s Schloß Wiudsor. „Dies alles ist mir unterthänig!" wag die Königin mit größerem Stolze, als der Tyrann von Samos sagen, wenn sie den deut'chen Kaiser aus die Zinnen des Rundthurms von Schloß Windsor führt. Der trunkene Blick schweift über zwölf Grafschaften, über eine entzückende, von der Silberader der Themse durchzogene Landschaft, über Thäler und Höhen, über hellgrüne, von dunkeln, vielästigen Baumriesen be schattete Auen, über zierliche, in Laub wiegen träumende Dörfchen mit schlan ken Kirchthüriiichen. Und Windsor selbst wo in der Welt gibt es ein Königsschloß, welches in ähnlicher Weise die malerischen Formen der Vergangen heit in die Gegenwart gerettet und sich mit allen Hilfsmitteln der Neuzeit in einen anheimelnden, modernen Landsitz umgestaltet hätte. Auf Schritt und Tritt begegnen sich dort die Spuren einer waffenstarrcnden rauhen Vergan genheit mit der trauten Häuslichkeit des 19. Jahrhunderts. Die Schrecken des Mittelalter?, die Rundthürme, unter irdischen Gänge, Burgverließe, Schloß gräben, Zugbrücken und Katakomben, alles hat sich dem WohnlichkeilSzwecke oder dem antiquarischen Interesse ge fügt, ohne dadurch den alkerthümelnden Zauber einzubüßen. Anfangs stand da nur ein steiler Kalkhügel, der von der Themse auf stieg; Wilhelm der Eroberer krönte ihn mit einer normannischen Feste; Hein rich Beanclerc richtete sich daneben mit seiner sächsischen Königin wohnlich ein; Heinrich 111. umgab den Schloßberg mit Wällen und Thürmen und theilte ihn in die untere, mittlere und obere Warle; Eduard 111. weihte die untere Warte dem neuen Schutzheiligen Eng lands, dem heiligen Georg, und baute ihm die prachtvolle St. Georgskapelle; die Königin Elisabeth stattete den obern Theil mit der nördlichen Terrasse aus; Georg IV. erweiterte die normannische Feste in den jetzigen gewaltigen Rund thurm und ließ durch seinen Baumeister Sir Jessry Wuattville das ganze Schloß mit einem Kostenaufwande von 1H Mil lionen Psund ausbessern; und die Köni gin Victoria schließlich ergänzte das Werk der Elisabeth durch die Anlage der östlichen Terrasse. Fast alle Herr scher haben dort Wahrzeichen ihrer Wirksamkeit hinterlassen und mehr als irgend ei» anderes Bauwerk ist Wind sor das Sinnbild der fortlaufenden, an unvermittelten Sprüngen so glücklich armen Landesgeschichte. In 40 Minuten führt die große Westbahn von London dahin. Kurz vor der Ankunft überschreitet sie die Themse, aus deren grüner Fluth sich Flußhauser und Ruderboote schaukeln, und unmittelbar hinter der Station, durch den Rundbogen der Einf-ahrt sicht bar, zieht sich die äußere Ringmauer der Bnrg entlang, um welche sich die Sladt im Halbkreise lagert. Wir fra gen nach den lustigen Weibern, Frau Flu h »nd Frau Page, nach Sir John Falsiaff und seinen Spießgesellen Ni>m, Pistol und Poins, und nach dem schwül stigen Wirth des Hosenbandgasthofs. Gelebt haben sie und baben Shakespeare, der in jenem Gasthause abstieg, als Mo delle gestanden; und in der bunten Menge, welche beim St. Georqs-Feste in die Stadt einzuziehen pflegte, unter den Musikanten, Wahrsagern, Gauklern, Schauspielern und Sterndeutern, war ein Wirthshausleben, wie es der Dich ter beschrieb, nicht undenkbar. Heute aber ist Windsor eine nüchterne Pro vinzstadt geworden mit glücklichen, harmlosen und sast festtäglich ruhigen Einwohnern; und vergebens würde man unter ihnen die unternehmungs lustigen Frauen Page und Fluth suchen. Allerdings weiß man, wo ihre Wohnun gen sich befanden; liest nian doch ihre Namen noch in dem Kirchenregister; auch wird im HauSpark noch die Stelle gezeigt, wo die Eiche des gehörnten Jä gers Herne stand, in den Fallstasf sich verkleidete, Ei» junger Baum hat sie er'etzt; er trägt die Inschrift: „Dieser Baum wurde von Ihrer Majestät am 12. Septemler 1803 gepflanzt, um die Stelle anzuzeigen, Ivo Hernes Eiche stand, die am 3. August IS6Z umge weht ward." Indessen hat die Stadt im allge meinen die Vergangenheit inid ihre Erinnerung vollständig abgestreift; da gegen gibt es im Schlosse kaum einen Winkel, der nicht die Schatten von Hei ligen, Rittern, Dichtern, Königen