Inge. (6. Fortsetzung.) Und wunderbar, mit dem Kinde auf dem Schoß wurden ihre Gedanlen im mer ruhiger, friedlicher. Von dein kleinen Körper strömte eine Wärme aus, die wohlthuend durch ihre Adern zog. Sie konnte sich dann minuten lang einbilden, sie wäre wirklich ihres Mannes Frau gewesen, es wäre ihr und sein Kind, das sie da so fest an sich preßte, ein Lebenszweck, ein Halt, ein Lichtstrahl. Dann fkuthete die volle, große Lie bessehnsucht der Frau und Mutter durch ihre Seele, dann verstand sie den tiesinnerstcn Drang einer edlen Natur, nicht eigensüchtig durch dieses Leben zu gehen, nicht in selbstischem Genießen ein Geniige zu finden, sondern sich durch sein Kind zu sühlen als das Bin deglied einer langen Kette, die Ahnen und Enkel verbindet, zu säen, damit andere ernten, zu entbehren, damit an dere einst die Fülle haben. Am liebsten wäre sie vor Dore getre ten und hätte sie gebeten: Gib mir das Kind, ich will es halten, als obs mein eigen wäre! Aber sie wußte, daß sie ebensogut das Herzblut des armen Mädchens hätte fordern können. Zum Weihnachtsfest kam Hellmuth. Er hatte seiner Mutter eine Ueberra schung mitgebracht, zum Frühling wollte er den Dienst quittiren und be» dem alten Jnfpector tüchtig in die Schule gehen. Er schien srisch und freudig an Körper und Geist, der fchwermüthige Zug war verschwunden und Frau von Heyden glaubte ihm, daß er gern kam, um mit Fleiß und Liebe da zu arbeiten, wo seine Bäter gelebt, und für immer einzuwurzeln auf der heimatlichen Scholle. Es war ein schönes, stilles Fest, das die drei Menschen zusammen verlebten. Als Inge am heiligen Abend, nach dem die Leute hinuntergegangen in die Gesindestube und an der hohen Tann« die Wachslichter allmählig herunter brannte» und eins nach dem andern verlöschten, jenen süßen Weihnachts geruch verbreitend, der uns unvergeß lich bleibt unser Leben lang sich noch einmal an den Flügel sexte und mit ihrer weichen Stimme ein Weihnachts lied sang, da klang Heyden das „Friede auf Erden" so ergreifend wieder, als wäre wirklich nur hier allein, in diesen trauten Wänden wahrer HerzenSsrie den zu finden, und es schien mit einem Male auch ihm selbstverständlich, daß eS Inge sein würde, die ihm die Palme bot. Es ging ja schon von ihrer Per son«.chkeit der Zauber wahrer Weiblich keit aus, nichts Gemachtes oder Gesuch tes, alles Anmuth und Ruhe. Nun stand sie auf und ging an den Theetisch. DaS Licht der Hängelampe fiel aus ihre nicht große, aber ebenmä ßige Gestalt. Hellmuth hatte nie daran gedacht, ob seine Schwägerin schön sei oder nicht. Nein, sie blendete nicht, wie so viele der Frauen, die er in der großen Geselligkeit an sich vorüberrau schen sah, sie wäre auch heute noch, wie einst als Mädchen, ziemlich unbeachtet hindurch gegangen durch die modernen Salons. Aber hier, vor der grünen Tanne, von der sie sich ein Reis in den Gürtel des glatten weißen WoUenkteideS gesteckt, das sie dem Fest zu Ehren trug, hier kehrte der Blick immer wieder zu rück zu den reinen Zügen mit dem ern sten »nd doch kindlichen Ausdruck, .suchte er diejes Augenpaar, aus den, eine höhere WeihnachtSsreude zu strahlen schien. Wie hübsch das sein mußte, sich von diesen weichen Händen die Falten von der Stirn streichen zn lassen, in diesen grauen Angen Theilnahme uud 'Ver ständniß für die Freuden »nd Leiden des Daseins zu finden, wie bei einem guten Kaineraden. Denn natürlich würde es eine Berstandcsheirath sein, 'gleiche Ansichten, gleiche Interessen wür den sie zujuniinensührcn und ihr LebenS schifflein würde sicher dahinschwimmen aus dem breiten, stillen Strom der Freundschast nnd nicht zu käinvseii ha ben mit de» Strudeln und llntiesen des Meeres der Leideiischaft. So weit war Hellmuth in scinenTräu mercien gekommen, als ihn das Klirren von Inges Armringen erweckte. Der Thee war au,gegossen, Heyden rollte den Lehnstuhl seiner Mntter an den Tisch. Man behals sich bei solchen Gelegenheiten ohne Ticner, uin ein un gestörtes Geplauder möglich zu machen. Als man sich nach einer stunde erhob, um sich gute Nacht zu sagen, »ahm jeder das innige GlückSgcstihl mit sich, das die Geister des heimischen Herdes in das einfachste Mahl mischen, das Licbc und Genügsamkeit credenzt. Unmittelbar nach dem Fest lies Hell mutS Urlaub ab. Als er sich am Aus gang des Waldes noch einmal um wandte und dein grauen Gemäuer der Klause einen AbschiedSgrns; sandte, schien ihm der eisige Ost sich zu wan deln in eine» leisen Frühlingswind, der ans seinen senchten Schwinge» den ersten, süßen Veilchendust tragt. 