Gin Genie der Tlmt. (12. Fortsetzung.) „Schön," sagte er plötzlich kalt, aber mit zusammengebissenen Zähnen. „Schön, Du hast Dich entschieden. Du willst ihn behalten. Nun, so behalte ihn! Sei glücklich mit ihm! Aber geh mir aus den Augen. Ich will Dich nicht mehr sehen. Geh zum Onkel. Laß mich und mein Unglück ollein. Wer nicht für mich ist, wer in dem Elend, das uns getroffen hat, da? Herz hat, sich zu verlieben und verloben, gehört nicht mehr zu uns. Du packst auf der Stelle Deine Sachen verlässest auf der Stelle mein Haus! Ich habe keine Tochter mehr. Setze Dich hin, schreib Deinem Onkel! Da hast Du Dich ja immer wohler gefühlt, als unter mei nem Dach. So geh für immer dahin. Ich werde es ja nicht mehr lange ma chen, dann bist Du ein unabhängiges, reiches Mädchen und hast Dein Thun und Lassen." Da lag Annie mit einem Male zu seinen Füßen, hob die bittenden Hände und das -hränenüberströüite Gesicht zu ihm auf. „Fort!" knirschte er und stieß mit beiden gehobenen Fäusten nach ihr. die dünnen allen Lippen von den gelben Zähnen ziehend und scheu sprang sie auf, floh vor ihm zurück bis an ihr das sie ihr nasses Gesicht wühlte, schluchzend und zitternd am ganzen Körper. Einen Augenblick schaute er mit höhnischer Grimasse aus das knieende Mädchen dann lief er aus dem Zimmer, die Thür wild hinter sich zu werfend. Ach, so lanae hatte er geschwiegen, hatte seinen Grimm und seinen Gram in sick gefressen, die Lippen zusammen gebissen, nur hie und da ein Wort über sie gehen lassen jetzt war es endlich dazu gekommen, er wußte nicht wie, daß er sich einmal Lust machte, alle Verzweiflung, allen Zorn ausschüttete es war am unrechten Orte geschehen, er hatte es alles über sein Kind aus geschüttet saß nun wie vernichtet in seinem Rohrstuhl an seinem altenPult ächzt- stumm, daß er den letzten Menschen von sich gestoßen, den er außer Johannes noch besaß preßte die Fäuste auf seinen Mund, wankte mit dem Oberkörper nach vorn und , hinten und fühlte in greulicher, herz zerreißender Freude, daß nur noch eine Brücke ihn mit der Menschheit ver band sein Sohn. Und es drückte ihn fast in der Erregung des Augenblicks, daß er diese Noch nicht abgebrochen. Johannes war nicht zu Haus, hatte nichts von der Szene erlebt; und es war ein Glück, daß er nicht jetzt gerade heimkam d-nn der alte Mann hätte nicht gewußt, was er thäte wäre der Jüngling ihm nunmehr unter die Au gen getreten. Als er eind Zeitlang so gesessen, zog er seine Schlüssel aus der Tasche, nahm Geld aus dem Geheimfach des Sekretärs, versucht? im Kopse auszu rechnen, wie viel er zu seinem Vorhaben braucht-, brachte es aber ohne Feder und Papier nicht heraus. Als die Rechnung stimmte und er das Fach wieder hatte in seine Feder springen lassen, ging er hinüber in die Wevkstätte und gebot Feierabend. Der Werkführer mußte die Arbeiter aus den drei Stockwerken des Seiten flügels, wo die Feilen und Zwickelsägen raspelten, die Fräsmaschine» gingen und das alte Durchstoßeisen noch in Thätigkeit wer, zusammenrufen, und als die Leute alle um den Herrn her umstanden, hieß es. die Werkstätte müsse geschlossen werden. „Ihr wißt alle, wus geschehen," sagte Heinrich Graaf. „es ist mir seit heute morgen keine Ehre mehr, mich als preußischen Staatsbürger zu be trachten, ein arbeitendes, initthätiges! Glied dieses Gemeinwesens zu sein. Ich scheide aus dem Gewerk. In kur zer Zeit werde ich wegen eines gemeinen Diebstahls vcrurtheilt und in's Ge fängniß gesteckt werden. Einen solchen Arbeitsherrn sollt ihr, ehrliche Arbei ter, nicht haben. Der Betrieb ist zu Ende. Es ist Feierabend. Ihr seid