2 Da« yetltge Walser. (Elne Parabel ) Jussuf, der Scherbetverkäufer, hatte die arme Zuteita g«heirathet, weil sie fanft schien wie ein'Täudchen. Ader bald zeigte sich», daß sie gern ihren eigenen Kops aussetzte und ihrem Manne bei jeder Gelegenheit wider sprach. Weil jedoch auch er die Herr schast im Hause sich nicht wollt« schmä lern lassen, kam es schließlich jeden Tag zu hesligem Streite und Schläge» sllr die junge Frau. Dann lies Jussuf im Zorn in die Hafenschenke und be trank sich dort trotz Koran undMuham med. Kehrte er dann aber noch gereiz ter zurück, so schimpste Zuleika neuer dings; er poltert«, si« wollte das letzte Wort haben, und der Schluß war, daß er sie abermals prügelte. I» ihrer Trostlosigkeit klagte die junge Frau endlich ihren Kummer einem weisen Derwisch, welcher außen vor der Stadt einsam lebte. Dieser nickte, als er Alles vernommen, mit dem Kopfe, begab sich hinter seine Hütte, schöpfte in eine Flasche Master «uS seiner Cisterne, ging dann wieder zu der Besucherin, verlangte zwei Pia ster für die Flüssigkeit und sprach: «Sieh, hier in dem Glase hast Du etwas von dem heiligen Wasser Mu hammeds ! Jedes Mal, wenn Dein Mann wieder zornig nach Hause kommt und zankt und poltert, nimm einen Schluck hievon in den Mund und be halte es so lange darin, bis er ausge tobt hat. Hab' Acht: das heilige Du wirst keine Schläge mehr bekom me« !" Uebergllicklich zahlte Zuleila, lief nach Haufe und nahm, als bald nach. Wassers in den Mund. Wohl schalt fteis und stumm, Und siehe da ! All- ! mälig beruhigte sich sein Zorn, und er legte sich endlich hin und schlief. Tos heilige Master hatte also wahrhaftig i ein Wunder gewirkt: Zuleika bcl«n keine Schlage mehr ! Und so wiederholte sich'S noch ost ja, nach und nach verlor sich JussusS Zanksucht, und sie lebten wie die Tau »en. ZukunftSdli«»« «lexanvcr Man schreibt aus Paris: Zu den Mreichen Rathgebern, welche seit eini ger Zeit die französische Jugend aus den rechten Weg der Zukunft zu leiten suchen (oder aus die Wege vielmehr, denn jeder von ihnen empfiehlt eine be sondere Bahn), zu de Vogue, Laviste, Aulard, Em. Zola, hat sich nun auch Al. Dumas gesellt. In einem an den „Gaulois" gerichteten Briefe behandelt er die künftigen Geschicke der Mensch heit und tritt dabei der Zola scheu Theo in der Arbeit zu finden sei. Bon den Ideen Dumas' möge» folgende Sätze deS Bri«f«S eine Vorstellung geben: .Die Menschheit verzichtet darauf, int das ewige Weltgeheimniß einzudrin gen. Sie ist zu den Religionen ge gangen. die ihr nichts bewies»n haben, denn sie waren verschiedener Art; sie hat sich an die Philosophien gewandt, von denen sie nichts erlernte, denn die selben widersprachen einander. Sie wird jetzt versuchen, sich selber zu Hel sen, mit ihrem einsachen Jnstinct und gesunden Perstande, und da sie auf der Welt ist, ohne zu misten, wie, noch warum, so wird sie sich bemühen, mit den Mitteln, welche die Erde ihr lit f«rt, glücklich zu stin." Dumas st«llt «ine Aera allgemeinen Friedens und allgemeiner Liede in Aussicht. In den letzigen Völterstrei tiglt'ten sieht er nur die letzten Zuckun len eines Softem«, das sich' ausgelebt' hat. Die Veritöndigung ist unver meidlich, in kürzerer Zeit, als man glaubt. Ist es, weil ich bald die Erde verlassen werde und weil das Leuchten, das ich schon unter dem Horizont sehe, mein Auge blendet ?—mir scheint, daß unsere Welt sich der Erfüllung des Wortes nähert : „Liefet euch »nterein bekümmern, ob ei» Mensch oder ein Gott dieses Wort gesprochen hat. Die spiritualistische Bewegung, welche man können glauben, wird durchaus huma nitärer Art sein. Die Mensche», die nichts mit Mäßigung thu» können, Statten gehe». Es wird vielleicht blu tige Mißverständnisse geben, so sehr sind wir in der Gewohnheit des Hasses erzogen worden ; aber da dieses große Gesetz der Brliderschast sich eines Tages ersüllen muß, so bin ich überzeugt, daß die Zeit beginnt, in welcher wir un widerstehlich seine Erfüllung wollen »erden.'