11. Und eS war Sommer geworden. Die Buchen im Walde hatten ihr rei ches grünes Kleid angezogen, daS si eigen rauschte bei jedem Windzug, der vom Haff herauskam. Das Korn wogte wie ein Aehrenmeer. schon sing es an. einen leisen gelbe» Schimmer zu bekom men, während die junge Gerste mit dem langen Bart ehrwürdig that gleich eine», altklugen Kinde und der zierliche Hase» bei jedem Lustzug hüpfte »nd sprang ,i«n die Wette mit dem braunen Zitter gras am Wegrain. Der erste Klee war geschnitten und die dustenden Fuder wurden eingtsahren. Zwischen den zurückbleibenden Stoppeln breiteten sich die zierlichen Blättchen wohlgefällig, aus, das Auge dcs Vorübergehenden lockend, sein Glück zu suchen, denn nieh, als ein segenspendknde« Vicrdlntt steht »erade im jungen Nachwuchs. Danebeo aber fuhr die Sense deZ Schnitters zischend durch das Graz der Wiese. Dieser ganze Flor von lichtrothen Kuk kiicksnetlen, schwanken EainvanulaS und großen Maßlieben senkte sich plötzlich und siel in lc.ngen Schwaden zu Bo den. ES war zur vorgerückten Nachmit tagSstunde. als Hellmuth von Heyden in den kühlen Vorraum der Klaust trat. Er sah erhitzt und bestaubt au», denn er hatte das Klee-Einsahren per sönlich beaufsichtigt und war eben erst vom Pserde gestiegen. Die fast kalte Luft des Vorraumes, der hoch und luf tig war und dessen Wände Jagdtro phäen seiner Vorsahren sast bis zur Decke füllten, mit einem tiefen Athem zuge einsaugend, sah er sich suchend um. Durch die hohen Fenster, vor denen lange Ranten wilden Weines hin und her schwankten, fiel gedämpftes Licht in den Raum auf die unzähligen zierlichen Rehkronen, die mächtigen Geweihe der Edelhirsche und die breiten Schauselu eines Elches, den sein Großvater einst in Rußland erlegt. Von der Decke schwebten mit ausgebreiteten Flügeln ein paar mächtige Adler, sich im Luft zuge leise hin und her drehend. Aber die Halle war leer. Dort auf dem ttkinen Tischchen am Fenster lag zwar neben einem Strauß köstlich duf tender Provinzrosen die leichte Strick arbeit, die seiner Mutter neuerdings ge stattet war, und eines von Inges Bü chern, die Damen selbst sah er nicht. Er warf Mütze und Reitpeitsche auf eine der Bänle, die längs den Wänden standen, und setzte sich in den bequemen Rohrstuhl. Was las denn seine Schwä gerin da? Er lächelte ein wenig. Ho mers JliaS. Als er die Blätter durch seine Finger gleiten ließ, siel ihm eine blau markirte Stelle am Rande auf. Inge hatte die Angewohnheit, in ihren Büchern ihre Lieblingsstellen mit Blei stist anzustreichen. Er hatte ihr ein mal Borwürse darüber gemacht und das eine Barbarei genannt, aber sie hatte erwidert, das sei eben in ihren Augen der Vorzug, den eigene Bücher vor geliehenen hätten, man könne sie zu wahren Freunden erheben. Nicht zu formellen Bekannten, die man nach feierlicher Einladung ein paar Stun den bei sich sieht, sondern zu jenen „gu ten Freunden", die nach Luther zum täglichen Brot gehören, immer da sind, immer bereit, zu trösten, zu Helsen, zu erheitern. Dazu müsse man aber im stande sein, aus die einleitenden Flos keln der Höflichkeit zu verzichten und nur den Herzenston zu vernehmen. Daher die blauen Striche. Und lachend hatte sie aus ihrem Bücherschrank einen Band der Wahlverwandtschasten gezo gen und durch die Finger gleiten lassen, daß die angestrichenen Stellen in ra schem Wechsel blau aufleuchteten. Hier bezeichnete der Strich die Worte: Gleich wie Blätter im Wald, so sind du Erschlechter der Menschen: Blätter verweht zur Erde der Wind nun, andere treibt dann Wieder der knospende Wald, wann neu auslebet der Frühling; So der Menschen Geschlecht; dies wächst und jenes verschwindet. Er hatte sich die Verse mit dem eige nen Rhythmus der Hexameter laut vor gelesen. Jetzt seufzte er und legte das Buch fort. Drei Monate war er nun zu Hause, hatte sich eingelebt in seine Thätigkeit, daß der Inspektor Frau von Heyden seine Freude ausge sprochen, wie der jungc Herr alles so kräftig und praktisch ausasse und der erste »nd letzte aus dem Hose sei, war seinen Leuten und Untergebenen näher getreten in der echt menschensreundlichen Weise, die am meisten dazu beiträgt, die große Klust zwischen dem Befehlen den und dem Gehorchenden auszusüllen, sah das zärtliche Auge seiner Mutter mit inniger Liebe aus sich ruhen nur von Jngeborg schien ihn etwas zu tren nen, etwas, das keinen Namen hatte, wesenlos war und sich doch zwischen sie drängte und de» srühern kameradschaft lichen Verkehr kaum möglich machte. Und dabei hatte er seit Weihnachten sich doch seinen Plan so gut und zweck mäßig im Kopse zurechtgelegt! Wenn er Ostern nach Hause kam, gedachte er schon am Psingstmorgcn mit ihr vor seine Mutter zu treten und sie seine Braut zu nennen. Sie kannten sich ja beide so genau, was sollte ein langes Werben nutzen? Aber immer, wenn er versucht hatte, einen wärmeren