2 Aer Lieutenant Btuö. Uwe New Lorke Tlizj« von ZZ. v. Schier. Im CasS Teutonia an der Bvwery war gerade der Lieutenants - Club ziemlich vollzählig versammelt. Ei gentlich war das nicht der Name, aber er war allgemein unter demselben be lichere Mittel aus als es sonst der Fall zu sein pflegte. Eben hatte Lieutenant Graf Schleiden den fünften Cognac bestellt. Er war in Folge dessen etwas »müstrter Stimmung, und seine Stim me hatte momentan den eigenthümlich schnarrenden Ton von früheren Glanz zeiten wieder erlangt. „Aeh, Kamerad —aus Ihr Wohl!" war, mit einer unnachahmlichen Be wegung des Halses auf eine« Schluck hinunter. Der „Kamerad" drüben als Of ficier in der Festungsartillerie „aus gespielt" und hier ein vorläufiges Du nkelleben als Privatlehrer fristend verbeugte sich stumm. Sein« Mittel er laubten ihm augenscheinlich nicht, dem Beispiele des Anderen zu folgen. Da wurde an die Thür des Hinter zimmers, in der die Gesellschaft zu mit den Knöcheln ausgeführt, gege ben. „Ist's erlaubt, meineHerren?" raun te ein Brummbaß, zu dem ein mächti er unter dem Deckmantel großer Bär beissigkeit ein weiches, kindliches Herz im Busen trug. Im Civilverhältniß war er Pferdebahnkutscher. „Ich brin ge heute einen Rekruten, meine Herren einen lieben Kerl, der an mich empfohlen ist Herr Aloysius Von Pechschwarz, Lieutenant a. D. im KS ten Dragonerregiment. Und ich wollte mir die Frage erlauben, ob die Herren Kameraden nicht eine passende Stellung wüßten." „Kann er Englisch sprechen?" frug der ehemalige Artillerie - Officier. „Kein Wort." «Hm." Graf Schleiden spannt« sein Mo nocle, das er jetzt nur noch in beson der« feierlichen Momenten aufzusetzen pflegte, in'Z linke Auge und musterte den Neuankömmling. Es war ein schmucker Mensch nur etwas blaß und übernächtig sah er aus. „Aeh Herr Kam'rad", schnarrte rr dann, .wenn nicht Besseres kriegen können, will mich für Sie beim 80ß verwenden Pferdestall Livery Stable nennt man's hier in dem lan desüblichen Kauderwälsch - genügt »ielleicht für den Anfang allerdings, schön ist anders. Na, wenn nichts Bes seres sprechen Sie bei uns vor." Herr von Pechschwarz verbeugte sich dankend. Und darauf trank man noch einige gemeinsame Cognacs und dann wurde ein kleines arrangirt— allerdings nur sehr bescheiden, aber raffinirt Poker verstanden sie alle— diese amerikanische Errungenschaft hatten sie sich fabelhaft schnell angeeig net. In dem großen Bölkerschmelztiegel, den man Amerika nennt und zu dem New Kork die Retorte bildet, nahm der Lieutenants - Club nur ein sehr be scheidenes Plätzchen ein. Aber interes sant war er doch, dieser Club. Die drei großen >V Wein, Wei ber und Wetten hatten fast sämmt liche Mitglieder nach den Gestaden Columbias gebracht. Der Präsident, der thatsächlich einmal den Rang eines Majors bekleidet und es sich in seinen jungen Jahren wohl nicht hatte träu men lassen, daß er einst in New Aork eine Zeitungs - Runde selbst betreiben werde, war nicht allein sehr stattlich und seinen Repräsentations - Pflich ten in vollem Maße gewachsen, sondern er stand sich auch ganz gut «machte Veld"; seine Einkünfte durch den Ver trieb der täglichen und wöchentlichen Zeitungen beliefen sich viel höher als die eines Obersten in der deutschen Ar mee, bis zu welchem Grade er jetzt wenn Schulden ihn nicht zum Abschied gezwungen wohl aufgerückt wäre. Nur in diesem sympathischen Kreise wurde er stets bei seinem ehemaligen MilitärCharacter und bei seinem voll „Mehdscher". Der Kassier des Clubs hatte die schwerste Stellung eine permanente Oede in seiner Kasse ließ seinen Titel beinahe wie Hohn erschei nen. Aber er war ein guter Kerl, und Bei dem Präsidenten und dem Kas per des Clubs