«In Genie der Tlmt. (9. Fortsetzung.) Am selben Vormittage hatte sie auch mit Franz eine kleine Unterhaltung. „Du bist doch kein Spielverderber, Franz?" fragt« sie ihn. „Spielverderber, iwv«>i-, Jungfrau >Schw«st«r!" war di« harmloseAntwort, wobei Franz sich nur wunderte, daß Asta zu ihm mit etwas wie peinlicher "Selbstüberwindung sprach. „Schön," fuhr sie fort, „dann machst Du auch wohl ein« kl«in« Exkursion mit, die Joseph und ich vorhaben?" „Mit sämmtlichen Beinen, Endl ichen!" „Wir wollen uns «in Gut kaufen, vermuthlich wird es zwischen Stolp unid Krotoschin liegen " „Auch 'n« schön« Geg«nd ich be wundre Dich, Ast«, Du hast doch im mer Deinen eignen Geschmack!" «in Jahr bei uns leben, bis Du wieder «in wenig m«hr Fltisch ang«s«tzt hast. A« allen Arten Sport wird es nicht fehlen!" Franz wußte nicht r«cht, was er zu Astas Vorschlag und zu Astas Gesicht „Hast Du mit Papa darüber gespro chen?" fragt« er. „Ja, Franz, er wünscht ei so!" ich die feierliche Erklärung abgebe, daß ich mit di?f«r «ur«r Erziehungsmaßr«- gel einverstanden bin und die Absich ten meiner Regierung billige, auch wenn ich sie nicht kenne. W«ißt Du, Asta, eigentlich wo Du auslommst, da komme ich auch aus. Also «I>ill<<> Imoiki, ich komme mit Du machst nämlich so'n Gesicht, als wolltet ihr mir sonst die Temporalien sperren!" Er hi«lt ihr gutmütig die Hand hin, guckte ihr ab«r nicht ohne unbehagliche Ahnungen in die Augen. Sie zögerte einzuschlagen. „Na, Asta, Du thust grade, als müß te ich mir die Hand erst waschen, ehe Du st« anfaßt " „Franz, Du bist in keiner guten Ge sellschaft," erwiderte sie sehr ernst und mit einem Atbemzuqe aus Brust. „Es ist Zeit, daß Du Berlin einmal gegen eine bessere Luft ver tauschst!" „Also richtig philanthropisch-päda gogische Hintergedanken! Wann werde ich einmal mündig gesprochen werden?" „Wenn Du so vi«l Vernunft haben wirst, Dich nicht in jeden Sumpf zu stürzen, der Dir in den Weg kommt, lieber Junge." Franz war nicht der Mann, einm Streit um jeden Preis zu suchen; io«!in eine Möglichkeit da war, eine unange nehme Sache zu g«müthlich«m End« zu bringen, ergiff er si- stets. Und Asta hatte so etwas mütterlich Sorgenvolles in ihrem Gesicht und Ton . „Weißt Du, Asta," sagte er begüti gend, „wenn ich in so «in«m Sumpf einmal stecken bleibe und ertrinke viel verliert die Welt nicht an Deinem Brud«r!" „Leider nein, Du armer blasserKerl! Immerhin aber würde man sich um Dich grämen Du warst doch so ei» hübsches, gutes, vielversprech-ndesKind, als Du klein warst!" „Ach, Asta, Spenderin meines Ta schengeldes, kein« Rührung, wenn es sich vermeiden läßt! Und, wie oben ge sagt, ich will ja gerne das Jahr bei euch in Jnoschnapslaw absitzen, wenn Dir damit ein Gesallen geschieht. Bin ich nun entlassen?" Die Schwester zerknüllte traurig den Brief der Arbeiters in ihrer Tasche. „Es soll Dir bei uns so behaglich ge macht wcrden, wie irgend möglich," sagte sie herzlich. „Und nicht wahr. Du fühlst selbst, ein großes Glück ist dies Bummlerleben auch nicht, das Du in Berlin führst?" „Was soll ich denn in Mes«ritz und Sti«fell??in thun?" „Jagen, reiten, angeln, scheibenschie ßen, mit Joseph fechten, auf unsren Hausbüllen tanzen, einen verständigen Tropfen schaff' ich extra für Dich an, ein bischen Dich um unsre Interessen kümmern, wenn draußen auf den Fel dern gearbeitet wird, ordentlich und mit Appetit essen, gut schlafen, ein gesunder, fest«r, tüchtiger Mensch wer den. Wie?" „Hör auf, Asta ich bin Dein mit Leib und Seele Du hast wieder ein mal einen verständigen Gedanken für mich gehabt. Heute Nachmittag noch kauf ich mir bei Petmg ein« gute Lan casterbiichse Asta, wann geht's nach Tirschtiegel?" Er hatte ihre Rechte m seinen beiden Händen, klopfte und streichelte sie, sah ihr vergnügt und treuherzig in die