ilii I. Feindliche Nachbarn. Vor einer Reihe von Jahrhunderten die Welt steckte noch im Mittelalter, wo es am finstersten ist blühten im schönen Verona zwei stolze Geschlechter. Beide waren einander gleich an Adel, Reichthum und Ansehen, und die An gehörigen dieser achtunggebietenden daher friedlich und ver gnügt nebeneinander hinleben können bis an die Grenze ihrer Tage. Allein ein feindliches Geschick wollte es, daß zwischen den beiden edlen Familien aus unbekannten Gründen uralter Haß bestand, und daß Rausbolde aus bei den Seiten jederzeit mit Eifer beflissen waren, durch Anrempelungen und vom Zaun gebrochene Händel die Zwietracht wieder neu zu schüren. Daraus ent standen Unannehmlichkeiten aller Art und im weiteren Verlaufe der Bege benheiten sogar eine ganze Reihe von gräulichen Mordthaten, die einem, sonst mit den schönsten Anlagen zum Glücklichwerden versehene» Liebespaare das Leben derart verleideten, daß es seinem trübseligen Dasein freiwillig «in vorzeitiges und schreckliches Ende bereitete. William Shakespeare hat aus dieser blutigen Geschichte sein un sterbliches Trauerspiel „Romeo und Julie" gemacht, und das ist das einzige erfreuliche Ergebniß, das aus der Dick köpfigkeit der alten Montecchi und Ca puletti, sowie aus dem Uebermuthe und der Rauflust ihrer Söhne und Neffen für die Menschheit entstanven ist. Denn wer da etwa zu der Annah me hinneigen wollte, daß irgend Je mand die traurige Mähr' aus Verona sich zum warnenden Exempel hätte die nen und sich dadurch hätte abhalten lasse», dem lieben Mitmenschen ohne ersichtlichen Grund und Zweck das Bis chen Leben durch Zank und Hader sagen arg auf dem Holzwege. Noch heute, wie zu den Zeiten von Ro meo und Julia, sind sich die^Leutchen so bleiben in alle Ewigkeit, denn „un vollkommen ist der Mensch in seinem Thun und Denken", wie der Psalmist singt. - G t m Michigansee macht begreiflicherweise von der allgemeinen Regel keine Aus nahme, und der Erzähler der vorlie genden wahrhaften Geschichte sieht sich sogar genöthigt, den geneigten Leser gleich zu Beginn mit einem sich arg in den Haaren liegenden Nachbarnpaare bekannt zu machen. Dieses Paar bestand einerseits aus einem an einer „guten Ecke" angesie delten Grocer mit Namen Arminius Wurm, andererseits aus einem gerade Painter, der sich Balthasar H. Hopser schrieb. Warum diese beiden wackeren deut schen Bürger einander nicht leiden mochten, ist nicht leicht zu sagen. Die ältesten Bewohner der Umgegend wuß ten es nicht anders, als daß Arminius Wurm und Balthasar H. Hopser ge geneinander aus dem Kriegspfade la gen -z- allein über die Ur-Gründe die ser erbitterten Gegnerschaft wußte Nie mand so recht Auskunft zu geben. Wie eine halb verllungene Sage aus fernen Tagen ging in dem Stadtviertel um her. daß Wurm und Hopser einst ganz freundlich und gutartig mitsammen verkehrt hätten, bis sie eines Tages ein Streit über irgend welche verwickel te Angelegenheiten einer Loge, der sie damals beide angehört hatten, für alle Zeiten auseinander gebracht habe. Dem denkenden Menschen leuchtet nun sofort ein, daß solch' lächerlich gering fügige Ursache unmöglich zu augen scheinlich bis an's Grab währender Fehde zwischen zwei sonst recht und billig denkenden Männern führen konn te. Die Wurzel des Uebels mußte of fenbar tiefer liegen. Sie war vielleicht so recht eigentlich in der Berschieden arhgkeit der Charaktere von Hopser und Wurm zu suchen. Eine weitere Kluft als die, welche in dieser Beziehung bestand, ließ sich aller dings nicht leicht ausdenken: Wurm, der Grocer, war eine ungemein sanfte, wie eine Frühlingsblume zart ange legte Natur, der auch ein Stich in's Schwärmerische nicht fehlte. Ungünsti ge und voreingenommene Beurtheiler, wie Nachbar Hopser einer war, wollten sogar wissen, daß Wurm zu Zelten hinter seinem Ladentische an lyrischen Gedichten feile, wie irgend ein hoff nungslos liebender Student in den Tagen der üppigsten Jugendeselei; doch ist dies