Hrunhilde. (7. Fortsetzung.) . .Wieso verloren?" erwiderte Würz burg philosophisch. „Meinst Du, ich würde auch nur einen Tag jünger sein, mich viel zu sehr, um mich so lange unnütz aus der Festung zu füttern ... Ganz nett, diese Gerichtsverhandlung sultat dieses furchtbaren Apparates? . . . Zwei lumpige Jahre! Der krei send« Berg gebar wieder einmal ein legen und gerührt sprechen: „Du spottest und mir blutet daS herz!" „Darf ich mit Heftpflaster dienen? Handlung eine Aufklärung zu erhalten; zer Vorwand des politischen Zwistes rar zu durchsichtbar. . . . Wie kam !s? Ich habe wohl ein Recht, danach >u fragen." ?urgs Gesicht. Er ließ Messer und Hand und sprach langsam: „Wie es kam? ... ich weiß »s wahrlich selbst laum. Als ich das arme verzweifelte üind fand, da faßte mich ein Grimm, line Wuth, daß ich mich selbst für vahnsinnig hielt. Ich hätte das Schloß inzünden und mit Wonne das ganze >och- und hochwohlgeborene Gesindel ilend in den Flammen umkommen se- Thier in mir, das nach Blut schrie. Die Sorge um Betty machte mich ein v«n!g ruhiger. Ich steckte meine Duellpistolen zu mir, fest entschlossen, xn Lieutenant nöthigenfalls mir selbst aus dem Saale h«raus zu holen. Zum Glück spazierte er im Garten „nher ... es war bereits hell. Wie ich sein hübsches, freundliches Gesicht ,iit dem dunklen Kraushaar betrach iete, hätte ich in der Erinnerung an so manche fröhlich zusammen verlebte Stund« fast Mitleid mit ihm gehabt, va glitzerte der Verlobungsring an seinem Finger, nun war ich wieder !011. Ich sprang vor, schleuderte ihm seine Gemeinheit, meine Verachtung, ncine Forderung in's Gesicht und die Pistolen vor die Füße. Muth hat er, :r nahm sofort an, selbst die Bedin ;ung der einzigen geladenen Piftvle zefiel ihm. Leider erwischte er doch >ie unschuldige mit dem Kupfer jütchen." „Und wenn er die andere gewählt?" „So wären wir vielleicht Beide zesscr dran . . . Bei Gott, ich hatte die festeste Absicht, ihn so todt zu schießen, rls nur ein Mann sein kann. Die er vünschle Wuth, die mir in Hirn und »ldern tobte, ließ mich auf die zehn Schritte Distanz das Schwarze sch ien. Auch gut, ich bin es zufrieden ... s ist vorüber, das heißt bis auf das krummen," schloß Würzburg in fei lem gewohnten leichten Tone. „Und nun pfeif' ein anderes Lied, das bis herig« erinnert mich zu start an die „Die größteSehnsucht, etwas Neues »us Liebenfelde zu erfahren. Man er zählt sich Wunderdinge, daß mich die ind ich hatte leider mein Wort gege bn, nicht aus diesem Unkenneste her ruszugehen." Zum ersten Male verschwand der belümmerte Ausdruck in Auras' Zil ien. Stolz und freudig leuchtete sein lluge, als er ausführlich über die noch die kühnsten Hoffnungen überfteigen sen Schürfarbeiten berichtete. Nicht »ur war das Vorhandensein der kost baren Erze so zweifellos nachgewiesen, daß man ihm nun von allen Seiten Capitalien anbot, sondern es hatte sich zugleich herausgestellt, daß der berg männische Abbau nur von seinem Be schthum aus erfolgen konnte. Während :r voraussichtlich bereits im folgenden Frühjahr damit beginnen konnte, wür zen auf Wildenhoftr Terrain noch im mer kostspielige Bohrversuch« ange stellt, trotzdem dieselben nach dem Ur theil bergwissenhhaftlicher Autoritäten i'.n günstiges Resultat gar nicht erwar ten ließen. Würzburg rieb sich die Hände. .Den Kammerherrn möchte ich wü- then hören. Als Du ihin damals rie» thest, Liebenftld« für die Gräfin od«r für sich selbst anzukaufen, lachte er Dich aus und nannte Deinen Hinweis auf di« vermutheten Erzgänge eine über faannte, fixe Idee; noch mehr, er glaubte, Du stehest mit dem Borbesitzer in