Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 18, 1895, Page 6, Image 6

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    6 Und ich liebe sie doch!
Dumpf und trübe
Nannte ich oft
Die Glocken der Heimath,
Doch heute klingen sie über das Meer,
So wehmuthfelig,
So Wunderbarlich,
Daß selbst mein lachendes Herz
Ihr Echo wird.
Wie ein Bild der Zauberin,
Der Dichterfre'undin Morgan«,
Erblick' ich ferne am Horizont«,
Wehmüthig winkend
Die Gärten und Wiesen,
Das schwarzbeschieserte Haus
Mit den grünen Fenstern,
Und am Fenster zum Garten
Seh' ich die Mutter.
Auf ihren Knieen
Ruhet ein Buch
Sie liest in dem Buche.
Ich seh' es genau,
Es ist das Buch,
Das einst dem Sohne
Mit Thränen sie schenkte,
Und das der Sohn,
Als er fortging
Vergaß.
Sie liest die Worte,
Die eigenhändig
Aus warmem Herzen „zu stetem Ge
denken"
Sie eingeschrieben
Ich glaub', eine Thräne
Fällt heiß auf die Bibel.
Wehmüthig über das Meer
Klingen die Glocken der Heimath.
Der Schein trügt.
i.
Auf der breiten, schattigen Veran
dah des Jackson House saßen ein hal
bes Dutzend der prominenten Bürger
Kon Bell Bottom und schlürften mit
Andacht und Gusto ihren Mnt Ju
lep.
„Ahr Herren, ich kenne diese Sorte",
sagte „Major" Croß, „dagegen giebt's
'nur ein Mittel. Wir müssen ihn hin
aus treiben."
„Natürlich", pflichtete ihm Jke Lig
gelt bei, „so ist es. Allerdings hat
°oer Fremde noch nichts Auffälliges,
nichts wirklich Schlimmes gethan —>
ivas man so nennt. Aber ich bin da
sür, daß wir's nicht so weit kommen
lassen. Der Mann hat etwas Un
heimliches an sich, und ich glaube, er
hält sich hier blos auf, um einen bö
sen Streich zu vollführen. Jagt ihn
aus der Stadt!"
' „Versucht- etwas aus ihm heraus zu
bringen," bemerkte „Croß-Eyed" Ro
berts, „aber sobald ich ihm etwas auf
den Zahn fühlen wollte, stand er von
seinem bequemen Stuhl auf und ging
hinaus auf die Straße. Das ist ver
dächtig ich schließe mich meinen
Vorrednern an. Hinaus muß er!"
„Meinestheil kann ich nichts gegen
den Fremden sagen. Herr Barry, so
heißt er ja wohl, wenigstens hat er sich
so in mein Holelregister geschrieben,
hat mich in gutem Baargeld bezahlt,
und mein Barkeeper hat eine große
Rolle Papiergeld an ihm bemerkt
es waren auch Hundertfcheine dabei
aber ich bin zufrieden mit ihm. Et
was anderes ist's natürlich, wenn er
begründete Ursache zum Verdacht ge
geben hat," so sprach „Colone!" Danks,
der Wirth des Hotels.
„Professor" Buldwin, Redacteur der
Localzeitung, des Bell Bottom „Lea
>der" auf dem Titelblatt hieß es
noch: „die einflußreichste Zeitung von
Washington County, Nord-Carolina"
hatte bis dahin schweigend zuge-
hört. Als jetzt aber Major Croß sich
anschickte, darüber abstimmen zu las
sen, ob der Fremde gehen müsse oder
nicht, da mischte sich der Professor in
die «Sache.
„Genlach, gemach, Major ich bin
gegen unnöthige Gewalt. Versuchen
wir's erst einmal mit Güte. Ich schlage
vor, wir ernennen einen Ausschuß von
zwei, der Herrn Barry ein wenig dar
über auspumpt, wer er ist, woher er
kommt und was er hier will. Wei
gert er sich, dann " der Pro
fessor schloß mit einer graziösen Hand
bewegung, die beinahe aussah wie die
Gcberde des Kopfabschneidens.
