2 Unser Nervensystem. ' Es geht eben mit unserem Nerven system wie mit allem anderen: man kann es verwöhnen und gewöhnen. Wenn wir uns selbst erlquben, jeder geringen Regung von übler Laune nachzugeben, jedem physischen Unbeha gen, gleichviel wodurch es erzeugt wird, eine zu große Bedeutung zuschreiben, genau jedes unbedeutende Symptom betrachten und besprechen und uns Wunder wie sensitiv und zart vorkom men, weil wir bei grauem Himmel uns weniger wohl fühlen, als bei Son nenschein, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir mit der Zeit ner vös werden und unsere Kinder unse rem guten Beispiele folgen. Es ist ja interessant, nervös zu sein! Junge Mädchen suchen manchmal eine wahre Ehre darin, ein so sensitives Nerven system zu haben, daß sie die geringste Anstrengung oder Ermüdung sofort angreift, sie können kein Blut, keine Wunde sehen; eine Schnittwunde oder eine sonst unbedeutende Verletzung, Welche sich der Bruder durch einen Fall oder unvorsichtiges dem Taschenmesser zugezogen hat, greift ihre Nerven so an, daß sie inOhnmacht fallen oder zu weinen anfangen., an- Patt helfend einzugreifen. Man ver wechselt nämlich oft das ewig Weib liche -mit alberner Nervosität und ver gißt ganz, daß die wahre, «dle Weib lichkeit darin besteht, jede Handlung, jede Hilfeleistung ruhig und liebevoll zu verrichten, tröstend und helfend bei der Hand zu sein, nur aus 'das Wohl der Anderen bedacht. Wenn Jemand ober nun unglücklicherweise theils von Geburt an, theils durch schlechte Erzie hung nervös ist, oder durch Krankheit wirklich nervenleidend geworden ist und gern wieder gesund werden möch te, läßt sich hier etwas thun? Ein wirklich zerrüttetes Nervensystem läßt sich schwer vollkommen wieder herstel nöthig, als ein nach den Regeln der Hygiene geführtes Leben, in dem Nah rung, Bewegung, Beschäftigung u. f. Bankerott zuvorzukommen. Ein Ner venkranker braucht viel Schlaf, die Be wegung soll nicht zu stark sein, ein Spaziergang, der den Kräften ange messen, viel Aufenthalt in freier, son niger Luft, aber ohne Ermüdung. Bäder, besonders Meersalzbäder, sind sehr zu empfehlen. Junge Mädchen in den Entwickelungsjahren sind beson ders dazu geneigt, nervös zu werden. Leider sind solche oft mit Schularbeiten Lberhäuft und haben wenig Bewegung und frische Luft. Dazu kommt noch jene physische und moralische Aende rung in ihrem Organismus, die beson wicht ist, manchmal vollständig erschüt tert. Das früher sakfte. liebenswür dige Mädchen ist mürrisch und unwil lig geworden; sie gibt unfreundliche Antworten und wird launenhaft. Es gehört viel Tact und Geduld dazu, hier den richtigen Weg zu finden, um das Mädchen vor einem völlig zerrütteten Nervensystem zu bewahren. Landluft, gute Kost, weniger Schularbeiten, ernste, aber liebevolle Vorstellungen und Ermahnungen vermögen viel. Es ist Zeit, daß unsere Frauen, die schon gegen so vieles gekämpft und in mehr als einer Sache den Sieg davon getragen haben, sich muthig gegen den Fainiliengliick und Lebenslust zu un Wtkgtiilrd. von Berlhold Paul Förster. Wist mal flapen, lütte Racker. Makst Du glieck de Ogen to! Kiek, de Mand stecht all an'n Heben, Un de Siinn geiht uk to Roh. lln de Blömings nicken lising. An de Wind, de snorkt sogor. Möd sünd nu uk Din Kledaschen, lln de Strümps slöpt bi den Schoh Wist mal slapen, lütte Racker, Makst Du gliek