6 Und ich liebe sie doch! Dumpf und trübe Nannte ich oft Die Glocken der Heimath, Doch heute klingen sie über das Meer, So wehmuthfelig, So Wunderbarlich, Daß selbst mein lachendes Herz Ihr Echo wird. Wie ein Bild der Zauberin, Der Dichterfre'undin Morgan«, Erblick' ich ferne am Horizont«, Wehmüthig winkend Die Gärten und Wiesen, Das schwarzbeschieserte Haus Mit den grünen Fenstern, Und am Fenster zum Garten Seh' ich die Mutter. Auf ihren Knieen Ruhet ein Buch Sie liest in dem Buche. Ich seh' es genau, Es ist das Buch, Das einst dem Sohne Mit Thränen sie schenkte, Und das der Sohn, Als er fortging Vergaß. Sie liest die Worte, Die eigenhändig Aus warmem Herzen „zu stetem Ge denken" Sie eingeschrieben Ich glaub', eine Thräne Fällt heiß auf die Bibel. Wehmüthig über das Meer Klingen die Glocken der Heimath. Der Schein trügt. i. Auf der breiten, schattigen Veran dah des Jackson House saßen ein hal bes Dutzend der prominenten Bürger Kon Bell Bottom und schlürften mit Andacht und Gusto ihren Mnt Ju lep. „Ahr Herren, ich kenne diese Sorte", sagte „Major" Croß, „dagegen giebt's 'nur ein Mittel. Wir müssen ihn hin aus treiben." „Natürlich", pflichtete ihm Jke Lig gelt bei, „so ist es. Allerdings hat °oer Fremde noch nichts Auffälliges, nichts wirklich Schlimmes gethan —> ivas man so nennt. Aber ich bin da sür, daß wir's nicht so weit kommen lassen. Der Mann hat etwas Un heimliches an sich, und ich glaube, er hält sich hier blos auf, um einen bö sen Streich zu vollführen. Jagt ihn aus der Stadt!" ' „Versucht- etwas aus ihm heraus zu bringen," bemerkte „Croß-Eyed" Ro berts, „aber sobald ich ihm etwas auf den Zahn fühlen wollte, stand er von seinem bequemen Stuhl auf und ging hinaus auf die Straße. Das ist ver dächtig ich schließe mich meinen Vorrednern an. Hinaus muß er!" „Meinestheil kann ich nichts gegen den Fremden sagen. Herr Barry, so heißt er ja wohl, wenigstens hat er sich so in mein Holelregister geschrieben, hat mich in gutem Baargeld bezahlt, und mein Barkeeper hat eine große Rolle Papiergeld an ihm bemerkt es waren auch Hundertfcheine dabei aber ich bin zufrieden mit ihm. Et was anderes ist's natürlich, wenn er begründete Ursache zum Verdacht ge geben hat," so sprach „Colone!" Danks, der Wirth des Hotels. „Professor" Buldwin, Redacteur der Localzeitung, des Bell Bottom „Lea >der" auf dem Titelblatt hieß es noch: „die einflußreichste Zeitung von Washington County, Nord-Carolina" hatte bis dahin schweigend zuge- hört. Als jetzt aber Major Croß sich anschickte, darüber abstimmen zu las sen, ob der Fremde gehen müsse oder nicht, da mischte sich der Professor in die «Sache. „Genlach, gemach, Major ich bin gegen unnöthige Gewalt. Versuchen wir's erst einmal mit Güte. Ich schlage vor, wir ernennen einen Ausschuß von zwei, der Herrn Barry ein wenig dar über auspumpt, wer er ist, woher er kommt und was er hier will. Wei gert er sich, dann " der Pro fessor schloß mit einer graziösen Hand bewegung, die beinahe aussah wie die Gcberde des Kopfabschneidens. Trotz des mehrfachen Protests drang der Professor durch mit seinem Antrag. Anstatt zweien jedoch wurde er, der „Diplomat von Bell Bottom", ausschließlich dazu ernannt, um den Fremden zu son-diren. Der bärbeißige, rothnasige Major Croß indessen schüt telte mißbilligend seinen Kopf, und sein treuer Parteigänger Jke Liggett