keineswegs erwiesen. Dagegen steht unumstößlich fest, daß Wurm, Dank feiner nachgiebigen, um nicht zu Sanftmuth war der Pain ter, das gerade Gegentheil. Dieser Hopser war ein Mann von noch nichi den Schädel, nuf den, sich das kurz geschnittene Haar stets zornig zu sträu ben schien, und einem fast kupferro sars wollten nun freilich wissen, daß der Mann in Wirklichkeit gar nicht so borstig und unangenehm war, als er sich zu geben liebte. Und unleugbar hatte ja auch Hopser seine menschen freundlichen Stunden, in denen er hei ter und umgänglich war. wie andere lachte und fröhlich war, dabei ganz des Sartasmus vergessend, mit dem er sonst bis obenhin geladen war, wie gm „glorreichen Vierten" eine Kinderka none mit Pulver. Allein die Leute, die Balthasar H. Hopser ein Rauhbein be denklichster Sorte sei, dem aus dem Wege zu gehen die gewöhnlichste Bor gründlichsten Verschiedenheiten auf. Hopser war seit langen Jahren Wittwer und besaß nur eine einzige, zur Zeit siebzehnjährige Tochter, welche ihm das Haus in Stand hielt. Sein augenblicklich aber in Boston weilte, wo er Medizin siudirte. So herrschte in Hopsers Hause stets Ruhe und Frie den, während bei Wurm die Kinder Lungen ausgestattete Frauen meist laut und vernehmlich kommandir ien. seiis Hopser selber, ein eigensinniger Dickkopf allererster Gute, der keine Ge legenheit ungenützt vorübergehen ließ, immer wieder Oel in das unheimlich knisternde Feuer schüttete. Fragte man von dritter Seite Hopser, warum er dsnn so unnahbar jedem Versöhnungs breche, so verabsäumte er nie, unter ei nem wahrhaft erschrecklich anzuhören den, Hohnlachen allerlei anzügliche, den Nachbar in der Meinung der Leute herabsetzende Redensarten hinzuwer fen, wie z. B.: „Kann Freundschaft be stehen zwischen Adlern und Fröschen?" oder: „Laßt den Wurm aus Unterrö cken umherkriechin, zum Verkehr mit Männern taugt er nicht." Wie das so zu gehen pflegt, standen fast immer geschäftige Zungen bereit, die derartige Aeußerungen brühwarm über die Str aße in Wurms Haus trugen, und daß solches nicht dazu beitrug, die nun ein mal bestehende Lage zu bessern, ist nur allzu natürlich. Trotz dieses wenig hoffnungsvollen Standes der Dinge hätte vielleicht doch die alles ausgleichende und alle Wun den heilende Zeit endlich auch einmal einen leidlichen Zustand zwischen vem Grocer- und dem Painter-Hause her beigeführt. Da aber kam Hopser eines unglückseligen Tages auf den üblen Einfall, sich zwei Hunde anzuschaffen; und dieser anscheinend bedeutungslose Umstand schlug so zu sagen dem Fasse Hopsep nannte die Thiere „Isis" und „Osiris". Kenner der alieaypti schen Mythologie wären nun vielleicht geneigt, von den Namen der beiden guten und freundlichen Sonnengöt ter aus dem Pharaonenlande einen günstigen Schluß auf den Charakter von Isis und Osiris im H.iuse Hop ser zu ziehen. Bedauerlicher Weise waren aber die Vierfüßler weit davon entfernt, den Götternamen, welche sie rein und fleckenlos überkommen hat ten, Ehre zu machen. Um die Wahr heit zu sagen: Isis wie Osiris neigten sehr bedeutend zu Bissigkeit und Bos heit hin. und ihr Ruf war schon in den ersten acht Tagen, da sie im Haufe Hopsers weilten, ein so schlimmer, wie nur je der eines Kö ters, welcher mit eingeklemmtem Schwänze und rücksichtslos nach den Waden von Alt und Jung schnap pend durch die Straßen Chicagos ge jagt ist. Isis sowohl als Osiris wa ren mächtig und vierschrötig wie ihr Herr, hatten dicke runde Schädel wie dieser, und waren ebenso kratzbürstig. Niemand hätte übrigens zu sagen vermocht, welcher Rasse sie angehör ten. Es schien, als hätten sie von allen möglichen Hundearten etwas mit auf den Lebensweg bekommen, aber lei der immer nur das Ueble und nichts von dem Schönen und Guten, das andere Hunde auszeichnet und zu Freunden der Menschheit macht. „Es sind wahre Mondkälber", seufzte Herr Wurm tief bekümmert und voll düsterer Ahnungen, als er Isis und Osiris an der Seite ihres Gebieters