und Königinnen heraufbeschwört; die eng lische Ge chichte hat sich dort gleichsam versteinert. Im Mittelalter der Schloß überlieferungen steht die St. Georgs capelle. Tritt man von der Südseite durch den Thorweg Heinrich VIII. ein, so liegt sie vor uns, ein Juwel spät gpthischcr Baukunst; links davon die Lch'oßmache und der blumengeschmückte Kloitergang, wo die Organisten und niedrigeren Slistsherren wohnen; rechts im Hüilergrunde der majestätisch em porragende Rnndtburm. Die Capelle ist epochemachend; von ihr aus verbrei te!? sich der Culius des heiligen Georg als Rationalheiliger. Der neue Heilige kam aus dem Mor genland?, wo ihn Richard Löwenherz bei Antiochien gesehen zu haben glaubte. Er erschien ihm als Ritter in weißem Harnisch auf weißem Rosse mit blut rothem Kreuze auf dem weißen Waf fenlMide. Im Laufe der Zeit häufte man aus ihn alle möglichen Legenden machte ihn zum DraclienlöSier und zum Schützer des tiefen Meeres, ordnete ihm alle andern Nationalheiligen uuicr und zog schließlich in's Feld mit dem Schlachlruse: „Gott und der heilige Georg!" Und als Eduard 111. vom Fesllande nach Wmdior zurückkehrt«, war er des Lobes des Heiligen so voll, daß er eine St. Georg-Gefellfchast grün dete, einen Verband der Ritter und Edeldamen, der Tapfersten der Tapfern und der Schönsten der Schöuen. Alle bistierigen Orden waren religiöser oder kirchlicher Natur, dem weiblichen Ele meine abhold; der St. Georgs-Orden tollte beide Geschlechter im Dienste de« KvnigS und des Patriotismus vereini gen. Vielleicht liegt darin da« Ge heimniß seine« Namens; weshalb Ho senband- und nicht St. Georgs-Orden? Die Ueberlieferung hat das Räthsel mit dem bekannten Schwanke gelöst: Wäh rend der König mit einer Dame tanzte, entüel ihr ein Strumpfband; er hob e« aus und bemerkte den verschmitzt lachen den Höflingen: „Uooi »oir czui mu,l ? l>slisv" (Schande dem, der dabei BöseS denkt) und machte es zum Abzeichen de« Ordens. Ter Schwank hat sich in mannigfachen Fassungen durch die Chro niken deS Mittelalters gezogen; indes sen verblieb das Strumpfband des Or den« Sinnbild und gab ihm den Na men. Die St. Georgs-Capelle ist ein Mu seum, ihre Beschreibung würde ein Buch füllen. In dem gedämpften Lichte, das durch das große, mit den Figuren von 7S Königen, Bischöfen und Rittern geschmückte Chorsenster fällt, schimmern die Chorstühle der Hosen bandritter, Schwert und Helmzier be decken die Rücklehne und ihre Banner hängen darüber. Beim Tode eines Ritters werden diese Jnsignien hinweg geräumt, es bleibt nur die kupferne Jnfchriftplalte „als ewiges Gedenkmal zu seinen Ehren." Rechts vom Chor eingang befindet sich ein Thronsessel der Königin, links der Stuhl des Prinzen von Wales; sobald die Königin beim Gottesdienst ungesehen bleiben will, birgt sie sich in der Emvorloge beim Altare. Unter einer Schieferplatte in der Mitte des Chors ruhen die sterbli chen Ueberreste Heinrich des Achten, sei ner Gemahlin Jane Seymour und des enthaupteten Königs Karl deS Ersten; fast fühlte man die Schauer; der Ge schichte, wenn man darüber wegschrei tet. In der Capelle spielen sich jetzt die höchsten Staatsprunk- und Trauerfeste ab, Vermählnngen und Beerdigung?»; zu beiden erheitert »der verdüstert sich der Capelle Pracht. Oeffnen sich ihre Thore zum letzten Gange eines erlauch ten Erdenpilgers, so ziehen der Bahre voran die Choristen, StiflSherren und der königlichen Familie. Die feier lichen Klänge des „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt" dnrchrau schen den Raum, und wenn der Gottesdienst sich seinem Ende naht, senkt sich langsam der unter Blumen und Kränzen begrabene Sarg in die Grust. Der Wappenherold ruft die Titel des Verblichenen aus, di-" Capelle leert sich. Ein anderes Bild! Trompetenge schmetter kündigt eine fröhliche Schaar an: es wächst hinein eine bunte Menge von Staatsbeanüen, Diplomaten und Hochedlen Damen in goldverbrämten Umformen und ausgesuchieu Toiletten, es singt und klingt und blitzt und läutet, und wenn sich dann alles im Chore ver sammelt hat, sällt das Jawort von seli gen Lippen, die