alle gekündigt. Euer Lohn für die abgelau fene Arbeitswoche und auf sechs fer nere darüber hinaus iverde ich euch so fort auszahlen. Seht euch nach ander weitiger Arbeit um. Wer heute über sechs Wochen noch keine gefunden, komme wieder zu mir ich will ihn dann weiter unterstützen. Ihr habt alle stets treu zu mir gestanden, so lange ihr mich für einen ehrlichen Mann hiel tet ich danke euch dafür und möge «s euch gut gehen. Wir haben zusam men Tüchtiges geleistet, das wird euch allenthalben Empfehlung fein. Aber es würde über kurz oder lang do-h nie mand mehr von mir Waare biziehen mögen.Darum höre ich lieber ohne wei tere Kränkungen selbst auf. Noch ein mal, Jungens, laßt's euch gut gehen! Friedländer," er wandte sich dem Werkführer, „da hast Du da? Geld, zahle sie aus, wie ich es eben bestimmt habe. Es ist in Ordnung ich hab' es selbst nachgezählt! Adieu!" Damit wendet« er sich rasch 'ib und lief hinaus. Er wollte nicht schen las sen, daß er die Thränen in den Augen hatte. Ms nachher der Werkmeister zu ihm kam, um ihm den Dank der Arbeiter zu sagen gern hätten sie noch einzeln von ihrem alten Herrn Abschied genom men da stellte ihm Heinrich Graaf frei, sich von den vorhandenen Maschi nen, Arbeitsmitteln und Rohmateria lien so viel zu nehmen, als genügte, um einen selbstständigen kleinen Be trieb zu beginnen. Und obezein gab «r dem Manne, der gegen sieben Jahre in seinem Dienst gestanden, eine Summ«, die ihm helfen sollte, sich zu «tabliren. Mit vielem Dank und in ehrlicher Rührung ging der so sorglich Belohnte davon. „Alle diese werden nicht schlecht von mir denken," sagte sich Graaf, „so lange wenigstens, wie das Geld reicht. Aber für unklug werden sie mich hal ten bah!" Es dunkelte schon beinahe. Aber er hatte sein Werk noch nicht Er nahm Stock und Hut und ging in seine Ladengeschäfte, deren er drei in verschiedenen Theilen der Innen stadt unterhielt, eins am Werder'fchen Markte, eins in der großen Friedrich straße, eins in der Königstraß« unweit der Kolonnaden. Diese Geschäfte wurden von alien „Mamsellen" geleitet, denen Graaf die Waaren lieferte, mit denen er allwö chentlich abrechnete und die auch von feinem Hause aus beköstigt wurden eine Einrichtung noch ganz aus der vergangenen Zeit. Sonntags und an besonderen Festtagen mußten sie an oder erhielten, na tcn Mädchen gern in's Grüne nach dem Grunewald schickt-, dafür eine Extra vergütigung. Wie erstaunt w»r Fräulein Julie in der Friedrichstraße, eine Angehörige der französischen Kolonie, in der Fami lie „Jilly" genannt, als l>eute Abend der Herr bei ihr eintrat, ein eigen thümlich verstörtes Gesicht zeigte und sie fragte, ob sie das Geschäft taufen wolle. „Herr Graaf, dazu reichen meine Mittel nicht!" „Alte Heuchlerin," das war unge fähr der Ton gemüthlicher Grobheit, in dem Graaf mit den Mamsellen ver kehrte, „ich weiß besser, was Sie sich bei mir erspart haben, als Sie selber, denn keiner hat es Ihnen je angelegt, als ich. Sie haben jetzt etwa sechszehn üausend Mark beisammen —" „Du meine Güte!" rief Fräulein Jilly. „So viel ist es ja nicht. Nach dreitausend Thaler!" „Sei'n Sie still! Ich weiß es besser," fuhr der Herr sie an. „Ich werde En gelhardt sagen lassen, daß er Ihnen die Abrechnung schickt. Sie sind beinahe dreiundvierzig Jahre bei mir. Ihren Lohn von all der Zeit haben Sie fast immer sparen können, denn was Sie gebrauchten, dafür hat meine Frau ge sorgt! und Essen und Trinken hatten Sie. Das ist alles angelegt, mit Zins und Zinseszins, den Sie alte Thörin natürlich zu berechnen vergessen; und dazu haben, macht es soviel Sie lesen wohl keine