Trotz des mehrfachen Protests
drang der Professor durch mit seinem
Antrag. Anstatt zweien jedoch wurde
er, der „Diplomat von Bell Bottom",
ausschließlich dazu ernannt, um den
Fremden zu son-diren. Der bärbeißige,
rothnasige Major Croß indessen schüt
telte mißbilligend seinen Kopf, und
sein treuer Parteigänger Jke Liggett
schimpfte über die bewiesene „unweise
Milde" gegen Jemand, der vielleicht
nächsten zeigen würde, daß er Gift
zähne habe und sie zu benutzen ver
stehe.
Nachdem noch einige „Wiskey-
Straight" und verschieden« „Juleps
Gesellschaft auf.
11.
Bell Bottom ist «in Städtchen, das
am Fuße der Appalachon-Berge liegt
und sich einer Mineralquelle rühmt,
gewurzelsten Rheumatismus und Gicht
curiren soll. Ich sage „soll", weil ich
mich hierbei auf das Zeugniß der Ein
wohner von Bell Bottom verlassen
muß. Daß indeß die Quelle Heilkraft
besitzt, daß war wohl nicht zu bestrei
ten, denn seit dem Kriege sogar
schon vor demselben kommen jeden
Sommer Leute aus dem ganze Staate
manchmal sogar von auswärts die
eine Cur durchmachen. Alles ist in
deß sehr primitiv dort. Die drei Hotels
bieten nur mäßigen Räum und wenig
Bequemlichkeit, und was die Küche an
betrifft — brr! Vergnügungen giebt's
sonst auch nicht keine Concerte, kein
- Tanz, nicht einmal ein Orchester, wenn
mun „Lame Pete" und „Fatty Mc-
Guir«", di« beiden Neger, welche die
handelten, nicht als Orchester gelten
lassen wollte. Ein Spielchen Poker
allenfalls, in verschiedenen Hinter
zimmern, sonst gab's nichts in der Ka
tegorie des Amüsements. Die Bewoh
ner von Bell Bottom waren eben, wie
so viele des Südens, während des
langen Bürgerkrieges verarmt, und sie
hatten es noch nicht seitdem verstan
den, sich wieder auf den Pfad des
Wohlstands zu begeben. Ihre Neger
„befleißigten " sich gewöhnlich des
Müfsiggangs, und von Jahr zu Jahr
hoffte man vergeblich darauf, daß aus
wärtige Kapitalisten die Vortheile
wahrnehmen und «inen Curort in gro
ßem Style in Bell Bottom gründen
würden. Di« Capitalisten des Nor
dens und Westens hielten sich zurück,
wohl weil sie eben nichts von Bell Bol
tom und seinen Heilquellen wußten.
Unglücklicherweise hatte außerdem
Bell Bottom noch einen Concurrenkn
in nächst«! Näihe. Das war Mineral
Springs, kaum 20 «nglische Meilen
weiter gelegen, wo man s«it 2 Jahren,
z. Th. mit Hilfe eben jenes östlichen
Capitals, auf das man in B«ll Bot
„neu modisch« Notions" ausgeführt
hatte, Hotels von elegantem Aeußeren
und schönen Einrichtungen gebaut, «i
-wöhl keiner weiteren Versicherung.
Mineral Springs hatte auch seine Zei
tung die „Avalanche" und in
Verachtung gesprochen. Aber thatsäch
lich neidete Mineral Springs dem ge
haßten Rivalen etwas seine Heil-
Factum, das auch das Eingangs er
wähnte Gespräch der „prominenten"
Bürger, mit Major Croß an der
Svitze, erst verständlich macht. Bill
Bottom trieb nämlich, in Ermangelung
von anderen nützlichen Industrien, ei
nige „Mondschein"--Destillerien. „Ma
jor" Croß und Prof. Baldwin waren
die Hauptunternehmer hierbei, aber die
dem Städtchen waren ebenfalls an dem
Betrieb und Vertrieb betheiligt, und
zu ihrem Lobe muß auch zugegeben
werden, daß sie auch tapfer ihren «ige
nen „krummen" Wiskey vertilgen, so
bald er in die Hände der Saloon- und
Hotelwirthe, die mit ihnen unter einer
Decke steckten, gelangt war. Die Waan
wurde jetzt seit 3 4 Jahren h»rge
stellt in „Stills", die in verstecktenThä
lern und Felsengriinden der Berge, in
nerhalb 6 Meilen von der Stadt, la
gen, und mehrmals schon waren Onkel
Sam's Steuerbeamte den „Mond
scheinlern" dicht auf den Fersen gewe
sen, trotz aller Vorsicht und Schlau
heit. Man erzählte sich im Städtchen,
daß einer dieser Beamten, der beson
ders neugierig zu sein schien und mehr
mals nicht weit von einer der „Stills"
beobachtet worden war, auch keines na
türlichen Todes gestorben, sondern das
Opfer seiner Neugierde geworden war.
