2 «ine sanre Erbschaft. Reiche Leute haben trotz ihrer gelben Vögel auch manchen Kummer. Der alte reiche Grämlich machte darin keine Ausnahme. Auch ihn drückte es hier und da. Sein größter Kummer aber war der. in seinen drei leichtlebigen Neffen, er war Junggeselle, die einsti gen Erbe» seines beträchtlichen Vermö gens erblicken zu müsse». Er sah sie fchon im Geiste dahereilen und sich beim Anblicke des bedeutenden Nachlasses vergnügt die Hände, reiben sah sich schon im Geiste aus der Todtenbahre von dem sauberen Dreiblatt umgeben, deren Blicke nichts weniger als Trauer ver riethe». ll»d dam, quälte ih» monate lang die Frage, wie er solches wohl verhindern könnte. Endlich glaubteer es gesunden zu haben. Es war Herbst geworden. Da sahen die Nachbarsleute init Erstaunen, wie der alte Grämlich mit großem Eifer die noch »ie reif gewordene» Weintraube» an der Nordscite seiner Gartenmauer pflückte, preßte »nd den Saft in ein Fäßchen füllte. Die Sache blieb ihnen unerklärlich, zumal man den Alten fortan nicht wieder im Garteil sah. Die Kelterei war sein letztes Werk ge wesen. denn bald darauf fing er an zu kränkeln, und er verließ das Bett nicht wieder. Als die Trauben in seinem Garten sich wieder zu reisen vergeblich bemühten, schloß er für immer die Augen. Die Neffen kamen natürlich eiligst herbeigeeilt und betrachtete» in der That mit wohlgefälligen Blicken die wohl geordneten, ihre Erwartung überstei gende» Schätze des Onkels. Da fiel ihr Blick auf das Testament, mit der Aufschrift: „Sofort nach meinem Todt zu öffnen." Es hatte folgenden Wort laut: „Meine drei Neffen sollen mein Ver mögen zu gleichen Theilen erben, wenn sie sich bei meiner Begräbnißseier mit dem von mir selbst gekelterten, unge znckerten und ungegypsten Wein begnü gen wolle». Ich will, daß jeder von ihnen nicht mehr und nicht weniger als zwei Maßkrügel davon, so sauer und so süß, wie er ist, am genannten Tage trinkt. Sollte einer der lieben Neffen diese Bedingung nicht erfüllen zu köu. iien meine», so fällt fein Erbtheil der hiesigen Ortsarmenkasse anheim. Grämlich. An dem verhängnißvollen Begrab» aißtage waren die Neffen und die Her ren vom Curatorium bereits in den Vormittagsstunden im Trauerhause ver sammelt. Da kam der Selbstgekelterle auf den Tisch. Mit Selbstverleugnung ergriffe» die Neffen die Gläser, um dem Entschlafenen das erste stille GlaS zu weihen. Aber, o weh! Ansetzen und wieder Absetzen war eins bei allen dreien. Es gab doch noch Dinge, von denen sich ihre Weisheit bisher nichts hatte träumen lassen. Mit fchmerz erfullten Mienen wandten sie sich ab von dem Säuerling aller Säuerlinge. Jetzt erst wurde ihnen klar, was es hieß, durch zwei Maßkrügel Selbstge kelterten hindurch den Weg zum Geld sack zu erobern. Jedoch mit mannhaf tem Muthe ergriffen sie die Gläser von Neuem; aber nur in homöopathischen Dosen vermochten sie den unedlen Re bensaft zu vertilgen. Als sie bei der Leichenfeier an dem offenen Sarge des Entschlafenen stan den, hatte noch keiner von ihnen das erste halbe Maßkrügel geschafft. Da mußte der Jüngste von den Dreien an die »och zu bezwingenden anderthalb Maßkrügel denken. »nd es rollten ihm in stiller Wehmuth Thränen über die Wange». Die beiden anderen sahen es und weinten mit. Und als man da raus den Todten nach dem Friedhos fuhr, da folgten die drei mit so kläg lichen, Gesicht hinter dem Sarge her, daß Jedermann von der Theilnahme der Neffen sür den seligen Qnkel ergrif fen war. Nach dem Begräbnisse wollte sich das traurige Kleeblatt sofort wieder mit Verzweiflung an die fanre Arbeit ma» chen. Doch einer der Herren vom Ku ratorium gebot ihnen Halt, holte das eigentliche Testament hervor und ver las folgenden Zusatz: „Sollten meiue lieben Neffen wider Erwarten an meinem Sarge Thränen der Rührung vergießen, so soll ihnen der Rest geschenkt werden." Grämlich. „Meine Herren," fuhr er dann fort, wir meinen in Ihren Thränen die Zei chen aufrichtiger Rührung erkannt zu haben und glaube» ganz im Sinne des Verstorbenen zu handeln, wenn wir Sie jetzt bitte», von den, elenden Getränk« abzulassen und dem theuren Entschlafe nen lieber ein Gläschen guten Bordeau? zu weihen!" Und so geschah es! Rich. Trinte. Eine Aufklärung. Pro fessor der Phrenologie (erklärend)! .Sehe» Sie sich diesen Knaben an, be trachten Sie seinen Hinterkopf; es zeigt sich da ein wulstiger Auswuch: das deutet den Sitz der Kindesliebe an! Nicht wahr, mein Söhnchen. Du hast Deine Elter» recht lieb!