.... ' Sie will Widerspruch, Frau: „Mann, hast Du dem Kellner ein Trinkgeld gegeben?"— Mann: „Ja, lieb« Frau."—Frau: „Hast Du ihm Weibchen." —Frau: „Du hättest ihm aber nicht viel geben sollen!"— Mann? „Hch habe ihm nicht viel gegeben, Herz chen," Frau: „Du hättest ihm gar nichts gebe» sollen!" Mann: „Ich habe ihm auch gar nichts gegeben. Liebste."—Frau (wüthend): „O, Du ärgerst mich zu Tode!"— Mann: „Aber, liede Frau, ich «ill Dir doch nicht wi dersprechen." Eingegangen. Neffe: «Sage 'mal, Onkel, könntest Du mir hundert Mark wechseln?" Onkel: «Ja, wie kommst Du denn zu einein Hundenmart-Ichein?" Reffe: „Hab' «uch keine»! Wollte nur wissen, od Tu E«li> bei Dir hast!" Der s»kchter«»« «mtl. „Guten Tag, Frau Schinittekind, rief der Maler Adrian Flörke, seinen breitrandigen, weichen Filzhut ziehend.- „Wieder fleißig bei der Arbeit?" „Muff wohl. Herr Flörke. wir kön nen ja nich alle als Rentenierer uff di« Willkommen," gab die stämmige, vor Der Malir hatte lachend khrer Arbeit zugeschaut; die Frau aber meinte: „Ja. sehen Sie, Reinlichkeit ist mein Ele ment. Dadruff halte ich. sast so viel wie uff die Religio». Ohne Reinlichl/it und Religion ist'S nichts mit den Men schen. Wo ich Flecken sehe, da muff ich scheuern, bis Alles wieder propper ist. Glauben Sie mir, Herr Flörke, eine Frau, die nicht für die Propperteh ist, mit der kommen Sie schlecht an. Das merken Sie sich, wenn Sie mal uff die Freite gehen." „Will'S mir gesagt sein lassen." meinte dieser, indem er. ergötzt durch diese praktische Lebensphilosophie, die unter dem hochgewachsenen, kräftigen Manne knarrende Treppe emporstieg. Oben klopfte er derb an die Thür, welche eine Visitenkarte des Dr. Emil Kerstein trug, und trat ein, ohne erst eine Aufforderung dazu abzuwarten. Der Insasse des Zimmers saß an einem neben dem offenen Fenster stehenden Schreibtische, eifrig damit beschäftigt, eine» großen Hausen Hefte durchzu sehen und die schristtichen Sünden sei ner Sextaner mit rother Tinte zu kennzeichnen. Als er sich erhob, um den Freund zu begrüßen, sah er neben dem breitschulterigen Maler, der ihn sast um Kopfeslänge überragte, schmächtig aus. obwohl er sonst gar keine üble Figur machte. „Na, wie war'S denn nun gestern?" „O, ganz nett, Franz!" Der Zunge Gymnasiallehrer wurde feuerroth, und als der Maler das ge wahrte, sprang er auf und rief, bevor jener noch geantwortet hatte, sich in grimmig den Vollbart streichend: „Ich sehe schon es war nichts da mit. »nd D» hast wieder einmal den schüchternen Emil gespielt!" Die Beiden waren seit den Kinder jahren befreundet und Flörte hatte von jeher gern den Mentor des um einig« Jahre jüngeren Genossen gespiett. De, Künstler, der sich gegenwärtig bereits eines wohlverdiente» RufeS erfreute, obwohl er noch nicht lange das im „Mantelliede" angegebene Alter über schritten hatte, war thatkräftig, selbst, bewußt und immer gut aufgelegt ein geborener Optimist. Um so mehr ärgerte ihn das beschei den zurückhaltende Wesen des von ihn, sehr hoch geschätzten Freundes, das >i» Verkehr mit Fremden und namentlich mit Damen zu einer ost komi.ch wir kenden Schüchternheit wurde. Kerstein hatte dem Maler gegenüber kein Hehl daraus gemacht, baß er sür die unmu thige Agnes Lindheim eine tiese Nei> gung empfinde. Die Freunde verkehrten Beide in der angtsthenen Kaufmannsfamilie unt Flörke hatte bald die Gewißheit gewon nen, daß das Mädchen Kersteins Ge fühle erwidere und daß auch die Eltern eine Verbindung ihrer Tochter mit dem jungen Philologen gern fehen würden, Trotzdem hatte Emil es bisher abei nicht über sich gebracht, feiner Angebe teten eine» Antrag zu machen. Von Flörle immer wieder gedrängt, hatte e, diesem endlich versprechen müssen, die gestern stattgehabte Landpartie benutzen zu wollen, um die Angelegenheit zu, Entscheidung zu bringen. „Weiß der Kuckuck, wie es zugeht, daß Dich jede Schürze