Ton anzuschlagen, hatte er in Inges Hal tung etwas Ablehnendes zu bemerken geglaubt, das ihm die Zunge band. Sie trasen sich schon am srühcn Mor gen. wenn sie aus dem Kuhstall kam und er aus'S Feld ritt. Sie gaben sich dann wie gewöhnlich mit einem herzlichen „Guten Morgen" die Hand aber bei dem Gedanken, diese Hand einmal sestzuhalten. diese weichen und doch so energischen Finge, an die Lippen zu sühren »nd das ganze liebe Mädchen sest an seine Brust zu zie hen bei dem Gedanken erröthete er wie ein Schüler. Er suhr sich mit dem Taschentuch über die seuchte Stirn und seuszte ties aus. Er wollte Heirathen, er mußt« heiratheu. denn sein Leben sollte nn, verwehen wie das Buchenblait an den alten Waldstämmcn. das der Herbst sturm eutsührt, wenn es brau» gewor den und an seinem troänen Stengel schon die verheißende snnge Knospe für den nächsten Frühling sitzi. Er hatte gewählt, torgsältig nnd mit Berücksichtigung aller Nebe»umstände, nichts sehlte als der letzte entscheidend« Schritt, der Strich unter der LebenS rechuung, uuter den das besriedigend« Faut kommen sollte und nun gab es doch noch ein Aber, ein Etwas, mit dem dieser superkluge, leidenschaftslos« Mensch zu rechnen vergesse» hatte. Die Thür öffnete sich und Dore kam in die Halle. Sie trug eines der glat ten, weißen Batistkleider aus den. Arme, die Inge gewöhnlich trug und die im mer in tadelloser Frische bereit zu ha ben, Dares Stolz war. Wo sind die Damen? Die alte gn.ldsge Frau hat sich von Ludwig zum Friedhos fahren lassen. Und meine «Schwägerin? Meine Gnädige »st in den Wala ge gangen. Wohin? Hellmuth betrachtete da? Mädchen mit mehr Interesse als gewöhnlich, das blasse, stille Gesicht hatte ihm immer einen apathischen Eindruck gemacht. Nun hatte er gesehen, daß es bei Inge» Erwähnung in den dunkeln Augen fast leidenschaftlich aufgeleuchtet. Die gnädige Frau grhen meist nach dem Hünengrab im großen Gestell, wo man den Blick über die See hat. Durch den Garten hin und den Wald pfad? Jawohl, Herr Lieutenant. Hellmuth sprang auf, nahm die Mütze und ging auf die Terrasse. Dore sah ihm nach, wie er die Stu fen in den Garten hinabschritt. ES war ein fast böser Blick, und einen Augenblick schien es, als wolle sie ihm nachgehen. Wozu? murmelte sie. Wenn er blind ist, ich darf ihm die Augen nicht öffnen. Damit schritt sie mit ihrer zarten Last hinauf in Inges Ankleidezimmer. Hellmulh durchschritt den Garten, kein modernes Gärtnerkunststück mit englischem Rasen, Teppichbeeten und blauen und rothen Kies, in dem Thon- Rehe und -Hirsche in natürlicher Unna türlichkcit umher stehen und liegen, sondern einen Fleck voll köstlicher Pro vinzrosen, die sich herunterbogen bis >ur Erde, ganze Hecken von Flieder und Jasmin, ganzen Rasenflächen voll Reseda, die in neugieriger Unersätt lichkeit bis weit in die Wege hinein wucherten. Ich will, daß der Dust bis zu miil; auf die Terrasse kommt, weil ich doch einmal nicht zu ihm gehen kann, pflegte die alte Frau von Heyden zu sagen, und Inge, die den Garten neuerdings unter sich hatte, schien derselben Ansicht zu sein, denn ihre Anpflanzungen be standen in einem Beet hochstengeliger weißer Lilien, grade, vor der Terrasse, und einer ganzen, würzig dusteuden Nelkenplantage. Das kleine Psörtchen war nur ange lehnt, und von hier aus trat man gleich unter die weit schattenden Buchen. Ein schmaler Psad sührte langsam noch höher auswärts. Tiefe Stille umfing ihn, fast feierlich rauschte es in den Nach einem halben Stünd chen hatte er das große Gestell erreicht. Es durchquerte den Wald und gab einen prachtvollen Blick aus die See. hier, wo der schmale Pfad endete, lag ein Hünengrab. Gierige Forscherhände hatten den Hügel längst durchwühlt, die Thonscherben an s Tageslicht ge zerrt, den ärmlichen Schmuck irgend einem Museum emverleibt und die Höhle zugeworsen. Und das Gras war mitleidig über die frische Wunde des alten Baues ge wachsen, der Wind hatte es tosend ge streichelt in lauen Sommernächten und die alten Buchen hatten dein Staub dort unten, den man nicht auch noch analysiren und classisiciren konnte, das alte Wiegenlied gesungen, dasselbe Lied, dem auch schon die Bor fahren gelauscht, als sie den Recken einst hier gebettet. Auf dem Hügel saß Inge. Sie hatte das Haupt in die Hand gestützt und träumte, sie, die fleißige, allem Traumen so Abholde. Und schon ziem lich lange mußte sie sich in diesem welt entrückten Zustand besinden, denn der große Strauß von Zittergras und Feldblumen, der neben ihr aus dem weißen Strohhut lag, schien schon ein wenig welk zu sein. Die ernsten Au gen aber sahen hin auf das Bild, daß das Gestell wie kunstvoll ausgebaute Eoulissen einrahmte. Ein eigenartig schönes