Au gen und sie ließ ihm diesmal ihre Hand. * XIV. Die Stadtv«rordn«t«nwahl«n tobten in Berlin^ „Sturm auf's rothe Haus" war die Parole aller Parteien in der Bürger schaft, die gern am Stadtregiment theilg«nommen hätten, aller Männer, Allerlei Wahlbündnisse „aus takti schen Rücksichten" wurden geschlossen— mancher, der den Antisemitismus im stillen für eine Schmach des Jahrhun derts hielt, schüttelte di« Hand urger manisch«r Agitatoren mancher, der seine Nachbarn Cohn und Jsra«l im Kreis« seiner Familie für die größten Uebel m d«r Well nach dcrTrichin« und dem Bolleschen Frühmilchgeklingel er klärt hatte, ward nach „Vorbesprechun gen" Abends spät mit den Genannten hinter einem und demselben Weißbier' glase sitzend angetroffen und erklärte später den Seinen im Brusttone der Ueberzeugung: „An dem günstigen Stande des StadthauShalts hätten ne ben anderer verdienter Bürger die wirthschastlicheßegabung der geschmäh» ten israelitischen Gemeindehäupter ih ren großen und unbestreitbaren An theil!" Daneben schwirrten die bösesten An klagen gegen Persönlichkeiten beider großen Parteien durch die Luft, Kran heitserregern gleich, die ihre ganze ver derblicheWirkung erst entfalteten, wenn sie aus dem reichlich angefeuchteten Wirthshausaespräch zur Züchtung und Reinkultur in die Redaktionen der gegnerischen Parteiblätter übernom men wurden. Da wurde dem biederen Urg«rman«n von rechtsklauberischen Semitin nach gewiesen, daß er am fahrlässigen Mein eide ein paarmal recht hart vorbeige streift sei und hin und wider sprach der antisemitische Rufer im Streit fein zerschmetterndes „Pfui" und sein ver nichtendes „Wehe" über die unsauberen Elemente der Bürgerschaft aus, die auf unerk.'ärliche We fe stets wshlinformirt seien, welch:s Grundstück die Stadt demnächst erwerben würde, und selbiges vorher rasch an sich brächten, um auf Kosten des Gemeiwdesäckels «in Profit chen zu machen. Las man an einem Vo rmittage die Blätter beider Parteien, sy fühlte man sich geneigt, dieJNer und die Achiver beide für arge Sünder und ganz Berlin für ein greuliches Sodom zu halten. In diesen Tagen bürgerlichen Un friedens wurde mit ein«mmale auch Herrn Heinrich Graafs Name in die große Öffentlichkeit gezogen. Als einen Mann, der im ganzen zwar dem Altberliner Liberalismus näher stand, als den „Reaktionären", der aber die Gemeinschaft mit dem ei gentlichen Fortschritt bisher abgewie sen, hatte ihn dennoch die letztere Par tei in seinem von dem Konservativen arg bedrängten B«zirl aufgestellt, da man annehmen konnte, daß auf dies«n Bürger von gemäßigten, vermittelnden Anschauungen und persönlicherßeliebt heit manche Stimmen sich vereinigen möchten, die einein ausgesprochentn Freisinnigen sich spröde versagen wür- Es ist eine vortreffliche Sitte bei modernen Wahlen, nicht nur in der . Reichshauptstadt oder in unserm deutschen Vaterlande, sondern allent halben, wo auf dem Erdball Menschen sich die Qualen der Wahlen auferlegen, daß jeder Wahlpolitiker auf das ' Peinlichste darauf hält, daß zumal die Gegenpartei nur Kandidaten lautersten Charakters und makellosester Vergan genheit ausstelle, und, sobald ihm der Name des feindlichen Bewerbers be kannt ist, dessen Toga mit der schärs stenLupe daraus untersucht, ob sie auch die bekannte „<>!