck« fortzuwirbeln. Er stolperte gegen «inen Baumstumpf und siel hin. Als er sich «rhob, hört« «r hinter sich eine Stimm«, die ihm „Halt, wer da?" fortwirbeln. Plötzlich fuhr etwas mit schrillem Pfeifen durch die Luft an ihm vorüber, das schneller war als der tös« verschlungen Weiter glitt und flog und sauste er dahin über tie Ebene. Jetzt erreichte er Endlich erreichte er die Häuser von Moselweis. Es galt, die Uniform ab zuwerfen. Dort von einem entlegenen Hause leuchtete ein Fenster: er schritt darauf zu und klopft an. Der Bauer, aus dem Schlafe auf torkelnd. fuhr erschrocken zurück vor der regt funkelnden Augen in dem von der Anstrengung verzerrten Gesicht. Im Bette lag ein krankes Weib, das leif« stöhnte. „Ich muß Rock, Hose und Hut ha ben schnell!" drängte der Flücht ling. Der Bauer verstand nicht sofort das etwas holperig« Franzosendeutsch. „Ich bin «in Gefangener und durch gebrannt!" rief jener, «s klang wie eine Drohung. „Macht voran! Wo ist der Kleiderschrank?" „Hier!" Jaminet zog einfach fei nen Brillant vom Finger und legte ihn auf den Tisch. riß die Thüre auf. Verblüfft sah der Bauer drein, wie der räthelhafte Besuch sich ohne Um stände vor seines und d-s Weibes Au gen der schmutzigen Unisoni entledigte Lange noch nachdem die unheimliche, schier gespensterhafte Erscheinung in Nacht und Sturm verschwunden war. glotzten Mann und Wcib den blitzenden Stein dort auf dem Tische an, als Drittes Kapitel. Vier Tage darauf lehnte ein jugend licher Mann in verkommenem und be schmutztem Anzug von bäuerlichem Schnitt, mit zerrissenen Stiefeln, die lang« keine Wichse mehr geschmeckt, ein rundes schwarzes Hütchen tief im Na cken, den ein buntseidenes zerfetztes Tuch umhüllte, gegen das Gelände: der Kölner Rheinbrück. Das abgeha gerte Gesicht, dessen Kinn und Wangen mit unordentlichen Stoppeln über haucht waren, stemmte sich mit dem Ausdruck des Trotzes auf die Knöchel der Fäuste, und die braunen Augen starrten, die dichten Brauen wie dro hend über der feingebogenen Nase zu sammengezogen. finster auf das Was ser. das im Schein des fahlen winter lichen Abendlichtes unter der Brücke daherfchoß. Es war der Durchbrecher Jaminet. Er war hungrig und abgetrieben, ohne einen Groschen in der Tasche. Mit der Geschichte seiner Flucht und wie es ge kommen. daß er anstatt mit der Eisen bahn schnellstens die Grenze zu errei chen, sich zu Fuß durchschleppen mußte, ein paar Stücke Brod als Nahrung, vom Argwohn verfolgt, wird er sich künftig das Piedestal zimmern, von dem herab er die „Gloire" seiner Ge fangenschaft strahlen läßt. O er wird damit in noch manchem Pariser Salon patriotische Da,n«nherzen in Rührung versetzen! Fast hätte er, da seine Taschen nicht einmal die zwei Pfennig Brückengeld aufwiesen, das Kölner Ufer nicht zu erreichen vermocht, wenn er sich nicht, als ein echter Vagabund, auf die Ge fahr hin, festgehaiten zu werden, zwi schen zwei sich begegnenden Lastwagen durchgeschlichen hätte. Es war das Ende: er war rathlos. Die belgische Grenze war von hier aus nicht unter drei Tagmärschen zu errei chen. Wenn er wenigstens eine Nacht des ungestörten Schlafes genösse: aber eine Herberge getraute er sich nicht auf zusuchen, aus Furcht vor Entdeckung. Er fühlte sich entkräftet, er schauerte zusammen wie unter Fisberstößen. Der Winter meldete sich früh und ein eisiger