Banner strahlen vor Wonne, die steinernen Engel im Schisse scheinen leise die Flügel zu bewegen und die düsteren Bischöse auf dem Westsen ster lächeln sast ob des Glückes des Brautpaares. Bei der Anwesenheit der Königin weht vom Rundthurm die 32 Fuß lange »nd 21 Fuß breite königliche Standarte. Der Besuch der oberen Warte, wo sich die Prunl und Privatzimmer befinden, ist dann untersagt. Aus viele Millio nen beläust sich der Werth der Bilder, Vasen, Gobelins und Marmorwerke, die sich in diesen Gemächern befinden: in dem Audienzsaal, dem Pandycksaal, dem Zuccarellisaale, dem Staatszimmer, der Staatslreppe, der Waterloogalerie, dem großen Empsangssaale und der St. Georgshalle. Letztere, 202 Fuß lang und mit einem ISO Fuß langen Tische, ist den Rittern des Hosenband- Ordens gewidmet, deren Wappenschild! seit der Gründung des Ordens in die flache Decke eingelegt ist. Die Walerloo - Galerie enthält die Bilsnisse aller Persönlichkeiten aus der Periode, die mit der Schlacht von Wa terloo schließt, meist von Sir Th. Law rence gemalt, unter ihnen natürlich an erster Stelle der eiserne Herzog, der Herzog von Wellington. Das Bandyck zimmer, welches sür den deutschen Kai ser bestimmt ist, sowie daS Znccarelli- Zimmer sind mit Kunstwerken beider Meister angefüllt. In dem viereckige» Hofe (Ouadrangle), der von den Prunkzimniern, dein Rundthurme, den Vrivatgemächern der Königin und dem Geiolgeflügel umschlossen wird, erhebt sich eine Reiterstalue Karls 11., weni ger merkwürdig durch ihren Kunst werth als durch die Legende, wonach der Künstler, der ei» tadelfreies Werk zu schassen versprochen, sich aushängte, als er fand, daß er die Steigbügel vergessen hatte. Der Trotz des stolzen Baues entladet sich »ach Osten und Norden in breiten Terrassen; es offenbart sich darin weib liche Hand und Geschmack. Die nörd liche Terrasse stammt von der guten Königin Beß; hier ruhte sie sich ans, studirie sie. ließ sie sich Theaterstücke aufführen und empfing Dichter, Philo sophen und Seefahrer, wie Spenser, Bacon nnd Raleigh. Die Ostterrasse, die sich vor den königlichen Privatzim mern hinzieht, ist das gemeinsame Werk der Königin Victoria und des Prinzge mahls. Innerhalb derselben, gegen die Terrasse durch eine dichte Orangerie abgeschlossen, befindet sich der tieferue gende Blumengarten, der durch geschickt vertheilte Vasen und Staluen von Apollo, EereS, Diana und Salurn den Charakter eines idyllischen Gölterhains erhielt. Dank der unermüdlichen Sorg falt deS boheu Paares wandelte sich die Burg allmählich in einen englischen Landsitz um, wo es, unsern von dem Londoner Riesenbabel, der Erziehung seiner Kinder lebte. In der Reitbahn ward mir noch der erhöhte Sitz gezeigt, von wo eS den Reilübungen Berties, de« Prinzen von Wales, zuschaute. Im Lause der Zeit entstanden die berühm ten Küchen- nud Obstgärten, die allen ähnlichen Einrichtungen der Welt als Muster dienen können; der gewaltige Bedarf des königlichen Haushalts wird dort gedeckt, mag sich nun der Hof in Windsor, Buckingham Palast, Osborne oder Balmoral befinden. Auf dem ganzen Bau ruht jetzt ein Hauch wohn lichen Glücks und wonniger Zufrieden heit, und mehr noch als zu der Königin Elisabeth Zeit ist die Aufforderung in Erfüllung gegangen, welche in Shake speares „'Lustigen Weibern" die Feen königin an die Elfen richtete: Durchsucht von inn' und außen Wind sors Schloß; Streut Glück in alle heil'gcn Räum', ihr Feen, Das sie bis an den jüngsten Tag be st ehn : In würd'ger Zier, gesund und unver sehrt, Der Herrscher ihrer, sie der Herrscher werth. Wilhelm 11. ist nicht der erste deutsche Kaiser, der nach Windsor als Gast kommt. Ihm ging im Jahre 1416 Kaiser Sigismund voraus; er erhielt den Hosenbandorden und schwur mit sammt seinen Rittern und Knechten, daß England und Windsor ein Para dies, wo die Nahrung gut, die Frauen schön, das Bier stark und die Husschmiede gesällig seien. In einem wesentlichen Punkte unterschied sich indessen sein Be such von dein heurigen. Als sein Boot sich bei Dover der Küste näherte, richtete des Königs Bruder, der Herzog von