6 LI ckiitvalo aleinano. IZiisn» noolis! Süß bernnschcndel tropischer Sommeriiachtstranm. Weiß schimmert die monddcglänztc Plaza inayor mit ihren Marmorsliescii, Marmorbänken, Marmorbrunne», aus denen plätschernde Wasserjtrahle» im Licht der tausend GaSslammcn wie Dia manten funkelnd aussteigen, und auf derselben wogt es durcheinander in allen Fnrbennnancen vom eisen beinmatten Teint der Kreolin bis zum Ebenholz schwarz der Regresse, iu eleganterPariser Toilette oder dem farbenprächtigen Ra tionalkostüm; säMier fast betäubend dus ten in der weichen Nachtluft erotische Blumen, starke Parfüms und das feine Aroma der den Enballeros wie den Sen noras gleich unentbehrlichen (Zigarillos! dnrch das Rauschen und Plätschern, das Lachen und Girren klingen die scheu Weisen einer Militärkapelle; im phantastnchc» Spiel wechselnder dichter fuukel» die sprühenden Tropfen, die Diamanten und die Glnthaiigen der Scnnoras um die Wette es ist ein Kliiigcn und Rauschen, ein Girren und Schwirren, ein Glühen und Sprüheil, ei» Duft uüd Glanz! Und dieses l>havs von Tönen, Far ben, Licht und Duft verschwimmt in der wohligen weichen Nachtlnst des Südens zu einem harmonischen Ganzen, dessen Baroclrahme» die alierthümliche Architektur des Palazzo de Gubernio, des Rcgicruttgspalastes und der Muni zipalitat, des Rathhauses, mit seinen altersgraue» düstern Holzkolonadeu bildet, überwölbt von dein tiesblaueu Nachihinimcl Perus, von dein die Sterne so groß nnd strahlend hcrabflimniern, als könne man sie mit Händen grei fen. Und der volle Mond, nicht der bleiche Geselle, der in nordischen B.citen „Füllt Busch und Thal Still mit Rebelglauz...." fond.rn eine mächtige gluthrotheTcheibe. ergicht sein magilches Licht herab, das selbst die Gasflammen verdunkelt, und trotz derselben scharse Schlagschat ten wirst; wie ein wollüstiger Rausch legt es sich über die Sinne, nnd die Englein im Himmel müßte» an den wandelnden Liebcspärchen ihre Freude haben, manchmal auch die Teufel in der Hölle. Tort auf der Marmorbank im Schat ten hochstämmiger M>>rthen nnd Fuchsien sitzt gleich ein Pärchen, an dem sich der Zauber der Stunde augenscheinlich evensalls wirkuugslräftig erweist. Und doch ist „Sie", Sennorita Dolores nicht nur eine der schönsten, sondern anch vornehmsten nnd reichsten Damen Limas, und „Er", Hans Ru denow ein armer Teufel von (hom inis, der Tags über in einem der dnuk keu Gewölbe uuter den Rathhauscolon iiaden hinter dem Ladentifch steht jene Gewölbe, die so unscheinbar aus sehen und doch für den Inhaber eine Goldgrube sind, denn jede echte Lima nerin würde ebenso leicht die Frühmesse als das tägliche „Shopping" durch die selben versäumen. Tort hat ihn auch Sennorita Dolo re- gesehen und hulvvoll ihr strahlendes Auge aus ihn geworscn, etwa wie Dame Potiphar auf den Joseph und, anfangs wenigstens, mit demsel ben negative» Erfolg. HauS Rude now ist freilich ein hübscher Junge, Antinonslops mit goldblonden Kraus haar und einem Paar stahlblauer Au gen, die leck genng in die Welt blitzen, cr ist eine schlanke, elastische Gestalt, und besitzt ein sicheres, gcntlcinanlikes Be nehmen cr ist als Sohn eines ehemals wohlhabenden Gutsbesitzers in guter Gciellschaft ansgeivachsen nnd nnr her übergekommen, um hier, in dem Lande dee rasch wechselnden l>hanccn,fchncllcr u Geld zn kommen und damit dem gesnn tenen Glanz seines vaterlichen Hauses wieder auszuhelfen, aber trotzdem ist er kein Mädchenheld und allen Ermuu ternngen gegenüber, die ihm in landes üblich ungeuirter Weise von mehr oder minder ichoneu Kundinnen wohl ge macht wo.deu sind, stets kühl bis ans Herz geblieben und nun gar der stolzen reichen Sennorita Dolores Pacheco gegenüber, die als aner tannte Schönheit von Lima gilt, suhlt und benimmt cr sich ganz nur als der simple ('onunis von Behr h Cia, eben weil cr im Bewußtsein seiner Ver gangenheit zn stolz ist, sich einer etwai gen hochnuithigen Zurückweisung aus zusetzen. Aber gerade das reizt die stolze, verwohnte Schönheit erst recht— was erst eine Laune, ein flüchtiges Wohlgefallen gewesen, wie es sich hier die Damcn nicht übel nehmen nnd die Gescllschast noch weniger, wird durch den ungewohnten Widerstand, den sie findet, zum brennenden Verlangen—sie läßt alle Künste der Koketterie spielen, und der Evfolg konnte bei einer «enno rita Dolores nicht zweifelhaft fein, noch dazu einem jnngen Manne gegenüber, der bei aller Selbstbeherrschung doch immer Sinne und heißes Blut in den Adern hat; seit geraumer Zeit schon liegt der arme Hans rettungslos in den Banden dieser Eirce, die seiner bereits überdrüssig geworden nnd im Stillen daran dentt, ihm mit gnter Manier den Lauspaß