Ja man wies sogar auf Ire Liggett
mit dem Finger als den Mann, der die
That gethan. Thatsach« war, daß der
neugierige Jnspector, Tom Watts, ei
nes Morgen mit einer Kugel in der
Stirn im Walde gefunden worden
war. Di« Coroner's Jury indeß
hatte den Spruch: „Tod durch Unfall"
gefällt.
Sei dem nun wie ihm s«i. jeden
falls hatten die „prominenten" Bür
ger von Bell Bottom alle Ursache, auf
der Hut zu sein gegen neugierige und
den war stets das Signal für sie, ihn
über seine Absichten auszuforschen.
Das war denn auch die Erklärung da
sei,. ö S
111.
So standen d?e Dinge also, als '
„Professor" Baldwin, nachdem «r sich !
für das heikle Werk durch einen tüchtl- ,
gen Schluck „krummen" Whiskey ge- l
I
„Hm, hm Herr Barry ich
fürchte, Sie werden mich etwas neu- i
Geschäften erkundige " sagte der >
„Diplomat von Bell Bottom" mit «i- 5
nem Lächeln, das Macchiavelli Ehre >
gemacht hätte. «
Sie nichts angehen", lautet«' der Be- i
scheid aus dem Munde des Herrn !
Barry. j
„Nun, nichts für ungut, aber die l
Leute hier in Bell Bottom sind doch
gewissermaßen 'im Rechte, wenn sie j
wissen wollen, wer unter ihnen weilt", >
fuhr der Professor fort, als ob nichts !
„Nun, sagen Sie den Leuten nur, !
wenn Sie gefragt werden, Sie wüßten i
selbst nicht, was ich hier treibe und i
woher ich komme. Sie können hinzu- «
! fügen, daß ich für Alles, was ich hier
! in Bell Bottom kauf«, auch baar be
' Zahle. Im Uebrigen, mein werther
l Herr, wir befinden Ans im freien
> Amerika, und die, welche mich nicht
' mögen, können meinetwegen zu allen
> Teufeln gehen!" So schloß Herr
l Barry die Unterhaltung, ohne irgend
l wie in Aufregung zu gerathen. Dvr
' auf dreht« er sich auf seinem Absatz
' um und entfernte sich.
Am Abend desselben Tages war
> abermaliger Kriegsrath auf der Office
des Professors, der seine Erfahrung
mit dem Fremden zum Besten gab.
Als ein Resultat dieser Berathung
' wurde um 2 Uhr Morgens vom
Wirth, „Col." Danks, an di« Thür
des Schlafzimmers geklopft, in dem
Herr Barry eben laut schnarchte. Nach
dem Herr Barry geöffnet hatte, sah er
sich einem halben Dutzend blanker
Büchsenläufe gegenüber, und die Man
ner, die sie trugen, hatten Masken vor
den Gesichtern. Der Wirth entschul
digte sich sehr höflich wegen der späten
nächtlichen Störung, aber betonte, daß
die sechs „Gentlemen" «in Geschäft mit
Herrn Barry zu «rledigen hätten, das
keinen Aufschub dulde. Und in weni
gen Worten, die etwas sehr drohend
klangen, wurde Herr Barry aufgefor
dert, seine Habseligkeiten schnell zu
packen und mitzunehmen. Darauf be
gleiteten ihn die Sechs bis 1000 Dards
vor die Stadt, worauf sie ihm mit
theilten, er könne jetzt zu allen Teu
feln gehen, möge sich aber sehr hüten,
wieder nach Bell Bottom zu kommen,
wmn er nicht blaue Bohnen zum
Frühstück in den Magen haben wolle.
