2 Der Schmetterling. von «lex. Das junge Mädchen saß an der Seit« veS schmeichelnden Galan. Es war ein herrlicher Sommermvrgen, der kleine Park dünkte Einem schier das Paradies, die Bäume er schimmerten in saftigem Grün, die Rosen weinten vor Freude thauige Thränen. Das Pärchen lachte vor sonnigem Glück, die ganze Schö pfung schien's mitzuempfinden. „Du bist mir Alles, Kind," sprach er nnd streichelte ihr goldiges Haar. „Warum glaubst und vertraust Du mir nicht, schicke doch die Zweisel znm Teu fel, womit soll ich Dir denn meine Liebe beweisen? Du mußt sie ja fühlen, si< spricht zu Dir mit jedem nieincr Hände drückc, mit jedem meiner verliebte» Blicke, mit dcm Hauche meines Mun des, der Dich streift." Sie richtete ihre Augen auf ihn und schwieg. Alfred verstand es trefflich, z» schmei cheln. zu tändeln, zu kose», Liebens würdigkeiten und Komplimente zu spre chen. Dabei klang seine Stimme so ehrlich, ans seinen Augen blitzten be redte Flammen. Er hatte Glück bei den Mädchen, da rum flatterte er von der Einen zur An deren. Wie schnell gelangen ihm doch seine Eroberungen! Nur Ella war so schwer zu besiegen; dies kleine, junge Mädchen besaß Lcbensernst, Stolz und trotzte dem LicbeSgotte. Man merkte es ihr an, wie sie mit dem eigenen Her zen schwer kämpfen mußte. So saßen sie schweigend neben einander. <wie dachte, ob es das wahr« Glück sei, das ihr hier entgegenlache? Und er ersand inzwischen nene glühende, flammende Schmeichelrcden. Da schwebt plötzlich über ihnen ein häßlicher weißer Schmetterling. Alfred greift noch ihm, doch ohne ihn zu er reichen. Der Schmetterling schaukelt und gaukelt immer auf demselben Plätzchen, er will nicht fort, trotz Al fred'S mehrmaligem Haschen. Eine gewisse Spannnng entsteht zwischen dem Paar; Ella rückt sogar weiter, Alfred stockt, als er ein warmes Wort reden will. Der wogende Schmetterling stört ihn, er nimmt seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Das verstimmt ihn, er wird ärgerlich, eine rasende Wuth gegen den spielenden Falter ersaßt ihn. Er jagt ihm nach, es ist vergeblich. Einen Au genblick verläßt das scherzende Insekt die Beiden, doch bald flattert es wieder über ihren Häuptern. Alfred kann keine Silbe hervorbringen jedcZ Wort erstickt in seinem Munde. Ella bemerkt seine Verlegenheit.... er weiß nicht, wie er sich entschuldigen soll .... Der Fall ist ihm in seiner Liebespraxis noch nicht vorgekommen. Jetzt springt Alfred in die Höhe, er drückt mit feinem Hut das arme lose Ding zu Boden, um es sodaun wüthend zu zertreten. Als er sich danach zu Ella setzen will, stößt sie ihn von sich. Tiefes Mitleid mit dem unschuldig ver schiedenen Falter spiegelt sich in ihrem Anlitz. Dann flammt es jählings in ihr auf und im schreienden Tone ruft sie ihm zu: „Jetzt erst sollst Du die Autwort er halten. erbärmlicher Mensch ohne Hcrf und Seele. Ich liebe Dich nicht, ebenso wie Du mich nicht liebst, weil Du nicht lieben kannst. Du bist selbst ein Schmetterling tändelnd nnd wir belnd, kosend und spielend, einen kur zen Sonimcrtag. Du verdienst dasselbe Schicksal, das Du socbcn dem unschul digen Thierchen gegeben. Geh' von mir mit Deiner glitzernden, flüchtige» Eintagsliebe.... ich bitt' Dich, kreuze nicht mehr meine Wege." Sie kehrte dcm bleiche», sen Maniic dcn Rückcn und ging davon, eileuden Schrittes. Er wagte cS nicht, sie anders zu bestimmen oder ihr zu folgen. Resignation. Erst dacht' ich: „Ohne Resi Kein Heil in dieser Welt!" Jetzt seh' ich, daß die Pcpi Mir g'rad so gut gefällt. Und seit die fesche Kathi Mein weites Herz regiert, Ist es geheilt von Grund aus. Ist völlig rcsi-gnirt. Neulich schlug eine cng - tische Zeitnng vor. man sollte Kro kodile cinsühren und mit ihnen die Themse bcvöttcrn, damit dicscs Thier zeug den Fluß und die Londoner Ka näle rein halte. Das Krokodil, sc wurde ausgesührt, verdanke seine Hant dem Schmutz, dcn es fresse; das sei aber eine gute Eigenschaft, .welche ausgenntzf werden könne, um London rein zu halten. Der üb«gen liebens würdigen Eigenschaften der Thiere ge dachte der Artikelschreiber nicht. Sächsisch. Tante: ~Ei herrjeses nee, nu' habt Ihr den zweeten Jungen schon gelricht, das is aber scheene." Vater: ~Ja, das is ooch wärklich scheene; awer nu zerb.'