zn geben,- viv»r »ci^iisus! Aber das wird ihr diesmal nicht so leicht, wie sonst wostl bei dergleichen Assaircn —so souverän sie sonst ver steht, ihren Wille» geltend zu machen, und so gehorsam die olivensarbigeu Dons sich 'stets in das Unvermeidliche gefügt haben, — bei dicscm jnngen, blo:'.s'n Alemano mit fein.'r Lei denschaft ist es ihr selbst unbehaglich, ihm so geradezu den Stuhl vor die Thür zu setzen, und er macht es ihr auch so unbillig schwer, cr verkiekt gar keine Andeutungen; diese „Gniigos", wie der Einheimische die Ausländer spöttisch benennt, sind doch zn schwersat l'.,^--kein Wundcr, der arme Hwls träumt ja nur noch vou dem ewigen Besitze des Weibes, dem cr sein ganze» her, gegeben;— er ist eben bei aller in gewisser Beziehung aoch sehr unerfahren —und sehr deutsch! lind während sie auf der Marmorbant mi Schatten der Myrthen unter den klängen des Carmenliedes und seiner heißen Liebesworte darauf sinnt, wie zieser peinlichen Situatiou ein Ende Aachen, gibt er, vom Rausch der stunde fortgerissen, diesem Traum, zieser Hoffnung mit bebender Stimme Ausdruck, und sie erkennt, daß nun !eine Zeit zu verlieren, sondern daß ein snde gemacht werden muß, schnell ein Znde. Toch nicht hier, —er wäre in einer Leidenschaft wohl im Stande, ihr 'ine Scene zu macheu, leise drangt ie ihn etwas ab: „Pst, Don Juan, nicht hier vor illen Leuten. besuchen Sie mich norgen Abend, ich werde allein sein, M, Geliebter!) schlüpft sie von hm weg in s Gewühl, anscheinend in Ivlder Verwirrung—in Wahrheit froh, lM noch so entwischt zu,sein. Mit welchem Herzklopfen, mit welcher cligeii Hoffnung wandelt der gute Hunge am nächsten Abend den wohlbe annten Weg die Calle deMonlaS, hin >b zum Hause der Geliebten! Doch „Mit dem Tonnerworte Wird ihm ausgethau die Pforte: Die Du suchest, ist nicht hier!" „Sennorita Dolores ist schon heute Norgen verreist, hat aber für Seniior >ies Briefchcn hinterlassen." „Verreist?!" Wie eine kalte Hand cgt es sich ihm aus's Herz, mit zittern der Hand erbricht er deu Brief. Verzeihen Sie, daß ich mein Ber. 'prechen, Sie heute zu empfangen, nicht «alten kann, weil es mir peinlich ist, das mündlich zu sagen, was zoch endlich einmal gesagt werden mnß. Zie sprachen gestern die Hoffnung ans, nich einst ganz dir Ihre nennen zu lönnen, Sie müssen sich selbst sagen, zaß das unmöglich ist. Selbst wenn meine Angehörigen über den großen Unterschied zwischen uns in Bezug aus vermögen und Lebensstellung hinweg ehen wollten, was sie sicher nicht thun vürden, so tonnte ich mich doch nie ent chließen, einem inervli-rnts, einem Ge schäftsmann. nnd sei er noch so reich ind angesehen, meine Hand zu reichen, sondern nur einem Hidalgo, der Ossi ier oder sonst im Staatsdienst thätig st. Ich halte es deshalb sür besser, um uns Beiden die nothwendige Tren nung leichter zn machen, Ljma sür län zere Zeit zu verlassen, und ich hoffe, venn wir uus später wiedersehen, daß es in Freundschaft geschieht, und wir Seide ruhiger über die Sache denken. NiS dahin mit besten Wünschen für Ihr Wohlergehen Ihre ergebene Dolores Pacheco." Kurz und brntal! Einen Augeu zlick drehte sich Alles mit ihm in: Kreise, loch der lauernde Blick nnd das höhni sche Lächeln des Frauenzimmers, das lhm den Vries übergeben, bringt ihn schnell wieder zn sich. Mit gewaltiger Knftrengung rafft er sich aus und sagt anscheinend ganz ruhig: „Ich danke Ihnen, ich werde den Zlustrag der Sennorita Dolores besor gen! Xclios!" Damit schreitet er mit 'estem Schritt, aber wie ein Tränmen zer anfs Gerathewohl in die Straße hinein. Seitdem sind Monate vergangen, Monate voll Kampf und Vcrwüstnng. Denn der schon lange drohende Krieg mit Chile istsast unmittelbar daraus zum Ausbruch gekommen und wird beiderseits mit maßloser Erbitterung und Grausamkeit geführt, wenn auch nicht mit dem gleichen Glück. Die peruanischen Helden sind nnr tapser gegen wehrlose Gesangene, wo's Ernst wird, reißen sie gewöhnlich aus, wie Schameder, so daß die ohnehin besser diSciplinirten chilenischen Truppen, fast ohne Widerstand zu sinden, immer näher gegen die Hauptstadt vordrin gen. Um so mehr erregt es Aufsehen und freudige Genugthuung bei den Lime nern, daß eine einsige kleine Schaar, eine Guerillabande, in dieser Niederlage nicht nur die peruanische Wassenchre hoch hält, sondern auch dem Feind so namhafte Verluste beibringt, daß der selbe sogar einen Preis auf den Kops ihres Führers gesetzt hat. Aber das nutzt nichts, vergeblich sind alle Bemühungen, ihn zu fangen, alle noch so schlau gelegten Hinter halte, er ist eben noch schlauer! der wahre Uebecall und Nirgends, plötz lich taucht er aus, wo man ihn am wenigsten