Zeitungen thun auch ganz recht daran! Sonst würden Sie wissen, Jilly, daß die italienische Rente, die ich Ihnen vor Jahr- und Tag mit S 8 gekauft, 98 steht." „Achtundneunzig?" Und die alte Jungfer schlug in freudigem Schreck die Hände über dem Kopf zusammen. „Da h.it Sie Ihr Geld beinahe ver koppelt!" nicht allein. Wird Ihnen die Sache 'mal zu schwer, so verkaufen Sie Ihr Geschäft und haben dann etwa fünf hundert Thaler Rente; damit kommen u" s'tz versah, seine Hand an ihr« welken Lippen. „Alle Donner!" fuhr der Herr auf. '"Scheies so. .tt>uu. Ebenso sorgte er für seine andren beiden Mamsells, die gleicherweise be reits ein Menschenalter in seinem Die Verträgt mußte am nächsten Tage Johannes bei Riehm machen lassen und seine Unterschriften neuen die des Baters setzen. Sein Sohn sah mit Unrnhe, daß er sein Haus bestellte, wendete aber nichts ein. Er hatte ja einen andern Beruf ergriffen, und das Familienvermögen mindert! sich durch die Liberalität des Vaters nur unwesentlicki auch war zwischen ihnen beiden früher schon be sprochen, daß im Falle plötzlichen Ab lebens in ähnlicher Weise für die alten Treuen desHauses gesorgt werden solle. Am nächsten Tage auch ging Johan nes im Austrüge des alten Herrn hin und inserirtc Haus und Fabrik. So fest Heinrich Graaf an dem Namen „Werk stätte" für seine Kammfabrik gehalten, für die Verkaufsanzeige ließ er sich stillschweigend daZ modernere Wort, das der Sohn aufgeschrieben, gefallen. „Was soll werden, Papa," fragte Johannes an diesem Morgen endlich, „wenn wir alles verkauft haben?" „Ich will mich zur Ruhe setzen, bin elt genug!" „Weiß noch nicht. Hier nicht hier bleib' ich nicht! Warst Du bei Deinem Onkel? Will er Deine Schwester zu sich nehmen, bis alles in Ordnung ist?" „Ja er möchte Dich gern ein mal sehen, läßt Dich herzlich grüßen, Du sollst die Dinge nicht so schwer, nicht so sentimental nehmen!" „Sentimental? Er hat gut reden!" xvm. torietät gebreicht. Er war aufgetaucht, wie ein Me teor in allen Zeitungen und Zeit schriften von Ruf war sein Name, be fanden sich Beiträge von ihm. Er schrieb täglich zweihundert Zei len so hatte er (bei unverbrüchlicher Scmntagsruh«) in diesem Sommer zwei längere Romane, fünf Novellen un» einundzwanzig Feuilletons, Skiz zen, Nov-lletten in stetiger, allerdings etwas handwerksmäßiger Arbeit zu stande gebracht, welche Summe von Fruchtbarkeit ihm sozusagen llberNacht seine Stellung in der Zunft geschaffen. Des Morgens lag eine gewisse An zahl von Blättern weißen Papiers ge schnitten auf seinem Schreibtisch Abends waren sie aufgebraucht er ging nicht el)er zu Bett, ehe fein Ta geSpensum abgearbeitet. „Woher bekommt der Mann denn alle diese „Stoffe?" fragt der stets fdoffhungrige moderne Autor. Graf Breying war eine praktische Natur. Sein Grundsatz lautete: „In heu tiger Zeit kommt es nicht so sehr darauf an, etwas zu können, als etwas zu thun!" So that er etwas. Er las geläufig Französisch, einiger maßen Englisch. Die französische, die englische Literatur ist ja so reich kleine Anleihen schaden ihr nichts. Hatte er ein«n Roman von sa rarl oder sonst einem weniger Ueber setzten gelesen, so vergegenwärtigt: er sich noch einmal die Handlung, verein fachte sie, komprimirte sie sozusagen, bis ein Novellen- oder Novelettenstofs »araus geworden. Der Schauplatz wurde verlegt, immer an einen Ort, den Breying aus eigener Anschauung genau konnte des Lokalkolorits we gen. Die dem deutschen Publikum nicht zusagenden Jndecenzen in Personen und Handlung wurden sorglich aus gemerzt uns ersetzt; selbstredend wurde jeder französische Krämer ein deutscher „Onkel aus der Provinz", jede Grisette ein naives Pensionsfräulein, jede Type von jenseits des Rheins in eine der guten alten stets wirkungsvollen Fi guren des deutschen Romans oder des deutschen Theaters umgewandelt, die von jeh» entzückt, belustigt, gerührt Ein gewilies Maß von Intelligenz und Feder gehörte zu dieser Art Arbeit immer noch aber das und den ent sprichenden Fleiß besaß er ja. Die Idee war übrigens nicht von ihm selbst er hatte sie einem andern abgsguckt und für praktisch befunden. Als er einmal in einem Berliner Blatt eine höchst dezente und span nen»« Skizze fand, die er sofort als eine geschickte Umarbeitung eines der zweifelhaften Stoffe aus' Boccaccios Dekamerone erkannte, da war ihm sei ne künstige Arbeitsmethode klar; er be schloß, es ebenso zu machen, nur ge schickter, so daß man die Quellen nicht nachweisen könnte. Allein er beschränkte sich nicht auf „Umprägung" französischer und eng lischer Arbeiten er nahm seine Stoffe überall, wo er sie fand. die Stupidität. Was Neues saugt ihr Mann!" Der große Brite hat einen König Lear geschrieben welch herrlicher Stoff. Turgenjeff ist> so begeistert davon gewesen, daß er alsbald einen „König Lear der Steppe" in russischemßauern kslorit daraus machte schön, seien wir ebenso begeistert, schneiden wir uns aus dem Königsinaniel einen mo platz nach Schöneberz zu den reich ge wordenen Bauern, denen ob ihres plötz lichen MillionenseMs überhaupt geschickte", eingedickt natürlich auf etwa sechshundert Druckzeilen und mit treuester Lokalfarbe überpinselt. Redaktionen, dann dem Publikum, überall zur Mitarbeilerschift aufge fordert werden, in allen Quartalsan was soll denn ein Schriftsteller eigent lich noch mehr von seiner Muse ver langen. Narren diejenigen, die sich zum „verlorenen Haufen" schlagen, voran- springen, eine ehrenvolle erste Lanze in den Feind werfen wollen, sich drmn reißen, diz Geistesschlachten »es Jahr hunderts mitzuschlagen! Breyings Arbeiten waren in keiner Weise originell, packend, zündend, be geisternd aber sie waren immer gut l brauchbar, stets von d«r genehmen Länge, sich in den Rahmen des Ta gesbedarfs einfügen zu lassen, stets glatt, unterhaltend, das Lesebedürsniß befriedigend - item, er war einer der „beliebtesten Erzähle?', sein war der Erfolg! Und als er ein halbes Jahr lang das Tagesst.roh der Lokalredaltion gedro schen, machte ihn sein Vreleg-r zum Leiter des Feuilletons, gewährte ihm ein großes Gehalt, einen langen Kon- Oheim hatte er am nächsten Morgen durch ein Billet des Mädchens erfahren. Sie bat ihn darin, rasch ihrem bekannte Allee bei Schloß Bellevue herabzukommen, wenn er sie sehen wolle. Breying wartete zunächst, bis er von ten. Schicksal. erinnern, nnd von neuem bäte, seinem Wunsche zu willfahren. Ehe er hierauf noch ein« Antwort verkauft habe der Tag der Verhand lung gegen den alten Mann war da, und dieser wurde unter Annahme al ler mildernden Umstände zu einem Tag« Gefängniß verutheilt. Er Halts nicht hingehen wollen es hätte ihm nichts geholfen Johannes mackte ihm klar, daß er sich damit nur »er zwangsweisen Abholung durch Schutzleute aussetze. Er hatte auch daran gedacht, zu flie hen allein er sagte sich, daß dann vermuthlich in allen Zeitungen hinter ihm Steckbriefe erlassen würden, und daß er damit seiner Familie noch mehr schade, als wenn er sich stelle, Urtheil Der alte Justizrath suchte ein Bild aneigneten. Graaf hat draußen am Wedding Berlin im Jahre 1873 von genommen und sich nichts dabei gedacht. Diebstahl betrachten wollen!" genommen hätte." ' Der andre Vertheidiger Graafs wies auf dessen