>niliilu" sei. Ueber >den Mann seiner Partei ist er ja von . vornherein in diesem Punkt« mit Recht Also auch wurde Herrn Heinrich ' Graafs Vorleben von jenen freiwilligen 5 Hütern öffentlicher Ehrbarkeit sorg lich geprüft. > Man weiß nicht, wie es zusammen hing der Prozeß Graas-Guthmann l enthielt einige dunkl« Punkte der ! Charakter des alten Herrn ward nicht I ganz lauter erfunden vorläufig frei lich war es nur im vertrauten Privat- ! gespräch der lokal«n Unterchefs seiner > Herren Gegner vorläufig kondensir ten sich die schwarz«nAnklagen«bel noch ! nicht zu Druckerschwärze. < Man erkundigte sich nach den Einzel- ! heiten jenes bezirkskundigen Rechts- , fireits und siehe, man gewann die i Ueberzeugung, Heinrich Graaf sei ent- I weder ein höchst fahriger Mann, der ! nicht einmal «in so einfaches Rechts- ! geschäft, wie Abfchließunz :inesMie!hs- i Vertrages, ordnungsg:mäß zu erledigen j wisse, oder aber einer jener in ganz l Berlin verhaßten Hauswirthe, denen < dürfniß sind. „Ein schöner Bürgerv«r- l treter das! Wahrhaftig, kein Mann, , der in das Stadtparlament gehört! 112 Soll das „rothe Haus" etwa ganz und I gar ein« Interessenvertretung der Her- t ren Hauseig«nthllmer werden?" i ser unbescholtene Bürger! Moabit Strafantrags bewog" aber: „Bür- > ger, wollen Si« Ihr Vertrauen einem < Manne zuwenden, den die Gegner sich ' Papa Graaf hat die Unbesonnen heit gehabt, in dieser Zeit städtischer ' Wirren sich an seine Bürgerpflicht zu erinnern, sich hervorziehen zu lassen und «in« Kandisatur anzunehme» . nun mag er die Folgen tragen! Allein immer noch war ihm wenig- ! stens kein Diebstahl, keine BranMf- , tung, kein Raubmord nachgewiesen, im mer noch durste er trotzig an den Schild seines reinen Gewissens schlagen und der Gegner Dräuen mit hochmüthigein j Schweigen abweisen. ! Da erschi«n eines Tages b«i dem Lokalredakteur der ""Zeitung ein i wohlgelleideter fremder Herr, der sich > tung das Material zur Verfügung ! stellte, „einen von d«n Kandidaten d«r < Gegenpartei b«i den »s:l:«gend«n ! Stadtverordnetenwahlen als Spitzbu ben zu entlarven." Der Zeitungsmann maß den andern von oben bis unten. „Um wen handelt «S sich?" fragte er kühl. Besuch nicht, wie er eben noch in recht verständlicher Form zu thun vorgehabt, sondern fragt« weiter: „Sie haben da Papiere sollte dies das Material fein,, von dem Sie sprachen, so bitte ich um vorläufige Einsicht in dasselbe." Der Fremde zögerte. „Wenn Sie Bedenken tragen," fuhr der Vielbeschäftigte am Pulte fort, „so Blatt." " Lapinsky überreicht« s«in Material. „Bitte, setzen Sie sich" und Breying las. Er wendete sich dabei halb ab, um sein Gesicht nicht beobachten zu lassen. Als er die Lektüre de» kleinen Schrift stückes beendet hatte, drückte er auf die Glocke und gab —-um Herrn Lapinsky nicht unbeaufsichtigt zu lassen dem eintretenden Burschen den Auftrag, ei nen Seitentisch, der im Zimmer stand, abzukramen, nahm das Papier Herrn Lapinskys und begab sich damit zu sei nem Chef. Als er zurückkam, reicht« er dem Fremden das Artikelchen wieder hin und bedeutete ihn, indem er ihn scharf fixirt«: „Die "Zeitung kann sich mit dieser Angelegenheit aus Anstandsrück sichten nicht befassen so etwas gehört nicht in unser Blatt, das gehört in eins der kleinen Hetz- und Agitationsblät ter, in d«n „Anzeiger für Berlin oder ein ähnliches Organ. Ich danke Ihnen!" „Wohin, Herr Redakteur? In den Breying hatte etwas geschnarrt der Mann mochte ihn nicht verstanden haben. „Glauben Sie etwa, ich wolle mich dazu herbeilassen, Ihnen einen Finger zeig zu geben, wo Sie Ihre Skandal affaire anbringen sollen?" fragte er grob. „In den „Anzeiger für Berlin !)", Brüderstraße 6, damit Sie mich nicht mit weiteren Fragen behelligen, Herr...." Das Herr dehnte er in jener nachlässigen Weise, mit der man an deutet, zu vornehm zu sein, um einen bedeutungslosen Namen zu behalten. Aber im übrigen hatte er diesmal nicht geschnarrt, sondern sehr laut und deut lich gesprochen, so daß Herr Lapinsky den Namen und die Adresse jenes Blätt chens, das die rechte Schmiede für seine Neuigkeit wäre, wohl hatte verstehen müssen, hätte ihn Breying im übrigen euch hinausgeworfen. „Der weiß, was er sagt!" dachte lä chelnd Lavinsky, als er die Thür hin ter sich schloß. Als Graf Breying seine redaktionel len