de Oogen to! Ein Biedermann, Herr (in eine Apotheke tretend): „Haben Sie ein gutesMittel gegen Neuralgie?" Apotheker: „Nein, dagegen kann ich Ihnen eigentlich nichts Rechtes em pfehlen!" Herr: „Dann geben Sie mir wenigstens Ihre Hand, denn Sie sind der anständigste Apotheker, den ich seit fünfzehn Jahren getroffen habe." Bedenklicher Appetit. Junge Frau: „Ach, Theodor, ich bitte Dich, esse doch nicht wieder so schreck lich viel sonst glaubt kein Mensch, taß Du mich lieb hast!" Wie o:e Z>enj'.on er- Nett. Jacob Stumpf war ein einfacher „Buschbauer" im nördlichen Wiscon sin, und außer seiner wöchentlichen Zeitung und dem gelegentlichen Gesicht eines seiner Nachbarn, von denen der nächste auch einige Meilen entfernt wohnte, sah und hört« »r nicht viel von der Welt, noch die ZMt von ihm. Als gen Süden "zu baute, da geübte habe das große Loos ge-ogen und be dürfe fürder nichts mehr vom Glück. Und zuerst ging °ja alles ganz schön, und Jacob hinterlegte im Laufe der 10 Jahre nach seiner Hochzeit mit Anne Marie ein schönes Sümmchen in der Hard Pen Bank in Kauketo, der County-Hauptstadt, das ihm ein Nothpfennig für alle Zufälle des Le bens fein sollte. Auf feiner Farm sah es von Jahr zu Jahr geordneter und wohlhabender aus, und er hatte sich so gar den Luxus erlaubt, einen kleinen -Weinberg amAbhange nach dem Flüß chen zu anzulegen, aus dessen Trauben er einen Wein kelterte, der, wenn ev sich große Mühe gab, sogar trinkbar war. Aber> dann kamen schlimme Zeiten. Während eines harten, langen Win ters verlor er beinahe seine gesammte Schafheerde, und dann schlug die Wei zenernte fehl, und im nächsten Jahre crepirten ihm seine besten zwei Kühe, und eine große Dürre trat ein und der Futtermangel nöthigte ihn, für theu res Geld Heu und Stroh selbst zu kau fen. Und dann fiel einst beim Holz fällen im Busch ein dicker Ast aus ihn und er brach den Arm und wurde auf Monate arbeitsunfähig, fodaß seine Frau einen großmäuligen Jrländer zur Aushilfe engagiren mußte. Auf diese Weise war es gekommen, daß Jacob Stumpf nicht allein seine sämmtlichen Ersparnisse aufbrauchen, sondern auch noch eine erste und später sogar eine zweite Hypothek auf seine Farm aufnehmen mußte. Es standen jetzt, da e» seit zwei Jahren auch nicht im Stande gewesen war, die vollen Zinsen zu zahlen, etwa 52,000 auf wußte genau, daß im Zwangsverkauf kaum so viel sür die Farm mit allem darauf bezahlt worden wäre. Und jetzt kam eine Zeit, wo der Gläubiger, ein Häuferfpeculant in Milwaukee, darauf drang, sein Anlehen in voller Höhe zurückgezahlt zu erhalten, denn er bedurfte das Geld im Geschäft. Ja cob war in einer schlimmen Lage. Ei nes Abends, nachdem er mit Bleistift und Papier die ganze Sache genau ausgerechnet hatte, sagte er zu seiner Frau, der rothwangigen, lebhaften Anne Marie: „Frau, es geht nicht mehr wenn ich meine Pension jetzt nicht bekomme, so müssen wir die Farm verlassen. Und was dann aus uns wird, das weiß ich nicht." „Ist es so schlimm?" frug die Frau, und ihre fleißigen Hände ließen Nadel und Zwirn, mit denen sie gerade eine schadhafte Stelle im Sonntags rocke ihres Jungen ausbesserte, mo mentan in den Schooß sinken. „Ja, ich habe es ausgerechnet selbst wenn wir gute Preise für unse ren Weizen und unsere Kartoffeln erhalten, bin ich noch um mindestens 5600 zu kurz, um die Hypothek und die Zinsen abzuzahlen. Nur