ächen wir uns den Kopp, wie er eechentlich Heeßen soll." Mutter: ~Jch imnhte gerne, daß er Moriz Höchen soll, awer das will inei Mann »ich." Tante: ~Jch will Eich den kästen Rad gäben —: Da dcr Erschte doch nu' eemäl Alwin heeßt, so bleibt doch beim A-B-E und läßt den Zweeten Baul dausen!" „M ach eSßZentgen recht, Vielen gefallen ist schlimm." sagte Schiller. Bei den Frauen ist das Um gekehrte richtig, da ist Vielen gefalle» weit weniger schlimmer, als es Wenigen recht machen. -Gegen die schädliche Wir kung des Rauchens gibt es ieiue voll kommene Abhärtung. Der Vesuv raucht unausgesetzt und speit dock) zu weilen. Durch schlimme Gcwohn hciten werden schneller Mißbräuche ge schaffen, als durch weise Gesetze besei tigt werden können. »a» In die Spanne Zeit, welche wir Tag nennen, macht das Mittagsmahl einen bestimmten merklichen Einschnitt. Es bezeichnet de» Höhepunkt des Tages, den Augenblick, wo die Thätigkeit, welche er zu erfüllen hatte, bis zu einem gewissen Abschluß gedi'ehen ist und sich der Körper durch Kost und Rast für die weiteren Stunden zu kräftigen hat. In dieser Gewohnheit sind sämmtliche Kul turnationen gleich ; nur daß die Zeit, zu welcher sie die Hauptmahlzeit ein« nehmen, sehr wechselt. Die Mode mit ihre» Laiv.ieu hat Saraus einen ebenso großen Einflnß, wie der Wille des Ein zelnen, welcher unabhängig in den Obliegenheiten, die seinen Tag ausfül len, die Theile desselben nach eigenem Gutdünken durch das Mittagsmahl in mehr oder weniger gleiche Hälften schei det. So aßen die Könige von Frank reich im 14. Jahrhundert um acht Uhr Morgens ihr Diner. Unter Ludwig XIV. war dasselbe bereits in die elfte Stunde des Vormit tags verschoben. Ludwig XV. dinirte schon um zwei Uhr. Seit der Mitte dieses Jahrhunderts hat man das Mit tagessen in Frankreich allmälig dem Abend immer näher verlegt; augenblick» hch ist man im Allgemeinen bei der sechsten Stunde angelangt, aber bei dem Streben, den Tag stets entschiedener in den Abend hineiuzuzwiugen, muß die „große Nation" schließlich wohl dahin gelangen, das Mittagessen erst am an dern Tage zu nehmen. Aehnlich ver hält es sich in England. . Noch unter Heinrich VIII. dinirte man bereits um zehn Uhr Vormittags. Die jungfräu liche Königin ließ sich ihre sehr kräftig zubereiteten Schüsseln schon eine Stunde später auftragen, .aß jedoch bereits um sechs Uhr des Abends,zur Nacht, also zu einer Zeit, wo augenblicklich John Bull kaum zu Mittag essen mag. In Deutschland aß man bis i» die ciller neueste Zeit stets um zwölf Uhr; erst jüngst ist die Mittagi-mahlzeit aus eine spätere worden. Auch hat sich im allgemeinen der Norden nur dieser Sitte angeschlossen, während i>er Süden, Oesterreich mit inbegriffen/ noch immer an der guten alte» Gepflo genheit festhält, welche die Zeit zwischen zwölf und ein Uhr als die Mitte des Tages für nm geeignetsten hält, di- Hauptmahlzeit einzunehmen. Wie man über die Stunde des Mit tagsmahls uneins ist, so erst recht über die Art und Weise, wie dasselbe zube reitet oder genossen werden soll. Jedes Volk hat seine besondere Küche, und diese Verschiedenheit des Daumens er streckt sich wieder bis aus den Einzelnen. Was dem Einen mundet, dünkt dem Andern ungenießbar; Jeder hat fein Lieblingsgericht, welches ihm nicht oft genug aus den Tisch wiederkehren kann. Allerdings hat sich in den oberen Stän den eine gewisse Kochart eingebürgert, welche man mit einigen. Recht als in ternational bezeichnen darf. Dasselbe gilt von der Reihenfolge der Schüsseln, unter denen die Suppe den ersten Platz einzunehmen pflegt. Aber selbst von dieser Regel komme» immerhin genug Abweichungen vor. Von Friedrich kohlrausch, dem vortrefflichen Gelehr ten. wird erzählt, dah er die Suppe stets zuletzt aß. Als ihn einst ein Gast seines immer offenen Hanfes nach dem Grunde fragte, sagte ihm dieser treu herzig in seinem kraftvollen, westfäli schen Dialekt: „Tat dau eck nt gauden Gruniie! Wenn eck de Suppcn tanlctzt etc, dann löpct de Löcker so nett vull!" Sprach's und schwang den Löffel fleißig in das dampfende Gebrühe, welches den Teller bis zum Rand füllte. Einen ähnlichen Grundsatz befolgt: mau bei einem Diner, welches im Jahre 1882 die Theilnehmer der "kx^osition stalteten. Man wollte ein Mittags mahl zu Staude bringen, welches einen gewissen Zusammenhang erkennen ließ, mit dem phantastischen Streben, zu dem sich diese Gesellschaft bekannte. Das Diner wurde also rückwärts servirt, in dem man mit Kaffee und Ligueren be gann. sich daraus dem Dessert zuwen dete und schließlich über Gemüse, Braten und KompotS zur Suppe gelangte. Bei dieseni Anlas; kam übrigens die Macht der Gewohnheit auf die überzeugendste Weise zum Vorschein. Der Magen war nämlich mit dieser Vergewaltigung so wenig einverstanden, daß sich bei den meisten Thcilnehmcrn de» Diners »och beim Esse» ein bedenkliches Uebelbefin» den einstellte der weiteren Folgen nicht zu gedenken, welche eine solche Re volution der Tischkarte zu Wege brin ge» mußte! An Ausschreitungen und Albernhei ten, in