aus dem Kon zepte bringt," fuhr Flörke in seiner Strasrede fort. „Du bist doch sonst ein ganzer Kerl, hälft Deine Rangen iu strenger Zucht, bist sogar Reserve j Lieutenant und findest nun nicht ein mal den Muth, einem Mädel, das nichts ' mehr ersehnt, als Dir mit Anstand um den Hals fallen zu können, dazu die Gelegenheit zu bieten. Wenn es denn ! gar nicht anders geht, so ver>ahre doch nach dem bekannten Recept, das da Schops A> nchinen und zu küssen. Hat sie Dich gern, so läßt sie sich's ruhig ge fallen andcrnsallS schreit sie oder gibt Dir eine Ohrseige. Da weiß man gleich,,woran man ist." ! Kerstein mußte nun doch lachen. ! „Erst hatten wir „Rembrandt als Er zieher", nun kommt „Franz Hals als ! verkennst Du mich aber sehr, alter Sohn," brummte der Maler. ! „Ich erstrede durchaus keinen Kuppel ! pelz." j „Du thust mir diesmal Unrecht, Fran,, Nicht an mir lag die Schuld, daß es gestern nicht zu einer Aussprache zwischen unS gekommen ist. Ich konnte Agnes leinen Augenblick allein spre chen, so schars ich auch aufpaßte. Ader ich schwöre Dir'S zu, bei nächster Gele ' genheit—" „Nichts da. Freundchen," fiel ihm der Maler energisch in's Wort. „Die Sache muß noch heute ein Ende neh men, Setze Dich atso gleich hin und schreibe Deiner Agnes eine» Bries, in dem Du ihr in wcchlgesetzlen Worten Herz und Hand anträgst und um die Eltern »in sie anzuhalten." ! Emil suhr erschrocken auf. ~Jz, so Hals über Kops geht das doch aber unmöglich," meinte er beklommen. Der Maler erklärte jedoch, nicht von der stelle zu weichen, dis der Brief jend an die Arbeit. Gerade war das schwere Werk voll bracht, als der Briefträger erschien.und > einigt Zeitungen und einen"Brief ab «ab „Mit welcher Schonen ste iit Du denn in norrtsvonStüz. Sch.'ich'erner?" soischte der Maler neugierig, „Die Briesadresse rührt offenbar von einer Damenhanb her." „Dummes Zeug, ich wüßte nicht, daß irgend eine Dame mir etwas zu schreiben hätte, betheuerte Kcritein, wurde aber sichtlich betroffen, als er das Schreiben durchslog. „Nun, was ist s" begehrte Flörke zu wissen. Der Freund mxrmelte aber nur ei nige unverständliche Worte und reichte ihm mit gerunzelter Stirn de» Bries hin. Er lautete: . „Sehr geehrter H«rr Doktor! Wie ich höre, soll man Ihnen ja nächstens gratuliren dürfen. Ist es denn wirklich wahr? Sie verzeihen wohl gütigst, wen» ich hiermit mir herausnehme, Sie daran zu erinnern, daß wir »och eine kleine Rechnung zu begleichen haben. Da Ihre Zeit jetzt gewiß sehr in Anspruch genommen ist, werde ich mir erlauben, Sie morgen Bormittag um els Uhr zu diesem Zwecke Ihre ergebene Flora Siebmacher." Der Maler schüttelte erstaunt den Kops. „Was hast Du mit Flora Sieb mach.r, vertappter Don Juan; wer ist dieses Woib?" „Ach Gott, die Tochter meiner frii lien warst kurze Zeit wohnte." „Und was will sie von Dir? Ist sie schön oder häßlich?" Es kostete Kerstein sichtliche Selbst überwindung, bevor er gestand: „Sie ist ei» auffallend hübsches Mäd chen, wen» auch ihr Genre gar nicht nach meinem persönliche» Geschmack ist. Trotzdem merkte ich aber bald, daß sie Sie suchte sich inir bei jeder Gelegenheit zu nähern, wartete Abends bis ich nach Hause kam, und leuchtete mir aus mein bat." Flörke pfiff durch die Zähne. „Und was habt ihr für eine Rechnung mit einander zu begleichen ?" „Unsinn, das Frauenzimmer ist toll. Ich weiß nicht, was sie will !" „Na, Emil, halte nicht hinter dem Berge, sonder» sage mir Alles." „Aber ich gebe Dir mein Wort es war die reine Kinderei. Eines Abends fiel sie mir fast um den Hals, und da konnte ich nicht umhin, ihr einen Kuß zu geben." Der Maler lachte. „So ein alter Sünder! Und weiter— denn sicher ist es doch nicht bei dem einen Kuß geblie ben." „Nun, ich habe also ein paar Mal geküßt, weil sie mir gar keine andere Wahl ließ, zog dann aber gleich aus, da mir die Angelegenheit doch peinlich war. Jetzt ist sie das nun natürlich noch viel mehr. Ich halte