sp»achen der biedere Pe ter von Arragonien und sein Grüner, te Anstandsvisiten. Der Präsident en gagirte den Neuen an Stelle seines so die Woche gab. Als Herr von Pechschwarz sein er stes Salar erhalten, trug er es pflicht schuldigst nach dem Cas« Teutonia in den Club. Es ging hoch her an jenem Abend, aber beim Poker, obwohl es ZUtl »N zmu'U-r UuUt" gespitlt S»rd, verlor der junge Mann seine« ge sammten Reichthum. Das machtt ihn vorsichtig für die Zukunft. Bunt „zusammengewürfelt" konnte man den Club eigentlich nicht nennen. Im Gegentheil, er war sehr homogen seinem Ursprünge nach; sie waren drü ben alle „activ" gewesen, und daS gab das gemeinsame Band für sie ab. Aber in Hrem„Civilverhältniß" hier in Amerika da waren sie allerdings sehr verschieden geartet. Es gab Pfer debahn - Cvnducteure und -Kutscher, Sprachlehrer, Clerks, Hausirer, In haber kleiner Läden in „Kleindeutsch land", d. h. in dem Gebiete abseits der Grand Street; ja sogar einige Kellner waren unter ihnen. Kurzum, die Her ren Mitglieder „schafften" in allen möglichen Branchen. Dies verlieh dem Club auch ein ganz eigenes Gepräge. Den ausschlaggebenden Einfluß besa ßen die Herren, die auf irgend eine Art mit dem edelsten Geschöpf, dem Pferd, zu thun hatten, und aus diesem Grunde sonnte sich auch Gras Schlei den in der vollen Gunst des ganzen Clubs, denn er war Reitlehrer und Manager eines größereu Livery Stable. DiePser'de - Anecdoien fanden auch immer den größten Beifall. .Denkt mal, Ihr Herren, was mir gestern paf sirt ist", sagte Peter von Arragonien an jenem Samstag Abend, als Herr von Pechschwarz „Lehrgeld" bezahlt hatte, „Ihr wißt, ich habe zwei ehema lige Armeegäule von Fort Hamilton zu kutschiren. Gestern fahren wir ge rade amßowery Theater vorbei, als ei ne Truppe Unionsoldaten natürlich Waren's nicht echte, sondern nur zur Reclame für das laufende Militärstück Aufstellung nahmen, aber fragt mich nur nicht wie! Meine zwei Brau nen, ihrer Militärzeit eingedenk, schüt telten schon von Weitem mißbilligend ihre weisen Häupter. Als sie aber sa hen, wie der eine Kerl seinen Schieß prügel verkehrt, beim Laufe, faßt, da war kein Halten mehr. Sie gingen „Hahaha!" lachte Graf Schleiden, der Einzige, der sich für die Geschichte begeistern konnte. Eines Tages wurden zwei Neulinge eingeführt Hans von Wedel und Hans von Schleinitz, beide ehemalige Lieutenants. Sie waren aber ganz un gewöhnlich verlumpte Menschen, und es stellt« sich später heraus, daß sie we gen Betrügereien und falscher Wechsel den Dienst hatten quittiren müssen. Sobald das ermittelt worden, fand eine Jndignations-Ver sammlung des Clubs statt und die Beiden wurden, da die Beweise er drückend waren, schimpflich ausgesto ßen. Zeugniß gegen sie hatte auch na mentlich der junge Pechschwarz abge legt, und deßhalb warfen die Beiden einen tiefen Haß auf ihn. Sie wurden beide Kellner in einer großen Bier wirthschaft, und als eines Abends zu fällig Herr von Pechschwarz mit einem Freunde dort war, insultirten ihn die Zwei gröblichst, und als der Beleidigte darauf den Einen, Wedel, eine saftige Ohrfeige applicirte, da wurde er von dem Verhauenen gefordert. Darüber saßen die Väter des Clubs, als Ehrenrath versammelt, denn auch am nächsten Tage ernsthaft in Bera thung. Sie ließen Herrn von Pech schwarz in Ansehung der Thatsache, daß man sich in einem freien Lande be fand, ganz die Wahl, ob er annehmen oder refüsiren solle. Der Zweikampf fand auch wirklich statt auf Pisto len, sogar geladene. Das Schlachtfeld war unweit Union Hill in New Jer sey. Aber es wurden nur einige Löcher in die Natur geschossen. Indessen hatte die „schneidige" Manier, in der sich der junge Pechschwarz in der