Genie der Tlmt. (11. Fortsetzung.) Der Richer, der Protokollführer, die beiden Schöffen (auch diese jüngere Herren! schüttelten zu dem wunderli chen „Kaufgeschäft" Heinrich Graafs die Köpfe, hatten aber eigentlich nicht d«n Eindruck, einen „Dieb" vor sich zu haben. Glaubwürdig sah er ihnen auch «aus, der schrullenhafte alte Mann, der sich durch ein jedenfalls nicht völlig korrektes Verhalten in einen so schlim men Handel verwickelt. Hatte nun sei nerzeit die Stadt das Geld im Sinn« des Gebers angenommen und wegge bucht, so kam er „mit einem blauen Uuge davon", dann hatte sie es still schweigend als Kauf und Verkauf an gesehen. Hatte sie damals aber nur we gen der Unbedeutendheit des Objektes t>on einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen so stand es schlimm um Heinrich Graaf. Dann war er einer von den allen Gerichten bekannten „Männern mit dem Rechtsbewußtsein", die sich meist von ihrem „dunklen Drange" zu allerlei kohlhasischen Han dlungen verleiten lassen. Dann war die Sache ein Diebstahl. Der Richter ging zu der nächsten Strafsach: über Graaf konnte ab treten und das Publikum durfte drau ßen auf dem Korridor seine Unbefriedi gung über den so unsensationellen Ex positionsakt des Gerichtsdramas aus lüften. Auf d:n alten Herrn hatte die ein fache Verhandlung einen tieien, folgen schweren Eindruck gemacht. Da drinnen hatte er stehen müssen, wie ein Ange klagter da ging er nun und nim mermehr wieder hinein! Draußen auf dem Gange wartete Johannes und wollte den Papa in Empfang nehmen. Allein Graaf sah ihn nur mit einem steifen, fremden Blicke an, schob ihn mit einer langsamen, weitausholenden Armbewegung aus seinem Wege und schritt an ihm vorbei, wie an einem Unbekannten. Johannes blickte ihm starr nach wie schlicht pflegte der Vater sonst sich zu bewegen hier lag in seinem Gon ge und feiner Haltung eine stolze pro testirende Feierlichkeit. Wie Johannes ihn so durch die ba nalen Gruppen des modernen Gerichts lebens in seinem altmodischen Nocke da vongehen sah, faßte sein Herz etwas an wie ein Krampf der Angst: „Alter Mann, alter Mann aus andrer Zeit Dich werden sie uns hier umbringen mit ihren' spitzen, scharfen Rechtsge fühl!" Als l>e zu Haus waren, fragte Jo hannes ihn: „Papa, warum hast Du mich auf dem Gange nicht kennen Wollen?" Mit denselben großen, starren Au gen, wie im Gerichtssaal blickte der Vater ihn an: „Mein Sohn," sagte er mit einer gänzlich veränderten Stim me, „ich habe lein Unrecht gethan! Soll ich dennoch geächtet werden, so will ich es allein sein, und ihr sollt keinen Theil mehr an mir kab«n!" Johannes erwiderte nichts, kein Wort. „Ich gehöre zu Dir, Papa!" dachte er und empfand es mit der ganzen Energie seiner unzersplittcrten Ge lnüthskraft, aber er sprach es nicht aus. Der alte Herr freilich las es auf sei nem Angesicht, auf dem jede Regung des braven Jungen sich unbewußt in völliger Lesbarkeit auszudrücken pflegte. . Er ergriff stumm seines Sohnes Hand, drückte sie und wandte sich ab, ein ungehörtes Schluchzen in seiner Brust, das seinen Athem zittern machte. Das war alles. Am Nachmittage war Johannes bei dem alten Justizrath Riehm, dem langjährigen Sachwalter der Familie, der, wie das in alter Zeit üblich, zu gleich für alle bedeutenderen Rechts handlungen seiner Klienten freund schaftlicher Berather war. „Die Sache liegt nicht gut. Johan nes!" sagte der Rath. Er duzte den jun gen Man», da er ihn seit dem Stech iissenalter kannte und hatte