Pflichten erledigt hatte, sprach er in der Heiligengeiftstraße vor, nahm Johannes beiseite und sagte ihm: „Denken Sie, mein lieber Freund, war heute ein Gauner bei mir auf der Re daktion, der ein verdammt geschicktes Artikelchen bracht«, worin es sich um Ihren Papa handelte!" „Wahlsache?" meinte Johannes lä chelnd. „Wird unserm guten, verehrten Herrn Graaf Nxiter nichts vorgeworfen, als Veruntreuung städtischen Eigen- Der junge Graaf richtete sich bei Breyings Worten hoch auf und feine Augen blitzten. „Und dazu in hämisch-geschicktester Weise! Ich habe den Kerl natürlich auf's Energischste hinausgeworfen!" Wie Breying die Wahrheit sprach! „Aber möchte Sie trotzdem bitten, Jh- ren Papa vorzubereiten, daß eine In famie gegen ihn geplant wird!" Auch hier wieder redete er nichts als Wahrheit! „Es handelt sich, soviel ich bei flüchtiger Kenntnißnahme er sah, um einen alten Prellstein —" Er brach plötzlich ab, denn er bemerkte mit Erstaunen, daß Johannes wie unter > ein«m elektrischen Schlage zusammen- ' zuckte „oder so etwas Aehnliches", be«ilte er sich fortzufahren, um sich nichts merken zu lassen. „Es wäre gut, ! falls irgend eine unschuldige Veran lassung zu Geklätsch und Verdrehungen > vorläge, beizeiten alle Sicherheitsmaß- ' regeln zu treffen!" > „Ich bitte, Herr Graf," erwiderte i Johanns stolz, „in meines I ringste Veranlassung vor —" , Breying unterbrach ihn mit einem lauten, überzeugten: „Natürlich, na- , türlich, mein lieber Freund; der letzte, > der das glaubte, wäre ich. Und ich l freue mich unendlich, daß ich dem Men- j fchen so gründlich heimgeleuchtet ha- < be!" Er drückte Johannes' Hand mit warmem, wiederholtem Drucke. „Wenn ° nur der Halunke nicht mit seinem Mär- chen anderswohin geht, wo man Ih ren Herrn Vater nicht so gut kennt, wo > man vielleicht böswillig ist oder ihm , politisch aufsässig, an eines der klei- ! nen Skandalblätter zum Beispeil!" Johannes erhob statt aller Antwort ! nur die Hand und machte eine gering schätzig ablehnende Bewegung. Breying empfahl sich. „Alter Prellstein! Da liegt der Hase im Pfeffer!" dachte er draußen, wie er > es vorhin gedacht, als er so warm und überzeugt den, zukünftigen Schwager die Hand gedrückt. Am nächsten Morgen stand im .Be zirksanzeiger für Berlin c?" folgend« turiose Notiz: > „Ein alter Prellstein" oder „Was mir paßt, das nehm' ich mir!" Wenn > wir schreiben: „Ein alter Prellstein", so meinen wir nicht den seltsamen al ten Herrn in der Heiligengeiststraße mit der seltsamen Moral, vor dessen Hause der Prellstein lag sondern den bereglen Prellstein selbst. Btkannt- lich standen früher in Berlin an den Ecken, Isse'lebHaffen Wagenverkehr hat ten, schrägte kleine Metallsäulen mit einem bärtigen Gesicht, die verhindern sollten, daß die Wagen beim scharfen Umbiegen mit den Rädern in denßinn stein oder gar auf's Trottoir geriethen. Ein solcher Prellstein befand sich auch vor dem Haufe deS Kammfabrikanten Heinrich Graaf in der Heiligengeist straße, desselben Herrn Graaf, der für seinen Wahlbezirk zur Zeit als Kandi dat des Fortschritts aufgestellt ist. Als die Stadt die Rinnsteine unvergeßli chen Angedenkens zudeckte und besei tigte, nahm man allenthalben auch die Prellsteine fort. Niemand sonst hatte etwas dagegen einzuwenden, nur der ruhige Bürger Heinrich Graaf griff zur Wehr; er behauptete, der Prellstein fei fein Eigentum, sein Vater selig (selig, nicht Selig, welcher Name sonst auch in der Gegend vorkommt) habe ihn gepflanzt, und er strengte einen Pr ozeß gegen die Stadtgemeinde wegen des beregten Werthobjettes an. „Mein ist der Helm und mir gehört er zu!" Der Anspruch war thöricht, gerade so ungereimt, als behaupte ein Hausbesi tzer an einer der neuangelegten Stra ßen, die Pflastersteine seien sein Eigen thum, weil er zur