welcher sich ein rasfinirter Gau men offenbarte, hat es gerade beim Diner niemals gefehlt. Die übrigen Mahlzeiten des Tages bieten bei der verhältnißmäßigen Knappheit der Zeit, welche für sie zu Gebote steht, im Allge meinen nicht die Veranlassung dazu; beim Diner dagegen konnte der Ge schmack Purzelbäume schießen und der Gaumeu in den Orgien schwelgen, die der Mensch eine Spanne höher im Ge hirn ausheckt. Wer die Verkehrtheiten, in denen sich die Nachkommen Adams gefallen, etwa schildern will, würde das ergiebigste Material auf diesem Gebiete vorfinden. Dabei scheint'in der That die Gegenwart von der Vergangenheit nichts gelernt z.u haben. Der Kuiser Vitellius hatte als Lieb lingsgericht bei' seinem Diner eine Schüssel, welche ans den edelsten Thei le» seltener Thiere bestand. Zumal gern «ß er die Leber von Pfauen und Fasanen. Hand in Hand mit solchem Raffinement des Gaumens ging die VerschivendungSsucht. Man erzählt von einem gewissen Apicius, daß er ein Vermögen von neunzig Millionen Se sterzien zu keinem anderen Grunde zu rücklegte, als gut dasür zu essen. Als er dann nach einiger Zeit fand, daß er nur Aach zehn Millionen übrig hatte. nahm er Gift, weil er fürchtete, Hun gers sterben zu müssen. An solchen DinerS, welche nur ver anstaltet werden, um einerseits einen Tummelplatz für die Verschwendungs sucht zu gewähren, andererseits zu zei gen, bis zu welcher Verirrung des Ge schmacks ein überreizter Gaumen gelan gen kann, fehlt es noch heute nicht. Fürst Bjeloferski, ehedem ein Krösus unter ten Großen des Zarenreiches, hat es verstanden, innerhalb weniger Jahre sein Vermögen im Betrage von 6V Millionen Rubel in den Freuden der Tafel zu vergeuden. So wettete er einmal mit dem Groß fürsten Nikvlai, er werde ihm in irgend einem Restaurant binnen "kürzester Frist ein so seines Diiler austragen lcksseu, wie es jeuer trotz seines Ranges nicht zu Stande bringen könne. Die Wette wurde angenommen und bei „Bowel", dem Sammelplatz der russischen llesss clor«?, zum Austrage gebracht. Mehrere Mitglieder derselben wurden eingeladen und einigen von ihnen die Rollen der Unparteiischen übertragen. Der Großfürst bestellte sein Diner zu erst, und eS war selbstverständlich, daß es aus den theuersten und seltensten Gerichten bestand, welche die augenblick liche Küche herzustellen versteht. Am nächsten Tage kam die Reihe an Bjeloserski. Auch sein Diner stand auf der gleiche» Höhe der kulinarischen Weisheit: eine köstliche Schüssel reih!« sich an die vorausgegangene; mindestens wurden die Gänge keinesfalls von denen überboten, mit welchen der Großfürst Tags zuvor seine Gäste bewirthet hatte. Nun kam das Dessert. Mehrere Diener trugen eine mächtige, wanneartigo Schüssel aus getriebenem Silber herein und stellten sie in die Mitte des Tisches. Als man de» Deckel abschob, bot sich ein ebenso entzückender wie unerwarteter Anblick dar. Umgeben von den selten sten Früchten, auf einem Lager von Blumen ruhte, als Bacchantin gekleidet, die durch ihre Galanterien nicht weniger als durch ihre Schönheit bekannteSchau spielerin Deveria. Die Unparteiischen erklärten nuumehr einstimmig, daß Bjcloscrski die Wette gewonnen und der Großfürst die sehr erheblichen Kr:-gs losten zu zahlen habe. Das Mittagsmahl, wie es unter wirthschaftlich gefunden Zuständen aus unsern Tisch kommt, weiß von solchen Ausschreitungen selbstverständlich nichts. Man braucht, wofern die Mittel vor handen sind, kein Freund von schmaler Kost zu sein und spartanische Genüg samkeit des Gaumens zn predigen; aber die Thatsache bleibt bestehen, daß das niödcrne Diner, welchem wir zumal bei Festlichkeiten und Geselligkeiten be gegnen, im allgemeinen weit entfernt davon ist, einem späteren Geschlecht etwa als nachahmungswerth hingestellt zu werden. Die mannigfachen Schüs seln erregen unfcre Eßlust, ohne sie zu stillen. Wilhelmine Buchholz, der köst liche Typus einer echten Berlinerin aus dem soliden Mittelstände, erzählt aus ebenso einleuchtende wie humorvolle Weise, daß sie süc sich und „ihren Karl" erst einige tüchtige Butterbrode herrich tete, wenn sie beide vom Diner nach Hause kamen. Dazu gesellt sich man cher Umstand, wodurch bei einem sol chen Gastmahl unser Behagen an den Schüsseln, wenn nicht anfgehoben, so loch wesentlich verringert wird. Wäh rend alle übrigen Sinne in einen ge radezu überreizten Zustand versetzt wer den, zieht der Geschmack selbst den Kür zeren. ' Tingelstedt that deshalb einmal den Ausspruch: ~Ein großes Diner ist eine lange Tasel, die wie ein Silber- und Krystalllager aussieht, links und rechts eine Klcidcrwaarcuhaudlnug daran!" Das mag boShast