Affaire be nommen, ihm doch einen gewissenNim scher" noch viel beliebter gemacht. Bei dem Töchterlein des Letzteren, vie noch in Deutschland erzogen worden war che kürz zu fassen, will ich nur noch er wähnen, daß aus den Beiden ein Paar wurde und als später der junge Pech schwarz drüben eine alte Erbtante Deutschland zurückgefahren und „steht sich" jetzt ganz gut, denn die rauhe Schule in Amerika hatte dem jungen gegangen. Ob seitdem ein neuer der artiger Verein gegründet ist, weiß ich nicht. der war, weil sich die Herren Mitglie der aus allen Theilen Deutschlands rekrutierten, und in au^h alle aus Princip mitmachte, und das war Graf Schleiden, der ein alter Junggeselle war und dessen Mittel ihm dies gestatteten. Außerdem aber auch war seine Gegenwart unerläßlich dabei, da er der größte Kenner über Zuberei tung einer Bowle war. E hatte sich in Amerika ein eigenes Recept erfun den kalifornischen Rothwein, Mis souri Weißwein, und Sect (New Jer sye:). DaZ Z:ug in ;icht:z:n Dosen und mit Zugabt svn Orangen. Ananas etc. einen göttlichen Stoff. Leider ist mit dem Austinanderfallen deS Clubs auch diese Wissenschaft für Amerika verloren gegangen. Wo sie jetzt wohl weilen mögen, die Mitglieder des ehemaligen Lieute nants - Clubs? Die neue Köchin. die Trennungsstunde naht heran, da erscheint der dienstbare Geist und fleht Einen an, ihr doch zum Abschied ein Zeugniß zu geben, gu tes," ihr nicht Möglichkeit zu nehmen, «ine neue Stellung zu erhalten, sie fei willig und hätte so große Lust zum Arbeiten; wenn es ihr trotzdem nicht gelungen sei, unse;e Zufriedenheit zu erlangen, so läge das eben daran, daß das Fleisch oft sei als der Wille. Wir sind alle Menschen, und des Menschen Herz wird durch eine weibliche Thräne nur zu leicht gerührt so überlegt man sich denn die Sache ermordet hat sie uns nicht auch nicht vergiftet mit ihrer Kocherei bestoh len, wenigstens mit unfer«m Wissen, auch nicht entzweigeworfen auch nicht mehr als jede Ander« so läßt man denn Gnade vor Recht ergehen und schreibt in ein«r schwache«, Minute mehr Gutes, als die Donna Uraka ick einem ganzen Leben verdienen kann. Gegen sehr gute Zeugnisse bin ich mißtrauisch, und so entließ ich denn die Bewerberinnen mit dem Bescheid, sie möchten mal wieder Vorfragen. Als wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, etwas Passendes zu finden, er« schien zu allerletzt noch ein junges, hübsches Mädchen, das in ihr« schnee weißen Kopfhaube, ihrem sauberen, roth- und gelbgestreiften Kattunkleid, ihrer reinen Schuhen, die einen nicht zu großen Fuß bargen, einen sehr net ten Eindruck machte. Wir lesen die wenig „Können Sie denn auch kochen?" fragte meine Frau. „Etwas," lautet die Antwort. Das klang wenig vertrauener weckend. „Was n«nnen Sie „etwas?" „Die sogenannte einfache Küche." Das klang schon besser, Fasanen mit Kastanien, gebacken« Seezunge mit Trüffeln und ähnliche Delikatessen ißt man ja nicht all« Tage, wenn man nicht den Vorzug hat, ein Fürst dieser Welt zu sein. Ueberhaupt machte Eli sabeth, so hieß die Jungfrau, einen verständigen Eindruck ruhig klar besonnen nicht viel Ge rede und Gegröhle, wie bei den anderen Bewerberinnen. Meine Frau sah mich fragend an, und ich steckte meine Cigarre in die rechte Mundecke das war das zwi schen uns verabredete Zeichen rechts hieß ja links nein, in der Mitte: überlasse die Ent/cheidung Deinem Er messen. mit ihr verabredet worden war: fünf zig Thaler Lohn, steigend von Viertel jahr zu Vierteljahr um weitere fünf Thaler bis zu einem Höchstgehalt von hundert Thalern vierteljährliche Kündigung, jeden dritten Sonntag Ausgehtag. Elisabeth war damit ein verstanden und schwur, sich die größte DaS nächste Mal