heimlicher Verbindung, um Dir bei dem Verkauf eineProvision in dieTafche letzten Groschen nutzloser Weis« selbst in die Taschen eines schlauen Inge nieurs, der natürlich so lange graben und ihn vertrösten wird, als jene zurei chen. Sobald sie glücklich eingebuddelt sind, was ja jed«nsalls nicht lange dau unsich«r und vorwurfsvoll. „O, o!" schüttelte der Freund den Kopf; „ist es d«nn möglich, daß Du noch immer beschönigst und hoffst?" „Wobei es jedoch nur auf den Ver such einer schönen, weißen Mädchsn hand ankäme, die zerrissenen Fäden stieß Würzburg grimmig hervor. „Von einem Manne Deiner Art hätte ich An deres erwartet." zum Elenden möcht« ich nicht werden." „Armer Kerl, di« verführerifcheWal küre spukt Dir noch immer in Hirn und gestrichen; gestorben ist, wonach ich einst strebte und kämpfte. Der Name Wildenhof gut mir fortan so viel P>d so wenig als jeder andere." „Wie schade, daß die Leist, die falsche Betschwester, dieses rührend christliche Bekenntniß nicht hört! „Schlägt Dich Jemand auf Deinen rechten Backen, so biete ihm quch den linken dar" es wird ja alles vergeben und vergessen!" der gereifte Mann ist doch meist nur das Produkt seiner Charakteranlage, seiner Erziehung, Umgebung und Erfahrun gen die Allgemeinheit abschließen! Willst Du ihr persönlich zum Vorwurf machen, was das Vorurlheil ihres Standes ihr einimpfte von Kindheit an, ihren Kurzblick schelten, weil eine falsche Erziehung sie nie über den beschränkten sie kann." ' Der Oberförster lief wüthend zwi schen den leeren Tischen des kleine» er vor dem Freunde stehen und höhnte: „Das ist ja reizend! Jetzt fehlt nur noch, daß Du auch dem Lieutenant ei nen ähnlichen Vertheidigungsspeech hältst. Ich werde dann sofort Beiden einen submissesten Entschuldigungs brief schreiben und sie für einen Tu gcndpreis in Vorschlag bringen." Dann rannte er wieder fort, ohne darauf zu achten, daß er einige ihm im Wege stehende Stühle umwarf. „Dein Hohn trifft mich nicht," sagte Auras finster. „Es ist noch Anderers geschehen, wovon ich vielleicht erst nach Jahren zu sprechen vermag, Dinge, die ein Mann vielleicht mit der Zeit verge ben, doch nie vergessen lernt.... nie, nie!" Seine Wangen hatten sich mit einem dunklen Roth bedeckt und er verharrte in düsterem Schweigen, bis Würzburg, neben ihm stehen bleibend, die Hand auf seine Schulter legte. „Also noch etwas? Das freut mich, um Deinetwillen, mein Junge! Wenig stens läßt es mich hoffen, daß Du diese fatale Geschichte nicht Dein Lebenlang mit Dir herumschleppen wirst, wie ein Sklave seine Kette. Mach' ein Ende da mit! Wie der Arzt, ein scharfer, ent schloffenerSchnitt es thut zwar weh, aber das fressende, böse Geschwür ist ausgemerzt Hast Du Nachricht von Betty?" „Nein, und das bekümmert mich mehr als mein eigenes Schicksal." „Ich hatte gestern «inen Brief von meiner Cousine. Betty befindet sich den Umständen angemessen wohl; natürlich ist sie noch schwach und still, möcht« sich am liebsten in die Einsamkeit vergraben u.s.w. Du kannst Dir das ja alles den ken. .. aber sie befindet sich doch auf dem Wege der Genesung." „Ob sie je diesen Schlag völlig ver winden wird?" „Laß es uns hoffen! Sie ist so jung, die Zeit wird das ihre thun." „Willst Du sie noch einmal sehen, eh« Du Deine Strashast antrittst?" „Um keinen Preis verwundet wie ihr Herz jetzt ist, würd« «s mich nur hassen lernen. Jetzt würde sie noch eher dem Lieutenant seine Treulosigkeit, als „Und die Zukunft?" Rosen wer kann es wissen? Ich will den Kartenlegerinnen nicht ins Hand werk pfuschen. Offtir gestanden: für mich selbst hoffe ich wenig. Hätte ich keck und frischweg