IV.
Am nächsten Donnerstag erschien der
„Avalanch«" in Mineral Springs et
was früher wie gewöhnlich, so daß der
Redacteur des Conourrenzblattes in
Bell Aottom ihn noch am selben Abend
lesen konnte. Es standen einige sehr
wichtig« und interessante Nachrichten
darin. Vor Allen die, daß Ca>pt.
Barry, ein reicher Herr aus Kentucky,
im Auftrage eines Capitalisten-<Syn
dikats in Louisville nach Bell Bottom
durch chemische Untersuchung die
Quellen wirklich als so heilkräftig her
ausstellen sollten, an dem Orte selbst
ein großes Etablissement anzulegen
und mindestens «ine Million Dollars
in das Unternehmen zu stecken. Na
türlich, so bemerkt« der Redacteur der
„Avalanche", wären die Leute in Bell
Bottom, wie sie dies noch stets gewe
sen, mit Blindheit geschlagen, und an
statt Herrn Barry, der als ein Wohl-
Höflichkeit und Zuvorkommenheit
hätte aufgenommen werden sollen, ei
nen glänzenden Empfang bereiten,
sei er in pöbelhafter W«!se aus dem
Städtchen vertrieben worden. Kurz
um, die ganz« Bevölkerung von Bell
Bottom, und vor Allen seine Promi
nenten, hätten sich benommen wie es
südlichen Gentlemen nicht zikomme,
und Schreiber dieser Behauptung sei
erbötig, sie zu irgend einer Zeit und
gegen irgend Jemand mit den Waffen
in der Hand zu vertreten.
Selbstoeoständlich folgte ein Einla
dung. sich im Schießen zu üben, die
von den 6 Prominenten von Bell Bot
tom ausging, und die Bevölkerung bei
an den Vorbereitungen zu den 6 Duel
len, die der Reihenfolge nach durchge
kämpft werden sollten. Aber noch vor
dem ihnen dieses Schauspiel geboten
wurde, erfolgt« die Verhaftung des
Major Croß, Jke Liggett, Col. Danks,
„Croß-Eyed" Roberts und Prof.
Baldwin durch Bundesbeamte von
wegen des „Mondschein" -Whiskeys.
Jke Liggett, der inuthmahliche Mör
zu verleiten:
„Ich will Euch was sagen, Boys
der Schein trügt!"
N i ch.t so schlim m. „Han-
Angst! 's Leberle isch au' no' da!"
Ein Philanthrop. Ban
kier: „Du bist wirklich ein herzloser
Mensch! Du thust doch gar nichts für
die besitzlose Klasse!" —Dessen Freund:
einem verschuldeten Baron «ine meiner
Töchter gegeben!"
Ausreden lassen. Klei-
Kunde: „Jedesmal, wenn's geregnet
hatte, mußte ihn nämlich der Kleinere
anziehen!"
Zuviel. Bauer (zur Bäuerin,
die ihm ein neugefertigtes Kleid für
ihre Tochter zeigt): „Was, Taschen hast
Du 'nei gemacht? Na, da setzt Du der
Liese schöne Raupen in 'n Kopf, am
Ende verlangt sie noch Taschentücher!"
Eine sparsame Haus
frau. „Wie kannst Du nur immer
die Pappelmeier, diese alte Klatsch
base, einladen?!" „O, die weiß stets
so viele interessante Neuigkeiten zu er
zählen, daß die ganze Gesellschaft
Mund und Ohren aufreißt, und da
bleibt dann immer fast das ganze Es-
Clowns.