heraus wachsen sehen. „Papa hat mich leider damals nicht gefragt und das Ding schief angefaßt. Es war und war nicht sein Eigenthum in dem Augenblicke, als er's nahm. Dolus der strafbaren Han dlung, ja, ich habe die Wandlung der Zeit mitgemacht vor fünfundzwan zig Jahren würde ich ihn als Richter in nicht erkannt haben, wäre ich heut Richter, würde ich ihn doch vielleicht darin erkennen. „Er hat doch das Bewußtsein der NechU widrigkeit seiner Handlung gehabt," argumentirt der Richter, „sonst würde er nicht das Aufsehen vermieden, die Nachtzeit gewählt und, wie er thörich tenveise heut erklärt haben soll, die Verantwortung sich allein vorbehalten chaben!" Aergerlich tippte der Justizrath auf den Bericht der Abendzeitung, der vsr ihm lag und ungefähr eine volle Spalte einnahm. „Am besten wär's, ihr nähmt einen reSt gewiegten Vertherdiger, so einen modernen jüngeren der ein tüch tiges Mundwerl hat, alle neuesten De finitionen und Kommentare lennt wie seine Tasche und vor dessen Suada die Herzen der Schöffen Wachs werden." „Papa wird sich von niemand ver theidigen lassen, der ihn nicht durch und durch kennt und von der Malello jigkeit stines Charakters nichl überzeugt ist!" „Ich verstehe, Kind!" erwidert: der Rath nachdenklich. „Das gehl a.if mich. Nun, wir wollen sehen. Ich kann ja unter Umständen einen der jüngeren Kollegen mit heranziehen. Aber, lie ber Junge, ich verspreche mir ni-ht viel Tut«». Wann will denn Pap« herkommen, daß wir die Sache be sprechen!" „Ich fürchte, er wird überhaupt nicht zu Ihnen kommen. Er ist wi: ausge wechselt, wortkarg und trotzt auf sein gutes Recht!" „Unsinn! Wenn man schon einmal recht hat heutzutage, muß man doch alle nur erdenkbaren Mittel und jegliche Vorsicht anwenden, es zu schützen und zur Anerkennung zu bringen. Der Rich ter ist überbürdet. So ein junger Asses sor soll seine vierzig Termin« an einem Sitzungstag abarbeiten da muß das Publikum selbst sein Möglichstes thun, sich zu wahren. Aber wir haben ja noch Zeit. Erst wird er jetzt mit sei ner Klage abgewiesen werden. Dann wird die Anklage gegen ihn erhoben also ich werde in «in ein paar Wochen 'mal zu Papa kommen und ihm den Kopf zurechtsetzen. Lassen wir ihn sel ber reden und handeln, so redet «r sich um den Hals. Aber was ist mit dem Starrkopf anzufangen, wenn er sich im Neckt glaubt? Schon damals in seinen Händeln mit dem Guthmann habe ich ihn nicht vor Thorheiten bewahren können!" Johannes saß am Abend mit sehr ernstem Gesicht bei Tisch. Der Vater speiste schweigend. Annie saß in voller Unbehaglichkeit seit Astas Hochzeit war sie wieder im Haus fühlt: den ganzen Druck des Schweigens der Männer auf sich lasten und dacht- seufzend, wie schön es im Hause des Onkels gewesen war, wie schön an ihres heimlich Verlobten Seite draußen im Thiergarten. Nach Tisch, als das Mädchen wieder in ihr Zimmer gegangen war, sah der alte Mann plötzlich seinen Sohn fest an und fragte: „Du warst aus, Jo hannes. Wohl bei Riehm? Was sag! er?" Johannes schaute trübselig auf und zog die Achseln mit jener Geberde hoch, die deutlicher als Worte sagt: „Nichts Gutes!" „So, so!" machte der Papa und lvars den Kopf auf, als meine er: „Ja, der fällt natürlich auch ab was „Er trug mir nur die dringende Bit te an Dich auf," schloß Johannes, „Du solltest ja nicht den geringsten Schritt irgend welcher Art in der Angelegen heit thun, ohne ihn vorher um Rath gefragt zu haben!" „Will mit ihm nichts mehr zu thun haben!" stieß der alte