die Pen sion kann uns noch retten. Es müs sen immerhin 53,000 bis 53,500 sein, Augenzeugen bei der Geschichte in An tietam sind, als ich die Fahne des Re giments rettete, das weiß ich nicht. chen. Ach!" Und Jacob Stumpf, des- Jack, der älteste Sohn des Paares, schon hatte ihm der Vater, auf fein Drängen, von der Heldenthat erzählen müssen, die Jacob Stumpf, der be scheidene deutsche Recrut, in jener blitzenden Augen hatte er immer zuge hört. Jack war ein flotter, waghalsi ger Bursche von 17 Jahren, und es er schien ihm eine Schande, daß Onkel auch seinem jungen Kopfe fiel kein'an deres Mittel ein, als die Pension. Am nächsten Morgen näherte er sich seinen Und wie willst Du denn hinkommen?" frug der Bater. „Das laßt meine geheimnißvoll. Und auf das Drän gen seiner Eltern entwickelte er denn auch seinen Plan. Er hatte ein Pony sein Eigenthum, das er bisher w-.x seinen Augapfel gehütet. würde ihm Mr. Peckham in Kauketo es ihm schon längst abtönn "ollen! Und in Chicago einen Freund, der im Bur .au der Baltimore 6: Ohio Bahn ei',,xn Posten hatte und de» ihm schon <lnen Freipaß hin- und zurück versofft,, werte. Und nach dem die lange hin und her er woger. worden war, gaben die Eltern Einwilligung zu dem Unterneh- Vater selbst war auf der Farm unent behrlich, also ließ man Jack ziehen. Der Junge mit seinen hellen, gescheid ten Augen würde schon das Richtige sehen, dachten sie. Und Jack verdiente auch dieses Zutrauen, denn für sein Alter war er leiblich wie geistig sehr gereist, dabei von gesundem Verstand und mit allem Muthe der Jugend. So entfernte sich denn Jack noch am selben Tage, denn die Zeit drängte in einem Monat schon war Zahlungs termin für die Hypothek. Als Jack sein Pony zum letzten Mal umarmte, da traten ihm doch die Thränen in die Augen, aber rasch wischte er die Nässe von den Wangen und bat nur Herrn Peckham. ihm das Thier wieder ziiin selben Preise zu verkaufen, im Falle er das Geld bald austreiben könne. und dem Kaufgeld für das Pony aus gerüstet, trat Jack die Reise an nach Washington, wo er seinen Eltern die Farm retten wollte. In Chicago aber erlebte Jack eine arge Enttäuschung. Sein Freund dazu hin, um Jack eine Freikarte nach Washington zu verschaffen. Doch be mühte er sich anderweitig, so gut er konnte, und zuletzt gelang es dem Freunde, den „Superintendent os Mails" in Chicago für das Schicksal Jack's und seiner Eltern zu interessi ren. Dem hohen Beamten gefiel der junge Bursche, und so that er denn.ein Uebriges und gab Jack die Erlaub niß, die Fahrt in dem Postwagen mit zumachen. „Eigentlich ist es gegen die Dienstregeln," bemerkte er dabei lä chelnd, „aber ich glaube, mein Junge, Du wirst meiner Empfehlung keine Unehre machen, und vielleicht hast Du während der Reise Gelegenheit, Dich nützlich zu machen." Jack machte sich denn auchinützlich.so viel er konnte, und die Postbeamten, die mit ihm im Wagen waren, gewan neii ihn alle lieb. „Sieh Jack, in ser großen Ledertasche sind 5600,000 von Onkel Sam's Gelde," bemerkte der Chef, indem er auf einen Winkel wies. „Halte die Augen offen und lasse ihn nicht fortkommen." Jack sah sich die Tasche sehr genau daraufhin an und achtete auch genau auf die Siegel da rauf und die Zettel. Während der Nacht schlief er auf der Tasche, und als der Morgen graute, da überzeugte er Zug dahin durch Indiana mit ei ner