Straßenregulirung mit herangezogen worden! Und Herr Graaf verlor auch seinen Prozeß. Was geschieht? In der Nacht vor dem Tage, da der Stein fortgenommen werden soll, macht sich der alte Herr und je tzige Stadtverordnelenkandidat per sönlich auf pich stiehlt den Stein, der doch immerhin einen gewissen, wenn auch geringen Metallwerth darstellt, stiehlt ihn trotz Nachtwächters und Cchutzmannspatrouillen aus dem Bau zaun mit einer Umsicht und Schnellig keit, um die ein gelernter D«b ihn be neiden könnte. „Was mir paßt, das nehm' ich mir!" Die Sache ist seinerzeit unbeachtet geblieben der Magistrat ließ keine große Untersuchung weiter anstellen er verfährt nicht immer gleich mit der vollsten Strenge und Schärfe gegen ehrenwerthe alte Brü ger, die sich sonst nichts gegen ihn ha ben zu schulden kommen lassen. Und die Stadt ist ja so reich die kann so einen alten Prellstein schon ver schmerzen. Aber charakteristisch bleibt die Anekdote doch für das noch aus der alten gemüthlichen Zeit stammende Nechtsbewußtfein des Herrn Graaf, »letenversammlung! Es war städti sches Eigenthum, durch richterlichesEr kenntniß als solches festgestellt thut nichts „was mir paßt,, das nehm' ich!" Wir hoffen, daß Herrn Graafs Begriffe von Mein und Dein sich in zwischen geklärt haben sonst könn ten wir den .serrn wirklich nicht gut seinen Mitbürgern als geeigneten Mann statiren! „Dieser ehrenwerthe Kandi dat hat gestohlen!" fordern wir ihn hiermit öffentlich auf, dießeleidigungs stellc antreten sollen! Ja, so sind sie, wollen!" Dieser Artikel erregte im übrigen weiter keine Sensation, denn der inzwi gehängt wurde er erst dadurch, daß die **Zeitung am folgenden Tage in ih rem lokalen Theile die kleinlich gehässi vcrnehmere Gesinnung und politischer Anstand djktirt hatte, wurde die Ber liner Presse aufmerksam, und mit ei lieber auszuweichen, als ihm auf offe ner Straße gern die Hand zu schüt teln; kam er irgend wohin die ver mir meine Ehre nicht erst von Ihnen bescheinigen zu lassen lasse/, Sie mich in Frieden!" hatte er einui davon heute Morgen angefahrm. Nun kamen diese beiden Vertrauens männer, und das schlug dem Fasse den Boden aus er ersah, daß die Par tei zu der Sache offiziell Stellung ge nommen. „Material wollen Sie haben, meine Herren!" rief er. „Schön, Herr Bor chardt und Herr Lademann ich werde Ihnen jetzt erzählen, daß Sie beide Verstöße gegen das Lebensmittel verfäschungsgesetz auf dem Gewissen haben— widerlegen Sie mich gefälligst! He? Heraus mit Ihrem Material! Sie, Lademann, haben Schwerspat in's Brot gebacken; Sie, Herr Borchardt, haben Ähre Wurst mit Anilin gefärbt! Beweisen Sie mir nun mal, daß es nickt wahr ist?" „An dem Verleumder ist es, seine Angaben zu beweisen," sagte der behä bige Schlächtermeister Borchardt, dem die bloße Zusammennennung seiner Wurst und des Anilins eine Zornröthe aus die kahle Stirn trieb. „Aber man Gelegenheit dazu geben. Re- und Borchardtscher Wurst in einem Athem, dann streng« ich die Beleidi gungsklage gegen Sie an. Nachher müs sen Richter mit der Sprache „Ich soll den „Bezirksanzeiger" ver klagen, meinen Sie?" fragte Graaf. „Ja, Herr Graaf, das erwarten wir von Ihnen!" erklärten die Vertrauens männer. „Ich und klagen?" brauste Graaf auf. „Nach den Erfahrungen, die ich in dem Guthmannfchen Prozesse mit den Gerichten gemacht ne, meine Herren, das gibt's nicht! Ich habe nachgerade genug Aerger von der ganzen Kandi datur gehabt ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen suchen Sie sich ge fälligst einen andern, der Stadtverord neter sein möchte ich will mit der Sache nichts mehr zu thun haben!" „Zurücktreten wollen Sie?" fragte Bäcker Lademann und wechselte mit Herrn Borchardt einen Blick höchster Befremdung. Zurücktreten vor dieser schimpflichen Beschuldigung. Herr