Mann grim mig heraus. „Kami meine Geschäfte selber besorgen!" sondern unser aller Angelegenheit, -?a pa!" fügte der Sohn -mit schwerem Accent hinzu. „Gewiß!" rief der Vater und aus seinen Augen kam Feuer, „das ist es ja gerade. Aber wer nicht mit voller Ueberzeugung für mich ist, für uns ist, der ist wider uns! Fort damit!" Und er stand auf und ging hinaus. Der unglückliche Alte war schlecht berathen. Er folgte feinem Zorn. Auf's äußerste überrascht war Berlin ein paar Tage nach der Gerichtsverhand lung, als es bekannt wurde, daß Hein rich Graaf seine sämmtlichen städtischen Ehrenämter Knall und Fall nieder gelegt habe. stiqsten Sinne loinmentirt; es war das für die Oeffentlichkeit das volle Ein geständniß seiner Schuld — und er war verurtheilt, ehe noch die Anklage gegen ihn erhoben worden war. Bestürzt kam der Justizrath heran, sobald er es gelesen, und machte ihn aufmerksam. „Mir gleich, was sie denken und re den!" war Graafs verbissene Antwort. „Neulich, als ich wie ein Schurke vor dem Richetr stand und mich verhören lassen mußte, ist es mir klar geworden, daß ich in dieser neuen Zeit nichts, ab solut nichts mehr zu thun und zu su chen habe. Und so will ich auch keine Gemeinschaft mehr mit ihr haben. Ich bin kein Dieb hier" und er that ei nen heftigen Faustschlag aus seinen al ten Brustkasten, so daß dieser erdröhnte, „hier weiß ich es ganz genau, daß ich nicht gestohlen habe. Aber die Menschen wollen mich zum Spitzbuben machen, und da zerschneide ich ein für allemal das Tischtuch zwischen mir und ihnen. Glaubt, was ihr wollt! Thut, was ihr wollt! °»ch weiß, wer ich'bin, und ihr könnt mir den Buckel hinaufkriechen!" „Danke für die freundliche Erlaub niß," erwiderte Riehm ärgerlich „na, ich komme gelegentlich wieder mit heran, Graaf, wenn Sie in besserer Laune sind!" der Kommerzienralh feinem Bruder Rücksprache zu nehmen. Aber auch ihn hatte Heinrich Graaf nicht angehört, nicht einmal vorge lassen. „Er will mir nur den Kopf zurecht setzen, Johannes," hatte der alte Mann gesagt, „geh und theile ihm mit, daß ich eben die Wohnung verlassen habe," hatte, um seinen Sohn nicht lügen zu machen, den Hut aufgesetzt und war über die Hintertreppe hinuntergegangen. Johannes widersprach ihm nicht, ließ ihn gewähren er fühlte, daß ein Wi derstand den Vater nur noch tiefer in seine unheilvollen Ideen und Entschlie ßungen hineintreiben würde. Und es war dem alten Manne eine große Wohlthat, den braven Jungen bedingungslos und still an seiner Seite zu wissen. Am Vormittage nach dem Besuch« Eberhard Graafs in der Heiligengcist siraße ging Johannes einen " trüben Weg nach des Onkels Behausung. Der Kommerzienrath ivar noch nicht >ku: seine Empfangsstunde gerüstet Johannes begab sich zu Fritzi in den Gatten. Das Mädchen war hübscher und größer geworden, als man hätte erwar ten sollen. Ihr« s»ugen waren voll un ruhigen Feuers und geschickt, jeden Ausdruck, den sie ihnen geben wollte, so glaubhaft wie anmuthend anzuneh men sie mochte oft vor dem Spiegel Studien mit ihnen angestellt haben. Ihr junger Körper machte den Ein druck elastischer Kraft und Geschicklich keit ihre Farbe war mattrosig, als flösse ein Blut ebenso vornehm wie ge sund durch ihre Wangen. Sie war physisch für Johannes das Ideal einer jugendlichen Frauengestalt. Und daß sie ihn sonst noch nicht herb enttäuscht hatte, kam daher, daß sie bishc? geschickt mit ihm Komödie ge spult, sich feiner Eigenart angeschmiegt, gerade wie eine Katze