Wind jagte über die Wasser fläche. auf: es sind doch Deutsche, und er soll te als Franzose an ihre Thür pochen? Aber es ist doch das Natürlichste! Wahl ist der Geschäftsfreund seines Vaters, langjährige Verbindung selbst ein hal. ber Franzos geworden. Das Wahl'sche Haus ist neutraler 80den.... sich sprechen. Er sab sich um drei französische Offiziere in Zivil prome nirten auf der Brücke, ein Alter, dick, mit rundem Rückn und knickendem Schritt, auf einen Stock gestützt, links und rechts zwei hochgewachsene, ge schniegelte Herren, mit Fischbeinstöck chen fuchtelnd; alle drei redeten mit mit heftigen Gesten durcheinander. Kriegsgefangene wie «r! Ein Gedanke durchzuckte Jaminel — respektvollem Hut-ab: „Mein General, ich bin Gefangener, ich bin entflohen und will nach Frankreich...' Zögernd blickte er ihnen noch nach, da kam ein Herr die Brückenrampe herabgestürmt, auf das Schiffchen zu, das eben abläutete. Eine Mittelge stalt, mit krummen Beinchen, aber sehr breitem und mächtigem Brustkasten, ganz in Grau gekleidet, einen feinen silberfarbenen Filzhut mit schwarzem Band auf dem Kopf; auch dieser durch aus graufarben bis in die Augensterne hinein, mit einem kurzgehaltenen Ba ckenbart, der am Kinn mathematisch peinlich ausrasirt war. Herr Friedrich Wahl! Vielleicht hätte er den Fabrikanten nicht auf den ersten Blick erkannt, trotz s«ines grauen Signalements. Doch «in junges Mäd chen, in halblangen Kleidern, mit wun derschönem fliegendem Blondzopf, das reizende runde Gesichtche.i rosig echauf firt vom Laufen, flatterte hinter ihm her das Portrait auf dem Kamin sims, das er als Lyceist heimlich ange betet ! „Papa, ich kann nicht mehr!" Das Lachen der Kleinen gell-k laut über das Waffer, und die Zähnchen blitzten zwischen den frischen Lippen. Sofort war ihm der Gedanke an den Sonnenschein da. der damals die dü steren Räum« des Elternhauses durch leuchtet und durchwärmt hatte. Ein Unsinn! Später mußte er noch oft über diese köstliche Täuschung lä cheln: Gertrud« Wahl ist doch längst nicht an die jüngere Schwester Elsbeth dachte! Jedenfalls ein täuschendes Ebenbild der andern. Wohlan! Der Zufall gebot es so. Jaminet vertrat dem Eilenden den Weg und lüftete den Hut senkrecht über dem Kopf: „Herr Wahl, ich habe die Ehre —" Der Fabrikant stutzte, wollte den Bettler mit einem entrüsteten Blick ab weisen. „Mein Nam« ist Viktor Jaminet —" ~OH ah! Nicht möglich! Herr Jaminet? Wie kommen Sie denn ? Sind Sie es wirtlich?" Und während Herr Wahl zögernd die Hand ausstreckte, suchte sein ver wunderter Blick das vagabundenmätzi ge Aeußere mit dem Namen in Ein klang zu bringen. Wieder schnappte er nach Erklärung. „Aber mein Gott Sie sind doch, wie mir Ihr Vater schrieb...." zur Zeit Deserteur!" Jaminet reckte sich bei dem Wort in die Höhe, als bedeutete das eine unge heure Heldenthat. „Wieso? Ich hatte den letzten Brief von Ihrem Papa am 12. September. Seitdem ist er in Paris eingeschlossen. Ich warte vergeblich auf eine Nachricht. „Kriegsgefangener bei Sedan —" Auch das tlang fast wie ein Ruhmes titel. „Entwischt wenn si« mich nicht kriegen!" Herr Wahl zuckte erschreckt zusam men: „Mein Gott kriegsgesangen! Immer noch besser als todtgeschossen! Der Krieg der unselige Krieg!" jammerte er. „Aber was stehen wir hier! Sie fahren doch mit? Sie Herr Viktor?"