Das Muttermal. Bolksromau von Faver ZiicSl. (11. Fortsetzung.) „Was kann es sein?" entgegnete die Kraute ungeduldig. „Nun, setze Dich, wenn es sein muß nicht so nahe, Kind, Du erstickst mich! nun, sprich!" Es war klar, daß sie nicht eine lange Dauer dieser Zusammenkunft wünschte. Sibyl etwas zurück und errö was zu Ihrem Glücke beiträgt. Ist e» Arnstein. ich habe das immer gewußt. Ich möchte fortgehen, Mama, und selbst für mich sorgen!" ihr graues Haar wieder zurück. „Was meint das thörichte Kind, Re becca?" rief sie. „Sie will für sich selbst sorgen! Wie?" gendwie!" antwortete Sibyl. „Sie ist außer sich!" sagte Frau Arn stein. „Mama, ich bitte, bitte Sie lassen Sie mich gehen!" flehte Sibyl. „Ich hasse diesen Ort ja, in der That! Es sendmal glücklicher sein. ivenn ich drau ßen in der Welt für mich arbeiten könnte!" „Du thörichtes Kind!" kreischte Frau Arnstein. „Dich gehen lassen - es er- Deinc Heimath. Wenn ich todt bin, soll für Dich gesorgt werden. Fetzt sei zu frieden! Du hast gar nichts zu thun, mit der Welt selber!" leicht. Jetzt geh'!" befahl Frau Arn stein; „Du störst mich!" Während Sibyl nach der Thüre schwankte, sank ihre Mutter auf die Sophakissen zurück. Rebecca neigte sich über ihre Herrin. „Sie handelt wie eine Liebeskranke," sagte sie. Frau Arnstein machte eine Geberde des heftigsten Unmuthes. „Närrin! Ein Mädchen, das sein ganzes Leben eingeschlossen war." zeit," antwortete Rebecca. „Wenn Du nur wüßtest," rief fast schreiend Frau Arnstein, „wie verhaßt mir ihr Anblick ist, Du würdest das nicht sagen, Rebecca! Jedesmal, wenn sie mich Mama nennt, habe ich ein Ge fühl, als ob ich sie mit diesen zweiHän den erwürgen könnte!" „Bst! Stille!" Aber Sibyl war bereits die Stiege hinabgeeilt und außer dem Bereiche dieser schrillen Stimme. Rebecca folgte ihr sogleich, und das Mädchen einho lend, faßte sie es am Arme. „Im Vertrauen gesagt," sprach sie, halb aus Furcht, halb aus Entschuldi gung, „sie ist Ihnen nicht sehr zuge than, ich gebe das zu, aber da ist Ihr Vater Schuld daran. Was das Arbei ten betrifft, denken Sie nicht mehr da ran. Sie ist reich und es quält ihren kranken Kopf, Sie so reden zu hören. Tragen Sie es eine Weile ein so schwacher Körper kann nicht lange le ben dann werden Sie srei sein!" Sibyl schien das nur ein schwacher Trost. Sie wanderte in den unteren Zimmern des Hauses umher. Sie wa in ihnen. Sie sgH in die Küche und er blickte eine taube alte Frau von absto ßendem Aussehen, die Geflügel zum Din.er herrichtete. Aus der Küche ging sie den Garten. naß und dunkel aus, sogar zur Mit tagszeit. Alles war still wie das Grab, nur ein Paar Wandertauben girrten auf der hohen Gartenmauer. . Der Garten hatte zwei Thore, beide waren verschlossen und mit dop pelten Schlössern versehen. Vergebens suchte Sibyl die Mauer zu erklimmen, u»> darüber zu schauen. Sie wanderte umher, durchnähte ihr Kleid in dem langen, feuchten Grase, und fand end lich einen gefallenen Baumstamm, auf den sie sich setzte, um auf das Rauschen des Meeres zu hören, das der Garten mauer sehr nahe war. „Und ich dachte," so sann sie nach, „daß mir Alles klar werden würde, wenn ich nur einmal hier sei, statt des sen erscheinen mir die Verhältnisse nur noch geheimnißvoller. Oh, komm zurück zu mir, du Vision von dem sclpnenAnt , Psui, weg!" rief sie mürrisch: „das ist lein Platz für Sie! Zu viel träumen ist schlecht für Mädchen!" Garten. Die summenden Insekten wa ren ihr schon eine Art Gesellschaft. Die