Gloucestcr, mit gezogenem Schwert an ihn die Worte: „Beabsichtigt Ihr irgend eine Gerichtsbarkeit in unserm König reich auszuüben?" Erst als Kaiser Sigismund dies verneinte, durste er landen. An den Kaiser Wilhelm wird diese Frage nicht gestellt werden. Die Nhcinreise. Arthur, ein junger Kaufmann aus Berlin 8., war „soweit ein guter Ehe mann", wie es im Freundes Jargon der Leute in der Nachbarschaft hieß, er war um sein Frauchen besorgt, erfüllte jeden Wunsch, den er ihr an den schönen dun kelblauen Augen absehen konnte. Und er war es jeder Zeit im Stande, denn die Wünsche Elsens, so hieß das junge Weibchen, waren nicht unvernünftig. Nur in einem Punkte schien Arthur, ent gegen seiner weichherzigen Art, seiner Frau gegenüber den unerbittlichen Ty rannen herauszukehren er schlug alle ihre Bitten, die daraus abzielten, ihn zu einer gemeinsamen Sommerreije zu be wegen, ziemlich entschieden ab. Selbst die übliche Hochzeitsreise hatte das junge Paar nicht unternommen; er brachte da mals schon allerlei Gründe gegen das Zusainmenreisen im Allgemeinen und das Hochzeitsreisen im Besonderen war, Gründe, unter denen besonders der eine die Hauptrolle spielte, daß unterwegs sich leicht Zwieträchtigkeiten im Wesen ergäben, welche nicht so schnell auszu gleichen seien. Denn unterwegs geb« sich der Mensch» wie er sei, und der Mensch, wie er sei gehöre nicht zu den angenehmsten Geschöpfen. In »euerer Zeit hatte Arthur all diesen Gründen noch etwas Wichtiges, Bedeutsames hinzuzusügc» gewußt, das eines gewissen Eindruckes auf das sanstmüthige Weibchen nie verfehlte. Er sprach mit Emphase davon, wie ge fährlich heute eine Reise zu Zweien sür den ganzen Hausstand, sür die ganz« Familie werden könne, denn nach der Katastrophe von Mönchenstein und nachdem es erwiesen sei, daß gestickte Schienen so gang und gäbe seien, wie geflickte Stiesel beim Handwerksbur schen, dürse ein Ehepaar, dessen Bund mit Kindern gesegnet sei (sie hatten zwei hübsche Jungen), nicht gemeinsam sich einem Bahnzuge anvertrauen. Wenn schon ein Opfer sallen solle, dann wolle er dies Opfer sein, der Mann müsse ja hinaus in s feindliche Leben der Eisenbahn Entgleisungen und wir ken und streben, das Glück zu erjagen, die Frau aber müsse ,zu Hause bleiben und sich den Kindern erhalten. Else war durch solche Philosopheine stets bis in's Innerste erschüttert und wußte »ichtS daraus zu erwidern. Was sollte sie auch? War es doch immcr wieder die große Liebe Arthurs zu ihr und den Kindern, die aus solchen Wor ten sprach, und so entbehrte sie zwar viel, denn sie war eine begeisterte Na tursreundin, aber beugte sich seinen Ausführungen. Im Grunde jedoch war es nur die liebe Bequemlichkeit, welche Arthur dazu bewegte, den Wün schen Elsens in Bezug aus gemeinschaft liche Reisen ein starres „Nein" entge genzusetzen. D/inn vielleicht noch ein gewisser philosophischer Hang zum ein samen Grübeln, und endlich eine Scheu, daß hier und dort bei bekannten Hote liers durch unbedachte Aeußerungen grelle Streiflichter aus sein srüheres im könnten. Kurz, so kam es, daß Arthur sehr oft reiste, wozu ihn sein geschäft licher Berus nöthigie, und Else nie. In der Zeitperiode, in welcher die Mei nung der Nachbaren und die Hitze des AsphalipflasterS die Weltstadtbewohner der höheren Lleuerllassen in die Som merwohnungen drängten, wurden Else und die Kinderchen in einem der übli chen Sommer, örser in der Nähe Ber uns untergebracht, in welchen man die ersten Wochen friert »nd die Falb'jchen „krilifchen Tage" in unzulänglichen Zimmerchen zubringt und in den letzten die furchtbaren Wirkungen des märki schen Ttanbes kennen lernt. In diesem that Arthur noch ein Mehr. Er quartierte seine Frau und Luven in einem thüringischen Was serdorf ein. Wasser innen, Wasser außen. Es gab dort eine Kaltwasser heilanstalt, schlechte Wege, mäßiges Essen und eine unmäßige Kurtaxe, au ßerdem „regnete der Regen jeglichen Tag", was nch im Citat sehr schön, in Wirkllchie.t scheußlich ausnimmt. Was Wunder, daß Frau Else seufzte, wenn sie dieser Badeherrlichkeit nachsann und nxch mehr, als sie bei