— Knabe: „Die Mutter schon, aber den Vater nicht, denn der hat mir die Beule da am Hin terkopf geschlagen!" Auch ei» Trost. Ein Knabe hat beim Pastor eine Bestellung auszu richten. Er tritt in dessen Zimmer, indem er seine Mütze ausbehält. Du bist doch ein sehr unhöflicher Junge! Du nimmst nicht einmal die Mütze ab! Na. werden Sie nur nicht böse, Herr Pastor; das kann ich ja noch im jmer thun! Verplappert. Tante: Also, Tu hast jetzt einen Klavier lehrer; wie weit seid Ihr denn schon?" Backfisch : „Still! Mama weiß ja moch nichts davon!" Unverbesserlich. „Heute hab' ich beschlossen, ein anderer Mensch zu werden! Donnerwetter, das ist ja «i« wtint» Zärtlich an einander geschmiegt, saßen ste in einem Nichtraucher-Coupe zweiter Klasse. Er hatte beim Einsteigen dem Schaffner einen Thaler in die Hand gedrückt und der Beamte hatte dasür ge sorgt, daß das junge Ehepaar keinen unerwünschten Reisegenossen im Cokpe erhielt. Albert Fornow befand sich mit seiner angebeteten Paula auf der Hochzeits reise. Am Abend hatten sie die Eisen bahn bestiegen und die Nacht leidlich, da Jeder eine Bank znr Verfügung ge habt, auf die sie sich lang niederge streckt, geschlafen. Jetzt war es Mor gen, auf der letzten Station hatten sie gefrühstückt. Eine Stunde Fahrt lag noch vor ihnen, dann war Köln erreicht, wo sie ein paar Tage Aufenthalt neh men wollten, bevor sie den Rhein hin abfuhren. Für die herrliche Gegend, durch die sie der dahinstürmende Courierzug trug, hatten sie kaum einen Blick. Hand in Hand saßen sie, Auge in Auge, hin und wieder ein kosendes Wort, einen zärt lichen Kuß tauschend. Da nahm Albert zu seiner Verwunderung wahr, wie sich plötzlich ein Schatten über die noch eben strahlenden Züge Paula's legte, wie ihr Blick sich von dem seinen abwandte und wie sie mit nachdenklichem, trübem Aus druck durch das Fenster hinausstarrte und nun wahrhaftig, nun begann es um ihre Mundwinkel eigenthümlich zu zucken, als känipfe sie gegen ein sie überkommendes Schmerzgefühl vergeb-, lich an. Und da füllten sich anch ihre Auge» mit Tropfen, mit großen, hellen Tropfen und eben wollte er sie erschrok ken an sich ziehen, als sie ihm zuvorkam, sich mit konvulsivischer Heftigkeit an feine Brust warf und ein schmerzliches „Ach, Albert!" das in einem Thränen strom erstickte, hören ließ. Der junge Ehemann wußte gar nicht, wie ihn, geschah. Dieser plötzliche, un vermittelte Uebergang von heiterm, sorgenlosem Glück zum thränenvolle» Schmerz ohne irgend eine sichtbare Ur sache? Was hatte das zu bedeuten? „Um's Himmelswillen, Paula, Ge liebte, Engel," rief er, nachdem er den ersten, stummen Schreck überwunden, „was ist Dir? So sprich doch, ich bitte Dich, mein süßes Weib!" Sie gab keine Antwort, ihr Schluch zen wurde immer heftiger. Es schien, als ob die Thränenströme, die sich all zusehr angestaut haben mochten, sich erst rückhaltsloZ Bahn brechen mußten. Der juuge Ehemann fühlte sich mehr als unbehaglich. Die Ungewißheit, wodurch dieser heftige Schmerzensans bruch hervorgerufen, war äußerst pei nigend. Hatte er sie durch eine Unbe dachtsamkeit gekränkt? Oder sollte ein plötzlicher körperlicher Schmerz sie über fallen haben? Er sühlte sich hilflos, kein eindring liches Fragen, kein bittendes Zureden brachte sie zum Sprechen. Ihn, blieb nichts übrig, als ihren Thränen frein, Lauf zu lassen und, während er lieb kosend ihren Kopf streichelte, ergeben zu warten, bis der Paroxismus des ersten Schmerzes vorüber. Endlich gelang es ihm, ihr Köpfchen von seiner Brust zu lösen und ihr in das immer noch thränenfeuchte Auge zu blicken. „Aber Kind, was hattest Du nur thut Dir irgend etwas weh?" Sie schüttelte den Kopf und zog ihr Taschentuch, um sich die Thränen vom Gesicht zu wischen. Ter salzige Quell schien endlich versiegt. „Aber so erkläre mir!" Sie ergriff seine beiden Hände, hielt sie mit krampfhafter Zärtlichkeit fest und begann: „Siehst Du, lieber Albert, als ich Dich vorhin so strahlend vor Glück sah und als ich mein eigenes Herz vor un nennbarer Wonne schwellen fühlte, da fuhr mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf: Nein, fo viel Glück kann nicht immer dauern! Du kennst den Ring des Polykrates. Je höher der Gipfel, aus dem man sich befindet, um so leichter und gesährlicher der Sturz in die Tiefe. Ach, Albert." Ihre Stimme nahm eine» tremoli renden Klang an und in ihren Mienen begann es von Neuem zu zucken. „Ich bin so glücklich, so überaus glücklich in Deiner Liebe. Doch, wenn ich daran denke, daß Du jemals auf hören könntest, mich zu lieben, so könnt' ich vor Schmerz vergehen. Ich er trüg'S nicht, ich würde