Graaf? Na, ich wiÄ Ihnen man sa gen, daß das das Allerthörichtest« wä re, was Sie thun könnten damit wäre für die Leute die Sache klipp und klar. „Wenn der ein gut Ge wissen hätte," hieß' es, „dann würde er jetzt nicht zurückzoppen also is wat dran!" „Und wissen Sie im Vorstand würden sie ebenso denken!" bekräftigte Ker andere Lokalpolitiker. „Ne, jetzt heißt es bei der Stange bleiben! Zu rücktreten, das leiden wir nicht das würde für die ganze Partei ein Schlag in's Gesicht sein. Da wüßte man ja gar nicht, was man davon halten sollte!" Der Redner warf den Kopf auf und stemmte die Arme auf die Hüfte. „Na, Herr Graaf, wir woll'n zu Ende kommen!" fiel Lademann ein. „Es ist ja gar keine Rede davon, daß Sie det lumpige Steeneken gestohlen haben, das glaubt ja kein Mensch! Aber, da nun mal seit ein paar Tagen die ganze Stadt davon spricht, was ist denn an der Geschichte eigentlich dran?" „Sind Sie gekommen, mich zu ver „l Jotte doch für so einen Auf trag würde mich gehorsamst bedanken, alter Freund! Man kalt Blut behal ten!" „Na," fuhr Graaf fort und stürmte zum Fenster, das er aufriß. „Da sehen Sie 'runter in meinen Hof. Da steht das t'orpu» gwß und breit. Ich denke, Sie werden sich noch erinnern, wie so ein Prellstein ausgesehen hat. wie gestohlenes Gut? He? Stellt man das so offen auf'n Hof hin? Wie?" „Also haben Sie ihn doch?" fragte Borchardt verwundert. „Gewiß habe ich ihn ! Und die Stadt hat ihre fünfzig Mark dafür gekriegt. Die Postquittung liegt noch „Sehen Sie, Borchardt, habe ich es Ihnen nicht gleich gesagt?" meinte La demann triumphirend und tippte seinen und „Na, was wollen denn dann die Leute?" erwiderte sichtlich beruhigt der Schlächter. Die Unterredung ging noch lange weiter doch war es den beiden Her ren nicht gelungen. Herrn Graaf zu Anstrengung der Beleidigungsklage zu bewegen, als sie endete. Dazu entschloß sich das bedauerns werihe Opfer feines Bürgermuthes erst, als von der gesammten gegnerischen Berliner Presse ihm ein energisches „Zurücktreten oder klagen," entgegen gehalten wai'd. .Alle städtischen Ehren ämter niederlegen, oder die erhobenen Beschuldigungen vor Gericht zurückwei sen!" „Wir brauchen keinen Ein schätzungskommrssar, der den öffentli chen Vorwurf, daß er gestohlen habe, auf sich sitzen läßt!" „Ein schöner Waisenrath! Ein vertrauenswürdiger Vorrmind, dieser Mann mit dem Prell stein!" So hieß es in jeder Zeitung, die Herr Graaf aufmachte auch -die Blätter seiner Partei verlangten nach gerade energisch eine öffentliche Recht fertigung. Graaf sah seine ganze bür gerliche Existenz, seiner Kinder guten Namen vernichtet, wenn er nicht den er ihn. Der einzige, der in dieser trüben Zeit treu zu seinem Hause hielt, war Graf Breying, der mehrfach auch in der »'Zeitung so weit angängig «j -hatte, was dem Grafen den Ruf^vor nehmsten politischen Anstandes ein brachte und obenein des alten Herrn wärmste Zuneigung, wenngleich die jedesmalige Warnung der —Zeitung „niemand, auch den politischen Gegner „man mag Herrn Graass Wahl durch jede zulässige Agitation bekämpfen es ist unanständig und gehassig,'leine bürgerliche Ehre zu diesem Zwecke an zutasten soir sind überzeugt, daß er diese zu vertheidigen wissen wird!" wenngleich alle diese Notizen das öf fentliche Auffehen nur vergrößerten und Oel in's Feuer gössen. Und so rückte der Tag der „sensa tionellen Gerichtsverhandlung" näher und näher, als sich plötzlich die Sache in ungeahnter Weise obenein zu einem Familiendrama zuzuspitzen begann. XV. Statt zwischen Stolp und Kroto schin fand sich das Gut. das Asta such te, m nächster Nähe der Residenz Potsdam. Es war geringer an Umfang und höher im Preis, als es da gewesen wär«, wo man zuerst gesucht im Land« der so melodischen Polenspracht, die so hart und ungefällig aussieht, wenn