^ Geschäfts. Der Krieg hatte jede Ver bindung zwischen Paris und Mülheim abgeschnitten, die Fabrik stockte. Eins plötzliche Freude überfiel ihn: gottlob, da ist ihm ein Jaminet in die Hände gerathen! Er ward übertrieben zuvor kommend. Jaminet zögerte: „Sie werden sich besinnen, einen Deserteur bei sich auf- Geschäftsfreundes um die Taille und schob ihn vor sich den schmalen Steg nach dem Schiffchen hinab. „Machen Sie keine Geschichten, mein lieber Viktor! Allans! Drei Billets. Herr Kassner! Elsbeth, :vo bleibst Du denn?" „Hier, Papa!" Die Augen der kleinen Dame waren noch übergroß voll Staunen: ihr Papa, der gegen s«ine sonstige zimper lich: Vorsicht einen Vagabunden um die Taille saßt! Sie hatt« von dem französisch geführten Zwiegespräch fast nur die Namen verstanden. Sie zeigte nicht das Talent für die französische Sprache wie ihre Schwester freiliH,, neckt. „Elsbeth, Du erinnerst Dich doch Herrn Jaminets? Sie ist etwas größer geworden, Herr Viktor. Es sind fünf Jahre her, daß Sie hier waren." Viktor lüftete mit höflicher Verbeu gung den Hut; Elsbeth vergaß ganz, das Mittelding zwischen Knicks und Verbeugung, das ihrem Backfischstand: entsprach, auszuführen. Die Grübchen in den Rosawangen lächelten ihn neu- Maschine fauchte ungeduldig ihren weißen Dampf aus. Wahl und Jami net standen während der Fahrt hinter dem Schlot, wo der Hauch aus dem Maschinenraum eine wohlige Wanne verbreitete. Jaminet sollte erzählen und er lieft einen kurzen Bericht seiner Kriegserlebnisse los, unterbrochen von den verwunderten Rufen des andern. „Aber nun sollen Sie sich einmal tüchtig ausruhen, Herr Vittor!" „Man verfolgt mich. Ich weide so fort weitn muffen —" tuschelte Viktor vorsichtig, Herr Wahl sah sich ebenso vorsichtig um: er hatte mit dieser sonderbaren Gesellschaft Aufsehen gemacht, viele Mülleimer befanden sich auf dem Vor derdeck. Gleich darauf erleichterte er sein schweres Geschäftsgewissen. Kammer über Jammer! Natürlich steht Fa brik so gut wie still, man die Dampfmaschine eben noch hauchen fut die Ehre des Hauses; auch mutz >kr werden über dreihundert hat er schon entlassen müssen. Es gibt viel Elend; di« Frauen und Kinder der Landwehrleute sitzen ihm auch noch auf dem Hals. Man tappt im Dunkeln: was wird noch werden? Dieser unselig« Krieg! „Von Ihrem Papa kein« Nachricht! Mein Gott, wie wird es ihm ergehen? Man sagt Paris hungere bereits." Viktor wies die triviale Annahme, daß das heilige Paris ausgehungert werden könnte, als eine Entweihung zurück: „Paris ist uneinnehmbar! Nie werdm es die Preußen kriegen, auch durch Hunger nicht!" „Ich hoffe, wir werden bald Frieden haben. Der Krieg ruinirt uns Alle!" beschwichtigte Wahl. „Nicht eher, bis die Revanche unser ist, Herr Wahl!" rief Viktor. Und Herr Wahl erschrak fast vor dem fanatischen Blick, der bei dem Worte „Revanche" aus den Augen des Franzosen blitzte. Man muß sich in Acht nehmen, man darf ihn nicht rei zen! Uebrig>ens ist dieser Haß verzeih lich. Frankreich ist ein beispiellos herm gesuchtes Land. Wird es jemals wieder Chappftide kaufen? „Meinen Sie denn, ich hätte um sonst den Hals riskirt?" fuhr Viktor in aufgeregtem Tone fort. „Ich denke schen off« ins Gesicht; sein Antlitz flammte und die Worte zischelten scharf. Wahl hielt es für nöthig, rhn zu beruhigen, dort hinten auf den Bänken „Verräther nichts als Verrath und