daran sterben!" Sie umschlang ihn wiederum mit nervöser Heftigkeit und ein neuer Thränenstro», ergoß sich über ihr« Wangen. Den jungen Ehemann hatte da? un erwartete Geständniß so völlig über rascht, ja verblüfft, daß er eine ganze Weile kein Wort fand, ihrem erneuten Weinen Einhalt zu gebieten. Erst als sie von selbst aufhörte, fand er di« Sprache wieder. „Aber Du bist doch ein rechtes Närr chen," begann er mit einer Miene, die zwischen Lachen und Aergerlichfein die Milte hielt. „Wo denkst Du hin: Ich sollte aufhören Dicy zu lieben? Un sinn! Wie kannst Du nur auf eine solche Unmöglichkeit kommen!" Er legte seinen Arm um ihren Hals und drückte ihr Köpschen sanft an feine Wange. „Tu großes, kleines Kind, Du! Mich so zu erschrecken! Das wirst Tu mir nicht wieder thun wie? Ich aufhö rn,, Dich zu lieben? Nie, niemals!" Sie blickte mit bittenden Augen zu ihm aus. „Nicht böse fein," schmeichelte sie. „Ich weiß nicht, es kam so plötzlich über mich. Aber nun, nun bin ich wieder ganz beruhigt, ganz glücklich!" Sie.preßte den Mund aus den seiner, «nd küßte ihn mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit. Gar angenehm verstrich dem junge» Paare die letzte Stunde der Fahrt, zwischen Küssen und heiterm Plaudern.' Und als der schrille Pfig der Lokomotive die nahe Station ver» kündete, da fuhren sie mit einem Auf schrei staunenden Schreckens auseinan der. „Wie schnell doch die Zeit vergeht!" Nachdem das auf der Hochzeitsreise befindliche Paar sich in Köln ein wenig geruht, sah es sich mehrere Sehenswür digkeiten an. Dann nahmen die jun gen Leutchen, die beide längst den un angenehmen Zwischenfall in, Coupe vergessen, im Hotel ein opulentes Diner ein, bei den, sie mehr als einmal mit den Champagnerkelche» auf ein fröhli ches, wolkenloses Eheleben anstießen. Ach aber, als sie kurz darauf in ihrem Zimmer saßen, verfinsterte sich mit einem Male wieder das hübsche Gesicht der jungen Frau. Sie ließ das mit starken dunklen Haarflechten geschmückte Köpfchen betrübt in die Hand sinken, und als sich ihr der junge Ehemann mit besorgter Miene näherte, da sprang sie vor ihm auf, flüchtete in den äußersten Winkel des Zimmers, legte die ver schränkten Arme an die Wand, preßte ihr Gesicht darauf und fing an herz brechend zu weinen. Dem erschreckten Ehemann fiel die Cigarre aus dem Mund. „Aber, zum Henker, was hast Tu nun schon wieder?" fragte er, etwas unwirsch. Erneutes, heftiges Aufschluchzen, keine Antwort. Albert Tornow nahm seine Cigarre auf, fetzte sie von Neuem in Brand und warf sich verdrießlich in einen der Fanteuils, die um den Sophatisch stan den. Das war nun schon der zweite Thrä nenerguß am ersten Tage seines jungen Ehelebens. Eine nette Aussicht sür die Zukunft! Doch vielleicht war das nur vorübergehend, die Folge der vielfachen Gemüthsansregungen der letzten Tage, des Scheidens aus dem Elternhause n. s. w. Er hatte doch früher keine so melancholische Grundstimmüng ihres Wesens an Paula bemerkt. Freilich, er hatte bisher eigentlich noch nicht so recht Gelegenheit gehabt, Paula gründ lich kennen zu lernen. Es war eine „Liebe auf den ersten Blick" gewesen, die sie einander in die Arme geführt. Anf einem Balle, während einer Besuchs reife, hatte er sie zum ersten Male ge sehen und an, anderen Tage bereits ihr Herz und Hand angetragen. Dann waren sie immer nur für kurze Zeit, wenn er einmal zum Besuch kani, zusammengewesen und es war ihm ganz natürlich erschienen, daß sie bei seiner Ankunft Frendenthränen und bei fei nem Abschied Tyränen des Trennungs schmerzes vergoß. Doch jetzt —? Sollte etwa das Weinen in Permanenz erklärt werden, das ganze Eheleben hindurch? Ihm schauderte. Ein Geräusch von der Ecke her, wo Paula sich befand, entriß den jungen Ehemann feinem Grübeln und bewog ihn, sich nach der Weinenden umzuwen den. Sie hatte sich von der Wand ab gekehrt und ging mit flehend erhobenen Händen auf ihn zu. „Verzeihe mir," sagte sie, während noch die Thränen an ihren Wangen glänzten. „Als Du vorhin Deine Ci garre anstecktest, kam mit einem Male die Erinnerung an an Papa über mich. Auch er Pflegte nach deni Essen regelmäßig seine Cigarre zu rauchen und dann nahm ich die Zeitung und las ihm vor, während er sich aiif das Sopha streckte. Ach, der arme Papa, wer wird ihm jetzt die Zeitung vor lesen?" Ihre Augen begannen wieder ver dächtig zn zwinkern. „Die armen El tern! Da zielien sie einen mit Mühe und Sorgen groß und zum Dank dasür läßt man sie, wenn sie alt geworden, im Stich, herzlos, egoistisch." Wieder kollerten ein paar große Tropfen über die noch feuchten Wangen hinab. Dein jungen Ehemann aber schoß das Blut zum Kopf empor. Aer gerlich sprang er auf. „Höre mal, das ist kindisch!" rief er heftig. „Wolltest Du etwa Zeitlebens am Schürzenband Deiner Mutter hängen? UebrigenS, glaube ich, daß Deine Eltern ganz froh sind, daß sie Dich —" Er stöckle. Sie aber wankte, wie oon einer Züchtigung getroffen, zurück und sank wie gebrochen auf das Sopha. „Daß sie mich los sind?" schluchzte sie. „O Du herzloser, Du Du schändlicher Mensch!" Und sie breitete die Arme über den Tisch, legte ihr Antlitz darauf und weinte, weinte mit allen Kräften, mit förmlicher Inbrunst. 