erwartet, wirft den über raschten Feind und ist wie in dem Erdboden verschwunden, ehe derselbe sich noch von seiner Bestürzung erholt hat. Die erbosten ChilenoS haben ihn deshalb mit dem Spitznamen "vl «tia volo sl>?in2iio" beehrt, das. nnd daß er ein noch junger blonder Mann, ist Alles, was mau in der Hauptstadt von ihm weiß, im Uebrigen schwebl über seiner Person ein mystisches Dun kel. Der Einzige, der sich aUcnsalls eine Vermuthnug bilden könnte, ist Don Gnillermo Vehr, aus dessen Ge schäft der junge Deutsche damals sc plötzlich ansgctreten, aber das ist hier etwas Gewöhnliches, wenn Einer was Besseres sinket, und Ton Gnillermo hal in dieser wilden Zeit seinen Kops so voll, daß er an einen früheren Kommis wohl kanm noch denkt. Und doch ist der berüchtigte Gnerilla. ches in der That Niemand Andres als Haus Rndenow. Im ist der Ausbruch des Krieges gerade recht gekommen, a!S eine Erlösung aus hoffnungsloser Qual, und nur in der Hossunng aus eine solche hat er sich in das brausende .Hampsgetümmcl gestürzt. Aber grade Solche haben ost ein gefeites Leben und nach und nach hckben dann das wilde lecke Ncitcrleben, seine ungebrochene Ingendkrait und die angeborene mär kische Ranslust das Ihre gethan, von der ansänglichen hoffnungslosen Ver zweiflung ist nur eine kalte Todesver- achkung übrig geblieben, die leck mn Tod und Teufel Karten spielt, und dic wilden Burschen, die er führt, willenlos mit sich fortreißt, trotzdem er, eben falls eine große Ausnahme im peruani schen Heere, unter ihnen strengst! Mannszuclsi hält. Und das Beides ist eben das Geheimniß seiner Erfolge. Sennorita Dolores hat diese Zeit „fern von Madrid" aus ihres Vaters Hazienda zugebracht, jetzt aber, wo die feindlichen Schaaren immer näher strei» fen, hält es derselbe doch sür gerathxn, sich mit den Seinen wieder in die sichere Hauptstadt zurückzuziehen, und hat sich zu diesem Zweck von dem perua nischen Oberkommando ein Geleite er beten. die ihm, dem reichen, angesehe nen Mann, auch bereitwilligst gewährt worden ist. Unter deren Schutz wird denn dic Reise nach der Hauptstadt an getreten. uud dieselbe gestaltet sich um so angenehmer, als der Führer des Detachements ein Bekannter des Hau ses, eiu junger Limener Hidalgo, Don Ensebio GÜtierre, ist, der ebenfalls einer reickM und vornehmen Familie angehörig, Don Pacheco als Schwieger sohn ganz willkommen wäre, und der denn auch dic schöne Gelegenheit aus giebig benutzt, seiner reizenden Schutz befohlenen nach Kräften den Hof zu machen und ihr wie ihrem Erzeuger versichert, daß sie unter seinem Schutz von den chilenischen Spitzbuben nicht das Geringste zn fürchten haben. Aber trotz dieser hochtrabenden Versicherun gen ist Don Eusebio einer der Ersten, der seine theure Haut hütet, als die Schutztrnppe von einer, feindlichen Streifschaar angegriffen wird, und Sennorita Dolores nebst ihrem Vater sehen sich in die nnangenehnie Noth wendigkeit versetzt, derselben als Ge fangene zn folgen, um so fataler, als die junge Dame als eifrige Patrio tin die EhilenaS glühend haßt, und der alte Herr weiß, daß man ihn bei seinem bekannten Reichthum gehörig schröpfen wird, ehe man sie losläßt. Doch das Schicksal hat es anders be schlossen, als das chilenische Streif corps anf seinem Marsch zum Lager in einem kleinen schattigen Thal Rast macht, nm die glühendste MittagShitze erst vorbei z» lassen, unh Alles sich mit echt spanischer Sorglosigkeit der Siesta überläßt, wird es Plötzlich in den die Abhänge bedeckenden Büschen lebendig, und mit eingelegter Lanze stürmt eine Reiterschaar auf das kleine Lager los, Allen weit voranf mit geschwungenem Säbel der jnnge Führer, bei besten An blick der Schreckcnsruf: „LI (liavolc, nl<?m!»no!" aus den Reihen der gänzlich überraschten erschallt. Das Getümmel dauert denn auch nur ein Paar Minuten, dann stäubt die chileni sche Abtheilung nach allen Richtungen auseinander, verfolgt von den wilden Lanzenreitern, während der junge Füh rer sich den Gefangenen nähert, und Sennorita Dolores glaubt im ersten Moment in die Erde sinten zn müssen. der Man», dem sie einst so verächt lich als „Geschäftsmann" den Laufpaß gegeben, steht jetzt als ihr Befreier, als )er gefürchtete Gucrillachcf nsr ihr! Wenn sie aber geglaubt hat. daß e> diesen ihm von einem boshaften Schick sal gegönnten Triumph nnn anch ge hörig ausnützen werde, so hat sie sich getäuscht. kühl höflich, wie vor einer Fremden, verneigt er sich, bedauert das Mißgeschick der Herrschaften, das die Dame einer solchen Scene ausgesetzt, und erbietet sich, dieselben soweit zu geleiten, bis sie vor weiteren herum streisenden seindlichcn Abtheilungen in Sicherheit