zum ersten Male auf der feindlichen Porch auftauchen sah. Und Herr Wurm hatte die Hunde richtig geschätzt: es waren wahrhaf tige Mondkälber und augenscheinlich nur zu dem Zwecke von einem frem den Gestirne au' diese Erde gefallen, um der Menschheit ein Gräuel zu werden. Schon i» den ersten Tagen aus purem Blutdurste ein in der Blüthe seiner Jahre stehendes Huhn aus Frau Wurms Hofe, und kaum waren drei Tage über diese Schand that dahingegangen, apportirte Isis ihrem Herrn den jüngsten Spröß ling der Familie Wurm, der in einem unbewachten Momente aus seinem Staub Ma dame Wurm erfüllte, als sie ihr Baby dergestalt in dem Rachen der wilden Bestie erblickte, die Luft mit ihrem Klage- und Rachegeschrei, wobei sie anzusehen war, wie eine Sachsen- Priesterin aus der Heidenzeit, welche von Wodan die Vernichtung der Fein de erfleht. Hopser aber lachte völlig ungerührt sein gefühllosestes Lachen und lieferte das ihm z»getragene Kind mit der höhnischen Bemerkung den rechtmäßigen Eigenthümern zu rück: „Der jüngste der Würmer habe sich seit'seiner Geburt noch niemals in besserer und sorgsamerer Obhut befunden, als da Isis sich feiner an- Seit diesen ersten Unthaten hatten Isis wie Osiris noch unzählige Schandthaten verübt und dadurch die Flüche der ganzen Nachbarschaft auf ihre schwarzen Seelen geladen. Allein die Höllenbraten gediehen dabei vor trefflich und stiegen in der Gunst ih res ihnen offenbar gesinnungsver wandten Besitzers, je tiefer sie in der jenigen der Familie Wurm und an derer, den Landfrieden hochschätzen der Leute sanken. Eines Tages nun, als Isis oder Osiris welcher von den beiden bö sen Geistern es gewesen war. ließ sich nämlich nicht mit Bestimmtheit fest stellen aus Wurms Laden eine mindestens zwei Pfund wiegende Wurst stahl und damit flüchtete, und als Meister Hopser den Wurm'schen Clerk Tobias Mayer, genannt Toby, der als Herold aus dem feindlichen Lager vor sein Antlitz trat, um Buße für die schändlich geraubte Wurst zu verlangen, auslachte, dabei versich ernd, er denke nicht im Traume da ran, auch nur einen Cent zu bezah len. Mr. Wurm möge auf die Schätze in seinem Laden besser Acht haben da wandelte sich auch die ausgesucht fromme Denkungsart Wurms in gäh rend' Drachengift und er ging hin und erwirkte einen Haftbefehl gegen Balthasar H. Hopser. Dieser vernahm die Kunde mit Hohngelächter. Als der Sendling der Polizeistation ber ihm erschien hatte Hopser natürlich schon einen einwandfreien Bürget be reitstehen. dessen Unterschrift dem An geklagten die kostbare Freiheit sicherte. Am andern Morgen aber, vor dem Polizeirichter, wußte Hopser sich so unschuldig zu geben und die Sache so mit einem Freispruche vorgehen, um somehr, als der Kläger nicht mit Si cherheit zu sagen vermochte, welcher Ii iit>; Wurm aber verhüllte sein Haupt und klagte über die mangel hafte Handhabung der Gerechtigkeit Mit diesem trüben Ereignisse war endgiltig das letzte Hoffnungsfünk chen verglommen, daß jemals wieder dem noch gewaltigeren der in den wei testen Kreisen gefürchteten Frau Bar bara Heinzelmann, wie die Schwie- Western-Avenue zu der Zeit, in wel cher unsere Erzählung ihren Anfang nimmt. Weise sie ihre Schelmen-Gedanken unter einander auszutauschen pfleg ten. Herr Hopser war außerordent zum Zeitvertreibe, nur damit „das Kind einen Namen habe". Er konnte es sich darum gestatten, während an ihres Angesichtes schafften, stunden lang vor seinem Hause beschauliche Rast zu halten und die Vorgänge zu beobachten, die sich ihm gegenüber bei Wurm abspielten. In seinem La den rumorte während dessen stets Hopsers Faktotum, ein alter, grau haariger Neger, den er „Pomponius" nannte, wiewohl der Schwarze von Rechtswegen Anspruch auf den ehr lichen Namen Benjamin Smith hatte. Hopser liebte es, in solchen Stunden der Ruhe seine Ansichten über die Welt und ihr Getriebe im Allgemeinen, wie über seine augenblicklichen Beobach tungen im Besonderen dem Neger mit zutheilen. Derlei