1v« schien, als ob für sie im Thränenvergießen der höchste Genuß läge. Vergebens war all sein Bemühen, sie zn versöhnen, verge bens alle Bitten, alle Schmeichelreden, vergebens auch alle Drohungen, alle Scheltworte. Sie hörte gar nicht auf ihn, sondern gab sich mit allen Sinnen der bitteren Wonne des Weinens hin. Sie schien sich ganz in Thränen auf lösen zu wollen. In Heller Verzweiflung ergriff de» junge Ehemann seinen Hut und eilte zur Thür hinaus. So etwas war ihm noch nicht vorgekommen. Dagegen fühlte er sich machtlos, widerstands unfähig. Stundenlang lies er in den Straßen umher, ziellos, planlos, nur mit der Absicht, der Weinenden Zeit zu lassen. Alles auf Erden nahm doch cinmal ein Ende. Der Fluth folgte die Ebbe. Auch die tiefste Quelle mußt, sich schließlich erschöpfen. Und doch mußte er. als er nach drei Stunden in'S Hotel zu Paula zurück kehrte, zu seinem Entsetzen die Erfah rung machen, daß Frauenthränen un erschöpflich sind. Sie empfing ihn mit »»geminderte» Thränenströmen und verharrte immer »och, den Kopf anf den Tisch, in der Haltung der Schmerz gebeugten, Granigekttickte». Si» weinte, weinte Der erste Tag in Albert Tornows Ehe war vorbedeutend sür alle übrigen. Bei dem geringsten Anlaß, gleichviel ob es ein schmerzlicher oder srcudiger war, öffneten sich die unglaublich ela- stischen Thränendrüsen Frau Paulaj und ergossen mehrere Süiidsluthcn sal zige» Wassers. Die ewigen Thränenströme, die de» Thränen seiner Gattin entquollen, schwemmte» alle Freude, alle Behaglich keit aus Albert Tornows Leben hin weg. Weinte sie, so machte ihn da« nervös, verzweifelt, rasend weint> sie nicht, schluckte er beständig in de, qualvollen Erwartung des nächste« Thränenergusses, der so sicher kam, wie die Nacht nach dem Untergang der Sonne. Jedwedes Ereigniß, gleichviel welche» Art es war, gleichviel ob es sie persön lich, einen ihrer Angehörigen oder auch einen wildfremde» Menschen betraf, veranlaßte sie, dem ihr angeborenen Hang zu thranenreichen Klagen zu fröh nen. Erblickte sie auf der Straße arme Menschen, denen Elend und Kum mer von den blekhen Wangen, ans den hohl liegenden Augen sah. so feuchteten sich flugs ihre Augen vor Mitgefühl mit den Anderen. Sah sie aber fröhliche Gesichter, so empfand sie Mitleid mit sich selbst, sie bedauerte sich selbst, klagte, daß sie nicht fröhlich mit den Fröhlichen sein konnte, daß ihr Schick sal sie an einem Mann gekettet, der sie nicht verstand, der gefühllos, herzlos, ein Barbar wär, unfähig, das weiche, empfindsame Herz seiner Fran nach Gebühr zn schätzen, der, wenn sie weinte, nicht mit ihr weinte, sondern schalt und fluchte oder gar lachte. Als seine Frau ihm ein Knäblein gebar, wiegte sich Albert Tornow in der frohen Hoffnung, daß nun euie Wen dung zum Besseren eintreten würde, aber im Gegentheil, Frau Paula weinte jetzt mehr, als je. Fehlte dem Kind das Geringste, hüstelte es, oder hatte es sich ein wenig den Magen ver dorben, so sah sie schon schwere Krank heit, ja Tod und Begräbniß voraus und sie weinte, als sei schon in Wirk lichkeit geschehen, was ihr melancholi scher Sinn ihr vorspiegelte. Sie ent wickelte überhaupt eine erstaunliche Phantasie, allerlei Unheil vorauszusehen und vorauszuahnen, und jede solcher Unglücksprophezeiungen begleitete na türlich eine mehr oder minder heftige Thränenverschwendiing. Einmal überraschte er sie, wie sie, den Knaben auf dem Schooß, mit thräneniiberströmten, vom Schmerz ver zerrten Gesicht dasaß. Erschrocken fragte er, was geschehen sei. „Ach." entgegnete sie schluchzend, mit der Miene höchster Verzweiflung, „ich dachte soeben daran, daß ich bald ster ben werde. Was wird dann aus mei nem armen Kinde werden? Gewiß wirst Du ihm eine böse Stiefmutter geben, die mein Kind schlagen und hungern lassen wird. O mein armes, armes' Kind!" Und sie preßte das erschrockene Kind mit so ungestümer Heftigkeit an sich, als