zugegriffn Wie je- w« ein bkeichsllchtilger, ly rischer Dichter zu togg«nburg«rn, was weder in Bettys, noch in meinem Charakter liegt vielleicht wäre ich früher, als er zum Ziele gekommen und heute ein glücklicher Mann. Ich kann nichts Anderes mehr thun, als harren, allerdings in der Voraus sicht, nur einen neuen Beweis für die alte spichwörtlich« Wahrheit zu liefern. Auch das w«rde ich zu tragen wissen, nicht leicht, doch wie ein Mann." Würzburg schien eine Antwort des Freundes zu erwarten, doch als dieselbe nicht erfolgte, schenkte er die geleerten Gläser wieder voll und stieß an. „Wenn nichts Anderes, bleibt mir noch Mein Wald, meineßüchse und unfereFrrund schaft genug des Reichthums! O mein göttlicher Schiller, Du hast recht: »... Kellner, eine frische, einen Silber tops! Zum Teufel ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben... wir müssen nachheizen!" XIV. Der Kammerherr befand sich in ar ger Mißstimmung. Di<" Verurtheilung Würzburgs hatte den ersten Anstoß da zu gegeben die gerichtliche Auffas sung des Rencontres als Zweikampf entsprach durchaus nicht seinen Wün schen, denen zu Folge der Strafantrag auf Mordversuch oder doch mindestens auf vorsätzliche schwere Körperverle tzung hätte gestellt werden müssen. Na türlich verfiel Viktor nun der gleichen Strafe, und die bösen Zungen, welch« chnehi» das unli-bfameEreigniß in für ihn nichts weniger als schmeichelhafter Weife glossirten, erhielten neuen Stoff. Dazu hatte ihm Herr vonSeblitz soeben die Mittheilung gemacht, daß die für die Bohrversuche verfügbaren Gelder leitende Ingenieur erlärt habe, die bis her aufgefundenen Erzgänge verliefen theils zu ungünstig, theils zu unbe erzählte und er selbst längst geahnt hatte. Am bittersten freilich empfand er die Erfolge, welche Auras in Lieben felde erzielte und er selbst konnte über Mißgeschick! Wie ein schwarzer Faden zog sich seit dem gestörten Ver lobiingsfest eine Kette von Widerwär tigkeiten durch sein Leben., Kaum zu neuem Glänze erweckt, tauchte d«rSt«rn der Wildenhof und Ruwer aufs Neu in trübe Wolken nieder. Die dürren Blätter, die unter seinen Füßen raschelten, als er von der Kanz einen Abstecher nach Nizza und einen Auftnthalt in der Hauptstadt, das Wiederanknüpfen der Hai» erloschenen Hofbeziehungen geplant nun waren alle diese hochfliegenden Projekte in der dunklen Tiefe der nutzlosen, theuren Bohrlöcher versunken. ten Bibliothekzimmer. Seit Viktor nach Broshausen übergesiedelt und sie der Sorge für seine Pflege enthoben war, hatte sie ein besonderes Vergnügen daran gefunden, in den alten Familien papieren und Gutsakten zu wühlen, eineßeschäftigung, welche dem Kamme rherrn bereits mehr als eine scharf ta delnde Bemerkung entlockt hatte. Er Auch heute runzelte sich seine Stirn«. In schärferem Tone, als «r sonst gegen di« Nichte und zukünftige Schwiegertochter anzuschlagen pflegte, sagte «r: „W«lch«n staubigen Wust hast Du da wieder aufgestöbert? Es ist traurig, daß Du keine geeignetere Un terhaltung zu finden vermagst k" „Ich halte das Studium der Ge schichte meines Hauses sogar für außer ordentlich passend," erwidert« Brun hilde ein wenig gereizt, erhob fich aber trotzdem, um den Onkel nicht zu ver letzen. Es war etwas wie ein kleiner Kriegszustand seit der Verlobungs seier zwischen den Beiden zurückgeblie ben. Brunhilde beklagte sich über d«n Mangel an Vertrauen. Ahnte sie auch Streit, welchtr offiziell als Ursach« des Duelles galt. Durch Auras auf die richtig« Spur geführt, verlangte sie ent schieden offenen Aufschluß über die et waigen Beziehungen zwischen ihrem Verlobten und Betty