sind, und Sennorita Do lores fühlt, daß diese cinsachen Worte etwas Andres bedeuten, als Ton bios hochtrabende Prahlereien. Aber gerade das läßt sie seine kühle Zurück haltung doppelt beleidigend empfinden, die deutlich zu sagen scheint, daß er mit seiner Neigung noch viel schneller und gründlicher e lig gewor e > als sie, und jetzt an Wichtigeres zu denke» habe, als au alte abgethane Liebesgeschichtcn; wäre er noch der unbedeutende Eomniis, würde es ihr sehr gleichgiltig sein, was er denkt und fühlt, —aber dieser Mann, der seinen Namen binnen Kurzem ge achtet nnd gefürchtet gemacht hat, den der Nimbus tollkühner Tapferkeit um gibt, der hat sicher noch eine glänzende Karriere vor sich, und wie gut steht der männliche entschlossene Ausdruck seinem Gesicht, dem man die Gewohn heit des Besehlens ansieht! Jetzt lohnt es sich schon eher, ernstlich a» ihn zu denken, ob er sie wirklich schon so ganz vergessen hat? Kanin glaublich dazu ist sie sich der Macht ihrer Reize zu sehr bewußt, jedenfalls ist die Sache einen Versuch werth. Aber das ist mir nicht so leicht. Hans Rnde now reitet, ganz von seiner Dienstpflicl>t in Anspruch genommen, meist an der Spitze des Silges, dessen Mitte Sennor Pacheco und seine Tochter einnehmen, und selbst anf den nothwendigen Ra sten halt er sich unter dem Anschein, die Herrschaften nicht belästigen zu wollen, dauernd in ehrsurchtsvoüer Ferne, was ihm Don Pacheco, der von den frühe ren Vezichuiigeu zwischen den Beiden natürlich keine Ahnung hat, als takt volle Zurückhaltung hoch anrechnet, während seine schöne, verwöhnte Tochter vor Ungeduld schier vergehen möchte. Endlich tan» sie s nicht länger aus halten, die Reise nähert sich bereits ihrem Ende, sie will wenigstens wissen, woran sie ist. Und so stiehlt sie sich denn während der letzten Mit tagsrast, dic sie in einem schattigen Ge hölz halten, leise von der Seite ihres schlummernden Vaters und wandelt langsam am Lager hin, wie nm Küh lung zu suchen, indem sie aber scharf nach „ihm" ninherspäht. Richtig, dort lehnt er am Waldrande einsam an einem Baum, die Arme über der Brust gekreuzt, und sieht in Gedanken ver lunken in dag sonncnbcglänzle Gelände hinans. „So verliest, Don Juan?" flötet es aus einmal neben ihm. Er fährt auf, auf dem weichen Moos hat er ihren Tritt nicht gehört, ein nichts weniger als freundlicher Blick streift sie. „Sie wünschen, Senno rita?" „Mit Ihnen zu sprechen, Don Juan, Sie weichen mir ja beständig au 5...." „Kann Sie das befremde? Ich meine, damit Ihren Wünschen entgehe:: zu kommen." „Sie zürnen mir " „Durchaus nicht, wie hätt' ich ein Recht dazu? Ich muß Ihnen ini Ge gentheil dankbar sein, das; Sie für uns Beide vernünftig waren." „Und wenn ich Ihnen nun sage, daß es mir leid thut, daß ich jetzt ganz an ders darüber denke.. Er hat bis dahin mit kühler Bitter keit gesprochen, jetzt sprüht eS in seinen stahlblauen Augen auf, daß sie funkeln, wie blanke Schlägerklingen, ein kalter Hohn legt sich auf fein Gesicht: „Weil ich kein „Geschäftsmann" mehr bin? Zu gütig. aber ich bedaure, von dieser gütigen Sinnesänderung keinen Gebrauch mehr machen zu können, Sen norita." Sie fahrt erbleichend auf, mißt ihn mit zornfunkelndem Blick und ramcht wortlos davon. Der Nest des Weges wird ohne irgend welche ferneren Berührungen zurückge legt, und als man sich Angesichts der Thürme von Lima trennt, erschöpft sich Sennor Pacheco in wortreichem Dank, der mit d.'r spanischen Höflichkeitsphrase schließt: „Wenn Sie nach der Haupt stadt kommen, bitte ich Sie, mein Haus als das Ihrige zu betrachten!" Ein vielsagender Blick sliegt bei diesen Worten zwich.'n Hans Rudenow und Sennoriia Dolores hin und her. wäh rend er mitruhuz« Höflichkeit ablehnt: „Ich habe nur meine gethan Don Pacheco, und die Wechselfülle des Krieges machen eS doch sehr ungewiß, ob ich im Stande sein werde, von Ihrer gütigen Einladung, sür die ich meinen verbindlichsten Dank sage, Gebrauch zu machen !" Damit grüßt er noch ein mal militärisch, und galoppirt mit sei ner Schaar davon. Nun. die „Wechselfälle" des Kriege» haben ihn verschont, er ist sogar zum Obersten aufgerückt aber das Haus Pacheeos hat er trotzdem nie wieder be treten. Sennorita Dolores hat sich getröstet und k»uta ct« misux einen steinreichen, aber schon etwas ältlichen Würdenträger mit ihrer kleinen Hand beglückt, aber so oft sie dem Colone! Rudenow, dem schönen, hochangesche nen Mann in der glänzenden Uniform, am dritten Ort begegnet, gibt es ihr doch jedes Mal einen Stich dnrch's Herz, und mit einem Zornblitz zischt sie Ter Zsreier. In einem Gebirgsdorfe des Brensch thaleS (in den Bogesen) saß vor einigen Tagen die ziemlich