stehe die böse Stiefmutter, die Ruthe schwingend, bereits leibhaftig hinter ihm. Der unglückliche Ehemann zuckte die Achseln, schwieg und machte sich aus dem Staube, die einzige Taktik, welche er den sentimentalen Anwandlungen seiner Frau gegenüber anwandte. Mit allen andern Mitteln: mit Strenge so wohl wie mit Milde hatte er auch nicht die geringste Wirkung erzielt. Er hatte längst eingesehen, daß er der Sentimen talität Paula'S gegenüber vollständig machtlos war, daß er sie über sich erge hen lassen mußte, ergeben, wie man ein Naturereigniß hinnimmt. Nicht nur in sein Privatleben griff diese unglückliche Gemüthseigenschaft feiner Fran störend ein. anch in seinem Berufe brachte sie ihm Schaden und Verlust. Zwang ihn irgend eine ge schäftliche Angelegenheit, eine Bespre chung. eine Conferenz, längere Zeit von Hause entfernt zu sein, so konnte er sicher sein, daß sie sich bei seiner Rück kehr dahin gefiel, die Gekränkte, die Verlassene, die schmählich Verrathene zu spielen. Begegnete er ihren Vorwürfen mit der Entschuldigung, daß es ja Ge schäfte gewesen feiott. die ihn fern gehal ten, so schüttelte sie mit tragischer Miene den Kops. „Geschäfte? DaS dauert nicht so lange. Aber ich weiß, wo Du warst ich weiß es." „So? Wo war ich denn," fragte er halb neugierieg, halb grimmig. Was fragst D» mich. Dn weißt es doch am besten selbst." Sie gebot den Thränen, die schon bei seinem Eiirtritt geflossen, eine Sekunde lang Einhalt und blickte ihm trinmphi rend, mit dem Bewußtsein, mit ihrer Anklage ihn niederzuschmettern, in die Augen. „Bei Deiner Geliebten warst Du." llud sein bestürztes, gänzlich fassungs loses Schweigen für ein volles Geständ niß nehmend, fuhr sie, während ihre Thränen mit erneuter Heftigkeit zu flie ßen begannen, fort: „Ja, ein« Geliebte hast Du. Ich habe es längst gemerkt. Tu liebst mich nicht mehr, ich bin Dir nicht mehr schön, nicht mehr jung genug. Ich weiß. Du betrügst mich." Aber wer hat Dir denn solch einen Unsinn in den Kopf gesetzt?" fragte er endlich, im Gefühl seiner völligen Schuldlosigkeit. „Wer mir das sagt?" Sie deutete mit tragischem Pathos auf die linke Seite ihrer Brnst. „hier mein Herz sagt mir's. So etwas siihl man." Und ohne weiter auf die Bcthcuerun-- gen seiner Schuldlosigkeit zu hören, gab sie sich wie immer mit voller In brunst ihrer Lieblingsbeschäftigung hin den, Weinen. Unter diesem unruhigen Geiß fing Albert Tornaw's Gesundheit an zn leiden. Er magerte ab, wurde blaß, nervsß, sein guter Appetit und sein gesunder Schlaf flohen ihn. Und sie, die über die Fliege an de, Wandsich in Thränen auflösen tonnte, fühlte lein Erbarmen, kein Mitleid mil dem Manne, dem sie jede Freude am Dasein geraubt, dem sie das Leben ver gällte, zur Last »lachte. Ja, sie wußt« nicht einmal, daß sie die Ursache seiner zunehmenden Hinfälligkeit war. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, welch' eine furchtbare Geißel ihre thränenreiche Sentimentalität für ihren Gatten war. Und so traf es sich gänzlich unerwar tet, daß er eines Tages, der ewigen Thränen müde, in einem Anfall ver zweifelter Entschlossenheit, das Hans verließ, daß sie ihm zu einem Ort un behaglicher Ruhelosigkeit, beständige» Schreckens gemacht, mit dem festen Vor satz, lieber zn sterben, als noch einmal zu ihr zurückzukehren. Als sie den Brief, in welchem er ihr in kurzen, klaren Wsrte» die betref fende Eröffnung machte, gelesen, da hob sie in stummer Anklage die Arme gen Himmel. So hatte sie also doch Recht gehabt. Ihre Ahnung hatte sie nicht betrogen. O über den schändlichen, gewissenlosen Mann, der einer andern, einer leicht sinnige» Person wegen, sein braves, gutes, armes Weib im Stich ließ, sie, die nie gegen ihre Pflicht gefehlt, die immer einen exemplarischen Lebenswan del geführt! O wie schändlich er gegen sie han delte! O wie bcwciiienSwerth doch ihr Loos war! Wie das Unglück sie ver folgte, sie immer verfolgt hatte und sie verfolgen werde, bis das arme, geprüfte Herz ihr brach! Und sie weinte, weinte, wie sie noch aie und das wollte viel sagen in ihren, Leben geweint hatte.... Die Geschichte eines BildeS. In einer Hamburger KunstanSstel .nng befindet sicy gegenwärtig ein Kin derpastellbild von Gottfried Hofer, wel ches durch das, fast bis zur Kühnheit Flotte in seiner Auffassung und Dar stellung die Blicke auf sich zieht. Es ist ein Knablein, mit broncirter Haut farbe und wirrem braunen Kraushaar, das, nackt bis anf eine gelbe Weste, auf einem weißen Polstc, sitzt und mit sei nen runden Beinen spielt. Es ist ein