Auras. Viktors Zustand gestattete noch keine aufregend« Auseinandersetzung, der Kammerherr behal? I?» mit beschönigenden Gemein plätzen, w«lch« sie nicht zu befriedigen vermochten. Sie verlangte Gewißheit, ob Betty ein Recht auf Viktor gehabt oder nicht und diesmal erschien ihr die runde Ableugnung Onkel Edmunds ihr doch wohl nicht völlig glaubwürdig. Er nahm seine Lieblingsstellung am Kamin ein, den Fuß auf die Messing stäbe und den Arm auf den Kamin ge stützt, und fuhr fort: „Zum mindesten würde es sich empfehlen, Du überlie ßest mir die Auswahl der für Deine Jahre und Dein Verständniß geeigne ten Aktenstücke. Diese Sachen sind nicht siir Mädchen geschrieben ... Indessen, ich komme von Seblitz und bringe eine wunderbare Neuigkeit mit. Jener Ursache, uns gründlich auszulachen." Er erzählt«. «S so gekommen ist," antwortet« die Gräfin ruhig. „Freuen?.... Ich muß Dich schon bitten, meinem mangelnden Verständ niß ein wenig nachzuhelfen." „Wir sind, was Du, Onkel Edmund, so gern betonst, Aristokraten, keine Kr ämer, Speculant«n und Bergleute. Jetzt, da die Gefahr vorüber, kann ich wohl giing mein«r selbst erschienen, meine Wiesen und Wälder in ein schmutziges Hüttenwerk, das Schloß meiner Bäter lesen: Wildenhofhütte so und soviel Procent." „Eine reizend« Auffassung," spottet« der Kammerherr in verbissenem Groll. „Daß uns diese Entwürdigung, wie Du Dich auszudrücken beliebst, jährlich fünfzigtausend Thaler oder mehr ein gebracht habe» würde, ist für einen ro mantischen Mädchenkopf eine zu gering fügige Kleinigkeit, um überlMpt in Betracht gezogen zu werden." Er sah ein Helles Roth langsam in Brunhil dens Wangen steigen und beeilte sich, begütigend hinzuzufügen: „Es ist doch einmal nicht anders, liebes Kind! Du weißt, wie Dem« Verhältnisse stehen; es konnte sich keine bessere Gelegenheit finden, den alten Glanz Deines Na mens wieder aufzufrischen." „Kupfervergoldung!" „Gleichviel! IstdasGold nur echt, sv frägt die Menge wenig darnach, woher es stammt." ,Zch bewundere nur Deine Jnconse quenz, Onkel Edmund; seit- Wochen widersprichtst Du stündlich mit Worten und Thaten den Grundsätzen, die Du wie ein Evangelium einst selbst in meine Brust pflanztest. Der Arbeiter und Bürger galten Dir als Plebejer, die Industrie als der Ansturm gegen die uralt geheiligten Vorrechte des Adels, die Macht des Geldes als Pro tzcnthum; der Edelmann, der mit Kopf oder Hand sein tägliches Brot erwarb, schändete in Deinen Augen sein Wap penschild und nun bist Du selbst unglücklich, daß Du diese vornehm stil len Schloßräume nicht mit den Schäch einer Kupferhütte vertauschen kannst! Du ahnst nicht, welchen Zwielvalt Du damit in meiner Brust entfachtest, wie oft ich über Deine Wandlung nachge grübelt habe! Du selbst gibst nun zu, daß Name und Rang allein in der heu tigen Gesellschaft fast bedeutungslos sind; warum aber sträubst Du Dich ge gen die weitere Schlußfolgerung, die lich aufdrängt: was wir unsere Stan heit des ererbten Besitzes, das mühelose Zehren von dem, was einst unsere Bor fahren erworben haben, mit einem kurzen Worte: der Müßiggang. Ob und wie weit ein Stolz darauf berech mung entscheiden hier Fähigkeiten und Erfolge." „So daß Du mich etwa mit jenem schastsstufe stellst?" lachte Herr von Ru- „Trägst Du nicht selbst die Schuld daran durch Deine Jagd nach dem Golde? Hast Du nicht in diesen wenigen Wochen den untadelhaften Edelmann, willen," sagte der Kammerherr nach kurzer Pause achselzuckend. „Für Dich und Viktor, siir den Namen Wildenhof mein Mißerfolg." „Der Widerspruch zwischen Deinen früheren und Deinen jetzigen Anschau lich übertragen