Bild, ein ech tes preußisches Strandbild. Zuerst daS Hass, hell von der Sonne beschienen, mit Fischerbooten bedeckt, deren weiße Segel wie Mövenschwingen leuchteten, und dann, seltsam fremd i» ihre» bi zarre» Forme», die nackte, blendende gelbe Straiidkette der Dünen, dahinter aber, glitzernd und funkelnd, ein azur blauer Streifen, das ewige Meer. Ohne diesen schars abstechenden, ma gisch getönten Hintergrund hatte man versucht sein können, diese Hügelkette ohne ein Zeichen auch nur der spär lichsten Vegetation, diese Kuppen und Zacken, dieie scheinbar erstarrten Sand wogen, die Wind und Wellen jährlich willkürlich ändern, in die libysche Wüste zu verlegen. So schwammen sie für das Auge zwischen dem süßen und dem salzigen Wasser wie eine Art Fata Morgan«, ein fernes Wunderland, öde und todt, wenn sich ein menschlicher Fuß hineinverirrte, aber seltsam sprechmd und märchenhast malerisch in der Nähe. ES war ein Lieblingsplatz von Inge. Sie ging ost her, setzte sich in das hohe GraS des Hügels und sah hinüber nach der See. Ost schon hatte sie hier aus geruht und nach dem blendenden Strei fen geschaut mit den Augen lodestrau riger Enisagung, die wir nur für die Gräber unserer. Entschlafenen haben. Aber auch ans lieben Gräbern steht ein Kreuz, das nach oben weist, blühen Blumen, die dieser Erve angehören. Das Leben gehör! den Lebende». Und allmählich, ganz allmählich hatte sich das Bild des Todten, das sie sonst in dieser Einsamkeit hinaufbeschworen, ge wandelt iu das Bild eines Lebenden, war aus dem Entsagen ein Wünschen geworden. Einmal klar darüber, hatte sich die ehrliche Inge auch bekannt, daß viel leicht schon lange sie in den Zügen des Galten sehnsüchtig nach denen des Schwagers geforscht, daß vielleicht schon lange.Liebe" hieß, was ihr Herz in Selbstbetrug noch .Freundschaft" ge nannt. Die Zeit in Homburg stieg vor ihrem Geiste wieder auf, ihr Haß auf Eora, ihre Eisersucht, wie sie es jetzt nannte, ihre Angst um Hellmuth. Erglühend schlug sie in der Einsamkeit beide Hände ! vor das Gesicht, als könne man ihr diese Gedanken aas den Augen lesen. Ja, eiscrsüchtig war sie gewesen, war sie noch. Denn ohne Kenntniß des Vorgefallenen glaubte sie Hellmuth noch, wenn noch nicht mehr in. Banne der Leidenschast, so doch in dem der Erinnerung. Darum entzog sie sich so ängstlich jeder Annäherung. Sie wußte, daß seine Mntter ihre Vereinigung sehnlich wünschte, sie sah sein Auge aus sich ruhen aber ihr feiner weiblicher Jnstinct sagte ihr, daß es nicht der Blick begehrender Liebe son dern des kühl taxirenden BerftandeS sei und ihr stolzes, scheues Herz, schloß sich fest und immcr fester zu. Was wußte er von chrem innersten Wesen, von dem Hunger ihrer Snl» nach allem Reinen und Großen, dem brennenden Durst ihres Herzens, den nur eine voll«, ganze Liebe löschen konnte! Und wenn es ihr Leben gegol ten, sie hätte die Brosamen der Achtung und Freundschaft nicht ausgenommen, die allein von der reichen Tasel für sie abgefallen schienen, auf der einst das Hochzeilsmahl sür eine andere gedeckt war. Noch war es kein Jahr, daß er ihr zugeredet, einem Otten die Hand zu reichen. Der Riß, der damals durch ihre Kameradschast gegangen, hatte sich noch nicht geschlossen. Durch die stille Abendluft klang der feierliche Ton eines Glöckchens, da» Abendläuten. Gleich daraus antwor tete lärmender und lauter die Glocke des GutshoseS. Himmel und Erde, der himmlische und der irdische Herr, sordert Ruhe und Feierabend. Jng» fuhr erschreckt auf. Es mußte acht Uhr sein, die Schatten der Buchen füllten fast das ganze Ge stell und drüben stand der Himmel in Flammen und leuchteten die weißen Sandspitzen der Dünen in Alpenglü hen. Wie sie sich dem Wege zuwandte, sah sie Hellmuth mit verschränkten Armeu an einem Baum lehnen. Eine glü hende Rothe stieg bis unter den Haar ansatz und die Hände mit den Blumen zitterten. Er trat auf sie zu, fast schien es aber, als suche auch er nach einer möglichst unverfänglichen Anrede. Der Klee ist herein, ich begleitet« daZ letzte Fuder. ES ist gut, den» in der Nacht könnte ein Gewitter aufziehen. Standest du schon lange da ? Die Frage klang nicht sehr sicher. Ein halbes Stündchen. Woran dach test du den». Inge? Ich sah zwar nur dein Profil, aber.... Es ist nicht hübsch, Menschen zu be lauschen, wenn sie schlafen. Und ich schlief mit offenen Augen. Wer weis;, Frau Schwägerin? Mi, sahst du ganz hellseherisch aus. Als« beichte, was warS? Sie waren in die grüne Dämmerung der Buchten getreten und schritten rüstix abwärts. Die tief herabhängenden Zweige, denen ausgewichen werden mußte, über hoben Inge vorläufig einer Antwort. Ihr Fuß stieß einige Male an dicWur zeln der alten