sein, aber es ist wahr! Das stupide Essen ohne Unter haltung zeigt gewiß von wenig Urbani tät: allein die Art und Weise, wie man die Tafelrunden augenblicklich mit un nöthigen Zugehörigkeiten libenistet, ist nicht minder zn verwerfe«. Wenn wir gerade unsere Lieblingsbissen an die Lippen führen wollen, wird ein Toast angekündigt. Wir müssen diesen, der oft so langweilig und albern ist, wie man ihn eben nur bei einem Diner zu hören bekommt, anhörbii, mag auch das Gericht darüber kalt und unschmackhaft werden. Dazu kommen die mannig fachen Rücksichten auf schöne Nachbarin nen zur Rechten und zur Linken, hüben oder drüben, die nicht allein unterhal ten, sondern auch bedient sein wollen. Wer tönnte oabei noch Muße zum Essen gewinnen! Da war der alte Brauch doch besser, wie er sich in folgen dem Merkvers kund thut: „Das Mittagessen sei bereit Stets pünktlich zur bestimmten Zeit. Das Tischgeschirr sei >blink und blank, Dann mundet besser Speis' und Trank' Wer Speisen auftrügt, sorge auch Zu thun, wie s guter Sitte Brauch. Nach Tisch stell' man das Zimmer her, Als ob nicht drin gegessen wär'. Wer's darf der kann nach Mittag ruh'n, Wer'S nicht darf hat wohl was zu thun!" Nein, wir reden nicht der Knausere, das Wort oder einem Streben, welches Frohsinn und Geselligkeit von der Ta sel ausschließen möchte! Die Germa nen waren klug genug, die Freuden derselben hoch zu halte»; und bei der Offenheit, welche ihrem gesammten We sen ausgeprägt war, machten sie daranS auch nicht den mindesten Hehl. Dieser Zug blieb, hergeleitet durch das Geblüt, in den Nachkommen hasten. So be zeichnet zum Beispiel der Speisezettel des Gcrsthanses zum „Muthigcn Ritter" in Kösen als Erfordernisse eines guten Mittagsmahls das Folgende: „Ein freundliches Gesichte Viele gute Ge richte Weine von Gewichte Eine schöne Nichte Eine lustige Geschichte —Hübsch hell und lichte —Beim Sitzen nicht so dichte Zuletzt eine gute Ver dichte." Wie weit der Trieb nach Ge selligkeit aber ging, erhellt sehr hübsch ichon allein daraus, daß an dem Mit- tagSinahl nicht allein die Familienge nossen in ihrer Gesammtheit, sondern auch ebenso die Gesindeschaft theilneh-, men mußte. Leider erstirbt der Brauch immer mehr; aber ebenso häufig tauchen auch Wiederbelebungsversuche aus, welche von dcn bcstcn Folgen siu: den Frieden und das Gedeihen des Haus wesens begleitet zu sein pflcgcn. Ebenso hielt man auch allzeit aus eine gute Unterhaltung, bewerkstelligt durch Rede und Gegenrede. In dcr „lnrzcn Tischzucht für die ungehebelten Grobiansknechte", einem vielgelcsenen Buche unsern Altvord«en, findet sich die folgende Regel: „Wenn von ande ren Leuten über Tisch etwas fürbracht wird, sollst Du nicht bald darein wa schen. So Du aber gefragt wirst, so antworte scin. kürzlich und bedachtsam was die Wahrheit ist und zur Sache dienet." Derselbe Autor nennt die rechte Würze des Bkihles die „lustigen Scherze uud die schimpfernstlichen Re den und Geschichten". Ueberhanpt finden wir in jenem sel tenen Büchlein, das aus dem Jahre 1594 stammt, über das Benahmen, welches in dieser entlegenen Zeit für wohlanständig beim Mittagsmahl galt, manchen wcrthvollen Ausschluß. Wenn Tu zu Gast gefordert wirst, so las; Dich nicht zchmal zerre» oder schieben oder heißen, baß man sich müde an Dir ar beite. wie die Schröter an einem Bier faß." Auch das Schläfchen nach Tisch, wie wir es heute so sehr lieben, zumal wenn dcr Körper die crstc überschäu mende Jugcndfrifchc ausgegohren, war bereits bei unseren Altvordern sehr be liebt. Natürlich wird es immer nur dann statthast scin, wenn das Mittags mahl in diejenige Zcit des Tages gelegt iK. von welchcr es dcn Namen sührt, nicht aber in die Abendstunde, wohin cs augenblicklich unter der Nachahmung einer nicht schönen fremdländischen Sitte immer mehr gedrängt wird. illuS dcm englischen Parlaments' leben. Aus dcm cnglischcn Parlamcntslebcn thmlt Karl Blind in dcr „R. F. Pr." folgende Züge mit: Die Abgeordneten haben meist ten Hut auf d.»i Kopfe; das ist das Zcichcn des frcic» Mannes. ES gibt sogar Umstände, untcr dencn sctbst ein Redner de» Hut unbedingt aufhaben muß, um sprechen zu dürfen, was in gewissen verwickelten Fällen zu gleich nicht anders als fitzend geschehen darf. Es ist vorgekommen, daß Glad stone, dcr sich dcs Hutcs gern entledigt, im entscheidenden Augenblick den seini gen nicht sindcn konnte. Eine hilfreiche Hand hatte ihm rasch einen anderen aus's Haupt gestülpt; aber siehe da, der ungewohnte Eylinder schwankte, da Gladstonc cincn Deutschland gewöhnlichen, in England Mr eher scltcnenSchüdelumsang besitzt, irrlichtc lirend auf fciiiem Kopfe hin und