Gemiithszustand hin, stellte alle die thörichten Schritt« dar, die der alte Mann unternommen, seit die An gelegenheit wieder aufgelebt, und zeigte, Diebstahl sei oder nicht. Er hätte den selben ja thatsächlich vorher bezahlt und konnte bei seinen unklaren Vor itt vollster Erregung aufsprang und ihm zurief: „Zum Verrückten wollen Sie mich stempeln? Sie irren sich, Herr Rechtsanwalt, ich bin völlig klar, war mir völlig klar über die Tragweite meiner Handlungen! Glauben Sie ihm nicht, mein« Herren. Ich brauche solche Ausflüchte zu meiner Entschuldigung nicht. Der Stein war mein ich war im Recht, und daran können tausend richterliche Erkenntnisse nichts ändern!" Der Vertheidiger un» der Vor sitzende gliichzeitiz brachten ihn zum Schweigen aber die Stimmung im Saal war von diesem Augenblick an die, daß der unkluge alt« Mann sich selbst den Hals gebrochen habe. Einer der Schöffen erbat sich eine Frage an den Angeklagten. „Entsinnen Sie sich genau, daß der Stein von Ihrem Vater bezahlt wor den ist, als er gesetzt wurde?" fragte er. „Den Stein kenne ich von meiner Kindheit an," war Graafs Antwort. „Erst stand er mit einem gleichen an unsrer Thoreinfahrt, links einer, rechts einer. Dann bat sich der hochfeligePrinz Karl für seine Sammlung einen von den beiden von meinem Vater aus. Er wollte ihn kaufen mein Vater aber litt das nickt, sondern machte ihn Sei ner Königlichen Hoheit zum Präsent, was huldvoll angenommen ward. Die ser Stein befindet sich noch jetzt in der Sammlung zu Schloß Glienicke. Je der, der dort Einlaß findet, kann ge hen, sich ihn ansehen. Der andre wur de, als die Stadt jenseits des schma le» Bütgersteiges bei der Einfahrt zur Quergasse einen Prellstein brauchte, um ungefähr vier Fuß vorgerückt und stand seitdem nicht mehr unmittelbar an unsrer Hausthür, sondern jenseits des Rinnsteins am Straßendamm!" „Haben damals Verhandlungen zwischen Ihrem Vater und der Stadt über das Besitzrecht an dem Stein statt gefunden?" „Weiß ich nicht. Ich war noch zu: jung und zu dumm dazu, mich um der gleichen Dinge zu kümmern. Ich habe ihn immer als unsren Stein ange sehen." „Er war aber nicht mehr der Ihre!" bemerkte der Richter. „Es unterliegt keiner Frage, daß er von Ihrem Vater der Stadt geschenkt worden ist, als er auf den Damm gesetzt wurde. So hat auch »er Zivilrichter entschieden. Und das war Ihnen auch klar sonst wä ren Sie nicht bei Nacht und Nebel hin gegangen, ihn aus der Baubude weg zunehmen. Ihr Glück ist nur, daß es eine offene Baubude war sonst wür den Sie damals im überquellenden Drange Jhresßechtsgefühls einen Ein bruch begangen haben!" Als er sich abwenden wollte, fragte der Vorsitzende, bemüht, den Prozeß aus den Alten und der Welt zu schaffen: „Sie verzichten wohl auf eine Berufung?" Und Graaf, ehe noch der Vertheidi ger dazwischentreten konnte, in felbft- Recht zu bekommen!" Am Nachmittage desselben Tages war Breying bei ihm, hatte in der bung mündlich an. „Nehmen Sie sie," fuhr Graaf auf. „Ebrenmaiin, der Sie fein müssen, Breying sah sehr ernst und feierlich ans, war in vollster Toilette: „Ich ver arge Ihnen Ihre Erregung nicht, Herr verliebt haben? Mit dem Schwieger vater, verspreche ich Ihnen, sollen Sie nicht mehr viel zu thun haben. Der geht Also ich bin Ihnen für den Edel wuth Ihrer Handl'ungSwiis« nicht > weiter dankbar." „Meiches Mädchen/" Dies Wort nahm Breying auf. „Ich versichere Sie, Herr Graaf, deswegen " „Will ich ja auch gar nicht gesagt ruhten schwer auf den Armlehnen des Korbgeflechts, und er sprach mit apa thischer, dumpfer Stimme, als sei er aus. Mag sie nehmen, wer will. Hab' mich