Gespräche wurden stets in deutscher Sprache gehalten, denn Hopser, obwohl an dreißig Jahre im Lande, hatte es niemals dahin ge bracht, zwei Dutzend zusammenhän gende englische Worte hintereinan der herzusagen. Viel leichter war es ihm geworden, feinemPomponius eine entsprechende Menge von deutschen Vokabeln einzupauken. Heute hatte Hopsers unfriedfames und schadenfrohes Gemüth ganz be sonderes Vergnügen an der Rastzeit, denn im Hause des Nachbars stritt man sich, daß der Lärm ,wei Blocks weit zu hören war. Offenbar nahm die ganze Hausbe wohnerfchaft an dem Wortgefecht theil, denn man unterschied deutlich die hohe und sehr erregte Stimme des Haus herrn, die bald gellenden, bald weiner lichen Klänge aus der Kehle der Haus frau und die metallharte Redeweise der Frau Heinzelmann. Dazwischen schüchtern, der „Clerk", Herr Tobias Mayer, vernehmen und von Zeit zu Zeit erhob eines oder das andere der Kinder so stürmisches Geschrei, als sollte es augenblicklich an den Spieß werden. Je toller der Lärm drüben wurde, desto vergnügter wurde hüben Herr lag. „Hörst Du's, Pomponius?" fragte er in den Laden hinter sich hinein, wo der Neger zwischen Lackflaschen, Far ben und Pinseln in größter Geschäf tigkeit umherwirthschaftete. "Xvc>, «ir!" kam es aus der Tiefe des Ladens dumpf und hohl wie aus einem leeren Fasse zurück, „bisse! Krieg drüben, he!" „Bissel?" fragte Hopser verwundert zurück: „Das nennst Du bissel? Ich denke es geht an's Hauen." In diesem Augenblicke scholl hell und klingend wie eine Fanfare die Stimme der Frau Heinzelmann herüber. Herr Hopser nahm darauf seinen breitran digen Hut vom Haupte und schwenkte ihn tief, wie wenn er Jemanden be sonders achtungsvoll begrüßen wollte. „Allen Respekt, Frau Heinzelmann," sagte er dabei, „das würde, dv .iov<-, einem Stabstrompeter Ehre machen." „Gott schütze unsern Seele," rave brechte Pomponius, seinen Wollkopf für einen Moment in's Freie streckend. Hopser lachte äußerst aufgeräumt. „Sollte mich gar nicht wundern, wenn die Alte demnächst einmal auf dem Besen reitend zum Schornstein herausführe," meinte er. „Hat den Teufel im Leib, die Wetterhexe. Aber, weiß Gott, sie ist mir noch lieber als der Waschlappen, ihr Schwiegersohn." „Sollte bissel bei uns herüben sein he!" grinste der Neger. „Zur Dressur." setzte Hopser ernst haft hinzu. Drüben ging indessen der Krakehl ohne eine Minute Pause ungestört wei ter. Wie gewöhnlich in solchen Fällen war der eigentliche Anlaß des Haders ein ganz unbedeutender. Charley, der zweitjUngste Sprosse Wurms, hatte seinen schlechten Tag und war daher unbändig und trotzig wie ein junger Apache. Seine älteste Schwester, ein Mädchen von zehn Jahren, der Clerk, die Mutter, endlich sogar die Groß mutter, Frau Heinzelinann, bemühten sich rastlos um den dreijährigen Knirps, alle gleich angelegentlich beflissen, seine Thränen zu trocknen und ihn wieder zu guter Laune zu bringen. Vergebens. Charley mochte nichts von den Trost gründen wissen, die man ihm vor brachte. sondern verlangte immer kate gorischer nach Candies, die man ihm in weiser Besorgniß um seine Gesund heit vorenthielt. „Sei wieder mein lieber kleiner Jun ge," schmeichelte die Mutter. „Candy!" brüllte Charley. „Morgen sollst Du Candy haben viel einen ganzen Sack voll!" „Nein, ich Nill heute!" heulte Char ley unbewegt, dabei mit den Beinen strampelnd und mit den Armen ge fährlich um sich schlagend. Endlich glaubte sich die Großmutter in's Mittel legen zu müssen. Die wür dige Dame knickte ihre hohe, wie ein Laternenpfahl magere Gestalt zusam men und beugte sich soweit zu ihrem unartigen Enkel herab, bis ihre lange, spitze Nase fast das Näschens Charleys berührte. Dabei legte sie ihr runzeliges für gewöhnlich bitterböses Angesicht in so freundliche Falten, als ihr das nur immer möglich war, und gab dem klei nen Bengel fühe Kosenamen und al lerlei gute Worte. „Warte nur bis morgen, mein klei nes Kätzchen, mein Herzensjunge, mein lieber