Tauben tripvelten noch auf der Garten mauer umher und flogen herab, um sich in -,s hohe Gras warf. Ueber ihr schimmerte der unendliche Raum vsa Licht. Si- fühlte, d-ch die Welt schön sei. „Aber ich soll hier leben," seufzte sie, „Jahre lang vielleicht, und alt und häß lich werden, wie Rebecca, oder mich zu Tode härmen, was noch besser wäre: mand da war, sie zu sehen. Und wäh rend sie saß und sich ihre traurige Zu kunft ausmalte, ging die Sonne unter, und der Zenith wurde rosig im Hin schwinden des Tages, und die silberne Mondsichel erschien in dem Purpur des die regelmäßige» Schläge von Rudern. Sie fuhr empor. Ihr Herz schlug heftig. Sie stand da wie Hero an dem Neue Ruderschläge! Ein Kiel knirschte in dem .<nes des Ufers, dann folgte einePaufe, je-)! hörte sie ei» näheres Geräusch und aus dem Schatten des Dickichts trat ein Mann und stand vor ihr. „Sibyl!" rief Varneck. Sie bewegte sich nicht, sie sprach nicht. Bleich und mit großen flammen den Augen sah sie aus de» Mann, der vor ihr stand, einen beunruhigenden, flehenden Blick auf sie richtend. „Sibyl, werden Sie nicht zu mir Er streckte feine Hand aus. Sie legte ihre Hände entschlossen hinler sich. „Was bringt Herrn von Varneck an Schurken, Sibyl?" thun!" ten!" Ihr Busen hob sich. nen Sie wissen, daß Sie von ihr nicht geliebt werden?" „Henriette hat sich in ihrem ganzen die ihn, ohne Zweifel aus gutein Grunde, nicht aufgeben will." Er sah verzweifelt und zornig aus. „Henriette Varneck will mich nicht freilassen, weil sie Sie haßt, mit all' dem Hasse, dessen nur eine Eifersüch tige fähig ist. Mißtrauen Sie mir denn so vollständig? Gute? Himmel und in jener Nacht dachte ich daß ich da rauf schwören könnte, daß Sie mich lieben!" Sie antwortete nicht. Er zog sie plötzlich auf den Stamm des gefallenen Baumes nieder. Unter der Berührung seiner Hand, unter dem Blick seiner zürnenden und sie doch anbetenden Au gen war sie machtlos. „Sibyl!" Seine Stimme nahm den sanften, verlockenden Ton der Liebenden an. Er stützte einen Arm auf ten Baumstamm, jedoch ohne sie zu berühren; sein Ant litz war so nahe, daß sein Athem ihr Haar bewegte. „Sibvl, habe ich mich wirklich so vollständig getäuscht, und bei einem Mädchen, das ich für so wahr hielt?" Purpur überzog ihre Wangen. „SprechenSie zu mir," flehte er, und fein Mund kam dem ihrigen näher und näher, „sprechen Sie, Sibvl, zu mir i Jbrein Geliebten! LiebenSie mich?" ! „Sie stnd nicht mein Geliebter," stammelte sie. „Ich will Sie nicht hö ren, warum fragen Sie mich, wenn Sie wissen, ach, wenn Sie es bereits wissen!" j Schweigen beredt und athemlos. „Und Sie flohen ohne ein Wort!" glücklich hier mit Ihrer Mutter? Zwei Tage hindurch, habe ich vergebens hier an alle Thore geklol-ft. Endlich nahm ich ein Boot, um zu reeognosciren. und Stelle der Mauer. Sagen Sie mir Al les, was Ihne» geschah, seit wir schie den, Sibyl!" Sie gehorchte. Er schien sie unter Mißbilligung anzuhören. „Und Sie sollen immer so fortleben, eingeschlossen mit einer wahnsinnige» Mutter, welche sich nicht um Sie küm mert? Sibyl, wenn Henriette Varneck mich nicht freigeben will, so muß ich mich selber befreien. Es gibt eincnWeg, auf dem es sogleich geschehen kann das ist die Heirath mit Ihnen!" Sie schüttelte stolz ihr Haupt. „Unmöglich!" „Stille! Ich habe ein Boot jenseits der Mauer. Die Stadt ist nur eine Meile entfernt; eine kurze Fahrt und wir sind dort und dann dann ein Lebewohl der andern Welt." Sie würde sich von ihm