Geschwindigkeit von 40 Meilen die Stunde. Plötzlich dröhnte Alles um Jack herum —ein Geräusch erscholl, als seien alle Teufel der Hölle losgelassen. Jack war in die Ecke des Wagens ge schleudert worden, und halb betäubt ander von Stimmen Schreien, Schmerzensgeheul, das Kreischen von Weibern und Kindern. Ueber seinem Haupte drang ein Sonnenstrahl durch eine klaffende Spalte, die sich im Dache des Wagens gebildet. Sonst war Alles dunkel da rin die Lampen waren umgestürzt und erloschen. Die Postbeamten muß ten aus dem Wagen gesprungen sein— vielleicht waren sie auch todt, zu sehen waren sie nicht. Aber die Thüren wa ren zu, und Jack konnte sie nicht öff nen. Im selben Moment aber drang Brandgeruch unter seinen Füßen her vor. und der Rauch entwickelte sich in Wolken. Die Post brannte. Jack hämmerte an die ihm zunächst befind liche Thür, so stark er konnte. Der Wagen, in dem er war, mußte aber durch die Collision umgestürzt sein, denn die Thür war jetzt in anderer Lage. Er mußte gehört worden sein, denn sogleich erscholl dumpf von außen her das Schmettern von Azthieben ge gen die dicke Fütterung der Thür. Da dachte Jack wieder an die Ledertasche mit den 5600,000. Wie der Blitz warf er sich in die Ecke, und beim Glimmern desFeucrs. beim ungewissen Lichte der Sonnenstrahlen von oben, die sich einen Weg durch die dicker und dicker werdenden Rauchwolken zu bah nen suchten, fand Jack das Kleinod. Er überzeugte sich davon, daß es die ihn nur mit äußerster Anstrengung bis zur Thür schleppen. Als der lctzie Artschlag ein sußgroßes Loch in reichte Jack dem draußen ste henden Postbeamten erst den Sak durch die Oessnung. Dann zwängte er sich selbst durch. und neben ihnen stand Jack, dessen Ge sicht ebenfalls mehrere Wunden zeigte. Sie die dlni Eisenbahni'.nfaU und wie Jack allein sticht die Besinnung und den Muth im ersten Augenblick der Gefahr verloren, sonder erst die werthvolle Geldsen- eigenes Leben in Sicherheit zu bringen. Der Generalpostmeister klopfte ihn wohlwollend auf die Schul ter. „Du verdienst eine Belohnung, mein Junge," sagte er. „Was lann ich für Dich thun?" „Meinem Vater „Dein Wunsch soll erfüllt werden, mein Junge," bemerkte der General postmeistev, und noch am selben Tage fuhr er mit Jack, dem er auf eigene Kosten einen neuen, eleganten Anzug an Stelle des bei dem Unfälle be schädigten gekauft hatte, zu dem Pen sionscommissär, dem er den Fall drin gend an's Herz legte. „Als einen per sönlichen Gefallen gegen mich," sagte er, „für den ich mich erkenntlich zeigen werde, nehmen Sie sofort den Fall des Herrn Stumpf auf." Und der Com missi» hatte nichts Eiligeres zu thun, als dieser dringenden Empfehlung nachzukommen. Drei Tage später reiste Jack nach der väterlichen Farm zurück, diesmal nicht als blinder Passagier. Er hatte die Zahlungsanweisung sür die ge sammte rückständige Pension seines Baters in der Tasche. Und die Freude bei seiner Ankunft war groß. Jack kaufte natürlich sein Pony zu- Wer Hage aus LiM's Leven. i. Es ist Abend. Die ganze Familie, Vater, Mutter, zwei jüngere Brüder und die beiden Dienstmädchen stehen um die älteste Tochter herum, die heute zum erstenmal „ausgeht". Lilli hat ein rosa Mullkleidchen an, das mit rosa Rosen und rosa Schleifen ge schmückt ist. Ungeduldig klopft ihr Fuß auf den Boden; fiebernd erwartet sie die Droschke zweiter Classe, die Papa