kleiner Schatz; morgen gibt es Candies so viel Dein Herzchen ver langt. Heute hattest Du genug davon. Du würdest den Magen verderben, würdest so dick auflaufen (die Groß mama bezeichnete dabei mit einerHand bewegung einen Körperumfang, den niemals noch ein Sterblicher erreicht bat) und müßtest sterben.... Hier hast Du ein Stückchen Cake. mein Gold kind, morgen sollst Du Candy haben." Der Junge hatte der alten Dame gutwillig zugehört, weil er aus frühe ren Vorkommnissen schloß, daß ihm die Großmutter endlich doch geben wurde, wonach ihm der Sinn stand. Als er aber erkannte, daß er sich für diesmal darin geirrt, gerieth Charley außer Rand und Band. Wüthend schleuderte er das Stückchen Kuchen, das ihm die Großmutter gereicht, zur Erde, und da Frau Heinzelmann ihre Nase unvor sichtiger Weise noch immer im Bereiche oer kleinen Fäustchen des Knirpses hat te. faßte dieser danach und kniff mit einer solchen Berserkerwuth hinein, daß die bedauernswerthe Dame einen kleinen Schmerzensschrei nicht zu un terdrücken vermochte. Dabei schrie Charley wie «in Zahnbrecher : „Candy! Can—dy! Mag keinen Cake!!" In eben diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre und Papa Wurm. Frie den und Freundschaft in dem glattra fei, und in einer ebenso plötzlichen, als bei seiner Langmuth seltenen Aufwal lung gerechten Zornes beschloß Herr Wurm an dem kleinen Trotzkopf Char ley ein Exempel,u statuiren. Mit gro ßen Schritten eilte er der Stelle zu, wo um Charley Alles auf den Knieen lag. Im Nu hatte er den Jungen «r- „So, so, Du magst nicht, meinSohn, Du magst wirklich nicht? rigvt, da hast Du Candies, Candies von der Sorte, die Du verdienst!" Mutter und Großmutter, ja sogar Toby, der Clerk, sahen sprachlos vor väterliche Autorität der Exekution zu. Die Geschwister Charleys aber, das älteste Mädchen allein ausgenommen, stimmten aus Schmerz über das Schick sal, von dem ihr Brüderchen eben be troffen wurde, ein Geschrei an, das die Wurm ließ sich dadurch nicht stören. Noch eine ganze Weile klatschte seine Hand regelmäßig wie das Ticken einer Uhr auf Charleys Kehrseite nieder, und erst als er die Lektion wirklich für ausreichend hielt, stellte « den zappeln den Jungen auf die Beine. Der heu lenden Schaar der übrigen Kinder rief er dabei drohend zu: „Ruhig, sonst komme ich auch über euch!" Da diese Drohung alsbald wirkte, fand Herr Wurm vorläufig nichts wei ter mehr zu thun. Er tauchte mit dem Kinn tief in die hohe Halsbinde, die er nebst einer höchst sonderbaren Gat tung von Vatermördern zu tragen pflegte, legte die Hände auf dem Ru cken zusammen und begann im Zim mer auf und niederzugehn. Vielleicht in keiner anderen Familie wäre au» einem so unbedeutenden An lasse ein häßlicher Sturm entstanden. Jede andere ja sogar die weitaus überwieclnd« Mehrzahl der Groß-, respektive .Schwiegermütter, hätte gewiß die Sache für erledigt an gesehen, nachdem der letzte Streich ge fallen. So gut erging es aber Wurm nicht. Denn kaum hatte er von dem Jun gen abgelassen, da richtete sich auch schon Frau Barbara Heinzelmann zu ihrer vollen imponirenden Höhe aus. Sie warf vorerst einen majestätischen Blick um sich her, dann sagte sie in dem Trompetenton, der ihr eigen war: „Es scheint, der Herr Schwiegersohn läßt seinen Zorn über unangenehme Kunden wieder einmal an den unschul digen Kindern aus." Frau Wurm sagte nichts; doch warf sie einen feuchten Blick nach oben und rang stumm die Hände, als sei ein gräßliches Unglück über sie und die ihrigen gekommen. Der Herr des Hauses antwortete auf die scharfe Bemerkung der Schwieger mutter nur »otw voce. „Es ist Zeit, daß dem Bengel Art beigebracht wird," warf er hiij. Frau Heinzelmann richtete sich noch höher auf. „Wie beliebt?" fragte sie mit einem Blicke, der scharf wie ein Dolchmesser auf denSchwiegerfohn hinzuckte. Als Wurm auf die Frage seiner Schwiegermutter nicht gleich antwor tete. erttärte Frau Wurm unter Seufzen: „Wurm meint, wir eigneten