zurückgezo gen haben, aber sein Arm umschlang sie rasch und hielt sie fest. „Nein," antwortete Varneck; „nie mals wieder! Sie können nicht begrei fen, wie ich Sie vermißte Sie wis sen nicht, wie trostlos und leer mein Leben wäre ohne Sie! Ich kann es nicht ertragen. Wenn Sie Ihr eigenes Glück wollen wenn Sie nur im Gering sten das meine wollen, dann, Geliebte, kommen Sie!" Thränen sammelten sich langsam in ihren großen, stolzen Augen. „Wie grausam Sie sind!" sagie sie; „wie grausam, mich so zu versuchen! Nein! O nein!" Er betrachtete sie mit vorwurfsvoller Miene. „Dann ist Ihr Stolz stärker, als Ihre Liebe!" „Damit und bei Henrieitens Bosheit sehe ich, daß ich Sie verlieren werde. Sie verliere»? Nei»! Nein! Nein! Ich kann es nicht, soll ich leben!" Und ehe sie an eine» Widerstand den ken konnte, hob er sie von dem gefalle nen Baume auf, u»d zog sie mit blin der, unwiderstehlicher Gewalt mit sich fort. „Sie müsse» Sie werde» kom men!" kies er ungestüm. „Sie sind mein Sie haben es zugestanden. Blicken Sie nicht zurück. Sie haben viel vor sich und so wenig hinter sich." Aber es gelang ihr doch, sich jetzt mit einem Schrei von ihm loszuriiigen. „Nein, nein! Ich will nicht mit Ih nen gehen! Lassen Sie mich: Aus Mit „Mitleid! Welches Mitleid haben Sie für mich, daß Sie mich so zum Aeu ßersten treiben? Sibyl! Sibyl! Wen» Sie mich nur im Geringsten lieben, kommen Sie!" Er erfaßte sie an ihrem Kleide, wäh rend sie sich zurückzog, bleich, zitternd und flehend. Jetzt ließen sich eilende Schrille vernehmen. Hinter einige» Sträuchern erschien Rebecca und sah auf dasMädchen, das in athemloferEr regung dastand sie sah auf de» gro ße», schönen Mann an ihrer Seite. Ei nen Moment schwieg sie, dann rief Re becca mit ihrer trockenen harten Stimme: „Fräulein Sibyl, der Tbau fällt es ist Zeil, in's Haus zu gehen!" „Gehen Sie!" flüsterte Sibyl hastig, „es ist die Krantenwärteri» meiner Mutter." Varnecks Gesicht drückte Schmerz und sagte sie, ihm ihre Hand reichend. Er nahm sie, drückte sie und führte sie an feine Lippen. „Und wann soll ich Sie wiederse hen?" stöhnte er. „Wie kann ich es sagen?" antwortete sie mit bebendem Munde. Und vor Rebeccas Augen küßte er sie jetzt auf ihre zuckenden Lippen, und dann riß sie sich los und eilte Rebecca nach. Als die Beiden doS Haus erreichten, wendete sich Sibyl mit den dunklen leuchtenden Augen zü ihrer B-gleiterin. „Rebecca," begann sie, bei jedem Worje nach Athem ringend, „Sie ken nen meine Mutter so gut, sagen Sie mir, denken Sie. sie würde sroh sein, mich Einem zu geben, der mich liebt, wenn dieser Mann bei ihr um mich anhielte?" „Kurz und gut," sagte Rebecca tro cken, „Sie meinen, o', Ihre Mutter Sie Heirathen lassen würde?" ..Ja." „Dann sage ich Jsne» freimüthig, Miß Sibyl, sie würd; Sie eher todt se hen wollen!" 28. Capitel. Schlaf', Kiudchc»,lschias'!" Die Sonne, ein Ball von purpurnem Feuer, war hinter die Apfelbäume ge schlüpft. Es war Zeit für den Dokwr zu kommen, und die Frau in Schwarz, mit einer Näherei aus den Knieen und ihre Hände darüber gefaltet, saß unter einer Geisblatt-Rebe und sang mit ei ner träumerischen Stimme dieses Wie genlied. Neben ihr, die Mücken mit sei nem hin und her geschwenkten Hute verscheuchend, und den Sonnenunter gang von dem bescheidenen Gemüsegar ten des Doktors aus betrachtend, saß Herr Trent, und sah nicht schlechter aus nach seinem Unfälle in der vorher gegangenen Nacht. «Eine eigenthümliche Manie," sagte er, auf seine