Stamme uns Hellmuth bot ihr seinen Arm. Sie nahm ih», wie schon o t, wie hundert Mal vorher, wenn irgend eine Gelegenheit diesen Ritterdienst gefordert hatte. Ader während sie sonst bei der gleich mäßigen, tactgeinäßen Bewegung im unwillkürlichen Gefühl der Zusammen gehörigkeit doppelt srei und offen ge plaudert, verharrten sie heute beide in lähmendem Schweigen. Der Weg schien ihnen endlos, und mit einem erleichter ten Ausathmen zog Inge ihren Arm fort, als sie aus den Buchen traten. Das war ja erdrückend schwül, flü sterte sie, das Psörtchen öffnend. Aus der Bank hinter demselben saßen zwei Menschenkinder in eifrigem Ge spräch. Erschrocken fuhren sie ausein ander. Dorc beruhigte sich 'reilich so fort, als sie ihre junge Herrin erkannt, der Bursche aber, eine kräftige Gestalt in Seemannstracht, drehte seine Mütze verlegen in den wetterharten Händen und schien nicht übel Lust zu haben, durch eine Lücke der Hecke zu verschwin den. Ei. sieh da. Fritz, sagte Hellmuth freundlich. Ich sah dich »och nicht, obgleich du ja wie ich seit Ostern den Abschied hast. Nun, wie gehts mit dem Handwerk? Da wäre wohl nichts zu klagen, Herr Lieutenant. Nur bringt dieHasssische rei doch nicht so viel wie die Störe und Lachse in der See, und ich möchte lieber 'rüber aus die Nehrung. Aver der Ba ter.... Will deine Hilfe nicht entbehren und leidets nicht? Hilse braucht er nun eigentlich nicht mehr, denn er will sich ja >o wie so zur Ruhe setzen. Kann bei seinem Reißen doch nicht mehr Nachts 'rauS, und Reu sen legen, brauchts ja «uch nicht mehr. Wenn ich aber auf die Nehrung gehe und den Fang im große» anfange, muß ich ei» Stück Geld in Handen ha ben Und das will er dir nicht geben? Der junge Fischer schwieg und be wegte den Mund, als wälze er ein Stück Kautabak von einer Seite zur andern. Da sagte Dore: Gebe» will er'S wohl, wenn er dem reichen Luttkemaun seine dickt Katrein heirathet. Und du willst nicht. Fritz? Hast wohl einen Schatz draußen in der Welt? Nun war das Zögern zu Ende. Der junge Bursche reckte sich und sagte offen: Nein, zu Befehl, Herr Lieutenant. Aber hier die Dore, die durch meinen Bruder so in s Unglück gerathen ist, die möchte ich, und die werde ich auch neh men, ob nun die Eltern wollen oder nicht. Ein langes Schweigen folgte. Und du, Tore? fragte Inge, nach einer Weile. Ihre Stimme klang weich und sanst. Er hat mir gesagt, er will meinem Junge» ei» treuer Vater sei». Da jür will ich für ihn arbeiten so lange ich lebe. Das ist ein rechtes Wort. Dore. Und Margen will ich zu den alten Voß' gehen und mit ihnen «dem. Das Mädchen bückte sich hernieder und tüßle leidenschaftlich Jngcd»rgz Hand. Auch der Bursche murmelte ein paar Worte, dann gingen die bei den weiter. Ab» der Bann war gebrachen. Ern inniges Glücksgefühl war in ihnen wach geworden, eine strahlende Freudigkeit thronte auf ihrer Stirn. Was die Wandlung vollbracht? Sie hätten sicher keine Antwort aus diese Frage gewußt; aber als sie an den Rollstuhl der alten Frau traten und diese die schönen fried lichen Gesichter lange prüfend ansah, erwachte ein Widerschein dieser sreu digen Zuversicht m den alten Augen und selten hatte man sich in der alten Klause so heiter au den Abendtlsch ge setzt. 111. In dem Dorfe, das der alten Klause ,u Füßeu lag, herrschte das rege Leben des SommervormitlagS. Auch bei Fischer 80ß war man flei ßig an der Arbeit. Die Frau hatte die nassen Netze an die Sonne gehängt und saß nun vor der Thür des sauber ge tünchten Häuschens mit dem steilen Binseudach. Unter ihren flinken Hän den wurde kine Schüssel breiter Weiß linge ihres silbernen Schuppenpanzers entkleidet, die besonders grofzen aber wurden beiseite in einem Eimer gelegt, den der Alte dann hinabtrug zuni Boot am Haff. Dort lagen im Fischkasten einige armdicke Aale und prächtige Schleien und Karauschen. Fritz wollte am Nach mittag, wenn der steife Wind anhielt, hinüber zur Nehrung, nach dem klei nen, aber sehr besuchten Badeort, und den guten Fang der letzten Nacht den Gastwirthen anbieten. Eben kam er vom Haff heraus, au dessen sonnigem Ufer die vor einigen Tagen geschnitte nen Binseu lagen, die er umgewendet hatte. Er nahm ein angefangenes Netz aus einer Ecke des Schuppens, befestigte die Ecke an einem vorspringenden eiiernen Haken, setzte sich auf einen Holzfchemel, ergriff die mächtige hölzerne Filetnadel mit dem festen B»U>sadeu und fing eif rig an zu stricken. Der alte 80ß saß auf der Holzbanl vor der Thür in der prallen Sonnen hitze, blinzelte mit den Augen und wars ein großes Stück Kautabak aus einer Backentasche in die andere. Die drei so eifrig beschäftigten Menschen schwie gen ganz still. Man hörte nur das leise Plätschern, 'mit