Die brausenden Beifallsstürme, un
ter den«n di« grazieuse Schulreiterin
Carmencita aus der Manege gallopirt
ist, verhallen und Zwerchfell erschüt
terndes Lachen füllt den Circus: Der
famose Clown Litte Fred hat mit ei
nem grotesken Salto mortale seinen
Einzug gehalten. Der „dumme Au
just" eine Figur, die leider ihre
Originalität immer mehr einbüßt
lustige Publikum dieselben gar nicht
bemerkt. Zu diesem Zwecke muß er
eine bedeutend größere Vielseitigkeit
sofort bei feinem Auftreten wiederer
kannt sein; aber er hat zum minde
sten ein Dutzend Nummern, in denen
er heute nur durch seine Comil, mor
gen durch seine Krast, übermorgen
durch seine Gewandtheit als Springer,
ein anderes Mal durch sein musikali
sches Talent oder durch seine mimi
schen Gaben excellirt. Der Clown, wie
er sein soll, kann alles; wenn er auch
manchmal, durch den besonderen Er
folg einer Nummer beeinflußt, sich als
Specialität gibt und dieselbe Scene
«in paar hundert Abend« hintereinan
der spielt.
Deutscher Clown.
Man hat sich wohl bemüht, inner
halb dieser Vielseitigkeit des Clowns
einzelne Arten zu unterscheiden und
sie durch besondere Ausdrücke des Ar
tistenjargons zu charakterisiren. Man
spricht z. B. von deutschen, französi
schen und englischen Clowns, womit
natürlich innerhalb eines Völkchens,
das so ganz und gar international ist,
nichts weniger als die Nationalität des
Individuums bezeichnet werden soll.
die von allerdings ursprünglich natio
nalem Geschmack diktirte „Ausma
chung", wenn es erlaubt ist, diesen
Gesichtsmaske und ihr Costllm. Der
flitterbesetzte Tricot desselben beibe
die Augenbrauen, Mund und Nasen
löcher stark hervortreten lassen, einen
grotesken Anstrich. An Stelle des
Tricots tritt häufig, in der letzten
Zeit fast immer, ein weites, aber nicht
weißes, sondern möglichst buntfarbiges
Pierrotcostüm, das scheckig ausgeputzt
und nicht selten an jener Stelle, die
Stierkampf,
bei Leuten mit sitzender Lebensweise
am meisten abgenutzt wird, den Na-
oder wenigstens das Initial desselben
in großen Buchstaben zeigt. Der
französische Clown gibt sich in seiner
der, das es unmöglich ist, bestimmte
Grenzen zwischen ihnen festzuhalten.
Einem geschickten Clown würde es
genden Scenen als der Typus deS
deutschen, des französischen und des
englischen Clowns au'"'»treten.
Grenze des Unterschiedes, den man
zwischen Sprechclowns und Clowns
schlechtweg macht. Wenigstens hat es
der Sprechclown nur in England dazu
gebracht, eine besondere Specialität
und eine beim Publikum außerordent
lich beliebt«, wie hinzugefügt werden
muß zu werden. In keinem an
dern Lande findet das Publikum Ge
fallen daran, sich vom Cirrusclown
eine Rede vom Umfang einer Viertel
stunde halten zu laAn, eine Rede
aus dem Stegreif, die, nicht selten an
politische Tagesereignisse anknüpfend,
zwischen gewichtigem Ernst und dem
blödsinnigsten Blödsinn hin und her
taumelt. Auch nur in England darf
der Clown es wagen, «rnsthaft senti
mental zu werden und seine Rede mit
tiefsinnigen und süßliche» Sentenzen
zu spicken..
Der dressirte Esel.
Uebrigens zeigt sich der deutsch«
Clown hier ist der Clown von
deutscher Nationalität, nicht der deut
sche Clown in der Circussprache ge
meint am wenigsten gewandt mit
der Zunge. Seine Scherze gehen leicht
in's Ueberderbe, er wird grob ohne
selten, ihn mit Grazie vorzubringen.
Die witzigsten Clowns, die im letzten
Jqhrzehnt im deutschen Circus das
Publikum mit ihren Scherzen lachen
gemacht haben, sind Ausländer. Karl
Godlewski, den die Wiener Hofoper
dem Circus entführt hat, nicht sei
ner Stimme wegen, die niemals eine
niales pantomimisches Talent im Bal
let zu verwenden, ist Pole; Del»
bos, der nicht mehr selbst arbeitet, son-
Tochter und eines Sohnes überwacht,
ist Franzose, und Little Fred, der
von jedem der beiden Vorgenannten
etwas hat, wenn «r auch keinen von
ihnen ganz erreicht, ist Engländer.