diese Flora für eine leidenschaftliche Person, die im Stande ist, aus eisersüchtiger Wuth Skandal zu machen, wenn meine Ber lobung mit Agnes bekannt wird. Jedensalls kann ich unter diesen Um ständen nicht daran denken, um sie zu werben. Gie.b mir also den Brief zu rück, Franz!" „Nur ruhig Blut/ mahnte Flörke aber ganz gelassen. „Die Epistel bleibt in meiner Tasche, bis sie in den näch sten Briestasten wandert. Und mit dieser verliebten Flora wollen wir schon sertig werden. Du bist freilich dazu nicht die geeignete Persönlichkeit. Des wegen werde ich morgen srüh hier an Dame verhandeln. Du gehst um zehn Uhr in vollem Wichs fort und trinkst erst einen Frühschoppen, damit Du die nöthige Eourage hast, nachher als Freier aufzutreten. Ich komme dann rechtzei tig und nehme Deine Stelle ein." Emil Kerstein wollte noch allerlei Be denken gellend machen, aber schon hatte der Maler seinen Hut genommen, ihm kräftig die Hand geschüttelt »nd war im nächsten Augenblick verschwunden. Verabreseterm aßen saß Adrian Flörke am nächsten Vormittage an dem Kommen von Flora Siebmncher. End lich näherten sich draußen leichle Schritte und es wurde gek>lopft aber ganz schüchtern. „Sie zeigt zunächst die Sammelpsöt chen und thut fentiinental", dachte er, indem er „Herein" rief. Sehr lebhaft war jedoch seine U«ber< raichllng, als die Eintretende ganz und gar nicht dem Bilde entsprach, das seine Phantasie nach Kerstein's Schilderung sich von Flora entworsen halte. Er erwartete «ine feurige Brünette mit funkelnden Augen, dunklem Haar und üppigen Forme» zu finden, wahrend eine allerliebste Blondine mit Taubau chen vor ihm stand. Der Ausdruck ihrer Züge verrieth Sanitmuth. aber nicht ohne Schelmerei. Die Toilette war ein lach. indessen sehr gewählt und kleidete sie vorlresslich. „Verzeihen Sie, ich glaubte Herrn Dr. Kernslein zu Hause tresseu," be gann sie mit wohllautender Stimme, während der Maler sich verbeugte. „Mein Freund ist ausgegangen, wird aber sogleich zurückkehren. Er würde es lebhast bedauern, Sie ver sehlt zu habe«. Wollen Sie nicht di« Güte haben, so iaiige Pla-tz zu neh men?" Sie nilkle mit dem von einem ge schmackvollen Eapothütchen tingerahm teil Kops« und setzte sich aus das Sopha, während Flörke sür sich einen Stuhl an den davorstehenden Tisch zog. Dann suhr er fort: „Uebrigens sind wir seit Jahren so vertraute Freunde, daß wir gar keine Geheimnisse vor «»ander hegen. Sollt« er also wider Vermuthe» länger aus bleibe», so dürfen Sie mir »»gescheut Ihre Wün che anvertrauen." „So sind Sie auch Pädagoge?" ,DaS gerade nicht, sondern Porträt- und Genremaler: doch sind mir auch di, Wissenschaften keineswegs fremd." " Sie lachte. „Ein wahrhaft ver führerisches Lachen." gestand sich Flörte. „Kein Wunder, daß selbst der Schüch terne den Muth gewann, ihr einen Kuß handeln." „Du machst mir nicht? weiß," dacht, der Maler. „Aber ich muß wohl etwat laut: „Er soll Ihnen wohl einen kleinen Bortrag über den Unterschied zwischen den heidnischen Gottheiten Amor unt Hymen halten?" Sie schien ihn nicht zu verstehen ode, that doch so und meinte »och eiuei Pause: „Sie haben mir noch nicht gesagt, „Ah, der Maler der beiden Porträts im Kunstverein?" fragte sie, lebhaft interessirt. Bildniß bewundert. Es ist so lebendig und sriich gemalt. Ich kenne das Ori ginal nicht, aber man hat beim Betrach ten deS Bildes das Gefühl: so muß da- Urbild aussehen, das der Künstler ge schaut hat. Das Porträt muß ähnlich fein —in dem S.nne, wie ein Kunstwerl das eben sein soll." „Sie urtheile» sehr freundlich über meine Leistung," entgegnete Flörke, der im Anschauen die es holde» Ant litzes sich immer mehr gefesselt sühlte. .Ich würde noch Besseres schaffen, wenn es mir vergönnt wäre, so wun derbar schöne Züge wiedergeben zu dür st«. Und zum Höchsten würde es mich begeistern," ries er leidenschaftlich, „wollten Sie mir eine gleiche Gunst ge kalten Moralisten, der das nicht zu