ihren Buckel nach der Hand krümmt, die sie streichelt. Sit grüßte ihn herzlich und nahm höchst sittsam auf einer Bank Platz. Er blieb vor ihr stehen und schien nach Worten zu suchen. Mit reizendem Lächeln fragte se end lich, od dies nicht ein entzückender ben könne, im Frühling zu sein. „Fritzi, ich komme Abschied zu neh men!" erwieerte er und schien ihre Frage zu überhören. „Warum? Gehst Du aus Berlin, „Nein, das nicht! Aber Papas und meine eigenen Angelegenheiten werden mich die nächste Zeit so sehr in An? Spruch nehmen, daß ich den Fuß nicht werde über die Schwelle setzen kön nen, es sei denn zu Gängen ernstester Pflichterfüllung. Da möchte ich nicht gern einen Irrthum lassen über die Beweggründe, die mich von allen Freunden und Verwandten fern hal ten werden, so lange nicht die Zukunft „O!" sagte Fritzi und schob ihr Kleid mit der Linken zusammen, init einer Bewegung, als mache sie ihm ei nen Platz neben ihr frei. Ihr Bedauern war aufrichtig sie verlor ihren ersten Anbeter. Johannes stand und wartete. Sagen mochte er nichts mehr; und es war auch so der jungen Dame g:nug gewesen, um sich zu entscheiden.' Da sie nicht sprach, meisterte er seine Erregung und fuhr fort: „Meine lieb- Fritzi, ich werde in diesen Tagen mein Examen, wie ich hoffe, bestehen!" „Das wünsche ich Dir von ganzem Herzen!" sagte sie, da er sich unter brach. Ihre Stimme klang warm, aber sie zeichnete dabei mit der Spitze ihres Sonnens/>irms Figuren in den Kies. „lch gehofft, daß ich nach be „Nun, was hattest Du gehofft?" fragte sie in unnachahmlich zerstreutem Tone. Sein: Augenbrauen zogen sich zu sammen. „Du hast es nicht geahnt, Fritzi?" „Nein, lieber Vetter, ich habe nichts geahnt; sage es mir doch!" So melo disch, so weich, ein wenig spielend ihm ivar bei ihren Worten, als sähe er ein junges Kätzchen zierlich mit einem Knäuel spielen. Das Knäuel war sein Herz, und das Spiel des Kätzchens ge fiel ihm nicht. „Nichts habe ich gehofft!" stieß er „O!" sagte sie bedauernd aber weiter nichts, als dieses langgezogene „O!", bei dem sie fortfuhr, im Sande zu zeichnen. Wieder eine Pause, die diesmal peinlich wurde. Johannes hatte eine Empfindung, als lege sich ein Zentnerstein auf seine Brust, als verfinstere sich der sonnige Garten. „Also wirklich Du willst Deine Besuche bei uns einstweilen einstellen?" fuhr Fritzi nun fort. „Und ich hatte dock gehofft, daß ich diesen Winter bis weilen mit Dir tanzen, Hter mit Dir Schlittschuh laufen würde " „Es thut mir unendlich leid, liebe Fritzi, daß daraus nun nichts werden wird!" erwiderte er bitter. „Weißt Du, es gibt so viel Ernsthaftes auf der Welt - " Ein leises Aechzen kam aus seiner Brust, schnitt ihm das Wort ab. „Ach ja." wiederholte sie, „es gibt so viel Ernsthaftes auf der Welt!" Ihm war beinahe, als kopire sie den Ton seiner Stimme. Dann schien ihr das Spiel doch leid zu thun, das sie mit ihm trieb. sagte sie, plötzlich zu Welcher Blick, wie tief bedeutungs voll, von allerlei Regungen befeelt, die auch ihre festen, gesunden Nüster» er zittern, ihre rosigen Lippen sich in et was reizend Erwartungsvollem halb öffnen ließen. Er hatte sich in ihr getäuscht seine Augen glänzten plötzlich mächtig auf — und die Blitze, die auf sie sprüh ten, schien sie aufzufangen, in Feuer und Verheißung getaucht, zurückzu- Jhm ward sonderbar zu Muthe dieser reizvolle Blicketausch riß ihn fort erregte aber gleichzeitig in ihm etwas wi: Widerstand und Unwillen. „Willst Du mir treu bleiben wäh