Gefährtin blickend, „ein solches Liedchen zu singen, mit leeren Armen." Sie holte tief Athem. „Das war das Wiegenlied für mein Kindchen." antwortete sie einfach „Wirklich!" entgegnete Trent, hinter seinem Hute. „Ick schloß aus Ihrem Kleide, daß Sie einen Verlust erlitten." Grübchen nahm ihre Näherei auf und begann, sie zusammen zu legen. „Es ist sehr traurig, Kinder zu be graben," bemerkte der Advokat, in ei nem Tone, als ob er selbst schon öster das Geschick gehabt hätte. „Ich kann es mir wohl denke»/ antwortete Grübchen. Herr Trent war seit vierundzwan zig Stunden im Hause, und diese Zeit war für ihn lange genug gewesen, um zu entdecken, daß der Herr Doktor und seine Gattin merkwürdige Leute seien, und das weckte seine Neugier. „Sie trauern also um ein Kind?" sagte er. „llm ein einzig geliebtes Kind," ant wortete sie, und erhob sich, um zu ge hen, „aber es ist nicht todt, sondern wurde uns vor vielen Jahren gestoh len." Trents Miene drückte plötzlich ein sehr lebhaftes Interesse aus. „Ist es möglich? Ach, gehen Sie nicht, ich bitte Sie; es ist ja noch nichts zu sehen vom Doktor. Ein Kind ge stohlen? Wie romantisch! Wie ward es Grübchen, von diesem ersten Interesse gerührt, nahm wieder ihren Sitz ein. Sie sah hinaus auf die leere Straße und dann auf ihren Gast. „Der Verlust meines Herzchens ist kein Geheimniß," sagte sie, „aber es ist eine andere Geschichte damit verflochten eine sehr seltsame Geschichte, und ich bin nicht gewiß, ob es Philipp gerne hat, wenn ich sie einem Fremden er zähle." „O, dann thun Sie es nicht!' rief Trent höflich; „sagen Sie mir nichts, was Sie selbst betrifft. Sie nennen mich einen Fremden. Ich war wirtlich anmaßend! Aber obwohl ich erst einen Tag und eine Nacht unter JhremDache bin, wurde mir bei Ihrer Güte zu Muthe, als wären wir alte Freunde." Grübchen sann nach. „Es ist sehr gut, daß Sie das sagen. Gäste sind so selten in unserm Hause, denn Philipp und ich sind ganz allein da in der Welt. Unser Kind ward uns durch eine Frau gestohlen durch eine wahnsinnige Frau, wie Philipp sagt; er kann gar nicht gluben, daß es anders möglich sei sie schreibt uns jährlich einen traurigen Brief, aus dem wir nur entnehmen, daß unser Kind noch lebt, aber nicht mehr; und sie ver langt von uns eine Rückerstattung, die Trent sah bestürzt aus. „Ich ver stehe Sie wahrhaft nicht im Gering sten," sagte er. Sie flocht einen Zweig von Geisblatt um ihre Hand. „Ich denke wohl, daß ich vom Un denklich. „Es ist eine Geschichte, wie Sie eine gleiche nicht sobald wieder hö ren werden. Vor achtzehn Jahren wurde der Doktor des Nachts zu einer Dame gerufen, die plötzlich ertrankt war auf der Reife. Sie lag in einem Hause zwei Meilen von da, an der Straße am Meeresufer, das einen Steinwurf von der Küste steht. Und nun wiederholte Grübchen die ganze Geschichte, während Trent da saß und ruhig die Mücken von sich ab wehrte, und endlich brachte sie dasPäck chen Briefe aus dem Schreibpulte und den Ring, der unter Frau Christophs Heerde gefunden worden war. „Die Anstrengungen, die wir mach ten, um unsere Peiniger zu entdecken," sagie sie, „der Kummer, den wir tru gen, die Qualen wechselnder Hoffnung und Verzweiflung, das läßt sich nicht schildern; und doch ist Herzchen heute für.uns noch gerade so verloren, wie vor siebzehn Jahren." Herr Trent öff nete »nd las die Briefe, einen nach dem andern. Ihre Gleichheit schien ihn nicht im Geringsten zu ermüden. Er nahm den Ring und betrachtete ihn mit der Miene eines Kenners. „Ein sehr kostbare» und wel," bemerkte er. „Ihre Fei.