Verbrechen!" fiel Vittor «in. „Aber warte!" Er schüttelte die Faust nach dem Wasser hin. „Wir sprechen davon zu Haus, Herr Viktor," beschwichtigte Wahl klein laut. „Zuerst sollen Sie sich erholen." Und er begann das Gespräch wieder auf das Geschäftsgebiet zu lenken, doch waren sie beide nur der Form we gen bei der Sache. Viktors Gedanken wühlten in dem Verrath des Vaterlan des, und Herr Wahl baute allerlei Pläne auf diesen Zufall, der ihm den Franzosen in die Hände gespielt. Man halten! Er ist das Pfand, das die For tsetzung der alten Beziehungen zwischen den beiden Häusern in diesen unseligen Zeitläuften gewährleistet. Man muß den fanatischen Franzosen zu sänfti gen, zu kirren, zu fesseln suchen. Dies Zusammentrefftn ist ja ein wahrer Glücksfall. Und jetzt zum erstenmal erstand der alte Heirathsplan, der bisher nur dem scherzhaften Wolkengebiet angehört hatte, in greifbarer Gestalt. Meine Tochter Gertrud wird Viktor heira then! Die jungen Leute werden sich in einander verlieben sie müssen! Was früher ein hübscher Wunsch war, ist jetzt zur Nothwendigkeit geworden. Die Zukunft der Kompagnie, mithin die Existenz des Hauses Wahl steht auf dem Spiel! Viertes Kapitel. Ein Franzos« «in Kriegsgefan gener und ein Deserteur! Welche Ueber- Auftreten und ahmte gewisse Posen nach, die sie ihm auf dem Schiffe ab gelauscht: auch übt« si« sich darin, den „Uebrigens heißt er für uns nicht Jaminet," siel Herr Wadl gleich nach der ersten Ankündigung des Besuches wenn sie ihn erwischt, so wird er todtgeschossen." Die Damen fuhren entsetzt auf. Frau Wahl bedeckte das Gesicht mit den flach erhobenen Händen, und «in Schauer überlief sie. „Dieser Krieg! Dieser furchtbare Krieg!" Es war nne werden schien, mit den schönen, man delförmig geschnittenen Augen ihrer ältesten Tochter Gertrud, doch ohne de ren schelmisch offenen Ausdruck. Es waren noch anwesend: Frau Zeuner. die Mutter des verwundeten deutschen Offiziers, den das Haus Wahl auf sein Angebot vom Lokal komite des Rothen Kreuzes zugetheilt «rhalten hatte, eine prächtige alte Da me mit freundlichem Rosagesichtchen, das über oen Schläfen stark gebauschte silberne Haarwellen trug; ferner Frau van Holleren, ein« Tochter aus WahlS «rster Ehe. die ihren Mann. einenLand wchross!zi«r. draußen vor Paris hatte. ! »in« untersetzte Figur mit d«N breiten, flachen Schultern des Vaters und von dessen herrisch jovialer -L.aune; ferner zwei Tanten von indifferente.? Aus druck, stets zum Staunen und zum schreckn bereit, jedenfalls das dank barste Publikum. Gertrud saß am Stutzflügel in der Nebenstube und ersuchte mit halber Stimme, mehr parlando als sing«nd, seine Oval ihres Antlitzes war mit ei ner zarten Röche überhaucht, und ihre Augen affektirten eine gespannte Auf m«rksamk«it nach den Noten hin, wäh rend den winzigen, in dem Gewirr des seidig glänzenden Braunhaares ver steckten Ohren doch kein Wort von ne benan entging, „Wir werden ihn also Toujouret nennen," sagte Herr Wahl „als Ge gensatz zu Jaminet." Und er warf sich in die Brust und prüfte mit dem listi gen Blinzen fein«r Aug«n der Reihe nach d«n Eindruck, den dieser Scherz auf die Damen hervorgebracht. Gleich darauf klingelt« «r und ri«f dem «in tretenden Diener (Lakaienhosen, aber Ziviljoppe) wichtig entgegen: „Wollen Sie sich hinaufbegeben und sich erkun digen, ob Herr Jam