Geheimrath mit seinen Damen zum Ball fahren soll. Papa ist sehr stolz auf seine schöne Tochter, fast so verliebt wie ein junger Anbeter, der übrigens noch nicht vorhanden ist. Endlich ist man verpackt, nicht ohne daß Lilli ängstlich geschrieen hat, so bald ihrem Kleide eine Gefahr drohte. Aufsehen. Im Umsehen ist ihre Karte dem „Drachenfels" und empfängt strahlend die sauersüßen Glückwünsche über den Erfolg ihrer Tochter. Selbst Papa Geheimrath trennt sich heute von seiner geliebten Cigarre und sieht von der Thür aus zu, wie Lilli von Arm chen in den frischen Wangen fortwäh rend spielen. Beim Cotillon riskirt er sogar einen Walzer mit seiner schönen Tochter, was einen Sturm discret ge äußerten Beifalls zur Folge hatte. Längst kann sie die Menge der Blu mensträuße nicht mehr mit ihren etwas vertanzten Handschuhen fassen; auf ihrem Stuhl hat sich ein duftender Hü gel von angedrahteten Rosen, Maiblu men und welkendem Flieder gehäuft. Ihr eifrigster Tänzer ist ein junger, für sein Amt sogar sehr junger Lega tionsrath. Er gilt für einen Frauen kenner und ist wegen seines guten Ge schmacks berühmt. Die Damen sind glücklich, wenn er ihre Töchter aus zeichnet, was er übrigens höchst selten thut. Für gewöhnlich sucht und er ringt er seine Erfolge nur bei den jungen Frauen. Deshalb ist er auch bis jetzt gänzlich unverlobt durch alle noch so geschickt gestellten Fallen ge schlüpft. Heute macht er eine Aus nahme. Er ist sogar im Corridor,als sie mit der Mutter aus der Damen garderobe sonst Schlafzimmer der Tochter des Hauses tritt und bringt die Herrschaften bis an den Wagen. Das ist Lilli nicht einmal sehr angenehm, weil ihr Umhang aus einem alten Mantel der Mama zu rechtgeschneidert ist. Und während der Legationsrath Berg im Casö Bauer mit seinen Freunden die Da men des BalleS durchhechelt, wobei die schöne Lilli von allen das Zeugniß Nummer l bekommt, rattert Familie Möller selig nach Hause. Im elterlichen Schlafzimmer findet noch ein höchst angenehmes und weit in die Zukunft blickendes Gespräch statt, bei dem das mütterliche „Du sollst sehen, Lilli wird sich bald verbei rathen" nur ein Frömmelndes Einver ständniß findet. Der Papa ist. wie alle Väter von hübschen, siebzehnjäh rigen Töchtern, eifersüchtig auf fein Kind und möchte sie am liebsten im eigenen Hause behakten. Unterdeß drückt Lilli ihr müdes Köpfchen behaglich in d»e Kissen, froh ihrem Munde Ruhe geben zu können, der heute so eifrig geschwatzt und so schlagfertige Antworten gegeben hat. Dcr Duft der im frischen Wasser wie der auflebenden Blumen umschmei chelt sie freundlich, dicht an ihrem Kopf steht ein prachtvoller Rosenstrauß. Legationsrath Berg hat ihn ihr gege ben. Von Träumen umgaukelt, die so rosig sind wie ihr erstes Ballkleid, ver schläft sie ihren Triumph, den ersten, und gewiß nicht den letzten. Beim Aufwachen lächelt sie dem dem 2cl,en , > Z. Zehn Jahre sind vergangen. Sie sitzt unter den leise rauschenden Kiefern am Grunewaldsee. Zwischen den Stämmen schimmern helle Mäd chenkleider und sommerliche Herren anzüge. Die junge Welt spielt „Trit ten abschlagen", lacht, tollt und macht sich den Hof. Um sie hat sich Keiner gekümmert. Sie ist müde und allein. Zur großen Verwunderung der El tern und der Freunde und zum eigenen Erstaunen hat sie sich nicht verheira thet. Junge Leute haben ihr den Hof gemacht, aber