her. Mit Mühe den fremden Hut oben haltend, setzte dcr Redner feine An sprache untcr großem Gelächter fort; denn das ist auch eine Eigcnlhiimlich keit, der wic man meint, so steifen Eng länder, daß sie eine kindliche Freude an 7echt unschuldigen «pielen haben. Eme über den Flur dcs Unterhauses kriechcndc Schwabe hat schon cinmal dic ganzc Versammlung zu unbezähmbarer Neugier und Heiterkeit aufgeregt. Toch, uni wieder auf deu Rcducr zu kommen, gemeiniglich nimmt er den Hut ab wen» er sich erhebt uud stellt ihn auf seinen Sil'. Ist der Mann von etwas lebhaften Geberden, so kommt seine Hand, da die Bänke sehr nahe an cinandcr gcrückt sind, lcicht bci cincr besonders schwungvollen Anssiih ruilg mit dem nur zu oft kahlen Schä del feines Vordermannes in Berüh rung. Es erfolgt dann ein To», de» man 'ast für dcn Anfang cincr Bcifallsfalve alte» könnte. Ein Schmerzensrnf «teilt sich jedoch eher ein. Nicht selten begibt es sich, daß dcr Redner, nachdem cr mit cincr küyne» Wcndting acciidct, sich mit Hochbewußtsein—klatsch!—auf dcn eigenen Cylinder Niederläßt, was unter dcn großen Kindern stcts cincn Ausbruch dcs Jubcls hcrbcisührt. —Dcr Sprecher des Untcrhauscs heißt so weil cr nicht spricht. nnd feierlich sitzt cr in scincm hohc» geschnitz ten Thronsesjel da und läßt nur manch mal ein „Ordnung! Ordnung!" wie aus dcr Gruft hcräus crtöncn. Erst in den letzten Jahren hat cr sich ein paar Ausdrücke angewöhnt. Will ein Abgeordneter das Wort ergreifen, so darf er nicht darum bitten, sondern muß „dcs Sprcchcrs Auge erhaschen". In des Sprechers Belieben steht es, dcn stlimm zu ihm hin Zwinkernden nicht sehen zn wollen, und dieser erhält das Wort dann eben nicht. Um als Zuhörer dcn Verhandlungen beiwohnen zu können, muß man eine Unmasse von Förmlichkeiten und Hindernisse» über winden. Tie hereingelassenen Znhörcr aber haben, gesetzlich gesprochen, gar kein Recht, da zu sein. VcrfassuugS mäßig ist das Parlament nämlich eine geschlossene Gesellschaft. Die Zuhörer werden nur unter der rabulistischen Rechtsdichtung geduldet, daß man sie „als nicht anwesend" betrachtet. In England sind solche halsbrcchende Kunststücke der Logik beliebt. That sächlichsann ein einziges U»terhausmit alied durch den bloßen Ruf au dcn Vor sitzenden: „Herr Sprecher, ich sehe Fremde im Hause!" dic Räumung der Galerie erzwingen. DaS kam auch einmal während dcr grimmigsten Kämpft mit dcn Jrcn in den achtziger Jahren duchdie Bosheit eines derselben richtig vor. Umschrieben. „Wic ich ncu >ich Abend spät nach Haus'komm'.krieg' ich aus dcr Hausflur einc fürchterlich« Ohrfeige!" „Und was sagtest Du?" <»- „Gulen Abend, Weiberl!" Reich i st, wer seine Schul oeu bezahlen kann; reicher, wer'S trotz dem uicht thut. Im Da»«». Der Subalternbeamte Schulze bezicht sein Gehalt vierteljährlich und erhält nach Abzug aller Abzüge quartalitcr 517 Mark 5V Pfennig. Da er sich da mit einzurichte» versteht, so steht Schulze überall in dem Rufe, als habe er Ersparnisse: ja man munkelt sogar, daß er seine freie Zeit zum Eoupous abschneidcn benutze, was aber Daut der vielen Ansprüche, die an ihn herantre ten, zumal er »ocy Geschwister zu unter stützen hat, nicht der Fall ist. Die über seine Verhältnisse conrsi renden Gerüchte zn widerlegen, fällt unserm Freund Schulze um so weniger ein, als ihm der reiche Lcderhändlcr Lehmann seine liebreizende Tochter Mathilde nicht versprochen hätte, wenn er nicht auch der Meinung gewesen wäre, Schulze sei thalsächlich vermö gend. Ani 1. October, als Schulze eben sein Gehalt bezogen, kommt be sagter Schwiegervater in spe in einer Droschke vorgesahren und erbittet sich, da er seine Geldtasche vergessen, aber auf dem Wege zur Eisenbahn sei und nicht erst wieder umkehren könne, schnell anf einige Tage 500 Mark zur Abwickelung eines Geschäfts in Dres den. Schulze, der sich den Nimbus, Geld zu besitzen, nm keinen Preis neh men lassen will, gibt scin ganzes Ge halt bis auf deu Rest von 17 Mark 50 Pfennigen und der Schwiegervater durch das Entgegenkommen feines zu künftigen Schwiegersohnes angenehm berührt, sährt aus uud davon. Schulze beeilt sich nun zunächst, den Hauswirth auf die spätere Zahlung der Miethe vorzubereiten, indem er ihm gewissen haft den Grund der Verzögerung an gibt. Er sei zwar gewöhnt, seine Äiiethe pünktlich zn erhalten, erwiderte ihm der bramsigeWirth und sei es auch leichtsinnig, seine Gelder zu verborgen, während mau doch zunächst an eigene Verpflichtungen zu denken habe; aber acht Tage wolle er sich gedulden. „So ein verdammter Kerl", sagt sich Schulze; uimnit sich vor. nach Zahlung der Miethe sofort zu kündigen und tritt zornentbrannt