würde es schon besser gehen. Aber leider ging es am nächsten mir eins meiner unzähligen Leibge richte: Beefsteak mit Champignons be stimmt hatte. Dieses Mal ergrimmte ich in gewaltigem Zorn, und in nich! mißzuverstehender Art und Weise sprach ich mich mit Fräulein Elisabeth aus. Aber mein Zorn machte auf sie nicht den leisesten Eindruck, sie ließ llüch, chne auch nu: luci.e zu eiu>,r Widerrede zu machen, ruhig aui reden und sagte dann höflich, aber bestimmt: „Der gnädige Herr-thun mir Unrecht ich habe nur gesagt, daß ich die ein fache bürgerliche Küche kochen kann einfache Bürger essen aber keine Cham pignons." Da hatte sie Recht, und beschämt ob der ihr ungerechterweise gemachten Vorwürfe ging ich ,in das Hunger an der sogenannten Studen tenspeise: Knackmandeln und Rosinen. Die Zeit ging dahin, und selbst Neid und Mißgunst mußten es der guten Elisabeth lassen, daß sie sich die red lichste Müh« gab, kochen zu lernen. Sie las und studirte alle Koch- und Receptbücher, die jemals zusammenge schrieben worden sind, und Abends vor dem Schlafengehen riß sie ein Blatt von dem Abreißkalender und las mit einer Andacht, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre, die auf der Rückseite angeführten Menüs und Re cepte. Aber kochen lernte sie deshalb doch nicht nach vier Wochen hatten wir jeglichen Versuch, es ihr beizubringen, aufgegeben, und als ich gezwungen war, eine Gesellschaft zu geben, wollte ich schon über der Eßzimmerthür den Spruch anbringen lassen: „Laßt alle Hoffnung hinter Euch, Ihr, die Ihr hier eintretet!" Aber die rettende Hand einer Kochfrau ließ es für dieses Mal bei der Absicht bleiben. An den Tagen, an denen meine Frau es irgendwie mit ihrer Zeit und ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen vereinbaren konnte, kochte sie selbst, und nur, wenn sie selbst daran durch unaufschiebbare Beschäftigungen ver hindert war, kochte Elisabeth den Brei viel was anderes kam unter ihrer Herrschaft aus den Töpfen nicht her aus. Natürlich trugen wir uns schon lange mit dem Gedanken, ihr zu kün digen, und zu rathen, sich ein neues Reich zu suchen. Aber man tonnte sie doch nicht ohne Weiteres entlassen man mußte doch einen Grund haben. Sie war fleißig, willig, treu und ehr lich und leistete, was sie zu können an gegeben hatte. So umschlichen wir sie. wie das Raubthier seine Beute und er sehnten den Augenblick, wo wir frei nach Busch zu ihr sprechen konnten: „Nun ist's vorbei mit der Ki-Ka-Ko cherei." Und die Stunde kam, da sie unS eine Schüssel gänzlich verbrannter Bratkartoffeln auf den Abendbrodtisch setzte. Ich hätte sie küssen mögen we gen dieser Schandthat. Ich ging in die Küche: „Sind Brat kartoffeln ein bürgerliches Gericht? Ja oder nein?" .Ja." „Gut, so kündige ich Ihnen hiermit kraft meines Amtes den Dienst." Sie erwiederte gar nichts, sondern machte sich an dem Herd zu schaffen, an dem sie schon so viel Unheil ange richtet hatte. „Sie haben mich doch verstanden, Elisabeth?" fragte ich vorsichtshalber. „Aber?" fragte ich. nicht kündigen heut« ist der sieb zehnte Februar am ersten Januar bin ich mit vierteljährlicher Kündigung in den Dienst getreten, folglich brauche ich nach dem Gesetz erst am 1. April eine Kündigung zum 1. Juli anzuneh men." „So lange wollen Sie noch für uns kochen?" rief ich erschrocken, „Kind, daS kann Ihr Ernst nicht sein!" „Doch, gnädiger Herr." lautete die Antwort, „ich bin mir keiner Schuld bewußt wenn Sie nicht mit mir zufrieden sind, so liegt das nicht an mir warum haben der Herr mich engagirt?" Wie oft fragt man sich nicht in sei nem Leben, wenn man eine Dummheit schwer leidet: „warum, warum?" Und alle sieben Weisen zusammen ver möchten keine Antwort zu geben. Warum hatte ich sie in den Dienst genommen? Wußte ich's? Vielleicht weil sie eine saubere Haube trug, viel leicht weil sie ganz hübsche Füße hatte vielleicht ihres Zeugnisses, vielleicht ilfres gelb- und rothgestreiften Kleides wegen. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber der Magen nährt sich von dem, was im Kochtops ist. Ich versuchte, mit ihr zu unterhan deln, aber in ihrer ruhigen, bestimm ten Art und Weise, die mir zuerst so an ihr gefallen hatte, und die ich nun verwünschte, stellte sie Bedingungen härter als die bei der Capitulation von Metz und Paris zusammen: Gu tes Zeugniß, Auszahlung des vollen Lohnes einschließlich der vierteljähr lichen Zulage von fünf Thalern, lung einer täglichen Gebühr von einer Mark für Verpflegung bis zum 1. Juli, außerdem so lange auf meine Kosten ein Inserat in allen am Ort erscheinenden Zeitungen, bis sie etwas Passendes gefunden. Darauf einzugehen, verbot mir der Kassenbestand meiner Börse, und so aing sie siegreich aus diesem Kampfe hervor. Und sie kochte fortan, ob absichtlich oder aus angeborener Talentlosigkeit, weiß ich nicht, von Tag zu Tag schlech ter. Wie der zu langjähriger Kerkerhaft Verurtheilte die Minuten und Secun den bis zu dem Tage zäblt, an dem ihm die goldene Freiheit zurückgegeben wird, so zählten wir die Minuten bis zu dem Tage, an dem Elisabeth von dannen ziehen würde. Und wie die kleinen Kinder am Tag nach Weih nachten ihre Hände falten und jauch zen : „Dreihundertvierundsechzigmal werden wir noch wach, heissah, dann ist Weihnachtstag!" so rief ich jeden Abend frohlockend: „Ss und so viel mal wirst du noch wach, heissah, dann lch Kündigungstag!" Unter diesen frommen Wünschen und Gebeten verstrich die Zeit, und der März kam heran und neigte sich wieder seinem Ende zu, als ich gezwungen wurde, eine Dienstreise zu unterneh im letzten Äugenblick, als sich der Ei senbahnzug schon in Bewegung gesetzt hatte, nochmals ein, ja nicht zu verges sen, am ersten April dem Mädchen zu kündigen. „Beruhige Dich," gab sie zurück; „ich leide selbst viel zu viel unter der Kocherei, um nicht daran zu denken sei ganz unbesorgt!" Aber als der erste April in's Land geschehen ist!" Eine Stunde später kam die Ant wort: „Habe soeben in Gegenwart des Telegraphenboten gekündet." Ich athmete aus, wie von einer schweren Last befreit, und im Vorge fühl des höchsten Glücks genoß ich jetzt des schönsten Augenblicks; ich bestellte mir ein ausgezeichnetes Diner, trank die schönsten Weine und war so lustig, zu sein vermag. Acht Tage später war ich wieder zu Haus, und nach Verlauf einiger weite ren Wochen inserirten wir auf's Neue in den Zeitungen, schrieben an Ver miether und Vermietherinnen und thaten alles, was in unseren Kräften stand, um dieses Mal eine wirklich gute Köchin zu erhalten. Und der Himmel hatte ein Einsehen; wir fan den eine Küchenfee, der ihre Herrschaft, die zum ersten Juli ihren Wohnsitz nach einer anderen Stadt verlegte, das beste Zeugniß gab. Meine Frau ging, um sich noch persönlich näher zu erkun digen, und kehrt« heim, des Lobes voll. So kam der erste Juli heran der Tag der Erlösung und Befreiung. Gewöhnlich ziehen die neuen Dienst mädchen ja erst am Abend zu, aber da Maria, so hieß die Erwählte, in der Stadt fremd war und nach dem Fort zug ihrer Herrschaft keine Stelle hatte, wo sie ihr Haupt betten konnte, so trat sie schon Morgens an. Und nun geschah etwas ganz Uner wartetes! Elisabeth verweigerte Ma ria den Eintritt in ihr Reich, kampf bereit wie ihre berühmten Namens schwestern standen diese beiden Köni ginnen über Kessel und Töpfe sich ge genüber. „Denk' Dir nur, sie will nicht ge hen!" Athemlos flog meine Frau in