dem die Fische in die wasfergesülltc Schüssel glitten, das Knirsche» des Bindsadens, wenn eine Schlinge zugezogen wurde, und das ge legenttiche Räuspern und Ausspucken des Alteu. Nun sind fa Laudleute nie gesprächig, Fischer besonders nicht. Es ist, als hätte sich ihnen die Schweigsam keit der großen Natur, die sie meistens umgibt, mitgetheilt, aber dieses Schwei gen hier wäre dem aufmerksamen Beo bachter kenntlich gewesen als das döse Schweige» des Trotzes, Zornes und Grimmes. ES war nicht nöthig, daß das Netz bei jedem neuen Knoten einen so gewaltigen Ruck bekam, daß die ar men todten Weißlinge in ss kühnem Bogen in den Kübel flogen, als hätten sie an einer Seelrnwanderung theil und wären zunächst in fliegende Fische verwandelt worden. eS war vielleicht auch nicht nöthig, daß der alte 80ß sich für seine Treffübungen im Hinaus schleudern des draunen TabakiasteS so entfernte Ziele suchte und sie so ener gisch betrieb. In Wahrheit hatte Fritz heute früh noch einen Sturm gewagt und die El tern hatten mit bäurischem Starrsinn ihr Ultimatum gegeben: die dicke Trine und das Geld oder die Thür vor der Nase zu und keinen gebogenen Heller! Da kam durch die kahle Dorfstraße, in der das glühende Sonnenlicht dem Auge sichtbar zuckte und flimmerte, eine weiße Gestalt Jngeborg von Hey den. Der breitkrämpige Florentiner schützte das zarte Gesicht, aber der heiße Gang hatte die Farbe auf den Wangen doch verliest. Aus den Zügen sprach die freudige Zuversicht, die uns schon das Bewußtiein einer guten Absicht gibt, und nach sreuiidlichem Gruß setzte sie sich so selbstverständlich aus die schmale Holzbank zu dein Alten, als sei sie täglicher Gast hier und kenne es nicht anders. Ja, sie legte ihre kleine Hand ganz zutraulich in die derbe Seemannsfüust, und der alte Bär drückte sie vorsichtig mit einem verlegenen Knurren. Hatte sie ihm doch vorigen Herbst, als die Gicht ihn so furchtbar Plagte, manchen Liebesdienst erwiesen, und er hatte ersahren, wie wtich und sanst sie waren, diese weißen Fingerchcn. Seit der Zeit nahm Jngeborg von Heyden in seinen Gedanken ungesähr denselben Platz ein wie das Marienbild über dem Altar der Dorskirche. Er wußte auch ganz gut. was sie hersührte, denn ohne Grund war der Fritz wohl roth geworden wie ein gesottener Krebs, und das vermehrte seine Verlegenheit noch. Im Grunde seine? Herzens war der Alte gar nicht so gegen diese Heirath einge nommen. Das Unglück mit dem Franz hatte ihn mürbe gemacht. Aber in diesem Hause, hinter dessen kleinen, blanken Fenstern Geranium und Nelken so prachtvoll blühten, galt nur ein Wille und das war nicht der stinige. Frau Anna 80ß hatte sicher schon lange vergeben, daß auch sie einst am Altar daS: er soll dein Herr sein! mit ihrem Ja besiegelt, und der alte, weiterharte Mann, der den Tanz mit der Windsbraut, wenn's sein mußte, noch so rüstig ausnahm, siel daheim zusammen wie ein Segel bei Windstille, wenn Fn»u Anna ihr Or gan erhob, das schrill war w>« eine Bootsmannspseise. Er hielt es jetzt auch sür das klügste, still abzuwarten, von welcher Seite der Wind wehte, und so spuckte er den Rest von seine»! Kautabak aus, machte eine halbe Wendung leewärts und sah die fange Frau neben sich erwartungsvoll an, Inge von Heyden klebte keine Um wege. Auch heute ging sie grade auf ihr Ziel IoS »nd sagte ruhig: Ich komme wkgen D»re und Fntz. Der grade bearbeitete ZSeißling mußte w Mutter Boß' kräftigen Hän den nicht nur die Schuppen, sonder» auch den Schwanz lassen, ehe dir abfer tigende Anowort kam: Das hätten sich die jungc Gnädige sparen könne!»; dar aus wird nichts. Damit slog das Fischlein zu seinen Leidensgefährte,. Aber warum nicht, Frau Vvß? Die Dore ist ein ordentliches. fleißiges MLd« chen, die gewiß, einmal eine ehrbare Frau wird...., Und nichts hat, als den Balg, unw die Schande. Mutter, fuhr der junge Fischer auf, du solltest doch am wenigsten« ein Wort sagen gegen dein eigenes Enkelkind. Mein Enkelkind? Hinter dem Zaun suche ich mir mein Fleisch und Blut nicht vor, daß du'S weißt. Die jung- Gnädige haben ja einen Narren an dem Mädchen gefressen, das weiß das ganze Dorf. Aber einen Mohren kann man nicht weiß waschen, das weiß ich. Und ich will nicht solch leichtsinniges Blut in meiner Familie. Frau Voß, denken Sie denn ni» daran, daß,lhr Starrsinn damals an dem ganzen Unglück schuld war? ES ist eine Gnade von Gott, daß er dem Fritz das Herz gelenkt und Ihnen Gele genheit gibt, Ihr Unrecht an dem armen Mädchen gut, zu machen. Unrecht? Das Messer entfiel« den Fingern und der jetzt leere Kübel er hielt einen energischen Ruck zur Seite. Unrecht? Recht habe ich damals gehabt und habe ich noch heute. Aber das Ei will ja immer