Toujouret das ist der Name des Herrn noch irgend etwas bedarf!" Der Diener verwunderte sich nicht wenig, als Herr Wahl ihm auch »och bis auf den Korridor nachgeeilt kam und ihm befahl, während der Anwesen heit des Herrn Toujouret die Joppe abzulegen und stets in Livree bester Garnitur zu erscheinen. „Hinter diesem seltsamen Respekt steckt ein Geheimniß: jedenfalls hat der da droben seine beste Garnitur Stiefel nicht an den Füßen gehabt!" Sachte der Diener. „Wie der Kerl aussah!" „Laß mich doch!" wehrte Gertrud unwillig nach Elsbeth hin, die neben ihr am Instrument stand und ihre Schwester als Braut des Deserteurs neckte. Welch ein Widersinn! Derartige schülerinnenhaste Spielereien hat sie doch längst mit den kurzen Kleidern abgelegt! UebriK-ns nimmt nicht der deutsch,? Verwundete mit all der Glorie, die ihn als Helden umstrahlt, den gan zen Vorrath von Schwärmerei, den sie besitzt, in Beschlag? Ah, da ist er! Sie zuckte zusam men und begann «ilig eine laut« Be gleitung anzuschlagen, als vernähme sie nichts von dem raschelnden und flü sternden Aufruhr, den das Erscheinen des Deserteurs nebenan hervorrief. Warum fühlte sie plötzlich eine so unerklärliche Angst, ihm gegenüber zu treten? „Gertrud!" rief der Papa, in fast strengein Ton die Unachtsamkeit rü gend. Er wünscht, daß Herr Jaminet unter allen Umständen auf di« zuvor kommendste Weise in seinem Haus« (stets „sein" Haus!) aufgenommen Sie stand auf und trat in den Sa lon, mit dem Versuch einer schnippi schen Miene, der indeß bei Viktors Anblick sofort oerschwand. Er war gerade das Gegentheil von Elsbeths Beschreibung. Viktor hatte es in dieser Stunde fertig gebracht, sein A«ußeres wieder völlig zu zidilisir«n. Die rauhen Stoppeln um Kinn und Wangen wa ren verschwunden, und d«m Toiletten tisch schien es gelungen, das «legante Dandygesicht des Bouleoardiers wie der 'hervorzuzaubern, ja zu überbieten denn der kräftig braune Teint, mit dem Wind und Wetter sein Antlitz bis zu der scharf abgrenzenden Lini« des Mützenschirms gebeizt, gab ihm zu gleich ein froh erregtes Ausf«h«n, frei lich paßte der Anzug, den man in der Eile herbeiaefchasft, nur mäßig und war ein Hohn auf den Pariser Chic. Aber die Situation und der aben teuerliche Wechsel seines Schicksals schien ihn zu reizen ein Kriegserlcb niß so gut wie ein anderes! Der Re vanche-Ingrimm schien verschwunden. „Wir kennen uns!" rief «r, mit ga lanter Verbeugung Gertrud die Hand entgegenstreckend. „Wir haben zusam men gespielt, mein Fräulein..." Sine Röthe flog über ihr Antlitz, und es fiel ihr schwer, die Verwirrung zu unterdrückn. Sie hatte wohl be merkt, wie er bei ihrem Anblick gestutzt und wie ein« plötzlich« Helle aus dem Dunkel s«in«r Augen flackerte. „Es ist lange her, Herr Jaminet " „Wir sind unterdessen größer gewor- Wie sich ihre Blicke gegenseitig sest ke sie zu durchzucken: damals war es ein Spiel, aber jetzt könnte es scharfer Ernst werden! Ja, so hatte er sich sie nicht vorge stellt! Der Preuhenhaß hatte ihm un terdeß die Erinnerung getrübt. Ihre Stimme, ja, die ist noch die alte, nach wie vor schmeichelt sie sich so zauberisch bis ins Herz. Wie wunderschön sie auf geblüht! Welche Augen welch üppig schlanke Gestalt! „Zu Tisch zu Tisch! Sie müssen wissen, meine Herrschasten, Herr Toujouret bat fünf Tage lang nur von Luft und Angst gelebt!" rief