rend der schweren Zeit. Fritzi?" fragte er plötzlich vielleicht zum erstenmal in seinem Leben eine Frage, die er ohne Ueberlegung, in heißem Impulse that und sofort bereute. Denn statt aller Antwort senkte fie nur den Kopf, lächelte und riß mit der Schirmspitze einen Kreis um sich durch den Kies, daß Sand und Stein nach allen Seiten spritzten, einen Kreis, der sie wie mit Wall und Graben gegen ihn abschloß. Dies Lächeln verstand er vollkommen > — es war nur das Lächeln befriedigter Eit«lkeit darüber, daß sie aus ihm fo etwas wie ein Geständniß herausge bracht, daß sie mit ein paar Blicken ver mocht, ihm den Grund seiner Seele in Leidenschast aufzuregen. „Und wenn Du es selbst wolltest," fetzte er rasch hinzu, ganz Stolz, Un wille und Abwehr, „so dürft: ich es mein Vater, wir miiss«n und wir wol len allein sein bei dem, was bevorsteht. Lebe wohl, Fritzi! Spiele mit andern!" Er wandte sich ab und ging davon. Noch hatte er nicht zwei Schritte ge than, da war sie neben ihm und hing Er erwiderte nichts blieb nicht stehen sie ließ seinen Arm nicht los, schmiegte sich mit Schulter ge zuckte, bald unter tie'en Athemzügen sich mächtig dehnte reizvoll, reizvoll, das zu fühlen! „Ich will nur Deinem Papan „Ich will nun Deinem Papa „Gu ten Morgen" sagen," bemerkte er völlig kühl. „Ich denke, der Onkel wird jetzt bereits imstande sein, mich zu em pfangen. Willst Du Dich in dieser Werfe bis zu ihm mitschleppe» lassen?" Augenblicklich gab sie ihn frei. „Mitschleppen welch vulgärer Ausdruck!" sagte sie und warf die Lip pen auf, blieb dabei ein wenig zurück. Er ging weiter, ohne sich nach ihr umzuwenden. „Johannes!" schrie sie plötzlich auf, lind er blieb nun doch stehen, bog un die Achsel: „Nun was?" Denn diesmal hatte es ihm geschie nen, als klänge «in Ton echter Angst aus ihrem Ruf. Mit bittenden Blicken in sein Gesicht „Aber mir! Alles! Alles, lieber Bet ter!" Ihre Augen strahlten förmlich den Prozeß Graaf?" Garten hinaus, ohne nach dem Onkel zu sehen. „Es ist gut," wiederholte er sich ein sich ungemein aus diesem Wege er kam sich außerordentlich thöricht und unerfahren vor, weil er sich von diesem Mädchen ein paar Monate lang hatte XVII. Diebstahl einer Stecknadel verfolgt der Richter nicht. mit Pfennigen rechnet der Finanzminister nicht man ent sinnt sich des Schnupftabaks, der für den Generalfeldmarschall Moltke an geschafft worden war, sich mit drei Pfennigen in den Rechnungen fand und von den Catonen des Oberrech nungshofes in Potsdam beanstandet wurde. Die Stadt Berlin darf sich schmei cheln, einen der wohlgeordnetsten und bestbalancirten Haushalte der Welt zu besitzen aber über den entwendeten Prellstein fand sich nirgendwo in den betreffenden Listen und Büchern ein Vermerk. Di« fünfzig Mark waren richtig ein gegangen und gebucht bei den Ak ten war auch der Postanweisungsab schnitt mit Heinrich Graafs wunderli cher Bemerkung eingeklebt es ließ sich in keiner Weise feststellen, ob da mals die Stadt mit dem alten Herrn einen Kauf geschlossen oder nur den Eigenthumsfrevel großmüthig hatte hingehen lassen und die fünfzig Mark als Zeichen der Reue des Entwenders angenommen. Der betreffende Kassenbeamte war längst in einem andern Verwaltungs zweige beschäftigt, entsann sich nicht mehr der Beamte aber, der den' Fall bei Prüfung der Akten hätte mo niren müssen, war gestorben, wie der Baurath Mener. Sein Nachfolger im Amt erllärte, daß er wahrscheinlich an Stelle des Gestorbenen die Sache können, wie