schimpfte über die bewiesene „unweise Milde" gegen Jemand, der vielleicht nächsten zeigen würde, daß er Gift zähne habe und sie zu benutzen ver stehe. Nachdem noch einige „Wiskey- Straight" und verschieden« „Juleps Gesellschaft auf. 11. Bell Bottom ist «in Städtchen, das am Fuße der Appalachon-Berge liegt und sich einer Mineralquelle rühmt, gewurzelsten Rheumatismus und Gicht curiren soll. Ich sage „soll", weil ich mich hierbei auf das Zeugniß der Ein wohner von Bell Bottom verlassen muß. Daß indeß die Quelle Heilkraft besitzt, daß war wohl nicht zu bestrei ten, denn seit dem Kriege sogar schon vor demselben kommen jeden Sommer Leute aus dem ganze Staate manchmal sogar von auswärts die eine Cur durchmachen. Alles ist in deß sehr primitiv dort. Die drei Hotels bieten nur mäßigen Räum und wenig Bequemlichkeit, und was die Küche an betrifft — brr! Vergnügungen giebt's sonst auch nicht keine Concerte, kein - Tanz, nicht einmal ein Orchester, wenn mun „Lame Pete" und „Fatty Mc- Guir«", di« beiden Neger, welche die handelten, nicht als Orchester gelten lassen wollte. Ein Spielchen Poker allenfalls, in verschiedenen Hinter zimmern, sonst gab's nichts in der Ka tegorie des Amüsements. Die Bewoh ner von Bell Bottom waren eben, wie so viele des Südens, während des langen Bürgerkrieges verarmt, und sie hatten es noch nicht seitdem verstan den, sich wieder auf den Pfad des Wohlstands zu begeben. Ihre Neger „befleißigten " sich gewöhnlich des Müfsiggangs, und von Jahr zu Jahr hoffte man vergeblich darauf, daß aus wärtige Kapitalisten die Vortheile wahrnehmen und «inen Curort in gro ßem Style in Bell Bottom gründen würden. Di« Capitalisten des Nor dens und Westens hielten sich zurück, wohl weil sie eben nichts von Bell Bol tom und seinen Heilquellen wußten. Unglücklicherweise hatte außerdem Bell Bottom noch einen Concurrenkn in nächst«! Näihe. Das war Mineral Springs, kaum 20 «nglische Meilen weiter gelegen, wo man s«it 2 Jahren, z. Th. mit Hilfe eben jenes östlichen Capitals, auf das man in B«ll Bot „neu modisch« Notions" ausgeführt hatte, Hotels von elegantem Aeußeren und schönen Einrichtungen gebaut, «i -wöhl keiner weiteren Versicherung. Mineral Springs hatte auch seine Zei tung die „Avalanche" und in Verachtung gesprochen. Aber thatsäch lich neidete Mineral Springs dem ge haßten Rivalen etwas seine Heil- Factum, das auch das Eingangs er wähnte Gespräch der „prominenten" Bürger, mit Major Croß an der Svitze, erst verständlich macht. Bill Bottom trieb nämlich, in Ermangelung von anderen nützlichen Industrien, ei nige „Mondschein"--Destillerien. „Ma jor" Croß und Prof. Baldwin waren die Hauptunternehmer hierbei, aber die dem Städtchen waren ebenfalls an dem Betrieb und Vertrieb betheiligt, und zu ihrem Lobe muß auch zugegeben werden, daß sie auch tapfer ihren «ige nen „krummen" Wiskey vertilgen, so bald er in die Hände der Saloon- und Hotelwirthe, die mit ihnen unter einer Decke steckten, gelangt war. Die Waan wurde jetzt seit 3 4 Jahren h»rge stellt in „Stills", die in verstecktenThä lern und Felsengriinden der Berge, in nerhalb 6 Meilen von der Stadt, la gen, und mehrmals schon waren Onkel Sam's Steuerbeamte den „Mond scheinlern" dicht auf den Fersen gewe sen, trotz aller Vorsicht und Schlau heit. Man erzählte sich im Städtchen, daß einer dieser Beamten, der beson ders