-ce sind augenscheinlich Leute von Reichthum und höherer gesellschaftlicher Stellung. Es kling! wie ein Roma» und nach Art des letzteren hoffe- ich, Frau Walter, daß Ihnen Ihre Tochter noch gesund den wird." „Wie," seufzte Grübchen, „könnten wir denn jemals dieser grausamen „Und Sie und Ihr guter Dok- Blaue. Begabung zukäme. Die Welt ist ein Spielzeug des Zufalls. Ja! Er muß harte Zeiten gehabt Haben, hier unter oder Kind; aber immer und immer Liebe!" Man hörte die Thüre desHauses öff nen. Der Doktor kam in den Garten. Sein ernstes Gesicht erheiterte sich bei „Ich fürchte, Sie werden es hier feinem Gaste. „Im Gegentheile," antworteteTrent, „ich habe mich sehr gut unterhalten. Ihre liebenswürdige Gattin hat mir soeben die Geschichte von dem Verluste Ihrer Tochter erzählt." Doktor Walter wurde sehr ernst. „Wir sprechen selten davon," sagte er. „Unsere Sorge ist so alt, daß Sie aufgehört hat, für Andere ein Interesse zu haben. Kommen Sie; derThee war- Es war ein gedankenvolles und schweigsames Trio, das sich an diesem Sommerabende um Grübchens Thee tisch sammelte. Der Doktor fragte freundlichst um Trents Befinden. „Ich danke," antwortete der Advo kat, „ich fühle mich so weit hergestellt, daß ich hoffe, mit dem nächsten Zuge es nur zögernd thun kann." Doktor Walter bat ihn höflich, zu bleiben, aber der Advokat lehnte es ab. „Ich hatte ein kleines Geschäft in der Stadt," sagte er, „aber das hat jetzt nichts zu bedeuten. Dürste ich Sie wohl bemühen, mit mir bis zu der Sta» tion zu gehen, Doktor?" . „Gewiß" antwortete der Arzt. Man erhob sich vom Theetische. Trent verabschiedete sich von Grübchen, welche ihnen bis in den Vorgarten „Wie süß Ihre Gartenbeete duften bei Nacht," sagte Trent, indem er den Blumengenich einsog. „Sind wir außer der Hörweite Ihrer lieben Gattin? Bitte, nicht zu hastig. Der Zug geht vor fünfzehn Minuten nicht ab, und ich habe Ihnen etwas ganz Besonderes zu sagen." „Wirklich?" sagte Doktor Walter. Herr Trent richtete seine Augen nach dem Monde empor. Seine Cigarre ging aus, aber er sog fort daran, ohne es zu merken. Sie ließen das Haus hinter sich und gingen langsam gegen die Station zu. Plötzlich hielt Trent an und legte seine Hand auf die Schulter des Dok tors. Die Beiden standen Aug' in Aug' der hübsche, stolze Advokat und der mürrische Doktor, gealtert, grau vor der Zeit. „Doktor Philipp Walter," sagte Trent, „ich wußte es seit lange, daß irgendwo auf Erden eine Person existire, die für mich von unberechen barem Werthe sein könnte. Ich habe mich außerordentlich gesehnt, ihr in's Angesicht zu blicken, und endlich ist mein Wunsch erfüllt, d enn Sie sind der Mann!" Grübchen stand am Fenster und be trachtete die zwei Gestalten, die jetzt auf der Straße verschwanden. Sie schie nen in einem sehr eifrigen Gespräche zu sein. „Herr Trent wird zu spät kommen zum Zuge," dachte sie in weiblicher Ne rvosität. „Was kann er denn nur zu sa gen haben, das Philipp so lebhaft in teressirt?" Nach einiger Zeit kehrte ihr Gatte zurück. Sie eilte ihm entgegen. „Phi lipp," rief sie, „mein Theurer, wie selt sam siehst Du aus? Was hat dir Dr. Trent gesagt?" Er küßte sie. „Nichts, Grübchen nichts, das Du im Geringsten verstehen könntest." „Wie blaß Du bist!" „Blaß? Unsinn! Das istdasMond licht!" Und sein Gesicht von dem ihrigen ab wendend, zog er sie zurück in dasHaus. 