der letzten Anwe senheit ihceS Mannes von diesem hörte, er werde bald ans einige Tage in Ge schästsangelegenhetten nach dem Rhein reisen müssen. Nach dem Rhein! Alle zurückgekämmte, eingeengte Sehnsucht nach dem „Wundersamen," „Blauen", wie e« die Jbsenianer nennen, tauchte wieder in ihrer Seele auf. Eine Rhein reife! Es war das Ideal seit ihrer Mädchenzeit, und nie, wie eS schien, sollte es sich verwirklichen. . Sie werde verwelken, verblühen und darüber ster ben. Doch, es geschehen noch Wun der. War es ein Traum, als nach drei Tagen schon Arthur in das thürin gische Wasserdörschen zurückkehrte und Elsen seinen Entschluß mittheilte, daß sie Beide eine Rheinreise machen woll ten? Nein! es war Wirklichkeit und Arthur machte bei seinem unerwarteten Vorschlage ein so freundliche« liebe« Gesicht, daß Elfe ihm stürmisch um dea Hals flog und ihn abschmatzte. Vergessen war die Eisenbahn-Kata strophe bei Mönchenstein, vergessen wa ren die geflickten Schienen, er lachte jetzt selbst über seine unnützen Befürchtun gen. In Deutschland werde sicher ge baut und aus die amtlichen Revisoren könne man sich verlassen. Sogar die „große Rheinreise" wollte er machen, der gute Mann, und nicht die im Reichs kursbuch als „kleine" bezeichnete. Das Einpacken ging ihm nicht schnell genug und nicht die Rückreise nach Berlin, wo man die Jungen bei einer guten Tante unterbrachte. Dann ging es über Frankfurt, Wiesbaden an den Rhein! Elfe plätscherte in Wonne. Es war ihre verspätete Hochzeitsreise. Sie war selig. Und ihre Seligkeit wurde noch vermehrt, als ihr von Berlin aus ein Brieschen einer ihrer „guten Freun dinnen" nachgeschickt wurde, in welchem diese „gute Freundin" ihr, so leid es ihr thue und so schmerzlich es ihr sei, die Mittheilung machte, daß man sich in Bekanntenkreisen erzähle, Arthur, der Feind des „Reifens zu Zweien", fei in der Nähe von Frankfurt mit einer Dame gesehen worden. Wie sehr die „gute Freundin" di« arme Else bedauere, das ging auf vier engbeschriebene Seiten gar nicht hin, es mußten acht dazu genommen werden. Else schüttelte sich vor Lachen. Die „mit ihrem Mann gesehene Dame" war sie ja selbst. Ja, in unserer Tclegra phen- und Telephon-Zeit mit dem Motto „Schnelligkeit ist das halbe Le> ben" geht auch die Verleumdung schnel ler als sonst Unterwegs bekam auch Arthur ein Brieschen seines Freundes, in welchem dieser anfragte, wie denn die Affaire von Wiesbaden abgelaufen fei. Und darauf antwortete Arthur, der so schnell von seinen Ansichten Bekehrte, ungefähr Folgendes: „Ja, es war scheußlich. Ich denke, der Schlag treffe mich, als ich dies Mädchen in Wiesbaden wiedersehe. All« meine Jugendthorheiten standen leib haftig vor mir auf. Ich habe ihnen abgeschworen. Aber das Mädchen stellt« mich. Ich mußte sie auf einem Spa ziergange durch den Kurpark begleiten. Wie auf heißen K ohlen ging ich. Wenr mich ein Bekannter sähe und die böse« Zungen der freundlichen Nebenmenfchen es meiner Frau hinterbrächten! Es wäre mir scheußlich gewesen, denn ich hasse die Donjuannerieen der Ehemän ner und möchte meiner Frau keine trüb« Stunde bereiten. Und richtig. Nicht ein Bekannter, nein! zwei, drei waren da. Berliner sind ja überall. Sogar in Storlien, in der nördlichsten Eisen bahnstation Schwedens, habe ich ein mal drei Berlinerinnen beim Skat gefunden, beinahe erfroren. Ich bin überzeugt, die Bekannten hat ten mich auch gesehen und be. richteten es brühwarm nach Berlin. Do mußte dann ein radikaler Entschluß ge faßt werden. Um allen Klatschereien die Spitze abzubrechen, gab es nur ein Radikalmittel: alle Prinzipien über Bord Wersen und schnell eine Rheinreise mit meiner Frau. Das that ich denn auch und so bin ich hier. Wie wenig ich mich in den Gesinnungen der lieben braven Nebcnmenschen getäuscht, zeigte mir heule ein Brief einer „guten Freun din" meiner Frau, welche in schonender Form die furchtbare Neuigkeit meldet, daß ich mit fremden Damen umherreise. Meine Frau dat sich balbtodt gelacht.