neugierig zu sein schien und mehr mals nicht weit von einer der „Stills" beobachtet worden war, auch keines na türlichen Todes gestorben, sondern das Opfer seiner Neugierde geworden war. Ja man wies sogar auf Ire Liggett mit dem Finger als den Mann, der die That gethan. Thatsach« war, daß der neugierige Jnspector, Tom Watts, ei nes Morgen mit einer Kugel in der Stirn im Walde gefunden worden war. Di« Coroner's Jury indeß hatte den Spruch: „Tod durch Unfall" gefällt. Sei dem nun wie ihm s«i. jeden falls hatten die „prominenten" Bür ger von Bell Bottom alle Ursache, auf der Hut zu sein gegen neugierige und den war stets das Signal für sie, ihn über seine Absichten auszuforschen. Das war denn auch die Erklärung da sei,. ö S 111. So standen d?e Dinge also, als ' „Professor" Baldwin, nachdem «r sich ! für das heikle Werk durch einen tüchtl- , gen Schluck „krummen" Whiskey ge- l I „Hm, hm Herr Barry ich fürchte, Sie werden mich etwas neu- i Geschäften erkundige " sagte der > „Diplomat von Bell Bottom" mit «i- 5 nem Lächeln, das Macchiavelli Ehre > gemacht hätte. « Sie nichts angehen", lautet«' der Be- i scheid aus dem Munde des Herrn ! Barry. j „Nun, nichts für ungut, aber die l Leute hier in Bell Bottom sind doch gewissermaßen 'im Rechte, wenn sie j wissen wollen, wer unter ihnen weilt", > fuhr der Professor fort, als ob nichts ! „Nun, sagen Sie den Leuten nur, ! wenn Sie gefragt werden, Sie wüßten i selbst nicht, was ich hier treibe und i woher ich komme. Sie können hinzu- « ! fügen, daß ich für Alles, was ich hier ! in Bell Bottom kauf«, auch baar be ' Zahle. Im Uebrigen, mein werther l Herr, wir befinden Ans im freien > Amerika, und die, welche mich nicht ' mögen, können meinetwegen zu allen > Teufeln gehen!" So schloß Herr l Barry die Unterhaltung, ohne irgend l wie in Aufregung zu gerathen. Dvr ' auf dreht« er sich auf seinem Absatz ' um und entfernte sich. Am Abend desselben Tages war > abermaliger Kriegsrath auf der Office des Professors, der seine Erfahrung mit dem Fremden zum Besten gab. Als ein Resultat dieser Berathung ' wurde um 2 Uhr Morgens vom Wirth, „Col." Danks, an di« Thür des Schlafzimmers geklopft, in dem Herr Barry eben laut schnarchte. Nach dem Herr Barry geöffnet hatte, sah er sich einem halben Dutzend blanker Büchsenläufe gegenüber, und die Man ner, die sie trugen, hatten Masken vor den Gesichtern. Der Wirth entschul digte sich sehr höflich wegen der späten nächtlichen Störung, aber betonte, daß die sechs „Gentlemen" «in Geschäft mit Herrn Barry zu «rledigen hätten, das keinen Aufschub dulde. Und in weni gen Worten, die etwas sehr drohend klangen, wurde Herr Barry aufgefor dert, seine Habseligkeiten schnell zu packen und mitzunehmen. Darauf be gleiteten ihn die Sechs bis 1000 Dards vor die Stadt, worauf sie ihm mit theilten, er könne jetzt zu allen Teu feln gehen, möge sich aber sehr hüten, wieder nach Bell Bottom zu kommen, wmn er nicht blaue Bohnen zum Frühstück in den Magen haben wolle. IV. Am nächsten Donnerstag erschien der „Avalanch«" in Mineral Springs et was früher wie gewöhnlich, so daß der Redacteur des Conourrenzblattes in Bell Aottom ihn noch am selben Abend lesen konnte. Es standen einige sehr wichtig« und interessante Nachrichten darin. Vor Allen die, daß Ca>pt. Barry, ein reicher Herr aus Kentucky, im Auftrage eines Capitalisten-