Herr Wahl. Alles lachte. Jaminet verstand nicht ganz und bat Gertrud um die Über setzung, wobei er ihr ein« Schmeichelei wegen ihres vorzüglichen sonnigeren Zauber ausübte als da mals. Von da an nahm er immer öfter die reizende Dolmetscherin mit den blinkend weißen Zähnen in Anspruch. Sie fanden ihn alle während des Abends überaus nett. Er ließ seine ganze Liebenswürdigkeit spielen: all die vergangene Schmach, all die pa triotischen Schmerzen schienen wie ver , dunkelt und vergessen. Herr Wahl war überglücklich - - sein Plan scheint herr- lich zu gelingen o, wir wollen diesen Franzosen schon kirren! Und nach nein Beispiel, das ein Besohl war, schien alles an Zuvorkommenheiten ge gen Viktor zu wetteifern. Dieser hatte viel zu erzählen, und bei Tische beherrschte er das Gespräch mit seinen Abenteuern; besonders die romantischen Fährlichktikn, mit de nen sich der Des-rteuer vom Lager aus durchgeschlagen, reizten die Span nung. Er hatte also nach dem Umtausch der Kleider in Moselweis sehr bald zu feinem Schrecken bemerkt, daß er mit der Uniform auch die paar Groschen, die dies« barg, dort zurückg«lassen. Und den Brillanten war «r los. So blieb ihm nichts übrig, als sich aufs Gera thewohl vorwärts zu schleppen und sich gleichsam auf die Barncherzigkeit der Landstraße zu verlass«n. In Andernach sich «in Schlupfwinkel zum Schlafen fand. Ueberall hatte sein mangelhaftes Deutsch („O durchaus nicht!" unter brachen ihn die Damen) ihn in Ver- Er wußte mit solch hübscher und drolliger Laune zu erzählen, und seine Worte begleitete nach Franzosenart das lebhafte Spiel seiner Gesten. Zu weilen ging es mit dem Geholper seines Deutsch nicht mehr vorwärts, dann stürzte er sich mit einerMiene komischer Verzweiflung wieder in den flotteren Strom seiner Muttersprache. Dabei wandte er sich unwillkürlich nach Gertrud hin, die wohl Wahls Be rechnung an seine Seite gesetzt, unter dem Vorwand, daß sie von allen An wesenden ihn wohl am bestem verstehe. War es nicht, als wöbe diese ge meinsame Beherrschung der Sprache, deren Feinheiten den andern entgingen, ein Band magischer Zusammengehö rigkeit um sie beide? Dann waren aller Blick auf das Paar gerichtet: sollte das Verlöbniß der Heiden, das Jahrelang als «in Scherz in der Luft gehangen, unter so außergewöhnlichen Verhältnissen, vom Zufall zusammengekettet, zur Wirklich keit werden? Einmal siel ein Schatten über Vik tors Laune. Er hatte während desSer virens mehr.-remal sch-m bemerkt, wie auf einem Präsentirbrett «in besonde res Kouvert mit Speisen für einmAb wesenden hergerichtet wurde. Gertrud hatte diese Fürsorge übernommen, rnv sie unterzog sich der Auswahl der Bis sen mit solcher Sorgfalt, daß er sich sagte, es müsse irgend ein Angehöriger der Familie. Jemand, der einen gro ßen Respekt und viel Liebe im Hause genöss«, trank und am Erscheinen bei Tische verhindert sein. Er beneidete fast diesen geheimnihvollen Jemand, d«r das Glück hatt«, von so hübschen, blüthenweißen Händen bedient zu wer den. Zuletzt hielt er es als eine Pflicht der Höflichkeit, sich zu erkundigen. ..Wer ist denn der Glückliche, d'in die irdische Speis« durch Ihre Hände zur Ambrosia verwandelt wird?" fragte er. Es klang etwas schvülstig trivial. Das Schildpattbesteck in Gertruds Händen suchte gerade in der krystalle n«n Schale nach «in paar besonders