Mag der Beifall, der den meisten
gesprochenen Witzen der Clowns ge
spendet wird» nicht ungetheilt sein
um so dankbarer ist das Publikum
für die übrigen Künste, die der Clown
vorführt. Gibt es doch kaum ein Ge
biet der ganzen Circusarbeit, das in
dem Clown nicht einen hervorragenden
Vertreter hätte.
Clown als Pepita.
Besonders ist er ein ausgezeichneter
Dresseur, wenn er diese Kunst auch
selten an einem Pferde zeigt. Von
dem Esel, den außer dem Clown selbst
niemand dreimal um die Manege rei
ten kann, ohne in den Sand geworfen
zu werden, bis zu den militärisch ge
drillten Gänsen, bis zu Hunden, Af
fen, Katzen, Ratten und Mäusen gibt
es kaum «ine ungefährliche Bestie, an
der der Clown nicht seine Unterrichts
methode «rprobt hat. Aber diese Be
thätigung des Clowns gehört in das
Gebiet der Thierdressur, die seit zwei
Jahrzehnten so ungeheure Fortschritte
gemacht hat, daß sie wohl in einem be
verdient. Eine Specialität des
Clowns dagegen ist es, den Circus
r«iter und das Circuspferd zu parodl
ren. Ein vorzüglich gearbeiteter Pser
dekopf, dessen Augen, Ohren, Nüstern
und Maul durch einen Zug an einer
tel gestiegen ist. Dieser dritte, —ja
Lord auf Reisen.
das ist in seiner Maske, in seinem
Costllm, in jeder seiner Bewegungen
die köstlichste Caricatur des Circus-
Schulreiters, die man sich denken kann.
Jeder Zoll an ihm ist seinem Vorbilde
ähnlich, jeder Zoll aber auch verzerrt
des Originals wie von einem jener
Hohlspiegel zurückgeworfen sieht, von
denen man «ine ganze Sammlung in
beginnt das Vorreiten der hohen Schu
le. Zwei Sielen birgt die Pferde
maske in den beiden Artisten, aber
ihre Bewegungen sind von einem Ge
danken geleitet. Wie di« meisten Cir--
cuskunststllckc erst durch die Eractheit
rohen Krafkäußerung oder des Kör
pcrgewandtheit in das Gebiet der
Kunst emporgehoben werden, so ver
bürgt auch diesem Clownscherz mir dir
Exaktheit der Ausführung seine Wir
kung. In allen Gangarten producirt
der Schulreiter sich und seinen zuerst
willig allen Hilfen gehorchenden, dann
immer widerwilliger werdende» Gaul,
bis sich der letztere als die störrischeste
Bestie entpuppt, die jemals «inen Sat
tel getragen hat. Mit gespitzte» Ohren.
Lord auf Reisen.
Schulpferd schließlich seinen Reiter in
di« Flucht, um sich der Schlußact
der Tragicomödie, endlich in zwei
Abgang von der Scene nimmt. Die
Dressur des gelehrigen Esels, das spa
nische Stiergesecht und die Vorführung
drefsirter Elephanten sind vielfach von
Clowns zu einer Parodie nach dem
gleichen Recept benutzt.
Die Vorführung derartiger Scenen,
menarbeiten mehrerer Clowns,das sich
in der für die Wirkung erforderlichen
Exaktheit nicht in ein Paar Tagen er
reichen läßt wie etwa ein leidliches
Ensemble im Theater. Denn diese
Clownscherze sind immer mit Proben
von Kraft und Gewandtheit durchsetzt,
die nur in jahrlanger gemeinschaftli
cher Arbeit zu erreichen sind. Wer da
nicht jede seiner eignen Bewegungen
Musikalisch« Clowns.
liennamen sich als Truppe bezeichnen,
sind die einzelnen Mitglieder doch sel
ten genug durch Bande des Bluts mit
zusammenhält, ist die gemeinschaftliche
Arbeit. Sie betreiben als Compag
nons ein Geschäft, und Uneinigkeit ist
einzelnen Mitglieder, die während der
Arbeit ein Herz und eine Seele zu sein
scheinen, vor und nach der Vorstellung
haben. Reißt der Tod oder die Jn
in die Truppe, so sucht man sie wohl
zu ersetzen; findet sich kein Ersatz, mit
dem man in altgewohnter Weise fort
arbeiten kann, so paßt man die Arbeit
den Ueberbliebenen an, müßte man
tende Clowns bietet die Parodie das
ergiebigste Feld. Sie beschränkt sich
keineswegs nur aufScenen und Typen,
Art ist der reisende Engländer, „Der
Lord auf Reisen", wie sie auf dem
Programm gewöhnlich genannt wird.