Graäf aus seiner Kennt niß d«r postalischen Einrichtungen klar sein mußte, so konnte die Stadt ihre gegangen, um dem Termine beizuwoh nen er hatte die stille Hoffnung ge hegt, Recht zu behalten. Als diese Hoffnung getäuscht war, war fein Vertrauen in die preußische Justiz völlig erschüttert. „Von diesen Richtern nehme ich kein Recht mehr an!" erklärte er in verbisse nem Groll. „Sie richten nach dem Buchstaben, nicht nach dem Geist. Und sollte ich mich von Haus und Heimat., trennen müssen und mein Vaterland verlassen ich will mit der „preußi schen Justiz" nichts mehr zu thun ha ben ich unterwerfe mich ihren Aus sprüchen nicht!" Jn-dem alten Manne steckte gut alt brandenburgisches Rebellenblut schade, daß unser Jahrhundert für sol che Anwandlungen so wenig Verständ niß hat! Als er heimkam, fand er einen Rohr postbrief von unbekannter Hand vor, der in Moabit aufgegeben war. Graaf öffnete das Kouvert mit Mißbehagen der Inhalt war nicht angethan, sein« Erregung zu beschwich tigen. Er lautete: „Geehrter Herr Graaf! In dem heutigen Urtheil, das Sie zum Diebe stempelt, wollen Sie unsern Dank für alles, was Sie uns Gutes gethan, erkennen! Wenn Sie wissen wollen, wer uns bei unserm Vergeltungswerke treulich beigestanden, indem er uns an die rech te Schmied« wies, so fragen Sie Ihr Fräulein Tochter, die mit dem Herrn Unter den Linden spaziern geht, wie Braut und Bräutigam. Wir denken, Ihnen einen Freund schaftsdienst zu leisten, indem wir Sie auf dies Vorkommniß aufmerksam machen, und grüßen Sie Hochachtungsvoll (!) und ergebenft Butter Käse." melte der alt« Mann, und ein grelles Lachen erleuchtete sein Gesicht. „Da, Schöffen, Richter, Publikum, Parteien da habt ihr die edlen S«len, die Ein Witz! Ob die Weltgeschichte auch solche Witze macht?" Vater ausfiel. harten Lauten seiner Stimme um. Ihr befangener Blick suchte im Gesicht des Vaters zu lesen. „Ja," erwidert« sie dann mit ge machter Natürlichkeit, „täglich, Papa, wenn ich in die englische Konversa tionsstunde gehe!" Ihr leichter Ton gefiel ihm nicht. „Allein?" fragte er mit scharfem Blick in ihre Augen. Sie ward über und über roth. „Ja, allein!" sagte sie, aber sie brachte es in einem plötzlichen Anfluge von Heiserkeit heraus. „Du lügst!" fuhr er auf. „Gesteh, aus der Stelle, mit wem Du heimlich« Spaziergänge machst!" Sein« großen dunklen Auge» flamm ten herrisch auf sie nieder. Bei dem Worte „Lüge" wich die Rothe aus ihren Wangen, machte ei ner tiefen Blässe Platz, sie richtete sich unwillkürlich hoch auf und blickte ihm mit trotzigen, leidenschaftlichen Augen in's Gesicht. „Nun, ich will nicht kügen!" erwi derte sie. „Das sollst Du mir nicht vorwerfen! Ich kann alles gestehen, was ich thue. Es war mit Graf Breying. Und er wird kommen, bei Dir um mich Rücken?" ist alle Sonntage unser Gast Du hättest es wohl sehen müssen, daß er sich um mich bemühte!" Welche Sprach- sie gegen ihn führte. Er fühlte, durch die Ereignisse der letzten Wochen war seine väterliche Au torität über das Mädchen in's Wan ken gekommen. Das konnte nur den einen Sinn haben: „Sie hielt nicht zu ihm, wie Johannes sie war abge fallen!" ..Was soll das heißen," rief er in äußerster Gereiztheit. „Ich kann alles gestehen, waS ich thu-.", und .Du hät- Test es wohl iHen müssen." Und wie trittst Du gegen mich auf? ver stehe, Du spielst auf die Machina tionen an, die elende Menschen gegen mich in's Werk gesetzt haben! Du stellst Dich, wie es scheint, auf oie Seite die ser