schätzen wußte." Er war ihr inzwischen mit seinem Stuhle immer näher gerückt. Sie aber stand hastig auf und sagte kalt abwei send: „Was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe Sie nicht." „Ach, schönste Flora, thun Sie doch nicht so! Der Emil hat mir ja Alles gesagt." Dabei beugte er sich vor. um seinen Arm um ihre Taille zu legen. In demselben Augenblick erhielt er eine schallende Ohrseige auf die rechl« Wange. Die Dame wich zur Seile und blickte mit zornfunkelnden Augen aus den Maler. Dieser rieb sich die ge troffene Stelle und mußte dabei an das Recept zur Ersorschung der Gefühl, junger Damen denken, das er gestern dem Freunde angegeben. „Alle Wetter, haben Sie aber eine dringliche abzufertigen," entgegnet^ sie streng »nd fetzte, znr Thür gehind, noch hinzu: „Empfehlen Sie mich un bekannterweise dem Herrn Doctor und sagen Sie ihm —" „Um Gottes willen," fiel ihr Flörke bittend in s Wort, dem es jetzt un heimlich licht im Gemüthe wurde. „Sie sind nicht Fräulein Flora Sieb macher?" „Nein, die bin ich nicht, und die kenne ich auch gar nicht. Wie kommen Sie zu der Frage?" „Sie sehen mich untröstlsch — ich bitte .tausend Mal um Verzeihung, gnädiges Fräulein." stöhnte der Maler. „Verweilen Sie nur noch einen Augen blick, um eine Aufklärung meines Irr thums ejitgegeiizunehmen! Sie dürfen nicht so von mir gehen!" Sie trat wieder zum Tische, setzte sich aber nicht, und hörte Ftörkes Er zählung zu. Er hielt seine Schlide rung möglichst discret, um seinen Freund und die wirtlich: Flora nicht bloszustellen, erklärte aber mit so glück lichem Humor die Lustspielsituation, die sich aus seiner falschen Voraus setzung ergeben hatte, daß die Miene der Dame sich zusehends aushellte. Als er zum Schluß »och eingehender darlegen wollte, welch' wliiiderbnren Eindruck die vermeintliche Flora auf sein Küustlergemüth gemacht habe, wehrte sie ab »nd sagte lachend: „Run ja, die Herren brennen stets gleich lichterloh, allein so ein Flacker st»« erlischt auch ebenso rasch. Jeden falls soll Ihnen aber hiermit für das Geschehene in aller Form Vergebung ertheilt werden." Sie reichte ihn, ihr« kleine Hand, die er respectvoll an di« Lippen führte. Dann fügte sie noch hinzu: „Wenn es aber ernsthaft ge meint war, daß Sie mich gern malen möchten, so könnte dazu wohl Mth werden." „Ich hege wirklich keine» sehnlicheren Wunsch, mein gnädiges Fräulein," be theuerte er. „Bitt weder Fräulein noch gnädig," meinte sie frei nach Goethe und dabei fchallhaft lächelnd, „sondern ein sach Frau Grete Herwag. Ich wollte wegen meines Kleinen, der in der Scrta sitzt, mit Dr. Kerstein Rücksprache neh men, da der Jungt schon tw paar Mal eine schlechte Wochencensur heimgebracht hat. Wollen Sie ihm das gütigst aus richte»? Und wenn Sie mich mit Ihrem Besuche erfreuen, so können wir das Weitere besprechen." „Wie Sie wünschen, Fran Herwag," inurmelle Flörke und gab ihr dann mit kläglicher Miene das Geleit bis zur Hausthür. Er war aus allen seinen Himmeln gestürzt. Also eine verheiratete Fran war sie! Keine Aussicht sür ihn, dies holde Wesen zu besitzen, das binnen wenigen Minuten in ihm Gesühle er weckt hatte, die ihm bis heute fremd ge blieben waren. Er achtele nicht auf die Mutter Schinittekind, die nebst Mann und Söhnlein aus der Kirche hWiikehrte und sich eben anschickte, über Beide eine fürchterliche Musterung betreffs der von ihr so hochgeschätzten Reinlichkeit abzu halten. Wie ein todtmüder Mann stieg er die Trepp« zu Emils Zimmer Nieder empor und warf sich dort der Länge nach auf das Sovha, auf dem soeben noch sie gesessen hatte, die er nie tiefes Grübeln. Plötzlich ward die Thür aufgerissen, und freudestrahlend erschien Emil Kerstein auf der Schwelle. Seine Miene verdüsterte sich aber etwas, als er den Freund so niedergeschlagen da- sah. ch,Was hat es gegeben. Franz?" fragte er besorgt. „War Flora hier?" „Nein," entgegnete der Maler, „nur eine Dame, Frau