uns nicht dazu, den Kindern Art beizu- Gemahl hob das Kinn aus der Halsbinde, als wollte er etwas sagen; doch kam ihm Frau Heinzelmann zuvor. „Wie? wir eigneten uns nicht...." fragte sie, die Arme wie vor Überra schung in die Seiten stemmend. „Ich hoffe, das ist nicht Ihr Ernst. Herr Schwiegersohn." „Doch, es ist mein Ernst, Frau Schwiegermutter," gab Wurm zurück, so laut sprechend, daß Frau Heinzel mann ihn verstehen konnte; dabei legte er in seine Rede aber doch schon einen sanfteren, mehr überredenden Ton. „Gewiß ist es mein Ernst," fuhr er fort: „Denn, sehen Sie, eine Frau wird im Leben nicht mit solchen Ran gen fertig. Das muß ein Mann be sorgen." Herr Wurm war stolz auf sich selbst. So fest und energisch hatte er schon seit Langem nicht zu sprechen gewagt. Er warf sich sörmlich in vie Brust, hob den Kopf diesmal besonders hoch aus der Halsbinde und schleuderte seinen, wie Schafe bei einem Gewitter in einer Ecke des Zimmers zusammen gedrängten Kindern einen Blick zu, in dem deutlich zu lesen stand: „ich werde demnächst unter euch treten und fürch terlich« Musterung halten." Auch der Clerk war gewissermaßen stolz auf seinen Herrn und Meister. Dagegen verfehlte des Mannes Festigkeit voll kommen ihres Eindruckes auf Frau Heinzelmann. Diese lachte vielmehr krampfhaft auf und rief, indem sie I die Schultern so hoch als möglich hin auszog. aus: « „Ein Mann muh das besorgen! ha. ha, ha! Sie sind köstlich, Herr Schwiegersohn!" „In wie ferne bin ich köstlich, Frau Schwiegermutter?" „Ereifern Sie sich nicht! Mir im ponirt Ihr Zorn nicht im Geringsten; das sollten Sie schon wissen, Im Uebrigen muß ich Ihnen sagen, daß Sie sich lächerlich machen, wenn Sie chen. Ihnen würde ich noch nicht ein mal einen jungen Hund zum Erziehen übergeben." " 'fd wiederholte Frau Heinzelmann im be stimmtesten Tone. Frau Johanne Wurm rang die Hände und seufzte her,zerbrechlich; Toby, der Clerk, aber schauderte. „Wenn wir Frauen nicht wären." fuhr Frau Heinzelmann sieghaft fort, „verstehen Sie, Herr Schwiegersohn. -- wir schwachen Frauen wohin wäre es mit Ihnen und den Kindern schon gekommen! wissen Sie wohl: ' Hopsers Hunde hätten die Kleinen längst zerr'.ssen und Sie hätte der Nachbar eiiffach zum Hause hinaus gejagt." „Mich hinausgejagt? zu meinem eigenen Hause? Ich muß sagen, das finde ich lächerlich!" „Es ist aber so, nicht wahr Jo hanne? denn mit Ihnen erlaubt b»ut.> fehlt!" Nun war Herr Wurm sich wohl be wußt, daß ihm die rechte Festigkeit des Willens mangelte; allein er ließ sich begreiflicher Weife nicht gerne da ran erinnern, und er konnte vollends lieblose Hand wie die seiner Schwie germutter auf solche Schwächen seines Charakters hinwies. Wurm, und es kann nicht verschwiegen werden, daß er. während er so rief, mit geballter Faust heftig auf den Tisch schlug, auf welchem die verschie denartigsten Gerätschaften Saug flaschen, Spielsachen. Teller und Klei dungsstücke bunt durcheinander „Mein Gott! mein Gott!" stöhnte Frau Johanne, nicht mehr weit davon entfernt, in Thränen auszubrechen. „Er artet wieder aus!" „Ich ausarten!" schrie Herr Wurm entrüstet, das puterrothe Angesicht ge gen seine Frau wendend, „ich, die Ge duld, die Langmüthigkeit selber, ich arte wieder aus!... Nein, Jo hanne, davon kann nicht die Rede sein. Aber ich habe es satt, mir Alles gefal len zu lassen, was mir in meinem eige nen Hause Schlimmes gesagt und an gethan wird und das von einer Frau von einer Frau —" Herrn Wurms Stimme stieg zu einer unwi tllrlichen Höhe empor „die mich eigentlich gar nichts angeht!" Das gewagte Wort war heraus; kein Schatz der Welt hätte es wieder in das Gehege der Zähne zurückge bracht. Es that denn auch augenblick lich seine Wirkung: Frau Johanne begann heftig zu schluchzen, wobei sie immer wieder hervorstieß: „Er bringt mich um meinen Frieden er macht mich unglücklich!" Frau Heinzel mann aber erhob sich zu der ganzen Höhe ihrer Würde, die von Wurm so schnöde angetastet worden war. „Herr Wurm," sagte sie ernst und gemessen und mit einem geradezu nie derschmetternden Blick auf ihren, Schwiegersohn, „Sie vergessen sich!" „Nicht ich Sie vergessen sich!" verbesserte Wurm, im Zimmer auf,- und niederstürmend. „Sie vergessen sich, sage ich!