Schurken! Du glaubst, damit ge gen mich auftrumpfen zu können. War te, Anna, ich rmll es Dir gleich sagen, was ich darüber denle! Du sollst sofort sehen, welchen Sinn die Sach, für Dich hat. Du bist mein Kind niemand wird Dir einen andren Namen und andre Eltern geben meine Ehre ist Deine Ehre, meine Unehre ist Deine Unehre. Was sie Deinem Vater an thun, habe ich und Johannes Dir nicht gesagt und die Zeitungen haben wir Dir vorenthalten. Wenn Du es doch erfahren haft, so wisse, daß sie Dir dasselbe anthun. Und wenn Du ein Herz im Leibe hättest, würdest Du Dich nicht jetzt, jetzt, in elende Liebe leien einlassen. Was Graaf heißt, das gehört in dieser Noth zusammen ich, Du, und Dein Bruder. Und wer nicht zu mir hält, der betrachtet mich als einen „Dieb." Dies Wort brüllte er im höchsten Affekt heraus. „Als ei nen Dieb, hörst Du, Mädchen? Keinem Manne werde ich Deine Hand bewil ligen, solange ich nicht wieder im vol len Glänze meines ehrlichen Namens dastehe, wie zuvor, denn niemand liebt ein Kind so, wie seine Eltern thun. Der Mann vergöttert Dich heut, und in fünf Jahren schilt er Dich, wenn er sich an Dir ärgert: „Als ich Dich ge heirathet habe, nannte man Deinen Vater in ganz Berlin einen Spitzbu ben!" Pfui, daß Du selbst nicht so viel Stolz hast, alle Bewerbung, die jetzt Dir naht, hochmllthig zurückzu weisen mit den Worten: „Wartet, bis unsres Hauses Geschick sich gewendet hat!" üjber wer weiß, ob Du nicht schon alles kaltblütig überlegt hast und Deine Wahl getroffen zwischen Dei nem Vater und dem andren!" Er hielt inne, als erwartete er von ihr einen Widerspruch, eine Versiche rung, sie s«i vor allem sein Kind. Sie schwieg. „Nun," schrie er wild auf, „heraus mit der Sprache! Hast Du schon ge wählt zwischen mir und Breying? Ja oder nein? Du hast vorhin gelogen, „Du hast kein Recht, Papa," gav Prozeß aus zu betrachten!" Der Vorwurf traf. Graaf wurde plötzlich ruhiger. Er an Theilnahme für sein Leid, der da rin lag. War sie zur Ehelosigkeit ver dammt, weil er sich in einen schlim men Handel verwickelt hatte? Nein, aber ihr Herz war mit etwas andrem haben!" Liebe. zwei. Ihr Gesicht klärte sich plötzlich fremdung sah. „Ich bin bloß ein Spitz bube Dein Vater ist bloß ein Dieb! Mädchen, Tochter eines Diebes, kein „Das ist er nicht! Das ist Leonhard vor diese Wahl stellte. Aber seine Er regung riß ihn fort. Er hatte längst im Wirbel der letzten Ereignisse Ge rechtigkeit und Mäßigung vergessen, fühlte nur das Unrecht, das man ihm anthat. rief sie und brach in heftiges Schluch zen aus, „und will meinen Verlobten behalten!" (Fortsetzung folgt.) Der einzige Zufluchtsort. „Warum der alte Süffle eigentlich jetzt alle Tage -der Temperenz-Bersamm lung beiwohnt?" „Weil das der einzige Platz ist, wo feine Gläubiger ihn nicht suchen." Der Magnet. Bücheragent: Wünschen Sie ein Exemvlar "des Bu jösisches Kindermädchen genommen und die entspricht allen Bedürfnissen, die ich in dieser Hinsicht habe. i Zur öle Küche. Lammsrlicken, wi? Hasen traten schmecke-». Den Rücken eine? Kammes wickele man in ein leinene? Tuch, das man vorher in Essig getaucht und dann wieder recht trocken ausge drückt hat. Nach Verlauf einer Woche, währeoed welcher das Anfeuchten mit Essig einige Male zu wiederholen ist, kann Sas Fleisch gebraten werden. begossen. Fleisch und Jus erhalten auf diese Weise den Wilvgefchmack. Sch üs felfle i sch. Zwei Pfund Kalbfleisch und 1 1-2 Pfund Schwei- Schüssel zu Tische. > Gedünstete Kalbkotelet