zahlreiche Familie' eines biederen Bewohners zur Abend stunde bei der Lampe Schein um den warmen Ofen, als plötzlich an die Thür geklopft wurde nnd ein Fremder eintrat, der nach der Kleidung zu schlie ßen zn Dianas Jüngern gehörte. Nach kurzer Einführung erzählie der Fremde, er komme aus einer Gemeinde bei Epi nal, wo er Förster sei, uud bringe Grüße von der ältesten Tochter des Hau seS, welche ebenda wohnt. War die Familie durch die günstigen Nachrichten über das Wohlergehen ihrer Tochter herzlich erfreut, so wuchs die Freude und auch zugleich das Ansehen des - korssiisr" noch mehr, als die ser erklärte, er sei gekommen, um sich eine Elsässerin als Lebensgefährtin zu suchen, und seine Wahl wäre auf eine Tochter des Hauses gefallen. Er würde sich um die ihm schon be kannte Tochter beworben haben, aber sie sei etwas zu klein von Person, und da sich zur Förstersfrau nur eine große Person eigne, so frage er jetzt bei dem Vater an, ob er nicht eine etwas größere heirathssähige Tochter besitze. Gleich Zfaak so erzähltZdie „Straßb. Post" führte nun der überglückliche Bater seine blühenden Töchter der vor. Und siehe da, der Grünrock wählte sich die größte und schönste der Töchter ins. Und nun wnrde in aller Eile ein Äiahl bereitet, daS bis spät in die Nacht dauerte, wollte der Bräutigam doch schon mit dem ersten Hahnenschrei wie der zurückkehren. Im Lause des Abeuds offenbarte nun der Zukünftige auch »och unter großem Bedanern, daß er seinen Geldbeutel nnd o Schrecken! mit demselben auch die bereits erstandenen BerlobungSringe verloren hätte. Die guten Leute versahen daher den Schwie gersohn mit genügendem Reisegeld, gaben ihm zwei Flaschen extrafeines Hirschwasser und einen Schinken mit aus die Reise und vertrauten ihm noch verschiedene Sachen für ihre in Frank reich wohnende Tochter an. Nach ab gegebenem Versprechen, er werde bald schreiben, um sich über den Zeitpunkt der Hochzeit zu einigen, verließ der mit den besten Segcns lvünschen die Familie aus Nimmer wiedersehen. Im letzten Hause des Dorfes gab er die für die Tochter mit genommenen Sochen mit der Bcinerknng ab, er müßte zu viel Zoll dafür ent richten. Feine Zurcchtweisnng. Zin noch jugendlich aussehender General geht im Ucberzieher die Straße entlang, !v daß die Abzeichen seines hohen Ran zes nicht erkenntlich sind. Ein Lieute aan. gleichfalls im Ueber,zielier, kommt chm entgegen und geht, ohne zn grüßen, oorübcr. General (den Ucberzieher ausknöpfend): „Warnm verweigern Sie mir den schuldigen Gruß?" Lieute nant: „Halte» zu Gnade», Excellenz, habe Charge nicht erkannt!" General: „Was sinS Sic denn?" Lieutenant: „Zu Befehl, Ercellenz Lieutenant!" Jeueral (gutmiuhig): „Nnn, dann ha!» ten Sie's schon riskiren können!" Natürliche Magte. „Es ist wahr, gnädige Frau, ich bin lebensmüde! aber nicht weil ich unfähig zu leben bin, sondern weil mich das Leben langweilt. Etwas Neues kann es mir nicht mehr bringen, uud diese steten Wiederholungen sind ermüdend so entsetzlich langweilig. Etwas Neues kann es mir nicht mehr bringen, und diese steten Wiederholungen sind ermüdend so entsetzlich langweilig." Der schlanke Mann mit den regelmäßi gen Zügen, die von tadellos srisierten Haaren uud einem zierlichen Bärtchen eiiigesaßt waren, unterdrückte ein leich tes Gähnen. „Und so ist mein heutiger Besuch bei Ihnen, schone Frau, ein Abschiedsbesuch. Ich will dieses Thea ter, wo man mich in eine Loge gesetzt hat, ohne vorher meine Erlaubniß ein zuholen, verlassen, weil das stück mir nicht gefällt." Eigenthümlich genug klangen diese Worte, an dem Orte, an welchem sie gesprochen wurden, einem Zimmer, das von einem Parfüm von Wohlleben und Schönheit erfüllt war. Weichgepol sterte Sitze luden zum Ruhen und Träumen ein, dicke Teppiche und Thier felle auf dem Boden schmeichelten dem Fuße uud eine behaglich erwärmte, von einem matte» Maiglöckchendnste er füllte Luft den Sinnen und gegenüber dem heillosen Pessimisten saß eiue Frau, welche in der ärmsten Umgebung und in der unscheinbarsten Hülle fähig gewesen wäre, das voll ndete Glück eines Man nes zn machen. Wie viel mehr kamen die ebenmäßigen Formen, welche etwas zur Fülle »eigteu, der zarte, geschonte Teint, welcher die Farbe der Gesundheit hatte uud das pikante, von blauschwar zen Locken eingerahmte Gesicht mit den brennenden, dunklen Augeu iu der poe tisch gewählten Toilette zur Geltung. Ein rothsammtener, mit Zobel be setzter Schlafrock, auf deffcu Saume Arabesken in mattem Golde gestickt waren, öffnete sich genügend, um die herrlichen, von einem duftigen Negligee umschlossenen Glieder errathen zu lassen. Der schöngesormte weiße Arm der Dame, der jungen