— Mein Ruf ist gerettet." Für da« nächste Jahr erhofft Elfe eiue Reisenach der Schweiz und vielleicht täuscht sie sich nicht, wenn der ängstlich aus seine» Ruf bedachte Arthur in Luzern etwa wieder eine alte Bekannte trifft. Gegen die Straßen schleppt, das Modeungethüm, welches jetzt wieder allenthalben grafsirt, äußert sich eine konsequent Schleppenlose in folgenden drastischen Stachelversen: „Wenn ich durch die Straßen geh' Und die langen Kleider seh', Denk' ich still in meinem Sinn: Sauber keit, wo kommst du bin?! Nimmer mehr kann ich s begreifen, Seh' ich so die Damen schleifen Durch den Ztanb der Kleider her, Daß so ichön die Mode wär': Mit den Klei dein aufzufegen Alles, was liegt auf de» Wegen! Arabesken, kühn ge schwungen, Ohne Rücksicht auf die Zungen, Der Gesundheit keck zum Trutz, Zeichnen sie im Straßen jchmutz! Und nun denk' man erst, o Graus! Wie sieht es von innen aus!! Stiefel, Strümpfe und so wei ter, Ach, 's ist wirklich gar nicht hei ler, Rocksanm, Litze und Garnirung. Alles starrt von Schmutzverzierung! Und das nennt man elegant?!—Da ist mir ein Spruch bekannt, Ter draus paßt: „Von Außen Hui! Aber In nen, Innen: Pfui!!!" Bezeichnend. Unterarzt (ei ner Klinik): Der Patient auf No. 27, der die unbedeutende Wunde am Kopfe hat, heult und schreit, als ob er die größten Schmerzen hätte. Director Ten schicken wir einfach weg. Schrei den Sie ihm in's Krankenbuch: „als geheult entlassen." Devotion. Schreiber (zum Präsidenten, den er auf der Straße irifft): Entschuldigen Sie gütigst, Herr Präsident, daß mein Hund Sie anbellt, —das ist so seine Art. seine unterthä' nigste Ergebend«! «nsjudrucken. «ine Verlobung tm Tunnel. Miß Elli Bartelot war sehr stolz. Während sie sich gegen die Angehörigen ikres Geschlechts liebenswürdig, sanft und gutherzig zeigte, hatte sie für die Männer und besonders für die, welche sie mit Huldigungen überhäuften, nichts als ironisches Lächeln und spöttische, oft berbe Worte. Ihren glühendsten Ver ehrern reichte sie kaum die Finger spitzen und behandelte sie mit einer be leidigenden Geringschätzung. Und doch befanden sich unter denselben geistvolle und reiche Männer und ernsthaste Freier, die jede Andere mit Vergnügen angenommen hätte. Elli konnte allerdings stolz sein. Ihr Vater ein pensionirter hoher Mili tär— war ein Millionär und sührte ein fürstliches Haus. Sie selbst hatte eine vortreffliche Erziehung genossen und die gütige Natur hatte sie an Geist und Körper in gleich hervorragender Weise begabt. Das allein aber, so sagte man sich in der Londoner Gesellschaft, konnte unmöglich die Ursache dieser abweisen den Kälte gegen die Herrenwelt sein; sie widersprach gar zu sehr den übri gen vortrefflichen Charaktereigenschaiten dieses Mädchens. Man vermuthete darum, daß Elli tief in ihrem eis uinpanzerten Herzen eine unglückliche Liebe trüge zu einem Manne, der sie vkrschmähte, und ihr Herz aus diesem Grunde für alle Anderen todt sein müsse. Diesen Beneidenswerthen suchte man in der Person Arthur JamsonS, einein eigenthümlichen Manne, der ein häufi ger Gast im Hause Bartelot war, von dem man aber nicht wußte, ob er that sächlich den Verehrern Elli's beizuzäh len sei. Er war einige dreißig Jahre alt, sehr reich und halte den besten Ruf. Er war Phlegmatiker, die Ruhe selbst; nichts brachte ihn in Aufregung. Seine UnterhaUung war stets ernst, und seine Bemerkungen zeugten von einem schar fen Verstände und überraschend seinem Bevbachtungsvermögen. Von allen Damen aber konnte sich keine rühmen, mit ihm länger als fünf Minute» ge sprochen zu haben, als Elli allein. Diese würdigte er seiner stets geistreichen aber still und ernst geführten Unterhaltung. Und Elli hörte ihm zu mit gl'.uzenden Augen, sie bevorzugte ihn, soweit ihr S'.olz dies zuließ, sichtbar. Trotzdem erschien plötzlich Jamson nicht mehr an den Gcsellschastsabenden im Hause Bar tels». Es muß etwas zwischen ihnen vorge fallen sein, flüsterten sich die Gäste zu, und das Gerücht halte Recht, es war etwas vorgesallen. Eines Tages war Arthur Jamson bei Elli erschienen, er ihr g:rade und sest in die Augen gesehen und dann gesprochen: „Miß Clli, Sie werde» es wohl be reits wissen, wie es mit mir steht. Ich