man sie schreibt, und so weich und «inschmeichelnd klingt, w«nn man sie von schön«n Lippen gesprochen hört. Besserungsfähig und besserungsbe dürflig war Bergholz auch, denn der Vorbesitzer hatte es in nicht allzulanger Zeit genügend heruntergewirthfchaftet; fchaft, di« Asta zur Bedingung gemacht hatte. Und dazu besaß es den Vorzug, daß man Potsdam zwar sehr unbequem erreichen konnte (womit Franz und Joseph manche Spielpartie abgeschnit ten war), daß man hingegen nachßer lin auf der Wetzlarer Bahn, die dicht an der Gutsgrenze eine kleine Halte stelle angelegt, eine gute Verbindung hatte. Denn nachträglich war es Asta doch allzufchwer auf's Herz gefallen, daß si« den leidenden Vater ganz al lein mit Fritzi und der Dienerschaft in der Hauptstadt zurücklassen sollte. Das Aufgebot war bestellt worden, gleich nachdem man den Entschluß ge faßt, auf dem Lande zu leben die Trauung fand im Haufe des Kommer zienraths statt «s war «in« stille Hochzeit mit nur wenig Gästen; Asta hatte im Kreise ihrer Bekannten dies mit des Papas Zustand «rklärt. Und am Abend nach dem Festmahle reiste das junge Paar mit Franz nach Berg- Die kluge und muthige junge Frau war in jener gedämpftfrohen Stim mung, in der das Gemüth sich gefällt, wenn es merkt, das Unglück packe seine Koffer, um uns zu verlassen, damit ein freundlicherer Gast einziehen kön ne. In die schwarzen Tinten der Ver gangenheit flössen lange rosige Licht strahlen «iner besseren Zukunft. Die Ausstattung war keine glänzen de gewesen; die Bestellungen hatten Astas Lieferanten recht enttäuscht. Sie hatte sich nur ein paar Hauskleid«! von festen, unscheinbaren Stoffen machen lassen. tailormniZo und geeignet zwar, all« Vorzüge ihrer hübschen, stattlichen Figur an's Licht zu ziehen, im Grund« aber auf ein „Strapeziren" in der Wirthschaft berechn«!; dazu ein Reit kleid, das nicht für den Gebrauch auf Promenirritten imThiergarten, sondern für den draußen auf den Feldern zuge schnitten war; denn sie war entschlos sen, selbst überall mit nach dem Rech ten zu sthen, bis sie alles im Geleise wüßte; und eine Form, die ihren Gat ten weder kränken, noch herabsetzen könnte, würde sie schon finden. Ein paar Staatszimmer waren von Wittkowski ausgestattet worden für d«n täglich«» Gebrauch hatte man abgerechnet die beiden Schlafzimmer d«r Gatten die Einrichtung des Vor besitzers zu billigem Preise mitüber- Franz hatt« sich heute Abend diskre terweife auf seine Giebelstube zurückge zogen, um, wie er sagt«, mit seinem neuen Patronenwiirger sich selbst Pa tronen für sein Gewehr zu sabriziren er wolle morgen mit dem frühesten 'mal sehen, für den jungen Haushalt «in Wildbret zu erjagen; «r hab« schon vom Meier erfahren, daß aus dem kö niglichen Walde Rehe über die Bergbol zer Wiesen wechselten. Asta hatte ihm in hausmütterlicher Weise für seinen Frühauszug ein paar ordentliche „Jä gerstullen" präparirt und in seineJagd tasche gesteckt, dazu auch «in bescheide nes Fläschchen mit d«m „für ihn be schafften guten Tropfen." Nun faßen die jungen Gatten zum erstenmal in ihrem Heim allein beim Thee, d«n Asta selbst bereitet hatte. Das Zimmer war ihnen noch fremd aber es war behaglich darin; und trotzdem waren beide sonderbar besangen. Joseph lehnte in einem altmodischen Schauk«lstuhl Asta faß am Tisch und legte Haushaltungsbücher an. „Guter Genius, darf ich mir «ine Zigarre anzünden?" fragte der Haus herr, nachdem das Theeservice abge räumt worden. „Bitte, Joe ich denke, Du bist zu Hause?" erwiderte die junge Frau mit gütigem Lächeln. „Außerdem habe ich die ersten Rauchwolken aus DcinerZi „Nein, Lieber, in D«Äen persön lichen Bedürfnissen sollst Du Dich auf keine Weise einschränken; das würde Dich vitlleicht am «h«skn mit unsern neuen Verhältnissen unzufrieden ma chen!" „Asta. weißt