pfesfert man dieselben, bestreut sie mit ein wenig Mehl, läßt sie eine halbe Stunde liegen, macht nun in ein«r Pfanne Butter heiß, legt sie hinein und bratet sie bei starkem Feuer auf beiden Seiten rasch goldbraun, gibt etwas Fleischbrühe dazu, dämpft sie unter öfterem Umwenden und richtet die Ko» Trägt man mit geröstetes Kartof- Sch i>kke n kart offl n. Die Kartoffeln werden abgelocht geschält und in Scheiben geschnitten, gleichzei tig wird Schinken in kleine Stückchen geschnitten. Nun wird eine Form mit Butter ausgestrichen und mit Semmel mehl bestreut, zuerst eine Lage Kartof feln hineingelegt, darauf Schinken ge streut und einige Löffel saurer Rahm gleichmäßig gegossen, dann kommt wie der eine Lage Kartoffeln, darauf wie vorher Schinken und saurer Rahm» schließlich noch eine Lage Kartoffeln, welche mit kleinen Stückchen Butter be legt und mit Semmelmehl bestreut werden. Das Ganze backt man in heißer Bratröhre goldgelb und gibt es mit der Form zu Tische. Sauerbraten wie Wild zube reitet. Man nimmt das Stück wie zu 6 Pfund schwer, legt es 8 Tag« in Bieresstg, setzt es mit einem halben Pfund gewürfeltem, vorher ganz heiß gemachtem Speck, dem nöthigeil Salz und nach Belieben mit einigen frischen Wachholderbeeqen auf's Feuer. Nach dem der Braten von allen Seiten unter öfterem Begießen gelb und zur Hälfte gar geworben, läßt man einen gestriche nen Suppenteller geschnittener Zwie beln rn dem Fett gelb werden, gießt alsdann nach und nach einen Suppen teller dicken sauren Rahm hinzu läßt das Fleisch im Ganzen etwa 2 1-2 Stunden aus nicht zu schwachem Feuer schmoren.indem es häufig begossen und, ohne hineinzustechen, einmal umgelegt werden muß. wobei der Braten mit den SpeckwUrfeln bedeck! wird. Ist die Sauce zu viel verbraten, so rührt man beim Anrichten nach dem Abnehmen des Fettes das am Topf Abgesetzte mit 2 Obertassen Milch oder Fleisch brühe gehörig zusammen, läßt es gut durchkochen uno richtet den Braten an. Etwas über Theeberei tuug. Thee zu bereiten scheint nicht gehört Sorgfalt, deshalb 'möge diese Arbeit, wie alle Dinge, welche sorgfäl tig und gleichmäßig behandelt werden müssen, nicht den Dienstboten überlas sen werd:n, die weder Zeit, noch Ver ständniß für Finessen haben. Die Theekanne soll, sei dieselbe aus Porzel lan oder MetaA, vor jeder Benutzung mit kochendem Wasser ausgespült wer den? nachdem das Spülwasser ganz ausgelaufen ist, kommt der Thee in die Kanne. Wenn das Wasser, in welches eine Messerspitze Natron ge worfen wird,kocht, gießt man etwa eine Tasse davon auf den Thee, dreht flink die Kanne um, und schüttet die sen ersten Aufguß möglichst schnell ab, dann wird in Zwischenräumen die Kanne vollgegossen? wenn in die Kanne oder m die Tassen Wasser nach gegossen werden soll, muß dasselbe stets lochend sein, es ist natürlich am besten zu machen, wenn de? Wasserkes sel neben dem Theetisch brodelt, dieses summende Geräusch trägt' noch neben bei zur Behaglichkeit eines Theestllnd chens bei. Wer es liebt, mag dem Thee etwas Vanillegeschmack beige ben. Wenn im Wein die helle Wahrheit ' liegt. Lieg t km Schnaps der Lüge tiefstes Duster: Wenn im Taubenaug di« Unschuld wohnt, »Was stellt denn dies Bild eigentlich «s vor zwei Jahrer gemalt, und soll das heute noch wissen?" Kindlicher Einfall. Kleine Ella: Mama, habe ich noch meine Milchzähne? —> Mutter: Ja. mein Kind. Kleine Ella: Papa aber hat schon sein« BurMne, nicht »abr« 3
Significant historical Pennsylvania newspapers