klüger sein als die Henne. Ein Madchen soll dem Mann mehr in'S HauS bringen als ihre hübsche Fratze, die vergeht wie Butter am der Sonne. Wenn die Noth zum Fenster reinsieht, kriegt die Liebe einen Fußtritt und fliegt zur Thür hinaus. Die gnädige Frau meinea'S gewig gut, aber davon ver stehen die vornehmen Leute nichts. Nichts für ungut, hub nun der Alte an, die Mutter meint es. nicht sa böse Meint sie? Die hagere Gestalt stand nun aufgerichtet, die Hände in die Sei ten gestemmt: Ei, wer hat vor dreitzig Jahren die hübsche Mine Steffens, mit der er aus allen Tanzböden rum fegte, sitzen lassen und die Anna Doro thea Meier genommen, die das ganze Gesicht voll Sommersprossen hatte, aber einen Strümps voll blanker Thaler in der Eominode? Und bist du darum etwa »ich, glücklich geworden, bist du nicht? Der Alt? knickte förmlich zusammen und bestätigte, also energisch ausgesor dert, die Süßigkeit seines Ehestandes nur durch ein, unverständliches Gemur mel. Tanu sah er nach der riesigen Uhr, die er aus der Tiefe seiner weilen Hosentasche herausholte, griff nach dem weißen Milcheimer und verschwand in der RlchiunH deS Haff'S, wo die ange pfählte Kuh stand. Auch Inge stand auf. Sie kannte die Bauerl und wußte, daß hier Zu reden nichts nutzte, sondern verdarb. Nur noch auf die Habsucht der Alten konnte sie achnen, und so sagte sie zö zernd: Und wenn ich die Dore ordent lich aussteuern lasse und ihr eineu Noth groschen mitgebe? Der junge Bursche ließ das Netz sin !en und sah seine Mutter flehend an. Jede andere, aber die nicht. Sie hat mir schall ein Kind in'S Verderben zelockl. Eye ich sie Tochter nenne, ehe mag der Fritz auch noch hingehen. Ist das dein letztes Wort, Mutter? Mein letztes! Gut. so werde ich hingehen. Aber licht wie der gnte Franz. der sich aus »ängte, weil er dir nicht trotzen wollte. Zr sah aus seine entblößten, mustel starken Arme. Ich denke, ich komme auch sort, ohne euer Geld. Lassen Sie !S gut sein, gnädige Frau, wandle er sich an Inge, die traurig ausgestanden var. Sie Haben'S herzlich gut gemeint, und Gott wird es Ihnen lohnen—aber :s ist vielleicht besser so. Auch sür Ihre Hilse danke ich Ihnen. Wir wollen beide an auf beiden Füßen stehen. Sagen Sie Dore. ich sahre noch heute mit den Fischen rüber und sehe mir dabei gleich d>e Gelegenheit drüben a», »nd im Herb>te wird gehei calhet. oder Fritz Voß liegt unten bei de» Fischen. So stieg denn Jng» den heißen Weg nach der Klause wieder in die Höhe unverrichteter Sache. Die MitiagS zlocke hatte geläutet, die Arbeiter gin gen zu Tisch, Inge «ras noch einige von sei, derben, Gestalten. die Männer in Hemdsärmeln, dieselbe aus der Schul ter, die Frauen mit den großen, drei -ckigen Kopftüchern von Hellem Kattun, unter denen die Augen so frisch uui» glänzend in die Welt >ahen. Alle grüßten sie freundlich, undZnge dachte mit warmer Zufriedenheit, wie »och das Los der Landarbeiter bei aäei körperlicher Anstrengung kein schweres sei, sondern eins, das sie gesund erhalte an Leid »nd Seele. Und ein Seufzer ging zu den Armen, die ihre Krast und Gesundheit verbrauchen an rußigen Maschinen, in Sticklust und Kohlen dunst. Sie kannte die Verhältnisse der Fabrikarbeiter in der Stadt, hatte alz Madchen Trost und Frieden in manche elende Wohnung, zu vielen Verkomme nen und Verdorbenen gebracht, sie hatte mit gelitten und auch ihre zarten Schul tern angestemmt, um das Rad zu hem men, das zum Abgrund rollen wollte es war eine traurige, fruchtlose Ar beit gewesen. (Fortsetzung folgt.) Sehr einfach. Wirth: Ich habe bis jetzt immer Ihre Zeche auf diese Tafel geschrieben. Aber jetzt geht das Pumpen nicht mehr! Sehen Sie nur selber, allenthalben voll, nirgends ein Platz mehr! Nun, da wischen'« doch halt aus! Schnupfen. Echnupfen nennt man den Katarrh der Nasenschleimhant, beruhend auf »iirer Entzündung denelben, »ine fast häusig», loenn auch meist »ine leichte, aber doch oft eine sehr lästige Erkran kung. Di« oen Schnupfen veranlas sen»en Getegenhcitsursactzen sind sehr mannigfaltig. Weitaus am häusigsten entstcht derselbe durch Ertältung. vaK heißt durch plötzliche oder ailmäUche Abkühlung- tXr Oberfläche der äußern Haut, besonders' des Halses, der Füße oder auch des ganzen Körpers-. Nächst dem führen-örtlich» einwirkende Schäd lichkeiten ost ein«» Schnupfen« herbei, zum Beispiel' da» Einathmen von hei ßer Lust, nachdem man vorher in küh ler Lust ist. oder umgekehrt, das Einathmen- von Staub, scharfen Damosen. Schnupftabak, Bergistung mit Jod. bei längerer Anwendung des selben; serner Habel, gewisse Jnsection»- krankheiten starten Katarrh zur Folge, sv die der Flecktyphus, die Influenza und auch die Syphilis, dies» gewöhnlich nur