selbst nicht schützen können wie soll ich mir erlauben, anzuneh les aus, alles aus! Unser alter Kaisei liegt krank er wird sterben, Moltte ist alt, Bismarck ist alt, »er Kron prinz wird auch schwerer leidend sein, als man's wahr haben will; Berlin brandmarkten Namen los wird!" Und er klappte mit der Hand auf du Stuhllehne. Breying saß stumm, suchte nach Worten. nein prüfenden Blick aus den tieflie genden, finsteren Augen zu ihm um, „junger Herr, sagen Sie mir wenig stens, und nehmen Sie dazu den über stimme haben sagen Sie mir we nigstens, daß Sie den ehrlichen Wil sen hegen, das Mädchen glücklich zu machen!" Der ächzende alte Mann that Brey- ing in diesem Augenblicke wirtlich auf richtig leid. „Ich will!" sagte er nnd griff nach Heinrich Graafs Hand. Er hatte das Bedürfniß, den Kopf vor »es andren > Blicken zu senken so war dies bequemste Gestus. Aber Graaf zog die Hand zurück. ' „Nicht doch!" murmelte er. „Wei wird einem Dieben die Hand drücken!" und er versank in die frühere Apathie. > Eine dumpfe Pause entstand Breying nahm seinen Zylindsrhut auf ! der neben seinem Stuhle stand. i „Ich will Ihnen eins sagen," begann >er alte Mann auf's neue, „eine un- Gatten sie trifft beide. Macht man ! seine Frau leiden, so straft man sich i damit selbst. Es ist Egoismus, wenn !man sich alle nur erdenkliche Mühl l gibt, wenn man alle Vorsicht anwen det, sich das Verhältniß zu dem Men -5 schen, an den man nun »och wemg -sden häuslicherßehaglichkeit. Und häus iliche Behaglichkeit wieder ist Arbeits kraft, Erwerbsfähigkeit, läßt sich be hauch von vornherein überzeugt sind, !daß, was ich sag«, Unsinn ist!" Breying wollte widersprechen. „Nein, nein!" sagte Graaf, „es ist schon so. Wie soll das, was ich sage, fortan Werth haben? Ein verurtheil ter Mann! Wann wollen Sie meinen Segen haben jetzt oder übermorgen entlassen werde? Wissen Sie, ich will ! meinen Segen lieber für mich behalten. Hat er selbst Kraft, so könnte er Ihnen vielleicht nur schaden. Ich bin nicht abergläubisch ich meine die inner« Wirkung was soll Ihnen denn das sagen und nützen, wenn ich über Sie und Sie beide denken dabei: „Der alte Dieb!" und meine Kleider riechen viel leicht dazu noch muffig nach Gefäng nißluft. Am besten. Sie machen alles mit meinem Bruder ab und, da Sie Sie mich im übrigen ungeschoren!" „Siebzigtausend oder nicht!" dachte Breying, als er die Treppe hinunter, ging. „Das ist jetzt «gal. Der Alte ist mehr." Aber leid that ihm Heinrich Graas doch. Er nahm eine peinliche. drückende das Bedürfniß, ein paar Glas Sekt irgendwo rasch hinunterzustürzen, um diese Empfindung los zu werden. „Aber wie hätte ich's denn sonst machen können? Er hat sich die Sache ja in seiner Unbesonnenheit selbst ein» gebriFckt, sie durch seine Hartnäckigkeil! selbst verfahren. Soll auch ich deswegen niiM Lebtag den Holzhacker spiele»? Ez kann noch froh fein, daß ein (in ständiger Kerl keiwnt und seine Tochter heirathet." muß vorläufig damit feine Schulden bezahlen und auSzukoii,.men suchen mit dem, wc-S dann noch bleibt. Wullen heut er hätte die Summe verisp» pelt. Aber es wäre wider den Anstand gewesen. Mon muß es auf feinereMif< zu lnczen suchen!" (Fortsetzung folgt.) Die Mitlwe. de» Ungarischen von Victor R-kofi Eines Sommerabends begab ich mich mit der Straßenbahn in's „Ka>- serbad". Eine ganz in Schwarz ge kleidete, korpulente Dame laß nebes mir; ich schätzt« sie auf ihr« ISS Pfund. Sie ließ ihren Fächer fallen, ich hob ihn auf; sie ließ ihr Taschentuch fallen, ich hob es auf; sie trat mir auf den Fuß, ich machte kein Aufhebens. All' das rührte sie so sehr, daß