19. Capitel. Paulette eilte nach ihrem Zimmer und warf ihre durchnäßten Kleider ab. Ihre großen Augen leuchteten, ihr schönes kleines Antlitz strahlte von der Verklärung, die auf das Antlitz jeder Frau kommt, welche liebt. Sie sah neugierig auf ihr Abbild im Spiegel. „Und das ist die große, große Lei denschaft, von der ich so viel gehört habe?" dachte sie. „Weiß ich denn end lich wirklich, was Lieben ist?" Ihre ei genen Augen antworteten ihr. Sie er röthete nicht, lächelte nicht, wie andere Frauen, sondern sank plötzlich auf ihre Kniee, wie von Ehrfurcht ergriffen vor der Größe des Gefühls, das in ihr Herz l eingezogen war, und streckte ihre Arme i aus in die wesenlose Lust. „Wie glücklich wie glücklich bin ich!" murmelte sie. „Sollte ich ihm Al les sagen? Nein, nein! Ich könnte nie mals vor ihm diese schmähliche Ge schichte wiederholen! Ich würde lieber sterben, als nur den geringsten Theil seiner Liebe verlieren! Bin ich schlechter als Ander«? Gibt es nicht viele Frauen, die ihr Leben lang Geheimnisse haben und sie bewahren, zu ihrem Besten wie zu dem Glücke derer, die sie lieben?" „O Gott! Streiche die Vergangen heit aus meinem Herzen und aus mei nem Gedächtnisse!" Da klopft» er leise an der Thüre. Paulette erhob st h hastig und öffnete. Auf der Schwelle stand Hilda. Liren? Ich weiß, daß es uns Allen große Freude macht." „Ich danke," antwortete Paulette kalt, obgleich sie tief erröthete. „Wel cher Vogel hat Ihnen denn die Neu igkeit so rasch zugetragen?" „Sie müssen da Arthurs Eifer ta ! rath von einem fleckenlosen Namen! i Darf ich ihm sagen, daß Sie bald kom- men werden? Gewiß!" Und sie huschil hinab. Paulette ileidele sich hastig uul folgte ihr in großer Aufregung. In de: Halle unten wartete eine große dunkl Gestalt. Als diese das Rauschen da! Kleides hörte, eilte sie Paulette ent gegen. Es war ein Mann, es war Ar thur. „Einen Moment noch allein," flü sterte er und zog sie hinaus auf den mi Weinreben umzvgenen Platz. Sei» Ge sich leuchtete. Er blickte bewegt auf sie „Ich denke," fragte er, „daß Sie sick mit Ihrem Herzen berathen haben. Ick bitte, was ist das Resultat? Sind Si ganz überzeugt, daß Sie mich lieben?' „Ganz," antwortete sie. Er neigte sich und sah in ihre Au gen. Das Roth ihrer Wangen hob sick bis in ihre Schläfen. „Kennen Sie sich selbst, Geliebte,' sagte er ernst; „täuschen Sie mich nicht Lieben Sie mich, wie ich Sie liebe mehr als das Leben, mehr als Allel unter der Sonne?" Die Leidenschaft ii seiner Stimme schien sie zu erschrecke» „Ja! Ja!" antwortete sie. „Könner Sie mehr verlangen?" bures Kleinod?" „Ich habe niemals einen Anderer geliebt, Arthur," antwortete sie. Wa rum fragen Sie so?" „Weil," rief er stürmisch, „meir Glück mir zu vollkommen scheint, als daß ich noch an seine Wirklichkeit un bedingt glauben kann. Ich kann es »ock nicht ganz glauben. Verzeihen Sie mii den Zweifel. Dort kommt der Genral unser bester Freund. Lassen Sie un ihm entgegengehen." Jetzt hob er in den duftigen Schatten der Schlinggewächs! ihr Antlitz etwas und drückte ihr rasck und leidenschaftlich den ersten Kuß au' die schwellenden Lippen. Im nächster Momente erschien die Löwenstirne deZ Generals in dem Thorweg. Wie erns! waren die Gesichter dieser zwei Män ner, wie gleich im Ausdrucke von Stolz und Kraft. Mit einem Male sühlti Paulette, wie ihr das Herz im Buser zagte. Der General nahm ihre kleiner weißen Hände in die seinen. Seine Au gen blickten sie unter den gebleichter Brauen hervor zärtlich an. „Meine kleine Polly!" rief