Angesichts des relativ unbedeutenden Gehalts des Geheim roths wurde es niemals Ernst damit. Jahrelang ist Berg ihr eifrigster Tän zer auf den fünf oder sechs Bällen ge wesen, die sie in jeder Saison durchge um. Papa Gcheimrath riskirt immer noch ein Tänzchen mit seiner Tochter, aber es erregt kein discretes Beifalls gemurmel mehr. Es soll gewöhnlich eine Leere aus ihrer Tanzkarte ver stecken, wie sie sich bei der ewst gefeier schreckend ost eingestellt hat. Ihre Zunge, deren fröhliche Schlagfertigkeit früher entzückte, ist wegen ihrer Schärfe jetzt gefürchtet. Und sie ist sich über das alles klar sehr klar. Ihre Mutter hat ihr schon oft Vorwürfe gemacht, ihr Vater »in sorgenvolles Gesicht nicht versteckt, wenn er von ihrer Zukunft sprach. Was soll aus ihr werden, wenn er mal die Augen schließt? Vermögen ist nicht da. Die Jungens werden sich schon durch die Welt finden; aber sie, sie hat ja nichts gelernt, womit sie sich ihr Brot verdienen könnte. Also viel leicht Kinderfräulein oder Stütze der Hausfrau? lernte? Warum immer nur für hüb sche Ballkleider gesorgt, als <ob das das einzig Nothwendige für ein junges fallen! Denen steht alles offen, bloß Und Berg, der einzige von allen, die ihr den Hof gemacht haben, den sie geliebt hat den sie liebt warum spricht er nicht warum? tens hat sie die Geschichten, die er von seinen Reisen als Schiffsarzt erzählt, erst einmal gehört und weiß noch nicht, wickeln, drittens macht er ihr den Hof und viertens ja viertens kennt sie ganz genau die Ziffer seines jährlichen Einkommens! Höhne hat um die Erlaubniß gebe ten, sich neben ihr niederlassen zu dür fen. Es ist ein glücklicher Zufall, daß er sie allein getroffen, seit Wochen hat er etwas auf dem Herzen. Sie erröthet jäh und neigt das Haupt. Er stottert verlegen eine lang athmige Liebeserklärung und hat seine grauen Handschuhe gerichtet, die er zwischen seinen Fingern dreht. So bemerkt er nicht, wie das Gesicht neben ihm blasser und blasser wird. Furcht bare Minuten, wenn der Verstand dem Herzen das Jawort abringt! Sie mußte es ja thun! Er bot ihr Alles, ! worauf hin man sie erzogen hatte: die Ehe als eine gute Versorgung einen Namen, sein Haus eine Stellung in der Gesellschaft denn ein altern des Mädchen hat keine. Sie ist eine lästige Zugabe, die man gern mal bei einer Gesellschaft „aus Versehen" ver gißt, die man dem Herren bei der Tischsiihrung zutheilt, auf den man die wenigsten Rücksichten zu nehmen dert, in Angst und Qual und Unge wißheit. Plötzlich ist es. als ob ein Schleier von ihrem Gesicht abfalle. Ihre Blicke hängen an einer Männergestalt, die an der Seite eines sehr jungen, hübschen Mädchens aus dem Walde auftaucht. Es ist Berg. Er spricht angeregt und heiter mit der Dame; er umgibt sie mit jener ritterlichen Aufmerksamkeit, die er früher für Lilli hatte. Jetzt sieht er sie. Mit höflichem, freund schaftlichem Lächeln nimmt er den Hut ab; die brennende Qual in den einst so lachlustigen braunen Augen bemerkt er nicht. Ruhig geht er weiter. In demselben Augenblick fühlt Hohne die Hand der Nachbarin auf seiner. „Lassen Sie uns meine Eltern aufsuchen," murmelt Lilli, „und geben Sie mir Ihren Arm!" Mit stolz erhobenem Haupt und leicht geratheten Wangen geht sie an ihrem früheren Verehrer vorbei. Eine halbe Stunde später sind sie, ihr Bräutigam und die Eltern von glück wünschenden Freunden umringt, die Lilli herzlich umarmen, Höhne die Hand und daS suchen. Beim Weggehen sagen sie un tereinander: „Nein, diese Lilli! Wer Würde gedacht haben, daß sie noch ein „Und Berg? Was sagt denn ihr alter Anbeter dazu?" „Bah, der ist viel „Hat das Mädchen ein Glück! Wie alt ist sie eigentlich?" 