glaube bcmerkt zn haben, daß Sie mebr Antheil an mir nehmen, als au den an deren Männern, welche Sie umschwär men. Ich biete Ihnen meine Hand und mein Herz. Können Sie sich ent schließen, meine Frau zu werden ? Elli ergriff die Hand nicht, die er ihr bot. Zornig trat sie einen Schritt zu rück, und bleich, mit bebenden Lippen ries sie ihm zu: „Niemals!" Jamson sagte nichts, er schaute sie nur traurig und etwas bleicher als sonst, im Uebrigen aber so ruhig wie immer an. Elli reizte diese Ruhe noch mehr, ihre Brust wogte. „Wenn wir uns zehntausend Fuß tief uuter der Erde wiedersehen, dann wiederholen Sie Ihren Antrag", suhr sie zornbebend sort, „dort bieten Sie mir Ihre Hand und ich werde sie dann nicht zurückweisen," schloß sie mit bei Bendeni Spott. Ueber Jamsons ruhiges Gesicht glitt ein Heller Schein und um seinen Mund tig und sicher wie immer. „Sie sprechen im Ernst, Miß Barte lct?" fragte er höflich. „Ja zehntausend Fuß unter der Erde das schwöre ich", antwortele Elli mit erhobenem Arme. „Ich habe Ihr Wort," sprach freund lich Jamsan und entsernte sich mit einer höflichen Verbeugung. Elli aber eilte in ihr Zimmer, warf s:ch aus das Sopha und weinte herzbre chend; denn sie lieble Jamson lnden schastlich, wie eben sie nur lieben konnte. Sie hatte ihn abgewiesen, weil seine Ruhe und stolze Männlichkeit sie tief beleidigte. Wäre er ihr zu Füßen ge fallen, wie ihre anderen Anbeter, sie bätie sich ihm jubelnd in die Arme ge worfen. Was sie bei anderen haßte und verachtete, das ersehnte sie mit der ganzen Kraft ihres Herzens von diesem Manne. Wenn er ihr nur ein schmei chelndes Wort gesagt haben würde, nur durch ein Zeichen, einen schwärmerischen Blick verrathen hätte, daß er besiegt sei durch ihren Zauber; aber er hatte kein Verständniß sür ihr heißes Sehnen, welches ihr Inneres verzerrte. Gegenüber allen Zeichen ihrer Liebe behielt er seine empörende Gleichgiltig feit »nd zeigte eine Sicherheit, wie ein Basilisk, der einxn kleinen Vogel ge bannt hat und ihn verschlingt, wen» es .hm gut dünkt. Dieses Vögelchen wollte sie nicht sein, er sollte sich getäuscht ha bei,: und als er nun so selbstbewußt mit seiner Werbung kam. da explodirte der seit langein angehäuste Zündstoff der Leidenschaft und des Verdrusses! Elli war nach diesem verhängnißvol !en Tage noch bleicher als gewöhnlich, ihr Mund fester geschlossen und ihre Haltung noch ablehnender als früher. Herr Bartelot hätte Arthur Jamson gern zum Schwiegersohn gehabt. Er ipruch sich nach der Katastrophe, von der er nichts Näheres, weder von seiner Tochter noch von Jamson erfahren, ge gen Elli deshalb aus. „Jamson besucht uns nicht mehr," begann er vorsichtig, ,wa« hast Du ihm gethan?" „Wir haben uns entzweit", erwiderte darauf eiskalt Elli. „Er ist ein ehrenhaster Mann, den ich vor Allen gern als Deinen Gatten begrüßt hätte," suhr Herr Bartelot mit mehr Gefühl, als er sonst merken zu lassen pflegte, sort. „Er ist mir unausstehlich," entgeg nete Elli sichtlich gereizt. „Das ist »ich! der Grund, der Euch trennt," sprach ernst Herr Bartelot und richtete seine scharfen Augen auf seine Tochter, „es ist allein der Hochmuth Deines Herzens, der auch diesen edlen Von dieser Stunde ab sprachen sie nicht mehr darüber. mehr mit dem abgewiesenen Freier sei ner Tochter als srüker, stets aber außer seinem Hause. Wer in Elli'S Herz hätte blicken können, der würde unter ihrem Stolz und ihrer Kälte eine Gtuth entdeckt haben, deren Gewalt noch ge schürt wurde durch Reue und Verzweif lung. Somit vergingen zwei lange Jahre. In dieser Zeit näherte sich Jamson Miß Elli nich ; jedoch fiel eS scharfen Beobachtern aus, daß der Man», wel chen die Gesellschaft mit der stolzen Schönheit in Verbindung gebracht, diese sozusagen umkreise, allerdings so vor sichtig nnd zurückhaltend, daß mir We nige solches wahrnahmen. Da reiste Jamson eines Tages Plötz lich nach Paris. Es hieß, er unter nehme eine Vergnügnngstonr, nnd eine Woche spaier eröffnete Herr Bartelot seiner Tochter, daß er die gleiche Absicht hege. „Ich mache eine Sommertour über Paris nach der Schweiz und