Salatblättern: sie wandte den Kopf «twas überrascht ah. er wußte ja noch nicht von dem Verwun det«». „Für wen all diese ausgewählte Bissen?" antwortete sie lächelnd, „Nun, für ein anderes Opfer des Krieges. Wir dürfen ihm wohl di? Bevorzugung gönnen, er hat für uns alle gelitten und geblutet." „Wieso?" ' „Nun, «in Verwundeter von MarZ la-Tour. Ein Offizier, den wir ge pflegt. Gottlob, daß wir ihn in die Höh« gebracht!" Und üb'? den Tisch gewandt, nach der alten Dame tm welligen Silber haar: „Er darf doch wohl Salat ge nießen, liebe Frau Zeuner?" Diese nickt« freundlich. „Di« Mama —" sagte Gertrud er läuternd zu Viktor, mit einer graziö sen Handbewegung ncch der soeben Angeredeten. Viktor machte eine höfliche Verbeu gung: „Ich gratulire, Madam«!" Und dann schien ihm die Höflichkeit zu gebieten, näher hierauf einzugehen. Er verwunderte sich, daß die alte Dame das Französische fast ebenso geläufig beherrschte wie Gertrud. Diese er läuterte ihm sehr einfach: „Madame hat lange in Paris gewohnt." „O!" machte Viktor freudig über rascht. „Herr Zeuner ist Reserveoffizier, er war vor dem Krieg in Paris ansässig. Beim Beginn des Krieges wurde «r ausaewiesen." Abermals „O!" Der Vokal sollte ein Bedauern ausdrücken, schlug aber nach «in«r ganz andern Betonung um, etwa wie man zurückfährt, wenn man sich verbrannt hat. Teufel, was für ein fatales Zusammentreffen! Nun. die gerühmte französische Gewandtheit weiß auch darüber hinwegzukommen! ES thut mir leid es thut mir wirklich leid, Madame. Wir sind eben Barbaren gewesen damals, die Kriegswuth hatte uns von Sinnen ge bracht!" „Aber ich bitte Sie, Herr Jami net —" unterbrach ihn Frau Zeuner. „Es wird doch nicht Krieg zwischen den Personen geführt," ergänzte Herr Wahl, ungeduldig über das heikle Thema. „Was können wir alle pür so viel Unheil!" (Fortsetzung folgt.) Aür die Küche. b e? tlößen. ' Sommergemiise schneidet "ach dr>>' Reinigen in nudelartige Strafen, zerlaßt reichlich Butter und schwitzt »e Gemüse in der selben langsam is Minuten. Danir füllt man so viel siedendes Wasser auf, als man Suppe braucht, salz? dießrühe und kocht die Suppe eine Stui.'dc sehr langsam. Kurz vor dem Anrichten: fügt man Fleisch - Extract an die Suppe, würzt sie mit gewiegter Peter-' silie und richtet sie über Leberklößchei» an. Zu den Klößchen wiegt man ein halbes Pfund enthäutete Kalbsleber fein, verrührt sie mit etwas zerlassener Butter, mehreren Eiern, Salz, Pfeffer, Majoran und Reibbrot, sticht kleine Klöße ab und kocht sie in der Brühe etwa S Minuten . Spinat. Junger Spinat Wirt» gelesen, gewaschen, in siedendem Salz wasser einmal übergekocht, abgegossen, mit frischem Wasser gekühlt und gut abgetropft. Hierauf reibt man ihn: durch ein Haarsieb, bereitet eine helle Mehlschwitze, thut den Spinat hinzu, läßt ihn unter beständigem Umrühre« über dem Feuer heiß werden und gießt nach und nach etwas heiße Sahne an, wobei man das Gemüse, welches dick lich, aber nicht flüssig werden darf, mit weißem Pfeffer und ein wenig Mus cainuß würzt und kurz vor dem Auf geben mit einem Eidotter legirt. Man garniri den auf diese Art bereiteten Spinat mit gerösteten Semmelcrou- Eiern wie man es sonst beim Spinat zu thun pflegt, weil das Gericht dann zu weichlich würde. KalbsleischmitSpargel-- gemiise. Man kocht ein Stüct Kalbfleisch mit Wurzelwerk weich« Spargel