3. " ' Aus dem alternden Mädchen ist eine junge Frau geworden. Sie sitzen zu dritt beim Mittags mahl: sie, ihr Mann unt»-Berg. Die beiden Herren sind Corpsbrüder und Grunde nicht ausstehen. Berg hält seinen Wirth für einen vulgären Bur schen, der es stets versteht, Andere für sich bezahlen zu lassen, und Doctor Höhne seinen Gast für einen eingebil deten und hochmüthigen «Menschen. Trotzdem hat Berg bei den jungen Leuten Besuch gemacht, und trotzdem ist er sofort zu einem gemüthlichen Mittagessen eingeladen worden. Im Grunde hat Berg sich doch über Elisa beths Verheirathung geärgert und ihre Wayt unbegreiflich gefunden. Ver stohlen streift er seine Nachbarin mit blaß, aber wieder sehr hübsch aus. Die scharfen Fältchen um den Mund sind verschwunden und haben einer weichen Frauenhc»ftigke!t Platz gemacht; auch sie ist nicht mehr so lebhaft wie früher und überläßt ihrem Mann das große Wort über die zurückgelegte Hochzeits reise. Bei Tisch ereignete sich ein kleiner Zwischenfall. Der Doctor vermißte ein Salzfaß, und Frau Elisabeth er wäre eben die Pflicht einer Hausfrau, auf ihre Wirthschaft zu achten. Sie lächelte und antwortete nichts Berg gen. Dann stand sie auf, um im Ne benzimmer den Kaffee zu bereiten. Die Herren blieben noch ein wenig bei schen. hT> t ch' es mir nach. Du glaubst gar nicht, wie hübsch es ist, eine Frau zu haben." „Also ihr paßt vorzüglich zusam men?" „Natürlich, das habe ich auch gar nicht anders erwartet. Weißt Du, Frauen muß man gleich richtig erzie hen. Zuerst wollen sie immer hoch hinauf. Mondscheinschwärmen, Göthe citiren, die letzte Kirche durchstöbern und einen mit ästhetischen Problemen langweilen da babe ich ihr gleich gründlich meinen Standpunkt klar ge macht. Nie hat sie mich wieder mit solchen Sachen gelangweilt. Ich bin wirklich sehr mit ihr zufrieden. Na, nun wollen wir Kaffee trinken." Drüben ging der Doctor, um den Liqueur zu besorgen. Die Beiden wa ren allein. Sie schwiegen unsicher. Zwischen ihnen stand so Viele« was nie ausgesprochen worden war und was sie doch innerlich fühlten. Enl.lich entschloß er sich zu reden, irgend etwas Gleichgiltiges. macht baben! Ich erinnere mich, es war immer Ihr Wunsch, Italien zu sehen. Sind Sie mit Ihren Ein drücken zufrieden gewesen?" „Nein. So vieles im Leben hat man sich schöner gedacht, und so vieles nicht so schlimm." Sie ordnete fühl. „Sind Sie glücklich, Frau Lilli?" fragte er leise und beugte sich ein wenig vor. er j j hs, K. ganze Bild: jene schreiende, billige Eleganz derßerliner Miethswohnung, auf dem Tisch die leere Flasche und dem sein billiger Schaumwein zu Kopf gestiegen war und der den Arm zeit lich um feknc junge Frau geschlungen batte, während sie mit dem Ausdruck trostloser Müdigkeit vor sich hin starrte. Unten auf der Straße knöpfte sich Berg fröstelnd seinen Ueberzieher zu. „Eine unglückliche Ehe mehr," mur melte er. „Was wird das Ende sein? 4. tet iin neuen, fruchtbaren Leben. Ein Herr kommt ihr entgegen, dessen ernstes Gesicht nicht vom Frühling spricht. Scharfe, von der Arbeit ge