den Rückzug au. Kaum, daß er feine Wohnung betreten und die Thür hinter sich zugeworfen, klopft es und aus sein kräftiges „Herein!" öffnet sich die Thür und vor ihm steht die Jammergestalt feines sich sonst sehr ab wartend verhaltende» Schneiders. „Seien Sie nicht böse. Herr Schulze", stottert, der Schneider, den seine Auf dringlichkeit selbst genirte; „aber ich habe heut noch bei dem Tuchhändler einen Wechsel einzulösen und "wollte höflichst bitten—" „Wieviel bekommen Sie denn, Herr Flick?".... „Nur 30 Mark; ich habe in der Er wartung. daß"— „Schon gut,—schon gut. Herr Flick; es thut mir aber leid, kommen Sie in acht Tagen wieder nnd nehmen Sie vorläufig fünfzehn Mark." „Danke, dauke, Herr Schulze, aber wenn Sie mir ausnahmsweise heut di' dreißig Mark geben könirten —." „Nehmen Sie nur, Herr Flick, und kommen Sie in acht Tagen wieder; meinetwegen können Sie dann sogar noch einen Vorschuß für s nächste Ouar tal bekommen, aber hent bin ich nicht in der Lage; ich habe mein Geld ver pumpt; hören Äsie, verpumpt, und n»n fcheeren Sie sich zum Teufel!" Wehmüthig schleicht der Schneider von hinnen und tiesbetrübt beliebäugelt Schulze den Rest seiner Habe von noeb 2 Mark 50 Pf. „Herein!!" „Juten Tag, Herr Schulze, ick bringe Ihne» ooch die Abbennemangsqnittung vor den Loealaiizciger, 80 Pfennige und 20 Pfennige vor't Sonntags blatt!" Die Zeitungsfrau war es, eine sonst so harmlose, alte Frau: heut aber in seinen Auge» eine raubgieNge Hyäue. die diese Worte au ihn richtete. Nach Abwickelung dieses Geschäfts blieben ihm noch 1 Mark 50 Ps., und trotz seiner, Bedrängnis; mußte er herzlich lachen, als die Alte beim Gehen mit dem Schu sterjungen dermaßen carambolirte, daß die erstere sämmtliche AbonnciiientS quittungen und der Junge die Stiefel falle» ließ, die er Herrn Schulze zu überbringe» hatte. Auf die halb schüch terne, halb ironische Frage, ob der J»nge die Rechnung mitgebracht, er hält Schulze die beruhigende Antwort: „Nee, soll ick sc holen?" „Las; nur scin. mein Sohn, ich komme schon selbst mit lieran" und Schulze, im srohen Gefühl, wenigstens dieser Gefahr entgangen zu fei», gibt ihm 10Pfennig Trinkgeld, die der Junge schmunzelnd einsteckt und sich dankend empfiehlt, sich aber nochmals bereit erklärt, die Rech nung, die er eigentlich nur liege» gelas sen, sosort zu holen, worauf Schulze selbstredend nicht reagirt. Eine Treppe höher als Schulze wohut die Nähterin Lerche, die schmucke Marie, die gestern erst zugezogen nnd die erste rer zum Ausbessern mehrerer Wäsche stücke anch sogleich erworben. Die Er ledigung hätte durchaus keine Eile ge habt und Schulze hatte das auch aus drücklich vorher betont. Sei es nun aber, daß das arme Mädchen selbst Geld gebrauchte, sei es, daß sie sich recht pünktlich zeigen wollte; kurz und gilt, Marie bringt dem alle Pünktlich keit verwünschenden Schulze die Wäsche uud liquidirt schüchtern uud zögernd 1 Mark und 20 Pf. Schulze opferte auch dieses Geld, so daß ihm nur noch 20 Pfennige, sage zwanzig Pfennige und die Aussicht ver blieben, davon acht Tage sein Dasein zu fristen. Doch noch war ja Polen nicht verloren; noch ist es Zeit, denkt Schnlze. Für 20 Pfennige fahre ich bis zum Landsberger Thor, da wohnt mein Freund Lampe, der muß borgen; alle» dings meine einzige Hoffnung. Gesagt. gethan; Schulze geht zur Pferdebahn und besteigt dieselbe gleich uitia mit einer ihm bekannte» Freuu- din seiner Braut, die er artig degrüßt, indem er sich nach ihrem Befinden an gelegentlichst erkundigt. „Nach dem Landsberger Thor!" Der Schaffner überreicht ihm das cou pirte Billet und Schulze gibt ihm seine letzten 2V Pfennige. „25 Pfennig, mein Herr!" Schulze denkt, der Schlag solle ihn rühren. „Gib Deine Uhr," flüstert ihm sein gatcr Genius zu. „Nehmen Sie meine Uhr zum Pfande, Conducteur; ich habe leider mein Geld vergessen", und mit diesen Worte» zieht Schulze seine Uhr, wie er vermeinte. „Det is ja man 'n Proppeuzie her!" Schulze erbleicht; die Passagiere, un glücklicher Weise fast ausschließlich Da men, sangen an zu kichern und Erna, die Freundin seiner Brant errathet. Ja, es war ein Pfropfenzieher, der an der Nickelkette hing. Die Uhr hatte Schulze gestern zur Reparatur gegeben nnd es verabsäumt, sich vom Uhrmacher inzwischen eine alte Uhr geben zu lassen: während er an das Factum in seiner natürlichen Aufregung nicht mehr ge dacht hatte. Schulze hatte, wie gesagt, seine Ge sichtsfarbe gewechselt, er zitterte wie ein ertappter Verbrecher und war unfähig, auch nur ein Wort zu sprechen. War es nun Wnth über das erbärmliche Schicksal, war es verletztes Schamge fühl; feine Augen gingen ihm