Wittwe des Grasen Z., tauchte aus dem dunklen Pelzwerke, und ihre schlanke Hand rührte mit dem silbernen Löffelchen in der winzigen Zheetassc aus chinesischem Porzellan, während sie mit einem spöttischen Lä cheln den Lebensmüden betrachtete und antwortete: „Mir scheint, daß Sie krank sind, Baron V., von den vielen Süßigkeiten, die Sie genossen, und daß Ihr Herz uach Bitternissen schmachtet. Das Neue, was Ihnen das Leben brin gen kann, ist die Arbeit. DemaSkiren Sie sich nach diesem tollen Fasching, den Sie durchtanzt haben, und zeigen Sie, daß hinter der Maske des Salon löwen ein tüchtiger, nützlicher Mensch steckt." „Das ist sehr leicht gesagt; aber mein Gott, was soll man denn ansangen, wenn man nichts gelernt hat! Soll ich Steinklopser, Tanzmeister oder Reitleh rer werden?" Die schöne Frau sah ihn schelmisch an. „Dazu müssen Sie ja nicht greifen. Es gibt einen edlen Beruf, zu dem je der echte Mann von der Natnr bestimmt ist' und zu welchem Sie vollkommen be fähigt sind." „Oh gnädige Frau, es gibt keinen Berus, der nicht hundert Anderen besser ersüllt wird, als ich es vermöchte. Mein Entschluß steht übrigens fest, und morgen führe ich ihn aus." „Wenn Sie sich durchaus nicht davon abbringen lassen wollen," sagte die schöne Dame lachend, .so thun Sie, was Sie nicht tassen können; aber vielleicht würden Sie die Ausführung um 24 Stunden verschieben, um mir einen Gefallen zu erweisen. Ich möchte morgen eine Schlittenfahrt nach meinem Gute jenseits der Grenze in Rußland in Ihrer Gesellschaft machen." „Es wird mir ein Vergnügen sein," antwortete Baron V. „Es drängt mich ja nichts zur so schleunigen Abreise in's Nirwana, und deshalb verschiebe ich sie gern für 24 Stunden, wenn ich Ihnen dadurch gefällig fein kann." Am folgenden Tage lenkte Gräfin Vera Z- selbst das elegante, mit WolsSfell auSgefchlagene Gefährte, das leicht über die schneebedeckte Fläche glitt. Sie sah entzückend in der eng anschließenden, mit Schnüren und Pelz besetzten, polnischen Jacke und dem kecken Pelzbarette aus. Ihre Wangen waren von der frischen Luft geröthet, und ihre dunklen Augen glänzten vor Vergnügen, während Baron V. ziem lich gelangweilt aussah. Auf dem einsamen Hofe jenseits der Grenze angelangt, ließ sie ihren Gast in das dttiikclgctäfelte Speisezimmer, wel ches mit Hirschgeweihen und Jagd lrophäen aller Art geschmückt war, ein treten und bat ihn dann, sie für kurze Zeit entschuldigen zu wollen, da sie mit dem Verwalter Verschiedenes zu bespre chen habe. Nach einer halben Stunde, welche Baron V. damit verbracht hatte, den blauen Wolken einer angenehmcn Ma nillaeigarre nachzuschauen, trat die Gräfin in das Zimmer, von dem Ver walter und zwei handfesten Knechten gefolgt. „Hier ist der junge Mann, von dem ich Ihnen sprach," sagte sie zu dem Verwalter, einem kräftigen Manne von energischem Aussehen, gewendet und wies anf Baron V. „Es ist ein sanier Bursche, den Sie kurz halten müssen." „Daran soll es nicht fehlen," ant wortete der Verwalter. „Gnädige Frau wissen, daß ich es verstehe, meine Leute im Zaume zu halten." Tann weudete er sich zu Baron V. und befahl ihm mit den Knechten zu gehen und den Weg bahnen zu Helten. „Ich glaube, Sie sind verriet," brauste dieser auf. ..Wie können Si« sich unierstehen in einem solchen Tom mit mir zu reden!" „Strauben Sie sich nicht weiter." sagte die Gräfin; „es hilft Ihnen ja doch nichts. Sie waren lange genug ein unnützer Müßiggänger und sollen jetzt zur Abwechslung einmal arbeiten." Tann wandte sie sich erklärend zu dem Verwalter: „Ter Bursche hat es bei sei nen Eltern viel zu gut gehabt, er wird Ihnen 6cshalb zur Besserung und Ab lichtung übergeben." „Frau Gräfin," rief Baron B. ent rüstet, „ich finde diesen Scherz etwa stark." „Was sollen die langen Redensarten," herrschte ihn nun der Verwalter an. „Vorwärts an die Arbeit oder —" und damit griff er nach der kurzen Hunde peitsche, welche er am Gürtel trug. Auch die beiden Knechte sahen danach aus, als würden sie ihren Gebieter bei jeder Gewaltthat nachdrücklich unter stützen. So sah denn Baron V. ein, dag e> sich der Gewalt fügen müsse und folgtc dem Verwalter nach der Landstraße, auf welcher er kurz vorher an der Seite der Gräfin angefahren, und nun i» Gesellschaft einer Anzahl Knechteden feil einigen Tagen gefallenen, tiesen Schnec wegschaufeln mußte. Es knin ihm fauer genug an. und er ließ manchmal feine «wchaufel sinken; aber ein bezeich nender Griff des Verwalters nach der Peitsche bewog ihn desto eifriger fort zufahren. Aus dieser Thätigkeit wurde er durch Schlittengeläute, welches dicht an sei nem Ohr klang, und das er vorher nicht wahr genommen hatte, geschreckt. Er