er, „die! ist eine der glücklichsten Stunden mei nes Lebens! So ist es, wie ich es vor hergesagt. Arthur hat sich als eir glücklicher Freier erprobt, denke ich!" Sie warf ihr liebliches Haupt lä chelnd zurück. Er nahm ihre Hand und führte sil stolz unter sein Dach, hinein zwischer den grinsenden erstaunten Dienern, hinein zu Hilda, welche die künftig! Schloßherrin mit stillem Grimme em pfing. Die Freude des Generals schien Galle und Mermuth für sie zu sei». „Es fehlt nur noch eine Woche bis zu meinem Geburtstage," sagte sii mürrisch, als sie Abends mit einandei im Salon saßen; „und Sie haben sich dessen immer erinnert, bis auf dieses Jahr. Wir sprachen nun einmal von einem Maskenball; aber natürlich, dei ist jetzt außer Frage. Es kann Niemanc mehr von Ihnen verlangen, daß Sie an mich denken, wenn Ihre Mündel da 'st " . . . „Seien Sie keine Närrin, Hilda, antwortete der Genial, „Sie sollen Ih ren Ball haben und was Sie sonst wol len können. Warum doch nur die Frau enzimmer so abscheulich eifersüchtig aus einander sind? Ich möchte den Mann kennen, der mit Ihnen unter einem Dache lebt und nicht ebenso denken muß." Hilda neigte ihren Kopf vorwärts und sah Paulette und ihren Geliebten an einem Fenster am Ende des Salons und niit blitzenden Augen wendete sie sich wieder dem General zu. „Ich sehe, daß Sie mit Arthurs Wahl sehr zufrieden sind. Das zu ver stehen, geht natürlich über meinen H orizont. Ich setzte niemals voraus- daß General Weißenthur» würde zur Ga ttin seines Erben des Letzten vom Stamme eine gewöhnliche Schau spielerin, ein Geschöpf vom Theater wählen!" Der General schnellte vom Stuhle empc und sah sie wüthend an. „W er wissen Sie das?" brach ei los. „Was thut's!" antwortete sie tro tzig, „wenn ich es nur weiß." „Ihre hübsche Mündel wurde von aus einem Schauspiel im Norden, was eben so viel sagen will. Eine bezau bernde Gattin, in der That, für den letzten männlichen Sprößling Ihres Geschlechtes!" , . neral; „was meinen Sie denn mit die sem Teufelsgewäsche? Aber ich will Sie nicht anhören! Ich verbiete Ihnen, je wieder in dieser Weise von dem Kinde zu sprechen." lFortsetzung folgt.) Tie reiche Ehefrau sfeufzend): Wer wird »ach mir noch fragen, wenn ich nicht mehr fein werde? Jlir sehr abhängiger Mann: Das weiß ich nicht, aber wer nach mir frage» wird, das der Tramp in warnendem Tone, „öder ich versalze Euch zur Strafe de» Wnsch !iig. Ich bin nämlich professioneller Regenmacher!" doch die Ermittelung von Mördern der Polizei und gehen Sie lieber Ihrem Geschäft »ach. Angeklagter- Ta habe ick denn doch zu viel Bürger- un polizeilichen Spür sinn schon von Jroxvater» her, der in Landsberg als Stadlsergeant in die Polizeibranche eine jeachtete Stelle ein nahm, als det ick die Behörde, wo ick sehe, de» se in die Patsche sitzt un nich weiter kann, da ruhig sitzen lasse» sollte. Ne, Herr Jerichtshof! In solche Fälle, wo det Vaterland ruft.... Vorsitzender: Ach was, das Vater land H it Sie garniclt gerufen und mit Ihrem polizeilichen Spürsinn scheint es nicht weit her zu sein, sonst hätten Sie nicht eine» ganz harmlosen jungen Mensche» unter der ungeheuerlichen Be i schuldigung. er sei der Mörder der Post ! schafsnersfrou Wende, festgehalten. Angeklagter: Herr Jerichtshof, wo ick doch die janz jenaue Nationalbe- I schreibung von den Mann, wo man Verdacht druf hat, in mein Notizbuch - hatte! Un da soll ick nu »ich zujreisc», > wenn mir so n Mosjöh in die Hände laust, wo Allens »sf