Herwag. ist dagewe s«n, die mit Dir wegen ihres Söhn chens sprechen wollte." „Ach ja. ich habe den Kleinen der hübschen Wittwe in meiner Klaffe." Flörte sprang aus, daß der Tisch beinahe umsiel, und packte den Freund bei beiden Schultern. „Wittwe sagst Du Mensch, ist das wahr?" rief er. „Du gibst mir das Leben wieder!" „Ja, ja!" entgegnete der Gymnasial lehrer, der argwöhnte, sein getreuer Mentor habe vorher etwas stark gefrüh stückt. „Fran Herwag ist die Wittwe eines Bankiers. Man hatte sie als blutjunges Ding mit den, schon älteren Manne verheirathet, der aber nach Jahresfrist starb." , „Du bist ein Goldinenfch aber verzeihe, daß ich mich jetzt erst nach Dei nen Angelegenheiten erkundige. Also wie ist Alles abgelaufen?" „Ausgezeichnet, Franz," sagte Ker stein, jetzt wieder strahlend. „Agnes ist ineine gelieble Braut, die Alten find einverstanden, und Alle laden Dich, den bewährten Freund und Rathgeber, ein, sofort mit zum Berlobungsmahle zu kommen." „Ja, was geschieht aber mit Flora Siebmachcr?" meinte Flirte bedenk lich. „Das ist mir ganz egal", ries Emil, der jetzt alle Schüchternheit verloren zu haben schien, ordentlich übermüthig. Da klopfte es, und Frau Schmitte kindS Gottlieb brachte eine» Brief, den soeben ei» Kind unten abgegeben habe. Kernstein sah sofort, daß die Adresse wieder von Flora's Hand war. Er erbrach den Umschlag, durchslog den Bries und überreichte ihn lachend dem Freunde. Dieser las laut: „Sehr geehrter Herr Doktor!. Leider kann ich nicht kommen, da Mutter wieder ihre Zufälle hat. Ich muß Ihnen daher schriftlich mittheilen, daß es sich um eine verbrannte Tisch decke handelt. Die Sache war uns durch den Kops gegangen, als Sie aus zogen, und Sie haben natürlich auch nicht daran gedacht. Sie war grün mit gelben Streisen, und der es ge than. war ein Kollege von Ihnen ich weiß den Namen aber nicht. Er hatte ein noch glimmendes Streichhölzchen daraus geworfen, anstatt in den Asch becher, der doch auf dem Tischt stand. Entschuldigen Sie die Ungelegenheit und feien Sie besten» gegrüßt von Ihrer ergebenen Flora Siebmacher." Eine Rechnung über zehn Mark war beigesügt. „Das war in der That viel Lärm um nichts," schmunzelte Kerstein. ringen hoffe." „Ja. Kränzchen, ich verstehe aber im mer noch nicht —" „Komm, ich erzähle Dir Alles unter wegs," frohlockte der Maler. „Hoffentlich gelingt es mir. Dir in der Fixigkeit des Verlobe»; erfolgreich nachzueifern, da mit aus »ins Beide die Devise des Or dens der glücklichen Freier passe, die da Seine!" Die deutschen Reichs städte des Südens und Westens waren gegen Ende des achtzehnten Jahrhun derts mit Ausnahme Franksurts in un aushaltsainem Berfall. sie waren tief verschuldet, ein verrottetes Patrizier regimeilt verhinderte das Aufblühen zeitgemäßer Gewerbethätigktit. Noch erließ der Rath hochtönende Verord er sich in heroischem Stil nannte, war den Nachbarn ein Gespölt geworden. Das berühmte Ulm, die südliche Haupt stadt Schwabens, einst die Herrin des italienischen Speditionshandels, war so heruntergekommen, daß man an nahm, sie müsse ihr Gebiet verlausen, um sich vor dem Bankerott zu retten; auch Augsburg war nur ein Schatten früherer Größe; aus den sürstlichen Kaufleute» waren schwache Eommis sionshändler »nd kleine Wechsler ge worden, es wurde behauptet, daß die Stadt nicht sechs Firmen entHalle, die mehr als 200,Wl) Gulden vermochten. Im schlechtesten Ruse stand das große Köln; dort lagen die Düngerhaufen tagelang in den Straßen, es gab keine Straßenbeleuchtung, das Pflaster war elend, an finstere» Abende» war Ge fahr sür Hals ulid Beine, auch unsicher waren die Wege, mit lungerndem Lum penvolk aiigesüllt. Denn die Bettler bildete» eine große Gilde, welche aus fünftausend Köpse geschätzt wurde; bis Kirchthüren, reihenweise, viele aus Stühlen: der Besitz eines solchen Stuh les wurde als eine sichere Rente be trachtet und dem Bettelkinde als Aus steuer angewiesen: wenn