schält man und schneidet ihm in kleine Stückchen, kocht ihn ebenfalls weich. Eine Stunde vor dem Anrich ten läßt man einen Kochlöffel voll But ter in eine» Casserolle schmelzen, nicht Kalbsbrühe darauf, doch nur so viel, als man reichlich die Hälfte Sauce braucht, fügt ein wenig Citronenschale hinzu und läßt diese Sauce eine volle Stunde kochen, doch muß sie häufig durchgequirlt werden und sehr dick sein. Alsdann gießt man von dem Spargel wasser zu, bis man genügend Sauce Weißwein und einem Eßlöffel Citro nensast klar und zieht es darunter. Dann schüttet man die Spargelstiicke in die Sauce und läßt sie noch einige Minuten darin ziehen. Rhabarbergries. Rhabar berstengel werden geschält und in kleine Stück geschnitten. Dann setzt man sie mit Wasser auf's Feuer, läßt sie lang durch. Dann bringt man diesen Saft nebst dem durchgetriebenen Mus wie der auf's Feuer, gibt etwas Citronen schale und reichlich Zucker hinzu, sobald der Saft kocht, streut man Gries hin ein und läßt diesen unter beständigem Rühren darin ausquellen, gibt den Schnee von zwei Eiweiß nebst einigen fein gewiegten Mandeln darunter, gießt die Masse in eine mit kaltem Wasser ausgespülte Porzellanform und läßt den Gries erkalten. Enten mit Zwiebeln zu dämpfen. Man schäumt die Ente in Wasser und Salz ab, gibt hierzu ei nen halben Suppenteller voll geschnit tene« Zwiebeln, etwas Nelken und Weißbrot, vielleicht auch Dragon, und kocht sie ganz weich. Dann wird die Sauce durch ein Sieb gerührt, mit Ci tronenscheiben durchgekocht und über die Ente angerichtet. Fleischschnittchen. Alle vor handenen Fleischreste werden fein g»» hackt. Zu je einer Obertasse von ge hacktem Fleisch gibt man die gleich« Menge a-hackten Hering, einen Löffel Kapern, einen Löffel geriebene Sem mel, einen Löffel gehackte Petersilie und zwei geriebene, in Butter weich und hell gedämpfte Zwiebeln. Dann rührt man noch zwei Eidotter, vier Löffel süßen Rahm und so viel Bouillon dazu, daß die Masse eine dicke Crsme wird, die man ziemlich dick auf dünne Weißbrot schnittchen streicht und diese einige Mi nuten in kochendem Backfett schwim mend goldgelb backen läßt. Diese Fleischschnitten werdm warm servirt und eine kalte pikante Sauce dazu ge reicht. Frikandellen. Fleischüberreste werden mit Zwiebeln oder mit Petersi lie recht fein gehackt, dann einige Eier. Salz, Nelken oder Muscat, etwas ab geriebenes, in Butter gelb gemachtes Weißbrot nebst Braten- oder Fleisch brühe damit verarbeitet und längliche Klöße daraus geformt, die man in den fein gestoßenen Krusten umdreht und in Butter gelb brät. Umpolnischenoderrussi schen Salat zu bereiten, nehme man Reste von Fleisch, Braten. Schin ken etc. (Geflügel ausgenommen), zer schneide dieselben in kleine Stücke und verfahre ebenso mit einigen Sardellen (nicht mit Heringen). Hierzu werden Zwiebeln, nach Belieben, ein Stückchen Apfel, etwa eine halbe Essiggurke, fein zerschnitten, gemengt, und das Ganze mit Essig und Oel, sowie mit etwas saurem Rahm, Pfeffer und Salz als Salat angemacht. Bisweilen wird je nach Geschmack auch Kopfsalat oder Endivien sowie weichgekochte Eier dazu gegeben. , Poesie einer Kranzel« ' j u n g 112 e r. Die dreißigjährige Mila Hat unlängst erst gefreit. Es war da nicht nur Hochzeit <ZS war schon höchste Ztitz- . ' 3
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