über und eine Thräne, die ihm entschlüpfte, sprach laut z» seinen Gunsten. Alle die jungen Mädchen, die ihm gegenüber saßen, hatten ihn weinen sehen und alle durch die Bank, hier im wahren Sinne des Wortes, fühlten Mitleid mit dem nunmehr interessant gewordenen Manne. Ein Backfisch, mit Mozartzopf und Mufikmappe sprach sogar seinen Ver dacht dahin aus, das; ihm wohl gar die Uhr gestohlen und ihm dafür ein Pfropfenzieher zugesteckt worden wäre, wogegen eine Dame aus der Markthalle protestirte uud ihr erwiderte: „Haben Sie Ahnung, Fräulein; die Uhr is versetzt, wat ja woll öfters vo» kommt und nu hat sich det Männeken man verdahlt." „Wat Hilst da allct leimen, hier haben Sie fünf Pfen nige und nu Schwamm drüber!" —- „Wer wird denn wejen sonne Plunderci so ville UfhebenS machen!" Ehe sie aber zur Ausführung kam, hatte Erna bereits für Schulze die fehlenden fünf Pfennig bezahlt und ihm anf seinen vielsagenden Blick, der ihr Schweigen :rbat, durch ein verständnißvollcS Kopf nicken beruhigende Antwort gegeben.— „Na sehen S' woll, nu is allens Widder nt's Loth, nu können Se sich bcesc hcirathcu," sagte die Gemüsefrau, wo durch natürlich die Lachmuskeln der wetterwendischen Mädchen auf's Neue angeregt. Schulze aber und Erna i,l neue Verlegenheit gebracht wurden. Am Landsberger Thor empfahl sich denn Schulze dem Rettungsengel in Mädchcngcstalt und der Zeugin seines iatalsn Abenteuers und suchte im Vor gefühl naher Hilfe seinen Freund Lampe auf. Herr Lampe sei verzogen, hieß es da. „Wann denn?" fragt Schulze. „Heut früh!" „Wohin!?" „Nach dem Potsdamer Thor!" „Gerechter Himmel," schreit Schulze in der Erregung so laut, daß ihn das Dienstmädchen, das ihm Auskunft ge geben, ganz verwundert anglotzt, wih cend Schulze nichts Besseres zu thun weiß, als wiederum das Mädchen anzu starren. „Wat is'n da zu verhimmeln." fängt endlich das Mädchen an zu svre chen, „wat mcencn Se'n, wenn ich im mer jleich in de Wolken fahren würde, wenn ick ziehe, und det passirt öfters, denn krichte mcr keene Herrschaft mehr zu sehn. Nu setzen Sie sich man uff de Pferdebahn und jondeln Se hin, Nr. 14 is ct. dicht neben Nr. 15; cen En deken weiter ruff nach Schöneberg zu, za is der schwarze Adler. Wenn S.' da hingehen woll'n und bis zum Sonn tag warten, denn komm' ick nach. Adche!" Das Mädchen hatte die Thür längkt wieder geschlossen, als Schulze endlich Anstalt machte, nach den, entfernten Potsdamer Thor sich auszumachen und zwar por psäss, da sei» Portemonnaie auch nicht einen Nickel mehr aufzuwei sen hatte. Eine Stunde später befand sich Schulze endlich vor der Thür seines Freundes Lampe. Schon auf dem Flur vor Lampe's Wohnung war es ihm, als höre er die etwas erregte Stimme feines Freundes uud vcriiihm denn auch, da er sich in weiterer Folge auf's Horchen verlegte, wie sich sein Frrnnd einem Anderen gegenüber dahin äußerte, daß es ihm vor der Hand un möglich sei, die überbrachte Rechnung zu bezahlen. Schulze wollte nunmehr sei nen Plan sofort aufgeben, sah sich aber im selben Augenblick seinem Freunde Lampe, der eben seinem Gläubiger die Thür geöffnet, gegenüber. „Schulze, Dich führt ein guter Ge .nus zu mir, komm' herein, alter Schwede und pumpe mir 300 Mark, um diesen entschuldigen Sie, mein Freund Schulze, Herr' Joseph Magnus, Agent!" „Kommen Sie, meine Herren, ich lade Sie zu einer Flasche Wein, komm' Schulze, kom men Sie. Herr Magnus; so, nun nehmen Sie Platz." Während Lampe sich nun mit dem Entkorken der Flasche beschäftigte, konnte Magnus es nicht unterlassen, die unbe zahlte Rechnung nochmals zu entsalten und Schulze dabei fragend anzusehen. „Herr Magnus, stecken Sie Ihr Pa pier ruhig wieder ein," fing Schulze dagegen an zu declamiren; „hier käm pfen Götter selbst vergebens, und wenn Sie mir das Document für zehn' Pfe nnig ließen, so müßte ich Ihr Anerbieten dennoch ablehnen, den» hören und stau nen Sie, ich habe vor eine« Stunde meine lebten »wanzia Vsennio iuf den Schienen der Pferdebahn sah. Ren lassen, in der Hoffnung, von mci nein Frcuud Lampe aus dem Dalles gerissen zu werden, der sich heut' an meine Fersen geheftet und anzuschauen ist, wie ein Ungeheuer, das aus dem Pechfaß gezogen." Nun schildert ihm Schulze feine Lag« und erzählt ihm Alles, was ihm heuk begegnet, so daß Lumpe in Helles Lache» ausbrach uud sich auch Herr MagnuZ nicht des Lachens erwehren konnte. „Junge, Du bist ja der reine Pech» schulze," meinte Lampe. „Ja, das heißt Pech haben," fügte Magnus hinzu, „ich werde Ihnen au? der Verlegenheit Helsen: geben Sie mii ein Papier über 35V Mark, zahlbar am 1. December: ich werde Ihnen 3M Mark baar geben." Schulze ging ohne