sie ihre Stel len verließen, dann zogen sie in di« Häuser, Mittagskosi zu fordern, eine grobe, bösartige Bande. Anspruchslos. Fabriklei ter: „Bedaure, Ihnen keine Beschäfti gung geben zu können wir haben gegenwärtig selbst sehr wenig zu thu»!" Stellesuch mder: „W«nn s nur a' Gisserl was wär' diel Arbeit will i' gar »et.'' I« Hafen. Die Sonne lachie so heiter herab unt säumte die weißen Segel der große« Fischerboote mit goldene» Streisen ein, selbst die trübgraueFluth des Haseni schien heute einen grünlich glaiizender hatte. Nur eine Wolke sahen die Passanten, He am Hasen neugierig herunischlen decken, denn diese Wolke stand nicht am Firmament, sondern aus der Stirn eines Mannes, der theilnahmlos aus waren die Gtdanlen, die den Einsamen trsüllten. Hans Bolten hatte Tag« des Glanzes gesehen, wie er nun di« jremde Menschtn er hatte die Hart herzigkeit der Welt in zwei Welten schaudernd lenne» gelernt! Drüben hätte er mi de» Straßenecken oerhunger» können. So war er mil dem letzten Gelde auf dem Platze des Schiffes zurückgekommen. Inden drei Tage nur langte feine Baarfchaft. Und diese drei Tage hatte er redlich ausgenutzt, um irgend eine Stelle, ein« Untertunst zu suchen! Nichts! Ein« war. obdachlos und ein Die heitere, lachende Sonne st« »ermochte nicht die schwarzen Gedanken, l>ie in ihm keimten und wuchsen, zu zerstreuen und sie zu lichlen zu machen. Da unten die trübe Fluth mit ihrer verschwiegenen Tiefe wie Viele Wohl hatten schon im Laufe der Jahrhun derte ihr zuletzt all' ihr Leid anvertraut. ihr anvertrauten, wie Viele! Hans Bolten schüttelte sich, als er hier just hinunterblickle. Absälle um> »einer lind größerer Fische, die sich un »ie Bissen drängten. Brrr! Nein, wenn es sein müßte, dann weiter Wieder ein vergeblicher Versuch! „Die Stelle ist desetzt!" Wankend tend. Ja so er Halle ja noch ein Geld stück die stolze Summe von hunder! Da lag die eben erschienene Nuinmei des grüßten Blattes der gewaltigen Handelsstadt. Mechanisch griff er da nach. Aber er sah, gar nicht aus du locale» Theil starrt sein Auge, um fast ohne jedes Interesse Zeile sür Zeile in sich aufzunehmen. „Gestohlen". Seltsam, wie ihn di« Rubrlk durchschauerte. In diesem Au genblick tinpsand er zum ersten Male, Ein geheimes Interesse fesselte ihn an diesen Artilel. Talchendiebe, Einbrüche, alles bunt durcheinander. Plötzlich lä chelte er. Was muhten das sür Diebe sein, die da aus dem Modclade» de, sprach denn auch von einem „Bubeu stück" und fugte hinzu, daß Madam« Zephyrine eine Belohnung von .',O Mk. >ur die unbeschädigte Wiedorablieserunz der Figur ausgefekt habe. Der Kneipier, dem der Gast slir di« geringe Zeche wohl zu lange dasitzen Elen», das er sür ein paar Secunden vergessen hatte, wieder da. Mechanisch steckte er fünfzig Pfenninge, die er zu rUckeinpfing, in die Tasche und trat wie der hinaus aus die Hajenstruße, die er langsam entlang schlenderte. Nun mußte es sein! Eine wilde Ent schlossenheil kam über ihn. Und mit unnatiirlicher Ruhe überlegte er. wie es —zu Ende gehen solle! Und sein Ent schluß war ichnell gefaßt. Dort drüben wurden, wie ein weithin sichtbares Schild anzeigte. Böte und Jollen zu Spazierfahrten im Hafen vermiethet. Und wie er näher lam, jauchzte er iast auf. Die Stunde ü» Pfg.—eineSiunde brauchte er ja gar nicht, um hinaus zu gelangen, mit der jetzt eintretenden hbbe zu den Molen drauxen, wo er ei» Ende machen wollte mit all' seiner Qual. Der Bootvermiether nickte gleichmü- tbig mit dem Kopf«, al» Hans Bollen zu ig», herantrat und sagte: „Kann ich für eine kurze Weile ein Boot haben? Ich möchte mir den gro ßen Lstindienfahrer dort drüben einmal genau ansehen. Ich verstehe mit dem Boot umzugehen!" Der Mann löste die Keite und Han» stieß ab. Er halte nicht die Unwahr heit gesagt: er verstand wirtlich die Ruder zu führen und die leichte Jolle schoß, von seine» krästige» Ruderstrei chen getricben, pfeilschnell durch die Fluth, Der