sie mich ansprach: „Lieben Sie das Horngebläfe?" Ueberrascht blickte ich auf sie. „Wie meinen Sie das, meine Gnä diges" „Ich meine, ob Sie das Horn lie ben, wenn es geblasen wird?" „Ich muß gestehen, meine Gnäd'ge. darüber noch nicht nachgedacht zu ha ben." „Nun, ich liebe eZ nicht, und es macht mich ganz nervös, daß dieser Kutscher unaufhörlich bläst." Jetzt verstand ich, was sie meinte. „Uebrigens" fuhr sie fort „vielleicht wirkt dieser Klang nur des halb so auf mein« Nerven, iveil er mich «n die Nothsignale der Schiffer erin nert." „Knüpfen sich daran für Sie wohl traurige Gedanken?" „Ach, wie traurige! Das Scheiter» des „Albatroß" —" „Der Herr Gemahl Seemann?" ftirfchte ich mit tiefem Mitgefühl. „Ja, mein Herr! Aber er legt« fein Examen auch auf Süßwasser ab." „Bielleicht auch auf Sauerwasser?" fragte ich voll Empressem-nt, wurde aber im selben Moment meines Ver- Zweifel: sie ist Wittwe. Ihr Gatt« Wittwe aus der Straßenbahn. Mit alles Bestehenden. Doch verrieth mit keinem Worte mehr, als was sie mir schon bei unserer ersten Begegnung mitgetheilt hatte. Trotzdem war ich entschlossen, sie zu meinem Weibe zu machen, und eines Nachmittags, da der Regen in Strö men niederprasselte und nur wir Beide im Wagen saßen, eröffnete ich ihr meine Absichten. Ihr Auge leuchtete, ihr ganzes Ant litz wurde zinnoberroth, sie schüttelte meine Hand und sprach: „Ich bin die Ihre, aber sprechen Sie mit meinem Gatten —" Ich schnellte vom Sitze empor. „Sind Sie denn keine Wittwe? Und der „Albatroß"?" „Der „Albatroß"? Das war ein Ge treideschlepper. auf der Donau und versank mit unserem ganzen Vermögen der Vater starb vor Gram dar» über —" ' ~"uo Gatte?" „Lebt und ist SchissscapitSn." „Auf dem Ocean?" Die Frau sah mich einfältig an. „Nein, mein Herr, auf d«r Donau, zwischen Titel und Szegedm. Ich bin bereit, mich von ihm scheiden zu lassen, wenn Sie es ivüiischen!" „Meine Gnadige, das kann ich nicht verantworten. > Die Route Titel-Sze gedin ist langweilig genug, warum sollte ich die qualvolle Existenz ihres Gatten noch mit einer Familien-Tra gödie beschweren! Ich hätte Sie gern« zur Gattin genommen, unter der Be dingung, daß mein 80-gänger zwi schen den Korallenklippen der kanari schen Inseln im Kreis» altersgrauer Wallfische den ewigen Schlummer schläft; daß ich aber die Wittwe ein«K zwischen Titel und Szegedin.lebendig fahrenden Seecapitäns: nicht eheliche«» kann, ist klar. Gott befohlen aus im» Ich stieg ab. Seit jener Zeit aber befällt mich, so oft ich einen Wagen der Straßenbahn besteige, die S«» krantHeit. DaS „Zwisch«i»"-Sptcl. Frau Dr. Z., die Gattin eines be» kannten Schriftsteller! und Abgeordne ten. die mit Ernst und Eifer ihren jungen MutterpsHchten obliegt, erhielt Mgft Besuch einer ihr befreun iuten, «benfalls schriftstellerischen Krei sn anghörendm Dame. Man plau derte von allerlei Neu-Erscheinungen auf theatralischem und uns besonder» literarischem Gebiet, wobei man zu fälligerweise den bekamen Jenfen schen Zwischen Wvei Welten", und darar anschließend eine neu er» schienene Gdaichisaininluing, „Zwischen zwei Nächten" und endlich das Lust spiel .„Zwischen zwei Herzen", dessen Neu-AzMhrung bevorsteht, berührte. „Da werden Sie doch gewiß hingehN?" sagt die Besucherin. „Glaube entgegnet Frau Dr. X. „Mich in ter-tssirt jetzt wirklich bei Weitem mehr alt „zwischen zwei Welten", „zwischen Mi Nächten" »nd „zwischen zwei Her zen", „zwischen zwei Flöfchchen" die einzige Z'it nämlich, in welcher ich ausgehe... I Jettrockenerein Witz ist, ! um so leichter zündet «. 3
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