mein Zimmer, mir die Schreckensmär zu verkünden. „Ist die Dirne denn verrückt gewor den?" fragte ich, „haben ihre ewig an gebrannten Speisen ihr Gehirn ver brannt?" Und ich ging die Treppe hinab, um zu sehen, was denn eigent lich los sei. Mit gerötheten Wangen, in der Rechten einen Schaumschläger, in der Linken eine hölzerne Kuchenrolle, stand Elisabeth in der Küchenthür ihr ge genüber Maria, kampfbereit den Re genschirm in der Rechten, den Son nenschirm in der Linken. donnernder Stimme, und der Weg war frei. „Und nun sagen Sie mir, Elisabeth, warum wollen Sie nicht gehen?" und bestimmt, daß ich anfing, irre zu werden. „Ihnen ist nicht gekündigt worden?" „Nein," sagte sie. Recht, mir zu kündigen die Kündi gung ist ungiltig! —Hier steht's!" Und aus ihrer Tasche zog sie ein Zeitungs blatt, in dem im Briefkasten auf eine Frage die Antwort ertheilt wurde, daß nur der Hausherr das Recht hätte, ei nem Dienstboten zu kündigen. Da stand ich nun mit meiner Weis- Mein erster Gedanke war: Was die Zeitung sagt, ist nicht wahr. Ich er griff meinen Hut, gebot bis zu meiner Rückkehr Waffenstillstand und eilte zu dem ich den Fall vortrug. „Allerdings" sagte er „ist mir eine richterliche Entscheidung bekannt, deordnung bei dem Punkte der Kün digung nur von der „Herrschaft" sprickt, womit entweder das Familien gemeinsam gemeint sein können. In dessen steht doch in Frage, wie die hö here Instanz das auffassen würde. Wenn Sie sich also von Ihrem Mäd mich Recht bekäme! Das würd/mich lächerlich machen! Ich möchte wissen, was Ihre Rechtsmemung in diesem habe?" „Das kommt eben auf die Meinung des Richters an." „O du weiser und gerechter Rich" aber was hilft's ich muß ver suchen, noch weiser und gerechter zu sein. Ein müder Mann, kam ich zu Hause wieder an und berichtete. Meine Frau War empört. Einen Proceß wollte sie aber auch nicht. Es hieß also, Elisa beth mit Anstand los zu werden. Ich ließ sie zu mir kommen und un mit dem General Wimpsfen. Sie war hart wie Eisen, kalt wie Eis, unbeweglich wie der Montblanc. So griff ich denn in die Tasche und zahlte, was sie begehrte: Lohn für ein Vierteljahr in meinem Dienst fünfzig Mark, für die Monate Juli, August und September Verpflegungskosten neunzig Mark. Alles in allem ein hundertfünfundfünfzig Mark. Da merkte ich erst, wie theuer mir Elisabeth durch ihren Aufenthalt bei uns geworden war. Viele Jahre sind seitdem vergangen, Maria ist noch immer bei mir im Dienst. Zwar ist auch sie nicht der Inbegriff einer guten Köchin aber die Erfahrungen haben mich klug ge macht. Keine Macht der Erde bringt mich dazu, ihr zu kündigen und eine neue Köchin zu engagiren. König und Feldwebel. Als König Ludwig der Erste von Bayern einst bei seinem Sohne, dem Athen zum Besuch weilte, begegnete er einem traurig dreinsehenden dicken Feldwebel, der mit den bayerischen Truppen nach Griechenland gekom men war. „Schlecht, Euer Majestät", erwiderte mit grämlicher Miene der Feldwebel. „O, wenn i doch nur a oanziges Mal wieder in Mün ch'» wär'. Dort ist doch a ganz anders Leben, als in diesem ver fluchten Griechenland! da. Schauen'S Majestät, hier bringt mi der Durscht noch ums Leb'n. Koan Tropfen Bier, höchstens a süßer Wein, auf den man sich speien möcht', und der oan Durscht macht, daß man erlechzen kunnt. Wie ganz andersch ist do das Leben in Miinch'n. Schauen's, Majestät, do hat ma' dös ganze Jahr durch a guats und a billiges Bier zum Durschtlö sch'n. Im Frühjahr, um Joseph! Rum, da giebt's dös Salvaterbier, alle Tag a paar Maßl, dös dringt ins Blut und giebt a Kraft. Nachher im Mai, braucht man die Bockkur, alle Tage vier Seidel, aber nur in der Früh', ja net auf die Nacht, denn da thut's a das