müßte," corrigirte Vrunhilde. „Damit lehrtest Du mich selbst die tiefe Wahrheit fo manchen nigen Wochen als Anmaßung oder Un z,rechtigkeit verurtheilte." Zum zweiten Male an diesem Mor gen fiel der Name Auras, der sonst streng vervönte. Brunhilde warf dem .Ich habe nur Zumhofs«, und zu wün schen, daß Bittor diese meine Ansichten „Das ist sehr wahrscheinlich!" Der Kammerherr lachte ironisch, doch war er nicht so ruhig, als er gern scheinen trommelten ungeduldig auf der Mar morbekleidung des Kamins, seine Au genlider zuckten nervös, wenn er unter dem eifrig blätternden und lesenden Mädchen hinüber schoß. Er fühlte, daß er die Herrschaft über diesen scharf den kenden, mächtig aufstrebenden Geist durch eigene Schuld verloren hatte, daß es seiner Sophistik kaum wieder gelin« zulegen. . »Deine Lectüre scheint ein« unge- mein fesselnd« zu sein," bemerkte er endlich. „Briefe oon Onkel Wolf an meinen Vater." Im folgenden Augenblick stand Ru wer neben der Nichte. „Dagegen muß stiren. Wolfs sind nicht fürMäd in seinen Augen, der Brunhilde sast er schreckte. Mit einer ungestümen Bewe gung rieß er die Mappe an sich, ein ein zelnes, großes Blatt fiel heraus und flatterte wie ein müder Bogel zu des einzige Erbin meines Vaters, . an den diese Briese gerichtet waren. Gib sie mir zurück." „Nicht, bevor ich selbst sie durchgele sen und das für Dich Unpassende dar aus entfernt habe." Die weiße Mädchenstirn runzelte sich drohend. „Du wirst es bereuen, Onkel Edmund!" Anstatt zu antworten, rollte er das Heft zusammen, steckte es in die Tasche und griff nach dem Papier auf dem S ekretär. Doch ihre Hcmd war schneller als die seine. Den Lehnstuhl zwischen sich und ihn schiebend, trat sie, den Bo gen entfaltend, anZ Fenster. Nur einen Blick warf sie darauf, dann wandte sie dem Kammerherrn ein todtenbleiches, verzerrtes Antlitz zu. „Onkel Edmund, das ist der Trau schein des Grafen Wildßchof der Benxis feiner Berheirathung mit Char lotte Born Kannst leugnen, daß Du darum gewußt hast?" Wie von einem urplötzlich niederzu ckenden Blitzstrahl betäubt, taumelte Ruwer zurück. Ein dumpfes Stöhnen qüoll aus feiner Brust empor. Langsam und laut übersetzte Brun hilde das Dokument, das die in durch aus legaler Weise stattgefundene Ver mählung ihres Onkels Wolf mit Cha»-- lotte Born beurkundete. IHK Stimme klang ruhig, kalt sogar, doch ihre Hände flogen wie im Fieber. „Das Dzkument ist echt? Du weißt es?" wandte sie sich an Ruwer, indem sie es sinken ließ. Er hatte Zeit gehabt, sich zu fassen, „Leider!"... Er zuckte die Achseln und faltete die weißen Hände... „Ich hatte gehofft, Du würdest nie erfah ren, wie ehr- und pflichtvergessen Ein«r Meine Schuld ist es nicht, daß dieses unselige Papier noch nicht den Flam men überliefert wurde. Ich glaubte es längst vernichtet. Doch das Versäumt« ist leicht nachzuholen".... er streckte die Hand nach dem Papier aus. Vrun „Das ist ein ungeheurer Betrug und Du, Onkel Edmund, Du wußtest da rum?" Es lag in ihrem Blick ein Ausdruck, der ihn fast wieder außer Fassung ge bracht hätte. Er war nahe daran, nun noch zu leugnen, mindestens zu beschö nigen; dieser Blick zwang ihn zur Wahrheit. „Ich wußte darum, nun ja! Dein Vater bedurfte eines Helfers, als es galt, die Verirrung seines älteren Bru ders, die Befleckung seines adligen Wappenschildes vor der Welt zu ver bergen und das uralte Erbe der Wil denhof vor den unreinen Händen eines ren. Was jenes Papier dokumentiren will, ist in sich sckbst eine Lüge, ein Be trug nie konnte die von der Straße ausgelesen« Dirn« di« rechtmäßig« Ge mahlin eines Grafen Wildenhof, ihr Sohn der Majoratserbe