Du für Feld und Wald ist die Zigarre, die ich bisher geraucht, denn doch zu theuer und zu fein. Ich glaube, wenn ein Haushalt sich, wie man es nennt, einschränkt, dann geschieht es meist auf Kosten der Frau. Du sollst sehen, daß ich mir ei nen solchen Borwurf nie werde machen zu lassen brauchen ich will auch sparen!" Sie reichte ihm die Hand, die er rasch aufstthend ergriff und küßte, und sah ihn mit «inem langen freundlichen Blicke an. (Fortsetzung folgt.) D«r Herr Simon stand «ben am Fenfl» >nd blickte auf die Straße hinunter. herkommen sah. Simon bekam einen Schreck, wenn dieser Wiesel, der stadt bekannteste V«reinsfex, es nun auf ihn selbst abgeseh«n hatt«? Richtig, da Ah, Sie Herr S«cr«tiir! WaS verschafft mir die Ehr«? Wollte mich nur von Ihrem Wohlbefinden überzeugen. Herr Si mon! Turnclub uns über Bock und Barrel» hinwegsetzen? Hätten Sie nicht Lust. Herr Simon, in unsern Turn bin ich schon zu alt. Denken Sie. fünfzig Jahr, da liegt der Knüppel beim Hunde! thiere? da sollten Sie doch unsern» Thierschutzver Der so hohe Mitgliedsgebührea sessen habe? Dann allerdings müssen Sie Mitglied unseres Schwimmclubsver Jetzt, nachdem der Herbst gekom men und ich mit Kind und Kegel meine neue Wohnung bezogen? Also Kegel haben Sie auch hier? Dann wunderts mich nur, daß Sie noch nie das Kegelkränzchen Sandhase besucht haben. Oder erlaubt es Ihre Frau Gemahlin nicht? Wi«, halten Sie mich für einen Pantoffelhelden? Noch habe ich mir meine Stimme bewahrt! Was Sie sagen? Wollten Sie Ich wollte sagen: Alles muß bet mir nach meiner Pfeife tanzen! Ein Pfeifenraucher sind Sie auch? Da bin ich bei einem gemüthli chen Pfeifenclub, der aber, was ist Ihnen denn, bester Herr Simon? Nichts, nichts, Verehrtester Herrk Aber, wenn Sie erst dem Verein für Auffangen von Sternschnuppen beige treten sind, kommen Sie zu mir, dann werde auch ich Mitglied! Vom Kasernenhof. „Kohn! Mensch, Esel, Krone der Schöpfung! Si« sind doch ein ganz voluminöses Volumen! Schnauft die ses quadrirte Objekt nicht wieder, alz wollt« er sich mit seinen zwei Meter fünfzig langen Nasenflügeln in die Luft schwingen?" „Nun, hat d«r K«rl, ehe er Sol dat wurde, volle einundzwanzig Jahre Zeit zum Niesen gehabt, und jetzt schmett«rt mir der M«nsch im Glied«, daß ein Nashorn dagegen ein rein«r Zeisig ist!" „Wenn ich befehle „Stillgestan den!" dann hat alles so still zu stehen, daß Loths versalztes Weib dagegen der rein« Ameisenhaufen ist!" „Herr, wenn Sie so lang wären, wie dumm, dann könnten Sie den Mond knieend in's Gesicht küssen!" „Isidor Bröselmaier, ziehen Sil beim Reiten doch mehr den Kopf zu rück! Das Pferd wird ja «mpfindlich, wenn «s Stroh witt«rt!" „W«nn die Kerls zum Regiment kommen, sind sie nicht, wi« «ine Kar toff«!, wo vier Str«ichhölzer drinnen stecken? nu aber, wo sie abgerichtet sind, find das die reinen Puppen!" Glück im Schafskopf. gewöhnlicher Barbier nicht? Kratzer: Ja, fäh'n Se, mein gute ster Härr Blaumeyer, ich Hawe Sie Rentner Blaum«yer: Was soll da» h«ißen? «llcrdin«» schwierig. Richter: Ja. weshalb kommt si« dem» nicht selbst her. um daS personlich zu erklären. ncr gebrochenen Nase «or Gericht er scheinen! Kindlich. Di» klein« Else tnachdem ein taubstummer Bettler hin ausgegangen ist): Mama, wenn der Mann auch nicht sprechen kann, könnt« «r denn nicht Bauchreden lernen? Deutlicher Wink. Alte Kokett« (jugendlich ausgeputzt, sich ent zückt im Spiegel betrachtend): „Es ist zu traurig, 'oenn eine Frau einmal merkt, daß sie alt wird!" Mann: „Aber noch trauriger, wenn sie's nicht merkt!" hier im Haus?" Buchhalter: „Ach Gott, der neue Lehrling! Sag' ich ihm. er soll holen die alte Schachtet oben vom F«nster; was bringt er h«rad ....die gnädige Fräulein Tant«l" ' 3
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