gewöhnliche Bier. Und zu dem Bier a Brunnenkreßfalat, das ist waS Gesund's für die Brust. Natürli den stark, a Stück Nierenbrat! und a paar delikate Wurscht müssen allemal dabei sei. Und nachher kommt die Radizeit. Ich sag' Euer Majestät, nichts Besse res für den Magen giebt'S gar net, als an guten Radi und paar Mahl Bier dazu im nüchternen Magen, das ver treibt die Verschleimung. Na, und das übrige Jahr hindurch da geht man halt sleißi in's Hofbräuhaus, dös is die beste Apothek' der Welt, da bleibt ma gesund und sröhli. O, Herr Kö nig, thun S' ma den oanzigen Gefal len und sorgen S', deß i sobald wi« möglich aus dem vermaledeiten Grie chenland! hinaus nach Miinch'n' kom me, hier geh i an Durscht zu Grund". Der König sagte seine Verwendung zu. und bald darauf wurde des Feldwe les Herzenswunsch erfüllt und er wie der in di« Heimath nach München be fördert. Wanderlied. Das ist die rechte Wanderzeit, Wenn Düste weh'n, wenn's Blüthen schneit,, Von einem Ast zum andern Hell jauchzt der kleinen Sänger Chor, Süßschmeichelnd klingt es Dir in's Ohr: „Komm wandern jetzt, komm wan dern!" Es lugt in's dumpfe Kämmerlein Der gold'ne Frühlingssonnenschein, Lockt Dich auf seine Spuren: „Die dllst're Stadt laß' hinter Dir, Ich führe Dich, komm folge mir, Durch Wald und Feld und Fluren!" Es rauscht der Quell im Wiesengrün, Die Wellen tanzen froh dahin Und eine sagt andern: „Herr Meister, lebet wohl, ade! In Wald und Feld, in Fluren, Au'n, Mit jugendfrischem Wagen." „Ja alle, alle will ich seh'n Bald ist's um Muth und Lust ge scheht, Beim einen wie beim andern —; Dann folg' ich freudig einst dem Ruf Zum Meister, der die Wunder schuf Und ruh' mich aus vom Wandern." Das Schreckenskind. Onkel (geborener Rentier): Diese Cra vatte wird recht schäbig, Fritz! Fritz: Schade, daß Du Dein Geschäft nicht mehr hast! Onkel: Ich habe ja gar keins gehabt! Fritz: Aber Papa sagte doch, Du wärest Cravattenfabri kant gewesen! Der Pantoffelheld. Photograph: Aber warum wollen Sie sich denn mit dem Hausschlüssel in der Hand photographiren lassen, das sieht doch nicht hübsch aus? Herr: Das kann wohl sein, aber man soll doch denken, daß ich Herr im Hause bin! Sächsischer Skat. Raus mit der Eecheln-Zicke usf'n Deich damm! Bedienen! Is nich! Grasegrün wie die Wiese sticht! Hast's geseh'n, Du Dämel! Jetzt hab' ich nich 'mal so viel Schellen in der Hand, wie Du verdienst! Kindernisse. Jeder kennt sie aus eigener Erfah rung, diese großen und kleinen Quer striche, die sich der Verwirklichung ir gend eines erstrebten Wunsches oder Zieles hindernd in den Weg stellen. Fast Jeder hat es auch mit Betrübniß zu constatiren, daß sie ihm oft das see- Gleichgewicht geraubt haben in einem Maße, das gar nicht im Ver hältniß stand zu ihrer Wichtigkeit, eben Weil sie uns meistens unerwartet und daher unvorbereitet überfallen. Alles war scheinbar aus dem Wege geräumt und vorher bedacht, alles klappte s» gut und da im letzten Augenblicke thürmt sich eineSchwierigkeit nach der anderen auf. Wie soll man sich dabei verhalten? Durch schlechte Erfahrun gen gewitzigt, möchte man sich gern ei ne sichere Richtschnur des Verhaltens ziehen; denn jeder nachdenkendeMensch sagt sich, daß die Hindernisse nicht al lein ihre Berechtigung, sondern ihren Zweck im Haushaltsplane der Welt haben. Sie sind ein Erziehungsmittel in der Geschichte jedes einzelnen Men schenlebens. Große, bedeutende Hin dernisse, die sich uns entgegenstellen, tragen ihre Mission offen zur Schau ; sie überwinden zu wollen, würde mei stens einerPflichiverletzung gleich kom men, wenn der Begehrliche auch oft meint, sie ohne Schaden für seinen in neren Menschen aus dem Wege räu men zu können. Viel häufiger