sprang, rasch zur Seite, um nicht Übersahren zu werden. In dein Schlitten saß die Gräfin, welche nach der Stadt zurückkehrte und ihn im Vor beifahren malitiös ansah. Ihr lautes, spöttisches Lachen trieb ihm das Blut in's Gesicht. Nun kamen Tage für den armen Baron, wie er sie noch nicht erlebt hatte. Morgens mußte er bereits um drei Uhr ausstehen und in dcrSchcnncdenTrcsch flegel bis, sechs Uhr schwingen, wann das erste Frühstück in der Gesindestnbc aufgetragen wurde. ES gab Schwarz brod mit Speck und Kartoffelsuppe, welche culinarischen Genüsse ihm besser mundeten als früher die raffinirtesten, gastronomischen Meisterstücke seines französischen Kochs. Danach ging es in die Scheune bis zum Mittagstiiche. Den Nachmittag wies ihm der Verwal ter so viele andere Arbeiten zu, daß er durchaus keine Langweile empfinden konnte. Am ersten Tage wollte er sich einige Male auflehnen! aber sein nun mehriger Gebieter wies diese Versuche energisch zurück. Auch an Flucht war nicht zu denken, da man ihn keinen Augenblick allein ließ. So mußte er sich in das Unvermeidliche fügen, und die Sache machte ihm schließlich Ver gnügen. So zufrieden mit sich uud feinen Leistungen, hatte er sich nie durch seine Erfolge im Salon gefühlt, wie jetzt bei der einfachen aber nützlichen Arbeit, so, gut hatte ihm noch nie das Essen ge schmeckt, und solch eines festen gesunden Schlafes wie jetzt auf dem Strohsack hatte er sich sonst ans feinen weichen Matratzen nicht erfreut. Er lernte zum ersten Male in seinem Leben die Arbeit kennen und schätzen. . Als ein Monat vorüber war wnrdi der methamorphosirtc Baron in das Speisezimmer des Wohngebäudes gern» sen. Dort erwartete ihn Gräfin Vera, welche ihn lächelnd begrüßte. „Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, lieber Baron", sprach sie, „daß ich sie von Ihrer projektirten Abreise , in's bessere Jenseits abgehalten habe; crber damit Sie nun Ihren Vorsatz unge säumt aussühren können, habe ich Ih nen ein rasches Beförderungsmittel mitgebracht". Sie bot ihm mit einer graziösen Bewegung einen zierlich gear beiteten Revolver. „Ich bedauere, von Ihrem liebens würdigen Anerbieten keinen Gebrauch machen zu können," entgegnete der Ba ron, „denn ich habe meine früheren Thorheiten eingesehen. Ja, ich glaube jetzt selbst, daß ich noch ein nützliches Glied der Gesellschaft werden kann, und sei es nur durch die Bewirthschaftung meines GnteS. Sie waren ein rück sichtsloser Arzt, Gräfin, aber die Kur war die allein richtige." „Können Sie mir verzeihen?" bat Vera, indem sie ihm die Hand ent gegenstreckte. Baron V. ergriff die dargebotene Rechte und antwortete: „Ich verzeihe Ihnen nicht nur, sondern danke Ihnen sogar dafür, daß Sie mir die Augeu geöffnet haben. Jetzt verstehe ich, was Sie mit dem edelsten Beruf eines Man nes meinten: Der edelste Beruf eines Mannes ist der, die Stütze eines lie benden Weibes zu sein, und ich hoffe, ihn erfüllen zu können, wenn Sie mir dazu helfen wollen. Theure Vera, haben Sie Vertrauen genug zu mir, um sich unter meine Hut sür's ganze Leben zn begeben?" > > Sie sah ihn mit einem vollen, war inen Blicke an uud sagte einfach: „Ja, ich vertraue Dir." Hellerleuchtet sind die Fenster des Palais der Gräfin Z. am Abend des Aschermittwoch! denn die Verlobung der Gräfin mit Baron V. soll gefeiert werden. Man war in der Gesellschaft über dieses Fest im Anscnig der Fasten sehr choquirt! aber schließlich tamcu die Eingeladenen doch, da sie auch diese Excentrieität des verzogenen Lieblings der Salons dlio finden. ES ist ein unangenehmer naßkalter Märzabend. Vor dem Hanptportale, welches heute geöffnet ist, liegt ein wei cher Läuser aus dem Trottoir. Ein von vier Messingsäulen getragenes Dach von roth gestreifter Leinwand spannt sich darüber aus, damit die ankommen den Gäste aus ihren Wagen trockenen Fußes und unbehelligt von dem seinen, herabrieselnden Regen in das Treppen- Haus gelangen können, wo sie von einer warmen, von Blumendüften geschwän gerten Luft empfangen werden. Im großen Speisesaale ist die Tafel gedeckt. Zwei brillante Kronleuchter baden das btcndend weiße Leinenzeug, die Erystallgläser und den silbernen, mit Blumen und Früchten garnirten Tafel aufsatz in verschwenderischem Lichte. Die weißen Schultern nnd Büsten der Damen, welche aus schimmernden Sei denroben hervortaucheu, wie die Venus aus dem Meercsschaume, glänzen,,und das fröhliche Lachen und Plaudern crfülir den Saal mit einem summen den Geräusche. Indem Baron V. dieses amnuthende Ensemble betrachtet, erinnert er sich der Tafel in dem Gesindezimmer des Hof guteS; hier Glanz und Pracht, Damen und Herren in eleganter Toilette