sein. Dein Va ter reiste selbst nach Italien, Recht und Glück waren auf seiner Seite, es ge lang ihm, die leidige Angelegenheit zu vertuschen, und, wie gesagt, ich glaubte sie begraben und vergessen. Sie konnte es sein und bleiben.... was haben junge Mädchen in Familien-Dokumen ten zu wühlen?" „Pfui!" Das kurze Wort aus Brunhildes Munde traf den Kammerherrn wie ein stierte sie angsterfüllt an. „Aas hast Du vor?" stieß er mit er bleichenden Lippen hervor. „Dem bestohlenen Erben sein Eigen thum zurückzuerstatten, die Ehre meines Vaters zu rehabilitiren, der nie um die sen schmachvollen Betrug wußte." „Richt darum wußte?" lachte Ruwer höhnend, „er der Anstifter, der Aus führend«, während ich nur sein Werk zeug war? Der Heiligenschein, den Du um seine Stirn gewoben, ist nicht ganz rein. Erkenne es, mein schuldlosesKind, mein« kühne Verfechterin des sogenann ten Rechtes, und danke es ihm, daß er Dich nicht durch alb«rne Scrupel zur Bettlerin machte, noch ehe Du geboren warst. Wende den Trauschein um dort siehst Du an seinen Schriftzllgen, daß ich die Wahrheit sprach." „Mein Bater?" ... Wie ein gellender Hilfeschrei in Todesnoth rang es sich aus Brunhildes Brust. Sie brach fast zusammen, doch als Ruwer ihr bei sprang. stieß sie ihn zurück. „Fort, fort, rühre mich nicht an, sprich nicht zu mir!" Sie lief hinaus, rief nach dem Wagen und scheuchte mit fast zornigen Worten Frau von Leist zurück, welche geejlt war, um fix zu beruhigen und zu- Die eleganten Braunen auch «ine neue Anschaffung des Kammerherrn auf Rechnung deS Kupserlagers flo gen im schlanksten Trabe dahin und doch viel zu langsam für Brunhildes , brennende Ungeduld. Klarheit, Wahr- heit! schrie es verlangend in ihr auf und wenn die Frage, welche sie stellen mußte, all ihr Glück vernichtete, sie konnte nicht anders. Sie hätte doch Pfunden, so lange jener schmachvolle Betrug ungesühnt «ar und sie seine Früchte genoß. DustendenWölkchen spielten noch um sei nen hübschen, blassen Kops. Mit hzlbge schlossenen Augen träumte er fast un bewußt, natürlich von einer felir ange nehmen Zukunft. Das Geheiini'.-ß sei ner Beziehungen zu Bettn glaubte er, nun sie spurlos aus'der Gegend ver schwunden war, sicher genug verwahrt, um es nach Möglichkeit zu vergessen. Betty, Auras und Würzburg hätten doch schließlich noch weit mehr Grund zu schweigen als er; wenn er seine Straft abgebüßt, konnte er unbesorgt heirathen ... Mitten in diesen schönen Traum, „daß doch alles noch gut ge anfangs für ein Produkt seiner Phan tasie zu halten gewillt schien. Dann, als sie ihn durch eine offenbar nur konventionelle Frage nach feinem Be finden von der Wirklichkeit ihrer Er scheiirung überzeugt, schlug ihm plötzlich das Herz bis in den Hals hinauf Welchen anderen Grund konnte dieser formlose Besuch haben, als die Entde- Alle Teufel, es lag in BrunhUdes Au gen eine finstere Entschlossenheit, welch« ihm durchaus nicht gefiel. „Verzeih, daß ich Dich hier em pfange," stammelte er in einer Ver wirrung, die seinem elastischen Opti mismus sonst völlig fremd war; „wenn aber wir können natürlich hinüber in den Salon gehen. Es sieht hier sehr sehr garconmäßig aus. Du wirst gen ins Gesicht... heißt, Papa ist doch —" „Noch in Wildenhof, denke ich. Eben darum bin ich hier," schnitt ihm Brun hilde zu seiner' Erleichterung das Wort ?b. Er schob einen Stoß Journale vom Sopha herab, öffnete das Fenster, ver stäubte eine halbe Flasche Tannenna delduft, ohne daß sie feine Geschäftig keit beachtete. Endlich drückte sie ihn mit einer zärtlichen Bewegung, welch« sein böses Gewissen ungemein beru higte, in die Sophaecke