handelt es sich um die kleiuen, unbedeutenden, ärgerlichen Hindernisse und Querstri ches Nach ihrem Verhalten diesen gegen über könnte man die Menschen ganz gut in zwei Klassen theilen. Die Einen behaupten, die Hindernisse sind dazu vorhanden, daß sie überwunden wer den. Sie sind ihnen ein Mittel zur Gymnastik des Muthes und der Aus dauer; mit fröhlicher Unverfrorenheit rücken sie ihnen zu Leibe. Die Anderen aber, die Klugen, Bedachtsamen, sagen, Hindernisse stellen sich deshalb ein, um respectirt zu werden. Sie sind eine Warnungstafel, ein Fingerzeig für den rechten Wea: denn erzwungene Wege sind eigene Wege, und die sind nie gut. Wer hat nun Recht? Aller Wahrschein en sich richten, muß im übrigen aber von Fall zu Fall entscheiden. Sehr oft handelt es sich um ein Vergnügen, auf das wir uns lange gefreut haben. man sich den Genuß mit gutem Ge wissen erlauben, kollidirte er nicht mit irgend welchen Pflichten, dann muß den Kampf mit den Hindernissen auf nehmen, aber in fröhlicher Weise, um sich im Falle der Ueberwindung der- Was könnte ein Vergüngen so vergäl len, als wenn man es sich mit Un freundlichkeiten oder durch das Jnan spruchnehmen von Zeit und Kräften der ganzen Umgebung erzwungen hat. und Pflichtgefühl dictirt, ist aber et was ganz anderes als das muthlose Segelstreichen vor jedem widrigen Winde. Man beraubt sich dadurch mancher Freuden, und nicht das allein, sondern durch unsere Zaghaftigkeit oder unser Phlegma leiden die uns Nahestehenden mit. Noch schlimmer aber ist es, wenn wir uns zu bitteren Bemerkungen hinreißen lassen: „Mir kommt auch immer etwas in die Quere; ich soll einmal kein Vergnügen haben!" Solche Reden sind undankbar und hochmiithig. Weshalb sollte dies pessimistische Menschenkind nicht eben sogut wie alle anderen seinen Antheil haben an dem allgemeinen Kampfe mit der widerstrebenden Materie! Quer striche sind doch jedenfalls nicht dazu da, daß man es sich gründlich unge miithlich mache. Anders steht es mit den Hindernissen, die sich einem er strebten Lebensziele entgegenstellen. In dem Falle ist nur eine Auffassung möglich: sie sind Prüfsteine für den Ernst und die innere Reinheit des Sirebens. Ein Streben ohne innere Nöthigung wird nicht standhalten vor gehäuften Schwierigkeiten; sind unsere Wünsche aber nur Vorgefühle und Ahnungen der in uns liegenden Fä higkeiten, wie Goethe sagt, so werden die Hindernisse die Kräfte stählen und den Muth erhöhen. Kleinen Seelen sind Hindernisse ein Hemmschuh, gro ßen ein Sporn. Nun gibt es aber noch Hindernisse eigener Mache, solche, die wir mit der Lupe suchen, um sie zwi schen uns und unangenehme Pflicht zu schieben. Diese sind nur der Ausdruck unserer Unlust und dürfen ebensow.'nig wie diese selbst ernst genommen und berücksichtigt werden. Jd mehr wir auf sie achten, desto unschmackhafter wird die Pflicht uns erscheinen; je schneller sie überwunden werden, desto besser ist es für unseren inneren Men schen. Für alle Hindernisse aber, mögen sie uns Kampf oder Verzicht abverlan gen, gilt dieselbe Regel: man soll sich durch sie weder innerlich noch äußerlich die Stimmung verderben lassen, fröh lich entsagen, oder fröhlich kämpfen ' denn alles wird dem lachenden Philo sophen leichter als dem weinenden. Letztes Mittel. „Du, wa rum sieht man denn den Baron fort während in der Droschke herumfah ren?" „Rein aus Noth." „Wie so?" „Nun, wenn er zu Fuß begegnet er jeden Augenblick einem Gläubiger." Entgegenkommend. Student (zum Hausirer): „Was. für alle diese Kleider wollen Sie mir nur M Mark geben? Da schenk' ich sie lie ber her!" Hansirer: ..Bitte sehr, ich »ihm' sie auch geschenkt!" . , . ,
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