Momentbild, mit photographischer Raschheit ersaßt, dabei aber doch wie der erfüllt von jenem Reiz des Selbst geschauten. der das Bildniß von der Photographie linterscheidet. Das Bild hat seine kleine Geschichte, die zwar sür die Beurtheilung des Wer kes selbst ohne Belang ist, doch das Wiedererzählen schon darum lohnt, weil es einey ganz reizenden Beitrag zu dem Capitel „Wie Bilder entstehen" ticsert. Vor einiger Zeit war, so berichten die „Hamb. Nachrichten", das Bildniß der Mutter dieses runden, brünetten Knäb leins in demselben Kunstsalon ausge stellt, gleichfalls von Gottfried Hofer gemalt. Auf der Wanderung nach dem Atelier des Künstlers war die Dame zuweilen von der Amme ihres Söhn leins und von diesem selbst begleitet worden. Offenbar scheint das Bildniß der Mutter seinen Bestellern rechte Freude gemacht zu haben, denn kurze Zeit nach seiner Ablieferung kam die Amme allein j» dem Künstler mit der schüchternen Frage, ob er wohl ganz im Geheimen, ohne daß die Eltern davon erführen, nicht auch das kleine Söhnlein malen könnte. Der Geburtstag von Madame stehe nahe bevor, und da möchte die Amme ihr diese Freude bereite». Der Künstler ging mit guter Laune aus die „Bestellung" ein, flink und flott lebte das Contersei des kleinen BübleinS in den kräftigen Pastcllfarben auf, die der Maler so gewandt zu handhaben weiß, »nd am bestimmten Tage stand es fertig im Rahmen vor der Amme, die sich »un erst wie von einer bange» Ahniing beschlichen fühlte. „Nun sagen Sie mir aber auch,was ich schuldig bin. Herr Maler," fragte sie einigermaßen gedrückt, ihr abgegrif fenes Geldtäschlein verlegen in den Fin gern drehend. Der Maler machte ein sehr ernstes Gesicht, schien alles vorerst im Einzelnen auf seinen Kostenwerth genau zu berechnen Leinwand, Farbe, die aufgewandte Mühe, bis er endlich im Ton ehrlicher Ueberzeugung sagte: „Na. wissen Sie, Kathrin, un ter fünfzig Pfennig wird es wohl nicht gehen!" Ein mächtiger Athemzug der Erleichterung entrang sich Katha rinens Lippe». „Das langt gerade »och," sagte sie in einem Tone, der dankbar sein sollte, in dem sich aber doch auch schon wieder etwas von Gönner haftigkeit mischte. „Wenn es mehr ge wesen wäre, hätte ich es nicht bezahlen lönncn." Und dainit zählte die gute Kathrin ihre klimpernden sünf Rickel stücke in die breit ausgestreckte Rechte des Malers. Die Welt. Daß aus dem Nichts die Welt erstän de» wäre, Tie hcilt'ge Wissenschaft dies leugnen will; sie stellt entgegen jener alten Lehre Den Grundsatz aus: ISx vilulo tit »jl. Wie sonderbar! Räumt man des Satzes Wahrheit ein. Dann kann die Welt ganz wohl aus Nichts entstanden sein. Weil er eine Sammet ho>e trug, wurde in Frankfurt ein Droschlentutschcr vom Schöffengericht zu drei Mark Strafe verurtheilt In Folge der Berufung sprach ihn die Strafkammer frei, worauf die Straf kammer die Hofe an die erste Instanz zurückverwies. - Der Droschkenkutscher hatte sich so auf feine schöne Sammet- Hose gesreut, und nun muß er einsehen- Keine Hose ohne Dornen. Schlagende Widerle gung. „Ich sindt es unerklärlich, daß mich meine Kollegen alle für einen Hasenfuß halten. Von der ganzen Sippschaft hat doch Keiner die Courage gehabt, meine Alte zu Heirathen a<s wie Ich!" Gigerl» Räch«. A»n R»r,i» Siiek. Der pensionirte Oberförster Wald mann war ein herzensguter Mensch von offenem, geradem Charakter, der nichts mehr haßte, als das Gegentheil davon. Wie alle Jäger liebte er Frohsinn und Heiterkeit, vertrug auch gern einmal einen sogenannten guten Puff, wosür er sich dann gelegentlich revanchirle. Derartige kleiue Scharmützel bestand der Oborsörstcr zum Vergnügen der Stammtischsreunde oft mit dem dazu gehörige» Apotheker des Ortes. Die Gelegenheit hierfür bot sich häufig, wenn das Gespräch auf die vom Apothetcr Körner vertretene Medizin kam, wäh rend Waldmann der Naturheilkunde huldigte. Gewöhnlich erlitt der wenig redegewandte Jäger eine Niederlage im Wortgefechte mit seinem Gegner. Die ser, bedeutend jünger, war auf vielen Gebieten gut beschlagen, für weK)e der Forstmann weniger Interesse zeigte. Dennoch verstand letzterer, sich gewisse Blößen des Apothekers nutzbar zu ina chen, um ihm eins zu versetzeir. Kör ner kleidete sich nnter anderen nicht nur gern, sonder» trieb diese sonst entschuld bare Angewohnheit so weit, daß sie de» Namen „Modethorheit" verdiente. So ungefähr standen die Angelegenhei ten. als Oberförster, Apotheker, Amts richter u. f. w. an einem regnerischen Sommerabende um den Tisch der „gol denen Birke" saßen. Waldmann und der modern gekleidete