mit weißen geschonten Händen, dort in einem Zimmer mit Wänden, d'ren Kalkbewurf von der Zeit geschwärzt worden, ekn roher ungedeckter Tisch, auf welchem verkratztes Zinngeschirr und ein Essen standen, bei dessen bloßer 'Nennung die zarten verwöhnten Magen seiner heutigen Gäste eine Indigestion vekommen hätten, und um den Tisch eine Gesellschaft Männer in ärmlicher, schmutziger und geflickter Kleidung, mit Wind und Wetter gebräunten und > von Sorge und Entbehrung gefurchten Gesichtern mit schwieligen Arbeitersau- Baron B. erröthete bei der Frage, welche er sich vorlegte: „Welche von diesen b.'iden Tischgesellschaften hat sich mehr Recht auf ihr Mahl erwor ben?" Nachdem eine Anzahl gnte und schlechte Toaste ausgebracht worden waren, hielt Baron B. eine» kleinen Speech, in wel chem er erklärte, daß er seine Berlobuiig am Aschermittwoch feiere, weil er diesen am passendsten hielt, die heileren Thor heiten der Vergangenheit zu bereuen und ein neues Leben zu beginnen! er erzählte weiter in launiger Weise die Geschichte seiner Verlobung es war dies die beste Art, den abenteuerlichen Gerüchten, welche darüber in der Ge sellschaft cursirten, entgegenzutreten nnd toastete znm Schluß auf die Arbeit, welche allein, sei es auf dem Gebiete der Politik, dcr Kmist und'Wisscnschaft oder aus dem des Gewerbes und der Land- Wirthschaft, in die etwas degenerirte Bcaumonde frisch pulsirendeS Leben bringen könne. Der Erfolg, welchen die Rede fand, war ein ziemlich getheilter. Eine kokette Dame sagte zu ihrem Nachbar: >lon clisu, zu was das Philosophien? Wen» unsere Reize nicht mehr genügen nnd mir nicht genug Witz besitzen, einen hübschen Mann, der leider sehr ercen trisch ist, in nnser Netz zu locken, so saikgen wir ihn mit Gewalt. Vuila tout»" Aus dem Leven eines Missionärs. In einem St. Eugene bei Algier, den 10. Dezember 1887, datirten Schreiben des jüngst verstorbenen Pa ters Schynse an einen rheinischen Pfar rer, welches der „Köln. Votksztg." zur Verfügung gestellt ist, heißt es u. A.: „Dieses Leben in der Wildniß ist ermü dend und aufreibend, aber wer es ein Mal gekostet hat, wer ein Mal so die Nacht durchwacht hat an der Seite sei ner Brüder, nicht wissend, was der Morgen bringt, aber trotzdem fröhlich plaudernd von der Heimath und den Hoffnungen, ergeben, gleichgiltig, was Gott auch schicken mag, Leben oder Tod, Hunger, Hitze, Krankheit, es zieht ihn immer wieder hin zu den Lngerseu ern mit ihren wechselnden Schatten, und oft genug erwache ich in der Nacht und noch halbträumend vernehme ich das Brausen des Kongo im Rauschen des nahen Meeres und ruse einen meiner Leute, er soll auf's Korral achtui oder nach dem Feuer sehen, oder ich komman dire mit lauter Stimme meinen Rude rern, um glücklich über die gesährliche Stromschnelle hinwegzusetzen, daß meine eigene Stimme mich znr Besinnung nist, und ich finde mich in meinem Bette in St. Eugene. Doch so Gott will, werde ich im nächsten Frühjahr wieder zurückgehen, zwar nicht mehr nach dem Kongo über Westasrita, son dern über Sansibar in die deutschen Besitzungen. Am 21. Juli betrat ich wieder den europäischen Boden in Marseille. Ich hatte unterwegs noch Stanley mit sei ner kleinen Armee getroffen. Was Flußpferde anbelangt, so schoß ich beim Abschied vom Ober - Kongo noch fünf, die ich meinen Leuten und den Einge borenen »und den Leuten einiger Fac toreien vertheilte, daS macht nun im Ganzen bis jetzt 25, eine schöne Meng« Fleisch, das Stück bloß zu Ittvt) Kilo gerechnet. Einen Monat später zer irümmcrte ein solches ttngethüm die Barke eines Missionars aus dem Nyanza, und der brave Pater ertrank, da ergeht er sich retten wollte, noch einen Kate chnmenen tausen wollte, was er auch that, aber er wurde auch von dem Er trinkenden in die Tiese gezogen. Sc endigte das Leben des Missionars. Wir, die den Bestien so sehr zugesetzt und sie nur als Schlachtvieh betrachte! hatten, kamen glücklich davon, uud der Andere, der ihnen nie was zu Leide ge than. fällt ihnen zum Opfer. JA wa, am Kongo auch Koch und fand, daß ich sonderbare Anlagen zur Küchentunst habe. Wollen Sie mir nicht „Das häusliche Glück" senden für Mädchen, wo Küchen-Recepte sür einfache Küche darin stehen, damit ich nächstens einen Leitfaden habe nnd nicht so nach eige nen Heften kochen muß." —Ka t h e der blü th e. (Profes» sor (im Eiser des Vortrages): „Sit glauben gar nicht, meine Herren, welche Bravour die Gladiatoren entwickelten; es kam vor, daß einem solchen während des Kampses alle Zähne eingeschlagen wurden. Er aber schluckte diese hinab, verbiß den Schmerz und kämpfte muthia weiter!"
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