— Denn wie können Sie es wagen, mich eine Frau zu nennen, die Sie nichts angeht? Bin ich nicht die Mutter Ihrer Le bensgefährtin, und dann: wem dan ken Sie es. daß Sie vom armseligen Clerk zum selbst ständigen Geschäfts manne vorgerückt sind?" „Was Sie mir an Geld geliehen ha ben, verzinse ich Ihnen anständig und ich bezahle diese Zinsen regelmäßig," antwortete Wurm verstockt. Darauf wußte Frau Heinzelmann momentan keine Antwort. Frau Jo hanne aber schluchzte: „Mein gütiger Himmel! Wohin wird das führen!" „Genug!" entschied endlich Frau Heinzelmann, „ich werfe meine Worte an Sie weg. Sie suchen Streit, und um eine Ursache dazu sind Sie nie ver legen. Es ist Zeit, daß ich Ihr ungast liches Haus verlasse." Dies sprach Frau Heinzelmann mit der Miene eines Wesens, das bisher als freundlicher Hausgeist an dem häuslichen Herde segensreich gewirkt und dessen Scheiden von den Zurück bleibenden eigentlich als ein schwerer Schlag hätte empfunden werden müs sen. Allein Herr Wurm hatte diese Drohung in den letzten sieben Jahren (so lange weilte Frau Heinzelmann in der Mitte feiner Familie) zu oft ge hört und zu oft war sie leerer Schall geblieben, als daß sie heute, da er in Folge der erlittenen Kränkung so ties erregt war. die beabsichtigte Wirkung auf ihn geübt hätte. Er war nicht Im Mindesten erschreckt, sondern schleu derte seiner Schwiegermutter kühn die Worte zu: „Oh, gehen Sie. gehen Siek Das wäre ein Segen für mich, für uns Alle!" Frau Heinzelmann hob die Augen zum Himmel, als wollte sie diesen zum Zeugen des Frevels anrufen, der eben an ihr verübt worden, und dabei fal tete sie die Hände wie fassungslos über das heillose Betragen des Mannes vor ihr, dem sie das Geschick ihres einzigen Kindes anvertraut hatte. In ihrem stummen Schmerze kam ihr nun aber eben dieses Kind hilf- und liebreich, wie dies einer braven Tochter zu kommt, entgegen. „Ich gehe mit Ihnen," rief nämlkch Frau Johanne unter einem Strom von Thränen, „ich verlasse Sie nicht! Du aber," sagte sie zu ihrem Gatten gewendet, „wirst an diesen Tag den ken. cm dem Du mein und der Kinder Glück grausam zerstört hast!" (Fortsetzimg folgt.) Schlau. A.: Haben Sie den wunderbaren Sänger gehört, dabei ist er stocktaub. B.: Na, erlauben Sie 'mal, wenn er stocktaub ist, wie weiß er denn da, wenn er zu singen aufge hört hat? A.: Der Kapellmeister gibt ihm ein Zeichen! Sicherer Schütze. Sonntags jäger (der in einer Wildprethandlung einen Hasen tauft und durch ein be sonderes Merkmal einen verkup pelten Löffel irlenni, daß er nach diesem Hasen schon mehreremvl auf Jagden geschossen hat): „Siehst Du, Racker, bist mir halt doch nicht entgan gen'." Z-ür die Mche. Berg - Suppe. Fein geriebe nes und in Butter gelb geröstetes Brot wird mit etwas Zucker, abgeriebener Citronenschale und gut gereinigten Rosinen vermischt. Man drückt diese Mass« warm in einen Trichter und stürzt denselben in die Suppenterrine so um, daß, wenn man den Trichter behutsam abhc?t, das Brot unversehrt als ein Berg in der Terrine steht. Nun bereitet man eine Wein- oder Bier suppe und gießt dieselbe vorsichtig in die Suppenschüssel, ohne den Berg zu vernichten. Fleischsalat. Hierzu dient Suppenfleisch oder jeder gute, gare Fleischrest je zarter und feiner, de sto besser jede Sorte allem oder be», liebig gemischt (Geflügel ohne Haut), feingeschnitten (Streifchen, Scheibchen, würfelig) oder gröblich gehackt. Dann gut vermischt mit Oel und Pfeffer. Hierauf mit ca. halb so viel wie Oel oder nach Geschmack Weinessig, worin das nöthige Salz, auch wohl etwas Zucker und womöglich auf einen mäßig gehäuften Suppenteller Fleisch einen (bei Suppenfleisch etwas mehr) aufge löst worden, auch