Körner hänselten sich so lange, bis der alte Forstmann seinem Gegenüber das verhängnißvolle Wort „Gigerl" entgegen schleuderte. Dieser Ausdruck traf den eleganten Apotheker mitten in s Herz. Der sonst nie verlegene Herr war vor Aerger nicht im Stande, den Oberför ster zn bedienen, der den Anzug Kör ners vom Standpunkt des „Gigerl thums" in höchst humoristischer Weise zergliederte. Die Tischgesellschaft war auf's höchste animirt und freule sich königlich. Endlich hatte der rnhig gewordene Apotheker sich so weit gefaßt, daß er Waldmann zurief: „Den Gigerl schenke ich Ihnen nicht! im Uebrigen hier meine Hand. Der alte Forstmann schlug kräftig ein: „Ich bin kein Spielverderber, lie ber Körner, wir bleiben die alten Freunde." Als an diesem Tage die fröhliche Sitzung ihr Ende erreichte, schien dem Apotheker plötzlich ein genialer Gedanke zn kommen, sein Gesicht verklärte sich und zu dem Stammtisch gewandt, rief er plötzlich aus: „Meine Herren, ich lade Sie Alle hier an, Sonntag znm Frühschoppen zu einer Pfirsichbowle ein. Dabei wollen wir die alte Freundschaft auf's Neue besiegeln." i „Topp, wir sind dabei," tönte es unisono, und der Wirth notirte schmun zelnd die bestellte Bowle. „Also Sonntag Vormittag nach dem Bade» um zwöls Uhr, seid pünktlich!" An, Sonntag Vormittage plätscherte der Stammtisch in, erfrischenden Wasser des unmittelbar an der Stadt gelegenen Sees. Nur der Apotheker fehlte noch. Endlich kam auch er. „Dachte schon, Sie wollten die Bowle ohne uns austrinken, alter Pillen dreher," rief ihm Waldmann entgegen, „aber Donnerwetter, wie sehen Sie aus, Sie eleganter Schwerenöther?" ' „Neuestes Modejournal. Toilette kI» nennt man dies," lachte vergnügt der Angeredete, streifte seinen großkarrirten Anzug, das großgeblümte Oberhemde ab und legte Alles sein säu berlich neben das Jägerkostüm Wald manns. der den Witz, welchen er darü ber zum besten geben wollte, um deS Friedens willen mit etwas Seewasser verschluckte. Jetzt wurde etwas weiter in den See hinaus ein kleines Wett schwimmen veranstaltet. Der Apothe ker schien aber bald zu erlahmen, den» er machte immer kleinere Schwimmbe wegllngen, und als alle Anderen eine» bedentenden Vorsprung vor ihn, hatte», kehrte er Plötzlich schnell um, schwamm an's User, kleidete sich hastig an »nd verschwand schnell in der Richtung nach der Stadt zu. Als die Andern am Ufer ankamen »nd sich nach dem Apotheker umsahen, wetterte Waldmann: „Potz Mauser und Zündnadel, ich glaube, der Pillendreher spielt Versteck mit mir und meinen Sachen.... Kör ner , Körner!" Aber alles Rufen war vergebens. Körner war längst nicht mehr am Platze, hatte aber feinen Anzug » l» statt dessen liegen lassen. „Wenn ich nur wüßte, wo er mein« Sache» hingethan hat," jammerte der Oberförster. „Das kann ich Dir ganz genau sagen." versetzte J»stizrath Schlau, „er hat sie sich selbst angezogen." „Amtsrichter, das ist Diebstahl," brüllte der alte Herr, „den Spitzbuben sollst Tu nächstens verdonnern!" „Nein.... nein...." vertheidigte Schlau, „hier liegt kein Dolus vor... KörnerS Anzug ist dreimal so viel werth wie Dein Jagdhabit." „Aber mir ist er jetzt unersetzbar.... was sänge ich an was thue ich?" „Nun nun beruhigt Dich, altes Haus, begütigte der Richter, „Du ziehst aus wenige Augenblicke KörnerS Anzug an .... Ihr Beide gleicht Euch ungefähr in der Figur und bevor wir uns zur Bowle fetzen, wechselt Ihr Eure Toilette." „Nie und nimmer lause ich als Gi gerl Hum Gespött der Einwohner durch die Straßen.. ..Höll' und Teufel ich werde dem Apotheker ein Rezept ein« geben, das sich gewaschen hat!" Ei» kühler Lustzug strich über den See, so daß der alte abgehärtete Jäger in seinen nassen Badehosen ein wenig fröstelte, während die Andern in ihre Kleider schlüpften. SanitätsralHMatz, welker ebenfalls zur Gesellschaft gehörte, hielt sür seine Pflicht, dm um seinen Anzug Geprell- ten ausmerksain zu machen, daß seine Gesundheit Schaden erleiden könne und daher besser sei, gute Miene znm böien Spiel z» mache». Der alte Jäger sah schließlich ein, daß all' sein Wettern die Kleider nicht herbeischaffe» u»d er sich bequemen mußte, diejenigen KörnerS anzu ziehen. „Nicht 'mal mein Hemd hat er mir gelassen," stöhnte er, als er das große gemusterte bunte Hemd des Apothekers mit dem vorn weit ausgeschnittenen Kragen überwarf. „Ich glaube gar, der Kerl trägt Frauenzimmerwäsche", schimpste er, dieser Kragen sieht aanz danach aus... Himmelweiter .... soll ich in der That in diese Beinkleider, in diese Narrenjacke steigen .... ich, ein