ihn klappt: Reese, ! Vorsitzender: Sie sehen aber, daß Sie sich doch getäuscht haben. ! Angelt.: Dasor lann ick doch »ischt, obwohl er et jedahn baden müßte von wejc» seine Nationalbeschreibung un sonstige Kennzeichen, wo er mir doch sagte, det er schonst fünfzehn Jahre im ! Zuchthause jesesjen hat. Vors.: Da sieht man, wie wenig Ue berlegung Sie haben. Ter Schneider T., den Sie festgenommen haben, ist I 24 Jahre alt, er hätte also schon mit > neun Jahren in s Zuchthaus gekommen fein müssen. Angell.: Herr Jerichtshof, da hätte ick doch ooch »ischt vor jetonnt, wenn er schon in so'» zartet Alter so 'ne rüdige Bolle jewesen wäre, un wal'n Halen werden will, det trimmt sich schon in seiner erste» Jugendbliethe. Vors.: Lassen wir das jetzt. Sie könne» doch nicht bestreiten, de» Zeugen H. mißhandelt zu habe»? Angell.: Herr Jerichtshof, wat soll ick da anders duhn, wenn ick so schwer beleidigt werde, det er mir als Jnbre- Weiße, da lam der Herr da, setzte sich zu niir aii'n Tisch un sing een Jespräch niit mir an. Wohl ooch Schuster? sragte er »ach 'ne Weile.—Nee, sagte ick, blos Schneider. —Ick meene, sagte er dann, det Du woll ooch zu die Zunft jehörest? Nur immer 'raus mit die Sprache, Jungelen, ick hab' ja ooch schon zehn Jahre in Sonnenburg ab jebrummt. Na, det is ja 'ne nette Nummer, dachte ick, uf so'» olle» Zucht bäusler mutzt Du man '» »fmerljamet Ooge halte::, da jibt et vielleicht »och 'n Finderlohn >u verdienen Angeil, (einfallend): Ick wollte ihm einflöfen, deshalb jab ick mir als Zucht häusler aus. (Heiterkeit.) Zeuge: Ick ja ooch, ick wollte ooch ick, wenn er mir denn doch schon erlannt hätte, denn wollte ick mch wei ter streiten »» ick freite mir, so n ollen Kameraden kenne» zu lernen, un er sollte mir man ruhig un vertrauensvoll seine Jeschichte erzählen, wie er eejent lich in die Karriere rinjelomme» is. Meine Absicht war die, det ick ihn in eene Falle locken, nach die Stadt brin gen un bei die Polizei als jesährlichet Jndifidibum abliesern wollte. Angekl.: Herr Jerichtshof, ick bitte, det war meine Absicht, det is so'» oller Polizeikniff von mir. wo die Herrn von die l»riminalpolizei wat von lernen len ne». Zeuge: Kurz un jut, er erzählte mir die Vollsten Zicken wie er mal in die Det war 'n seiner Schach zug von mir, da wollte ick ihm n Je» ständniß ablocken. Zeuge: Ick erzählte ihm den» ooch allerhand lujenhafte Abenteier un da tam er kenn plötzlich us die ob j.k nich o.'ch schon so'n bischen mit'n Revolver jespielt hätte, ick käme ihm in diese Hinsicht so sehr vertrauenswürdig vor. Na, det jing mir doch über die Hutschnur, ick sagte nee, dasor müsste ick danien, ick hätte mir nur in schwere Einbrüche versucht. Nu schlug er vor. wir sollten zusammen zur Stadt sehen, da wollte er mir mit einige Eolleje» de un wie ick 'n Schutzmann sehe, da ruse ick ihm, um damit er den Mann us die Wache bringt. In diesen Oogenblick fällt der Anseklagte über mir her un vertobackt mir in eene Weise, det et schon jar nich mehr schön war. Us der Wache stellte sich denn 'raus, det wir Beede janz ehrliche Leute waren, un da lachten se denn Alle, un de Wachtmei ster Meente, den Herrn da, wat der An machie immer so 'ne Zicken. Der Angeklagte wird zu einer Geld strafe von dreißig Mari verurtheilt. Er gehörte die trockene Semmel !>es Lebens mit dem Caviar des Humors zu versüßen." Es ist besser, ein alles Kind» als ein j'.'.nge: Greiz zu jem. 3
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