zurück, rollt« unangenehm prüfenden Blick an. „Weißt Du etwas Genaueres übn Onkel Wolfs letzte Lebensjahr? und seine Beziehungen zu unseren Eltern?' Die geradezu verblüffte Miene, mit welcher Viltor sein „Nein daS heiß! so gut wie 'gar nichts!" begleitete, ver bürgte seine Glaubwürdigkeit. Brun hilde athmete auf, ihre schlimmste Be fürchtung war widerlegt. Sie schöpft« neue Hoffnung. In fliegender Hast und dabei so ausführlich als möglich berich tete sie ihre Entdeckung und deren Vor geschichte. Viktor war allmählich aufmerksa mer, doch auch zusehends bleicher ge worden. Mehr als einmal versuchte er. ohne Erfolg, ihren Redefluß zu unter brechen. Erst als sie völlig zu Ende mit ihrem Bericht, schwieg sie, mit angst voller Spannung seine Antwort erwar tend. Nun sprach er endlich: „Das klingt so romanhaft, so wun derbar, daß ich es kaum fasse. Ent schuldige den Zweifel, aber Du haß Dich wohl läuschen lassen?" „Unmöglich! Mehr als das Doku> ment beweist noch das Zugeständnis Deines Vaters. Viktor, ein surchtbarei Unrecht ist an dem einzig wahren Erber von Wildenhof verübt worden, an un öftrem Blutsverwandten. Wir habe» keine heiligere, dringendere Pflicht, all es in möglichster Eile zu sühnen, soweit dies in unserer Macht steht. Was wii bei nicht in Betracht kommen. Ol Freund oder Feind, wir sind seir.i Schuldner und müssen ihm gercchl gab Viltor zurück. „Das Wie ist hiei fast noch schlimmer als das Muß Schade, daß Du Dich mit Papa des halb schon überwarfen, hoffentlich nu> „Im Gegentheil ich bedarf keine- Menfchen, selbst Deiner nicht. Was iH zu thun habe, steht unerschütterlich in meiner Ueberzeugung fest und ist seh, leicht ausführbar; ich trete eben all« fchen Lockenlopf. lZortsetzung folgt.; Junger Mann: „Was denken Sie, daß ich gebrauchen sollte, Doktor, um das überflüssige Haar loszuwer den?"— Kahlköpfiger Doktor (mit der Hand über seinen glatten Schädel fah rend): „Heirathen Sie, junger Mann, heirathen Sie!" —Die Madame (welche einen männ lichen Besucher in der Küche gefunden hat, zur Köchin): „Wer ist der Mann hier, Mari,?" Mary (in Verlegen heit): „Daseist mein Bruder, Ma (stotternd):,, Wir waren unZ sehr ähn lich, aber er hat sich gestern seinenßart abrafir-n lassen, deshalb sieht «r jetzt so vnä.-.derl ous!" Von Wildschützen im bayerische» Hochgebirge weiß Joseph Kreitlhuber in der „Post" Mancherlei zu erzähle«. ES fehlt dem wilden Wildschützenleben Ein Heidenjurist es z. B, wenn eS dem Wilderer gelingt, den Jäger hin t«r'S Licht zu führen, und das trifft nicht fetlen zu. Einmal bemerkte der Lenggries, einen Bauern, der schon lange in, Verdacht stand, ein arger Witdichüst zu sein, wie er eben einen wand herab und direkt in sein HuuZ trug. Spornstreichs eilte der Förster mit seinem Gehilfe» in das Haus de» Bauer», de» er jedoch an der Wiege des mit einem dich!«» Schleier verdeckten kleinen Kindes antraf. Etwas über rascht, wie es möglich f«i. daß d«r Bauer schon zu Haust wäre, da doch noch keine halbe Stunde vergangen war, stellte er d.'N „schwarzen Toni", jo hieß man den Bauer allgemein, zur Rede über sein Wildern, aber Toni that sehr verwundert darüber, wie man solchen Verdacht auf ihn werfen könne, und erklärt sich sofort bereit, mit dem Jäger die Haussuchung vorzunehjnen, wenn der Forstgehilfe inzwischen auf das Acht gebe: „'S ist alleweil durchsucht,"aber trotz langen Suchen» nicht die geringste verdächtige Spur ge funden, so daß der Förster endlich sich lopsschiittelnd entfernte. Unter derThür sagte der Toni noch zum Forstgehilfen mit der unschuldigsten Miene der Welt: „I bedank' mich, daß'S so acht geben