Vermiether sah dem sich entfer nenden Boote eine Secunde lang nach und nickte wie beifällig. Mitten im Hasen fast lag das große fünsmastige Vollschiff, das gestern erst nach langer Fahrt von Ostindien kom mend eingelausen war. So abgekehrt HanS Bolten auch schon von Allem war, was ihn uiügab. ein flüchtige» Interesse Mte doch in ihm aus, als er an dem riesige» Schiffskörper, der bei all' seiner Größe doch gesällige Linien zeigte, langsam vorübersuhr. Und dann kam sie wieder über ihn — die krostloie Verzweiflung mechanisch tauchte er seine Ruder ein, die langen Schiffsleihen rechts und links entfern ten sich von ihm, die beiden weißen Arme der Molen noch streckle» sich zu beiden Seiten von ihm aus, der Nachen schaukelte und hob und senkte sich, die kleinen Wellen schlugen klatschend an seine Seitenflächen hier sollte eS sein. Langsam zog HanS die Ruder ein und nahm sie in'S Boot. Müde schaute «r um sich, als «r sich «rhob—da. heili ger Gott, was war das? Neben ihm. dicht »eben dem Boot—hob sich da nicht aus den Wogen ein blasses, seines, zar tes Mädchenantlitz, mit großen geöffne ten Augen Ein erstickter Schrei der Ueberrafchuna war's, den HanS ausstieß. bog sich weit über den Rand des Bootes, zu weit, denn im nächsten Momente ken terte dasselbe und er lag in der Flulh. Aber da neben ihm die Er trinkende! Die einzige Sekunde hatte aus dem Selbstmörder einen Retter gemacht. Ein Griff, und die wie leblose Gestalt war von seinen beiden Armen umspannt ein mächtiger Ruf nach Hilfe drang nach de», rechten Molenufer hinüber, wo sich bereils Menschen ansammelten, die nengierig und ängstlich zugleich herüberstarrten und nun begann HanS. mit seiner Last im Arm. die ihm in die/cm Augenblick fast leicht erschien, der Mole zuzuschwimmen, mit dem letz ten Ausgebote aller Kräfte feines von Noth und Entbehrung geschwächten Körpers. Immer schwerer ward sein Kampf, immer schwächer sein Ruf nach Hilfe dort drüben stieß endlich ein Boot ab »nd näherte sich, von raschen Ruderschlägen getrieben. Mechanisch nur lämpste er »och gegen die Wellen, die ihn herabzogen. Aber feine leblose Last hielt er sest. Da rauschte das Boot heran, feste Hände packten ihn und di« Gerettete und dann schlitterte ein Helles sröhliche« Lachen durch die Luft. HanS versuchle die Augen noch einmal ausjllthun, aber die Lider sanlen eine tiese Ohnmacht umfing ihn. Die Abendblätter brachten eine selt same Notiz. Die Modefigur der Ma dame Zephyrine war von einem unde vor dem Hafen „gerettet" worden. Dabei aber wäre der Ritter, der jetzt noch trank im Stadlhospital liege, selbst fast ertrunken. Am anderen Morgen fragte ein« schlanke in Schwarz gekleidete Dam« von einigen dreißig Jahren im Stadt- Eindruck zu machen. Sie begab sich zum Hofpilal-Jmpector und hatte mit ihm eine längere Unterredung. Als Hans Bolten am nächsten Tage fähig war. Über sich Auslunst zu ge ben, erfuhr er, was er aus dem Wasser gezogen. „Hier ist auch Ihre Belohnung ItwMark," lagte der Inspektor. „Und kür Kost und Aufnahme haben Si« hier nichts zu zahlen, das ist alles be reits geschehen!" Wie träumend starrte Hans vor sich hin. Welche Hand hatte da rettend vielleicht in sei» Leben gegriffen. In diesem Ailgenblicke sah er eine Dam« auf sein Bett zuschreiten und den In spektor an ihrer Seite. Und nun er der Stadt hatte. Und heute, ein Jahr ist just vergangen, da munkelt man davon, daß Madame Zephyrine die größte Lust habe, ihren Namen mit Trinkst Du lieber braunes Bier Oder Wein? Das sage mir!" D'rans das Angesicht des Alten Legt sich ernst in würd'ge Falten; Weise spricht er und gesaßt: .Trink', o Jüngling, was Du hast!* Grob. Ein dramatischer Autor, dessen Stücke regelmäßig durchfallen, schickt einem einflußreichen Kritiker zwei Logenplätze für die Premiere, die dieser n»t der Bemerkung zuriukfendet: „Ich gehe grundsätzlich nie zu Begräb» nisten!"
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