un>- araue «der man erzahlt ltch, dax er nächsten» Minister wird. Er ist schon an ihr vocüii, als er plötzlich stutzt, einen Au- w' kl'ck S' "d'. ! ben Stadt Sie haben sich ' gar nicht verändert/ Sie lächelt und schweigt, denn sie kann seine Höflichkeit nicht erwidern. Er sieht sie mit einem langen Blick an. „Tie müssen glücklich geworden sein," sagte er, ohne daran zu denken» chen Worte gebraucht hat. „Ja," sagte sie einfach, „und Sie?" „Ich habe keine Zeit, daran zu den ken aber ich glaube, nein." „Und warum nicht? HabenSie nicht alles erreicht, was Sie sich als junger Mann vorgenommen hatten?" „Was hatte ich mir denn damals vorgenommen, gnädige Frau?" würden nicht eher zufrieden sein, bis Sie Minister wären und wenn man den Zeitungen glauben soll —" „Wie lange mag das wohl her sein?" fragt er bitter. „Ja, damals war es noch Frühling!" noch begeistern, damals trat alles, was schön war, in mein Leben. Aber ich dachte nur an meine Zukunft und an „Man wird nicht eher glücklich, bis man gelernt hat, sich selbst zu verges sen und für andere zu leben," antwor tet sie mit ruhigem Ernst. Sie beugt sich zu dem kleinen Mäd chen herab, das unterdessen seine Hand in die ihre geschmiegt hat, dann wen det sie ihre frauenhaften, großen Au gen zu ihm. „Adieu," sagt sie freund schied. Hand, durch den knospenden, grünen Wald schreitet. Dann wendet er sei nen hastigen, trockenen Schritt eilig thöricht sein kann!" Und lächelnd schüttelt sie wieder den Kopf. Drei Edle. Beide, zerrissen und abgeschabt, Spotteten Einer des Andern. Habegehabt baut' nimmermüd' Der Erinnerung Brücke, Werdehaben pfiff sich ein Lied Von zukünftigem Glücke. Trafen sie lachenden Angesichts Einen neuen Begleiter, Nannte sich Herr von Habenichts, Zog mit den Andern weiter. Zogen zusammen durch Stadt und Land, Und mit grimmigen Mienen Stritten die Drei da miteinand': Ulliwthige Frage. „Spund", „Faß" und „Loch" drei fidele Commilitonen, haben einen Ausflug nach einem etwas recht weit entlegenen Bierdorfe gemacht. Der Weg dorthin führt an vielen Gasthö- Wunder, wenn er erfährt, daß die drei Studenten zwar im Bierdorf,daS zugleich Bahn-Haltestelle ist, ankom men, aber just zu einer Zeit, da der letzte Zug nach der Universitätsstadt bereits zur Abfahrt bereit steht. Im Begriff, einzusteigen, schwanken die Drei an der Locomotive vorüber. Be sorgt ruft Spund dem Führer zu: .Ja, Herr Locomotivführer, wissen Sie ooch den richtigen Weg? Wir ha ben Sie nämlich keene Ahnung da von!" Schlecht ausgeredet. Frau (zu ihrem betrunken heimkom menden Manne): „Du kommst heute in einem schönen Zustande nach Hause; sage mir nur, wie Du Dich so betrin ken konntest?" Mann: „Ich hab' un seren Wirth tröste» müssen, weil ihn sein Hausherr mit der Pacht gestei gert hat." AuS einer Vertheidi gung. Vertheidiger: „Ich bitte wei te. da seine Frau daheim sofort er nüchternd auf ihn wirkte." Confervativ. Kellner: Wünschen Sie Confect oder Käse zum Desert? Bauer: Beileibe nur ka' Huzel! Bring'n S' mer lieber a Paar Backsteinkaas! Folgerichtig. Die Ehen von heutzutage sind mir ein Räthsel!- „Ganz richtig, Frau Räthin sie werden aber auch häufig genug auf gelöst!" Gerechte Entrüstun g.— Gläubiger (zum Schuldner): „ Und' jetzt wollen Sie gar eine Frau ohne Geld beiratben?! .. . Sie sind eir Scha-dn»!"
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