habt's auf s Kind, b'hüt' Eni Gott." Als der Förster eine Strecke weit ge gangen war, meinte er zum Gehilfen! „Bei allen Heiligen hätt' i g'schworen. daß der Toni einen Gamsbock g'wildert hat, aber so thut man einem Menschen ost Unrecht." Toni aber hielt sich die Seiten vor Lachen, denn der Forstge hilfe hatte die ganze Zeit den Genis bock gewiegt. Toni hatte natürlich den Förster gleichfalls bemerkt und zn Hause angelangt das erregte Wild rasch entschlossen in die eben leere deckt? "" "" Ter alte Wränget, so erzählt di« »Deutsche Romunzeilung", hatte großen Widerwillen gegen alle „Federsnchser", insbesondere gegen Kriegsberichterstat ter. Er that alles Mögliche, um ihnen das Da,ein schwer zu »lachen und sreut« sich königlich, wenn er wieder einmal eine» .rausjeelelt" hatte. Währen» des Feldzuges gegen Dänemark (1864) weilte der sonst in Berlin ansässige Kor respondent der „Times" auch im preu ßischen Lager. Kaum hatt« dies Wrän ge! erfahren, als er den Mann un barmherzig daraus entfernen ließ. Jener kam aber, mit dringenden Ber liner Empfehlungen versehen, bald zu rück. Wrangel wies ihn ab. Allein der Sohn Albions erschien mit echt englischer Beharrlichteil ein drittes Mal, jetzt mit einem EmpsehtungS schreiben Bismarcks versehen. Diez mußte allerdings Papa Wrangel re» spektiren, insgeheim schwur er aber, dem Zeitungsmenfchen den Aufenthalt gründlich zu verleide». Nachdem er den Empfehlungsbrief schweigend gele sen hatte, lud er mit großer Artigkeit den Gentleman zur Tafel ein. Als er erschien, eilte Wrangel auf ihn zu. faßte ihn bei der Hand und führte ihn zum Prinzen Friedrich Karl. Hier stellte er ihn mit folgenden, überlaut gesprochenen, aber im Tone äußerst ar tig gehaltenen Worten vok: „Königliche Hoheit, ich habe die Ehre, Ihnen den Korrespondenten der „Times" vorzu stellen: es ist derselbe, der jahrelang di« infamen Artikel über preußische Politik schrieb: wir sollen ihn gut behandeln. bei Wrangets Tafel ließ er sich »ich! wieder sehen. Heißt es ,der"Rigi ode» „die" Rigi? Die Presse der Stadt Lu zern hat begonnen, dein Rigi-Berg sein weibliches Geschlecht wieder zukommen zu lassen, d. h., die Rigi zu schreiben. Hierzu bemerkt die „N. Z. Z.": Dal ist auch entschieden das einzige Richtige. Der Name stanimt unzweifelhaft vom altdeutschen ab, welches Wort im Italienischen heute noch in seiner Be deutung „Reihe", „Streif" (auch Zeile) erhalten ist: im Deutsch«n besitzen wir «S noch als „Riege". Im Plural ver wandelte sich in rsßi»«n, das ist Reihen- oder Bänder-Berg, und damit wird das Aussehen des Berges, der «uS langgestreckten Nagelfluhschichten aus gebaut ist, sehr richtig bezeichnet; na mentlich auf der Küßnacher und der Weggifer «zeit« tritt diese Schichtung recht augenfällig zu Tage. Wann die Verballhornung.der" Rigi entstanden ist, weiß man nicht. Thatsache aber ist, daß die Anwohner des Berges im mer und ohne Ausnahm« di« Rigi („!>' Rige") sagten und noch sagen, und durch die unverdiente MaSkulinisirung Der prositliche Wirth. Wirth (der mit einem Fremden bis vier Uhr Morgens gekartet hat, plötzlich): „Jetzt wollen wir aber aufhören, da kommt das Mädchen, das Ihr Zimmer zurechtgemacht hat."—Fremder: „Jetzt erst?" Wirth: ,Na ja, 'S war gest«» Ab«nd Alles besetzt, da haben wir warten müssen, bis der erste mit dein Frühzuge heut' abgefahren ist!" Garantie. „Darf ich auch Ihren Schwüren trauen, mein Herr !" —„likwiß, ich bin ja vereidigter Land messer !" Stoßseufzer «ineSStu» diofuS. „Mein Leben war ein« Reihe von PrH«ag«i,, von denen ich keine bestand!* 3
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