bei 'Neugeborenen. In vielen Fällen endlich tritt der Schnup fen. numentlich der chronische, soge nannte Siockschnupsen als Symptom anderweitiger Erkrankung der Nasen schleimhaut aus, zum Beispiel bei Wulstung derselben, bei Geschwüren. Die Symptome sind allgemein de-» konnt Im Beginn klagen die Kran ken über ein Gefühl der Trockenheit in der Nase und über Verstopfung des einen oder andern Nasenlochs, verur sacht durch die Schwellung der Schleim haut. welche zuweilen so bedeutend wer den kann, daß die Nase ganz verstopft, undurchgängig ist ; von Zeit zn Zeit entsteht ein Jucken und Prickeln in der Nase, welches dann zum Niesen sührt. Bald solgt aus die Trockenheit eine sehr reichliche Absonderung, und es fließt fast unaushörllch eine' farblose, salzige Flüssigkeit, welche die Oberlippe reizt und röthet, aus den Nasenlöchern her vor; durch vornübergebeugte Haltung des Kopses, zum Beispiel beim Schrei ben. 'Nähen wird diese Absonderung wesentlich gesteigert, durch Rückenlage vermindert. Das Geruchs- und Ge schmacksverinögen ist beeinträchtigt. Sehr gewöhnlich ist die Verstopsung und Verlegung des Thränunasen gangs, insolge dessen die Thränen nicht mehr in- die Nase gelangen, sondern über die Wangen ablaufen (das soge nannte Augenthränen). Der Drück, den die Schlkiinhautschwellung in dem engen Gang ausübt, gibt sich als ein dumpfer Schmerz zu erkennen. Häufig setzt sich auch der Eatarrh durch diesen Gang direkt aus die Bindehaut des Auges sort und kommt eS aus diese Weise zu einem Angenkatarrh. ebenso aus die Schleimhaut des Rachens und der Stirnhöhlen, in welch' letzterem Falle heftiger Stirnkopfschmerz, sowie ei« Gefühl- der Betäubung entsteht. Meist treten im Beginn Fiebererschei nungen aus: Frösteln, abendliche Hitze, nächtliche Ausregung u> s. w. Der Berlaiis ist in der Regel ein> schneller und für Erwachsene ein leich ter, nur bei Säuglingen kann eine Ge fahr daraus erwachsen, daß durch die Verstopfung der Nasenlöcher die Re» spiralion gestört »nd dadurch das Sau ge» erschlvert ist. In vielen Fällen entwickelt sich aus einem akuten ein chronischer Schnupfen (Stockschnupstii). besonders als Folge zu enger Nasen» günge. wie dies bei vielen jüngeren, iiamcrillich scrophulösen Individuen, selten bei Erwachsenen mit Stumpf nasen >md tief eingedrückter Nasenwur zel häusig der Fall ist. D,e Erschei- Illingen des akulen SchnupsenS fehlen dabei gewöhnlich, dagegen bewirkt die allmählig eintretende, dann aber blei bende Wulstung der Naseuschleimhaut oft- eine bedeutende Verengerung der Nasengängc und dadurch eine Er schwerung der Nasenathmung. Die Absonderung ist nicht mehr so dünnflüssig, wässerig, sondern bald schleimig, bald schleimig-,itrig und bil det wegen behinderten AbsließenS durch Eintrocknen Borken, welche in manchen Fällen, Neigung zur fauligen Zersetzung zeigen und einen äußerst üblen Geruch annehmen (Stinknase); zuweilen ist übrigens eine Ursache dieses üblen Ge ruches gar nicht nachweisbar. Nicht selten kommt es zur Bildung von Ge schwüren nnd namentlich von Polypen. Der chronische Schnupfen spottet viel fach jeder Behandlung und kann mit wechselnder Heftigkeit jahrelang fortbe stehen. Was die Behandlung des ein fache» Schnupfens betrifft, so erfordert dieselbe zunächst Berineidiing von Tem peraturwechsel. vornübergebeugter Hal tung und anderer Schädlichkeiten. Durch starkes Schwitzen kann in vielen Fällen ein Schnnpsen wirklich kurirt werden. Man nehme daher ein russi scheS Dampsbad. aber mit Vorsicht, oder lege sich ins Bett iu Rückenlage, nach dem man vorher einige Tassen heißen Thees (Flieder-, Lindenblüthen-, Woll» blumen- oder Schlllsselbliimenthec) ge trunken hat. Die verschiedenen gegen de» Schnupfcu empfohlenen Mittel: Schnupf- oder Aiechinittil, haben uur selten den gewUnschtenErfolg. BeiSäug lingen ist eS nothwendig, daß man die Nasenlöcher durch Ausspritzen nnt ivar» mein WaHer von dem verstopfenden Sekret befreit und daß man ihnen, sa lange das Saugen erschwert ist. die Milch mit einem Löffel einführt. Vor handelie Neigung zu Schnupfen suche mau, namentlich schon in der Jugend, durch Abhärtung des Körpers durch kalte Waschungen, kalte Bäder und so weiter, möglichst zu tilgen. Die Behand lung des Stockschnupsens ist eine um ständlichere und schlägt schon zu seh, ins ärztliche Gebiet ein. als daß wir si» hier näher erörtern könnten: nur so viel möchten wir zur Mahnung sür die El tern hier noch erwähnen, einen bei einem ffiiide langer andauernden Schnnpsen ja nicht zn vernachlässigen, sondern bal digst eine ärztliche Untersuchung der Nase nach etwa vorhandenen Ursachen desselben zu veranlassen. 3
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