Zögern auf da! Anerbieten ein und entpfing ebenfc schnell seine 300 Mark, deren Hälft» ihm aber Lampe sofort ungenirt ab pumpte. Daß nun die drei Genossen noch auf Veranlassung des biedern Lampe ein Lokal besuchten und daß er es dem Schulze überließ, die Zeche zu bezahlen, darf nicht Wunder nehmen, uud so kam es denn, daß Schulze endlich etwas an geheitert nach Hanse ging, oder viel mehr nach Hause fuhr. Das Schicksal bewahrte ihn aber dies mal davor, daß er in dieser Stimmung gesehen wurde. Inzwischen sind 14 Tage vergangen, Lehmann hatte das geliehene Geld zurückgezahlt und Schulze seine Abenteuer bereits vergesse», als er urplötzlich zu Lehman» gerufen wurde. Wer malt n»n seine» Schreck, als ihm derselbe mit höhnischem Lächeln seinen Wechsel präsentirt. „Also Wechselgeschäste, Herr Schwie gersohn in sps, Sie pumpe» Geld aus Wechsel?!" „Sie werden einsehen, daß Sie unter diesen Umständen auf die Hand meiner Tochter wohl verzichten müssen!" Schulze war sprachlos und wenn Mathilde, seine Mathild nicht plötz lich dazu gekommen wäre, er wäre zur Salzsäule geworden, wie weiland Loth- Frau. Mathilde aber, der die Verhältnisse ihres Bräutigams besser bekanut wa ren, als ihrem Vater und der Schulze Alles gebeichtet hatte, nahm sofort ener gisch für ihren Verlobten Partei und wußte Papachen auch bald zu gen, indem sie ihm Alles getreulich und haarklein erzählte. „Wie bist Du denn aber zu dem Wechsel gekommen, Väterchen?" „Den habe ich dem Agenten abge kauft, als er ihn bei meinem zufälligen Dasein bei einem Knuden, daselbst dis contiren wollte; er sollte die Marschroute werden für Deinen Zukünftigen, nun ist es anders gekommen und Gott gebe, daß er auch später keine Wechsel zu ma chen nöthig habe. Mehr Setrathen. Es ist kein Aufsitzer; die Spitzmark« ist nicht nicht nur so hergesetzt, um arg lose Jungfräuleins zum Lesen zu ver locken und nachher schmerzlich zu ent täuschen, sondern es handelt sich einfach darum, daß eine kluge uud warmfüh lende Frau, vou dem Jammer der Si tzengebliebenen gerührt uud vou der Lasterhaftigkeit der Hagestolzen abge stoßen, allen Ernstes die Männerwelt dahin bringe» will, insgesammt zu Hei rathen. „Ja, wenn aber nur auch die Männer wollten!" Sie werden wohl müssen, denn Frau Mathilde Reichardt- Stroniberg gibt in ihrem Schristchen: „Das Weib als Wehr gegen alle Vater landsfeinde" ein Mittel zirr Verwah rung der Ehe» a», das bei aller utopi stische» Färbung immerhin der Beach tung werth ist. Denn was ist uns Al les vormals utopistisch erschienen und ist doch wahr geworden. „Was hält die Männer vom Eheschließen ab?" fragt die Verfasserin. „Doch zumeist die Sorge, ob es möglich sein werde, lue Familie zu erhalten. Die Frau allein das ginge ja noch, aber die Kinder. Wshlan, so nehmt de» Vätern die <Ä.orge für die Erhaltung der Kinder ab uud sie werden lieber und öfter hei mthen. Die Sache ist nicht so schwer, kls sie aussieht. Wenn der Staat die Altersversorgung der Arbeiter und die Fixirnng eines Normalarbeitstages in die Hand nehmen kann nebenbei ge sagt, lamer Flickwerk, weil es nicht an die Wurzel der sozialen Mißlage reicht warum tönnte er nicht auch die Besor gung der Kinder au-f sich nehmen? Die Mittel dasür wären schon aufzubrin gen. Jeglicher Mann, jung oder alt, arm oder reich, vcrheirathet oder ledig, kinderlos oder mit zahlreichen „theueren Häuptern" gesegnet, soll mit einer fei nem Einkommen angemessenen Steuer leicht zahlen: der Arme, der keine Kin der hat, braucht ja nur einen geringen Obolus dafür zu leisten, daß er der Kinderforgen ledig ist; aber der Fami lienvater wird nach der Zahl seiner Kinder seine Steuer vervielfacht wieder zurückerhalten, da er aus diesem Steuercrträgniß den Unterhalt, eines jeden Kindes vergütet erhält. Da würde gleich viel lustiger daraus loSge- Heirath»t werden, da hatten die Frauen nicht nöthig, sich rn Bureaux oder Fa briken stecken M lassen und gegen die Männer den häßlichen Kampf um das karge Stück Brod kämpfen zu müjjeni da würde der oft erhobene Ruf: „Gebt die Frau der Familie zurück!" verstum men und weg wären mit einem Male alle Wünsche-i.-ach Frauen - Emanzipa tion, die ja doch nnr eine Erfindung der Sozialdemokrat»! ist. welche nicht nur die g«>zc Kultur nivcllircn möchte, soliden auch das, was nie zu nivelliren gehen wird: den Unterschied der Ge schlechter." So die Versasserin. Wir unterbreiten ihre Vorschläge einer grö ßeren Öffentlichkeit. Vielleicht finden sich die Regierungen und Parlamente bereit, daraus einziehen. Viele Menschen haben von der Weisheit nichts mehr, als di« Zähne.
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