der letztere von einem Clown darge
stellt, der gewöhnlich „Schlangen
mensch" gelernt und das Fach gewech
selt hat, seitdem das Publikum an den
ungewöhnlichsten Verrenkungen de?
menschlichen Körpers nicht mehr rech
tes Gefallen finden mag, oder die Vor
führung einer Damenkapelle, «ine
Französische ClownS.
Scene, die das erste Auftreten der
auffallenden Damentoiletten wirkt
überwältigend komisch. Die Musik,
die Kapelle dann macht, ist in den
zumal unter den Clowns nicht selten
musikalisch außerordentlich veranlagte
Naturen.
diese Veanlagung gern als Schluß
effect für seine Productionen. Man
braucht kein berühmter Geiger zu sein
und kann doch mit seinem Geigenspiel
einen colossalen Effect erzielen, wenn
man während desSpiels auf dem Kopf
balancirt oder als Halt für feine Füße
nur einen straffgespannten Telegra
phendraht hat. Und wenn man das
Posthorn auch nicht besser bläst als dk
meisten Postillone, so ist man doch der
Bewunderung der Zuhörer sicher, wenn
man während des Blasens nicht auf
dem Kutschbock sitzt, sondern auf der
obersten Sprosse einer 18 Fuß hohen
Leiter balancirt. Es ist daher «rklär-
Der starke Mann,
lich, daß auch die Clowns nicht nur
gern ein wenig Musik machen, sondern
daß sich eine vollkommene Specialität
von musikalischen Clowns herausgebil
det hat. Einige von ihnen suchen den
Effekt darin, daß sie die Kunststücke
einem althergebrachten Instrument
Geige Flöte, Mund- oder Handhar
monika spielen. Andere haben für
diese Instrumente neue und zum min
desten sonderbare, wenn auch die komi
sche Wirkung manchmal versagende
Formen erdacht oder auch ganz neue
Instrumente erfunden. Blasinstru
mente in Form von Flaschen, Gießkan
nen und allerhand Kiichengeräthen,
Streichinstrumente in Form von Be
sen sind auf diese Weise entstanden,
und Knalleffekte von Feuerwerkskör
pern und plötzlich hervorbrechenden
Flammen werden nicht selten zur Stei
gerung der Wirkung verwandt. Unter
den „neuersundinen" Instrumenten der
Clowns sind die harmonisch abge
stimmten Schlittenschellen von nicht
übler Wirkung; in der Behandlung
anderer, längst bekannter und aus der
schen Cirkus bei weitem nicht die her
vorragende Rolle spielt wie im euro
päischen. Ein großer amerikanischer
Cirkuszeltbau ist bekanntlich für die
fünffache Zahl von Zuschauern berech
net wie die europäischen Cirkusbauten,
und er enthält nicht nur eine, sondern
zwei, drei und vier Manegen nebenein
ander, in denen gleichzeitig gearbeitet
wird. Aber in diesem vielen Neben
einander kommt der einzelne Artist
natürlich wenig zur Geltung, und am
wenigsten gelingt es dem Clown, die
Aufmerksamkeit auf sich zu concentri
ren. Er flüchtete sich daher in Ame
rika aus dem Cirkus auf die Bühne,
aus die Specialitätenbühn« sowohl wie
erschlossen worden. Denn naturge
mäß fallen ihm, dem schauspielerisch
meistbegabten unter den Circusartisten,
durch Züge feiner Charakteristikum die
ihn Bühnenkünstler beneiden könnten.
Der Sturm der Entriistuna. der sich
auf die Bretter der VZiener Hofoper
sprang, hat sich schnell gelegt, seitdem
die Künstler eingesehen haben, daß
auch ein Clown ein Künstler sein kann.