wohl etwas (Spei sesenf). Verfeinert wird durch: Rahm, ein bis zwei zuerst mit dem Oel ver rührte Eidotter, Wein, zerkleinerte Sardellen, Champignons und derglei machte rothe Rüben, saurelGurken, ge lochte Kartoffeln, hartgekochte Eier (würfelig geschnitten) hinzu; stets aber fel-! Meerettich-, Senf-, auch wohl Aepfelfauce; diese, besonders bei Sup penfleisch, mit Fleischextrakt, Braten» jus oder dergl. kräftig abgeschmeckt. Ferner mit grünem Salat (auf ca. zwei Theile Fleisch ein Theil). Der Fleischsalat soll saftig, nicht brühig fein. Nett angerichtet (nach der Mitte zu etwas erhöht) wird er gern verziert mit einem Kranze von Sellerie-, Kar toffel-, grünem Salat, oder die erste ren in Kreuzform, Fleischsalat in vi» entstandenen Abtheilungen, mit ver schiedenfarbiger Gelee. Leberklöße. Die Kalbsleber wird abgehäutet, von allen Adern be freit und fein gehackt. Dann weicht man Semmeln in Wasser ein, dämpfk in etwas Butter feingehackte Zwiebeln und Petersilie und die ausgedrückten Semmeln, verarbeitet dies gut mit der Leber, Salz, Muskatnuß nach Bedarf, ebenso viel Eiern als Semmeln, etwas Mehl und kleinen Speckwürseln. sticht darauf mit einem Löffel Klößchen aus. und kocht sie in, Salzwasser gar. UeberkrusteteGänseleber. Man legt zwei große, schöne Gänsele bern einige Stunden in Milch, halbirt, häutet und wäscht sie, legt sie in zer lassene Butter, giebt feingeschnittene Schalotten. Petersilie, einige feine Scheibchen Schinken und gewiegte Champignons dazu, dünstet sie kurze Zeit, gießt ein Glas Madeira unk fügt etwas Glacö dazu und läßt die Lebern etwa zehn Minuten dünsten und dann in ihrem Fond erkalten. In deß wiegt man Pfund Schweine fleisch nebst den Abfällen der Lebern, mischt es mit einigen geweichten Sem meln. Salz. Pfeffer und etwas seinen Kräutern, dünstet nun zwei geschnit tene Trüffeln, vier Champignons, eine halbe Zwiebel und etwas gewiegt« Pe tersilie in Butter durch und mischt dieZ dies unter die Farce. Eine ausgestri chene, tiefe Schüssel streicht man fin gerdick mit der Farce aus, schneidet die Ledern in Scheiben, legt die Hälfte auf die Farce, bedeckt sie mit' dieser, läßt nun die andern Leberscheiben nnd darauf den Rest der Farce folgen, die man zuletzt mit Speckplattew be deckt. Man bäckt das Gratin dreißig Minuten in'mittelheißem Ofen und fervirt es in feiner Schüssel, nachdem alles Fett abgefüllt wurde, mit einer Trüffelfauce, zu der man die Abfälle der Trüffeln verwendet. Eine offene Pa st e t'«.- Man nimmt ein Stück Blätterteige treibt ihn strohhalmsdick, nach der Form der Schüssel, womit die Pastete auf di» Tafel kommen soll, aus, schneidet den Rand ab und legt den Teig auf, einen Bogen Papier. Dann treibt' man eben eine solche Teigplatte fingerdick aus, schneidet mit einem schärft« Mes ser die Milte so weit heraus, vah nur ein kleiner Rand bleibt, drückt diesen auf den Rand der ersteren Platte, wel che man zuvor mit Ei bestrichen hol. dann sticht man an mehreren Stellt» in diese hinein, damit sie keine Blastn bekommt und backt dies bei mäßiger Hitze gelbbraun. Ist sie fertig, so füllt man ein feines Ragout hinein und verziert es oben auf mit aus de» Blätterteig gestochenen Blättern und Figuren. Gedünstetes KalbSh>rrn. Man häutet «nd putzt das Hirn, läßt hieraus Nutzer in einem TiegeK zerge hen, gibt da« Hirn mit einigen- Zwie belscheiben hinein, fü/lt es mid etwas Fleischbrühe und Wein auf, gibt et was Citronenschale und genügend Salz dazu und läßt es weich dünsten. Dann wird ein wenig Mehl einge stäubt.das Ganze nochmcM aufgekocht, schließlich die Setice vor dem Anrich ten «it Eidotter angeÄhrt «md mit dem Hirn angerichtet. Malitiös. —Hausfrau: Bit. te, nehmen Sie doch das Stückchen Kuchen noch Ihren Kindern mit! Besuch: Danke, Dank«, das kann ich doch nicht verlangen. Hausfrau: Aber weshalb nicht, et ist ja doch nicht der Mühe werth, wa» Sie übrig zelas» sen haben! 3
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