altgedienter könig licher Förster, sehe aus wie ein Toll häusler." Dann zog er sich an. „Du, Waldmann", lachte der alte Sanitätsrath, daß ihm die Thränen herunterliefen, „Deine Hasen »nd son stige Wildbraten würden sich freuen, wenn sie Dich jetzt sehen könnten!" „Doctor und Apotheker stecken, wie stets, unter einer Decke," wüthet? Wald mann und schickte sich an, den Anderen nach der „goldenen Birke" zu folgen. Seine Hoffnung, wenig Leuten z» begegnen, erfüllte sich nicht. Da kam die höhere Töchterschule, mit den Leh rerinnen an der Spitze, um eine» Aus flug zu »lache» erstaunt blickten Alle auf den alten Herrn .... „Guten Morgen, Herr Oberförster .... wie sehen Sie aus " „Na, Obersörsterchen, ist eS mög lich " „Waldmann Mensch!" schrie ein Bekannter ihm entgegen. Vor de», Stadtschulhause stand eine stnabenschaar, die auf etwas zu warten schien. JeHt erblickten sie Waldmann. „Hurrah, unser Oberförster und sein schöner Anzug leben hoch!" schrieen die offenbar von Körner angestifteten Stangen. Der Lärm rief die Leute an's Fenster: . Herr Oberförster.... Herr Ober förster!. ..." Das war zn viel. Wald mann lief, was er laufen konnte.rannte an einen Schornsteinfeger, warf eine Obstfran mit ihre,u nm, trat ei nem kleinen Köter auf die Füße und kam in Schweiß gebadet in der „golde nen Birke" an. „Waldmann, wie sehen Sie aus," lachte ihn, Körner gemüthlich entgegen, ils der Abgehetzte sich nach Lust schnap send niederließ. Der Angeredete schnellte inipor, zog das Jaquet a»s »nd schleu ste es Körner gegen den Kopf. „Nur nicht weiter, altes Haus." sti chelte dieser, „wir sind zum Trinken, nicht um zu baden hier." In demselben Augenblick trat das Faktotum aus Körners Apotheke ein und bestellte, indem er dem alten Herrn ein amsangreiches Kleiderbündel überreichte, zetreu seinem Auftrage: „Eine Em pfehlung vom Herrn Ap'theker.... er iat aus Versehen des Herrn Oberför !terS Sachen angezogen.... Sie möch ten» nicht übel nehmen." „Waldmann," sprach Körner, der lun »äher getreten war. „das war nur Higerl's Rache gut sind wir nns )och ... und wenn Sie sich umgekleidet zaben.sa biete ih Ihnen bei der Bowle, )ie ausgezeichnet gerathen ist, die Brü serschaft an." Der Förster murmelte etwas in deir Bart, was daraus schließen ließ, daß er <ich doch noch nicht ganz über den ihm zcspiclten Streich beruhigt hatte; doch US er erst wieder in seinen eigenen Kleidern steckte und erst die Bowle ge lastet hatte, war auch bald der letzte Funke von Groll hinuntergespült, Brüderschaft mit dem Apotheker getrun !en und dieselbe gefeiert bis in die Nacht hinein. Wie lernen unsere Kleinen aus wendig? „Komm', Jürgen, wir wollen ein kröchen fingen." „Bitte nicht wieder von die „fettige ßnh!" „Zeitige Schuh? Lieber Junge, was fällt Dir ein?" Nach längeren Auseinandersetzungen wird klar, daß Jürgen das Lied meint: „Wo findet die Seele die Heimoth. die Ruh? Wer deckt sie mit schützende» Fit ligen zu?" Du er lispelte und sich bei den Worten nichts zu denken vermag, so sind ihm „fettige Schuh" aus den schüt zende» Fittige» geworden. Dies Beispiel steht nicht vereinzelt da, man glaub, laum, wie vcrsläuduißvoll ost Kinder wieder lernen. So zangein Kind jahrelang mit seiner süßen kleinen Stimme: Abend enue wie bist Du so schon, wie Kailo»e»wonnc ist Dein Glanz zu seh n" (statt: „nie kann ohne Wonne Deinen Glanz i.„ seh n"). Diese Beispiele ließen sich vcrhniidcufa chen. Genuß ist es gut, das Gedächtniß frühzeitig, »och vor dem Schutbesuch,zu itben, aber eine verständige Mutter muß .'S sich vor allen Tinge» angelegen sei» lassen, sür das Verständniß der Kinder passende VerSchen und Lieder zn wählen. Keine Sprache ist ja so reich an schönen skindcrlicder» ernsten und fiteren In halts wie gerade unsere deutsche. Aber selbst in de» eigens sür Kinder gedichtete» Liedern dürfte es hin und wieder nöthig fein, dem lindlichen Ver ständniß durch ein erklärendes Wort zu Hilfe zu komme». Wir können nicht dringend genug alle Mütter bitten, das nicht zu versäume». Die Begriffe wer den auf diese Weise spielend bereichert »nd das AuffafjungS - Vermögen ge schärft. Die Mutter kann der Schule wesentlich vorarbeiten, auf diese Weise die Kinder srüh gewöhnen, ansmerksam und nach klarem Verständniß zu stre ben, zwei Eigenschaften, die sie vor wärts bringen in Schule und Lebe». Beim Wort genommen. Mann: „Wie, Du willst schon wieder rinen neue» Hut haben ? Der alte ist doch noch ganz gut!"— Frau: „Daß «r alt ist. sindest Tu also auch?"
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