Italien," begann er in seiner militärisch kurzen Weiie beim Mittagessen. „Ich will Dir nicht verhehlen, daß Jamson mich ein geladen, ihm zu folgen: ich werde mich »hm zwar nicht anichlicßeii sür die ganze Reise, ein Zusammentreffen mit ihm ist jedoch unvermeidlich, und ich frage dich deshalb, ob Du mich beglei ten willst." Ohne sich zu besinnen, antwortete Elli: „Ja, ich werde mitkommen. Europa ist groß und wir werden nicht immer zusammen sein. In ihres Vaters Zügen leuchtete es wie verhaltene Freude. Elli bemerkte es nicht, den» sie schaule beharrlich aus ihren Teller und suchte mit aller Krast ihre Erregung und das heftige Klopfen ihres Herfens niederzukämpfen. Als sie in ihrem Zimmer allein war, weinte sie laut. „Ich werde ihm nie angehören können," sprach es in ihrem Herzen, „es steht ja der unglückselige Schwur zwischen ihm und mir!—" Dem schnellen Entschluß des Herrn Bartelot folgte rasch die That, und eine Woche später waren Vater und Tochter schon in Paris und trasen alsbald mit Jamson zusammen. Die Begegnung war jedoch flüchtig, und Jamson war so ruhig, leidenschastslos und höflich, wie immer, während Elli, deren Brust fast zu sprengen drohte, vom Uebermaß sich widersprechender Empfindungen, ganz gegen ihren Willen sich steif und theil nahmslos benahm. Arthur Jamson reiste von Paris nach dem Süden. Auch Elli'S Vater fand plötzlich die glänzende Hauptstadt Frank reichs nicht mehr interessant genug, um ihn noch länger zu sesseln, «nd trat mit seiner Tochter ebenfalls die Weitereise nach der Schweiz an. In Luzern trafen Bartelot's und Jamson sich wieder, und man wohnte, wie zufällig in demselben Hotel. Elli und Arthur Jamson saßen bei der Mittagstafel nebeneinander, und dem Mädchen blutete das Herz bei der sich stets gleichbleibenden kalten Sicherheit des geliebten Mannes. Jamson er klärte, daß er aus der neueröffneten Gotthardbahn nach Mailand weiter zu reisen gedenke. Herr Bartelot zeigte sich erfreut, daß er dieselbe Tour schon morgen antreten werde und sie dann wahrscheinlich doch zusammen reisen würden. Jamson verbeugte sich artig und sprach schlicht und einfach und ohn. jede Erregung aus, daß ihm das sehr ange nehm sei. Elli saß still und schaute vor sich nieder, sie kämpste bei dem so heite ren Tone ihres Nachbars mit Thrä nen. Am nächsten Morgen traf man sich auf dem Dampfer und in Fluelen be stieg man die Eisenbahn. Der Zug war sehr besetzt, die drei Reisenden konnten nicht nebeneinander sitzen. Jamson mußte einen Platz am entgegengesetzten Ende einnehmen. Der Zug stieg in die Höhe, über Wiesen, durch Wald und Felsen, an Wasserfällen vorbei über Brücken und ?iiaducte; der mächtige Koloß Sr. Gotthard, trat näher und Göschenen war erreicht. Hier hielt der Zug. Die Locnmolive wurde gewechselt nnd die Lampen ange zündet, dann ertönte ein langgezogener Pfiff, das Läuten der elektrischen Glok kcn, »nd hinein suhr der Zug in dea gigantischen Erdwall, der, bis in die Wolken sein ewig eisbedecktes Hanpt erhebend, Italien von dem deutschen Lande trennt. Die Erregung der Rei senden war groß; die Temperatur im Wagen stieg, und die zuerst hell bren nenden Lampen bekamen ein trübes röthliches Licht, welches dem Innern des Wagens einen feierlich düsteren Charakter verlieh. Die Hälfte der Fahrzeit zwanzig Minuten war bereits unter dem er wartungsvollen Schweigen der Reisen den verflossen, und weiter brauste der Zug, dröhnten dumpf die rollenden Rä der. Da ereignete sich etwas Seltsames. Ein bisher still aus seniem Platz sitzender Herr erhob sich und schritt bis z« dem entgegengesetzten Ende des Wa gen«, wo Herr Bartelot und seine Tochter saßen. Er blieb Hochaufgerich tet vor Elli stehen und sprach mit halb lauter Stimme: ,Miß Bartelot, wir sind zehntausend Fuß tief unter der Erde. Ich erinnere Sie an Ihr Verspreche« wollen Sie meine Frau werden?" Eine sonderbare Pause trat ei». Das rothe Licht fiel schwankend auf die Hobe imposante Gestalt des Mannes. Er hatte englisch gesprochen, aber die meiste» Passagiere mußten ihn verstan den haben, denn Alle hatten sich von ihren Sitzen erhoben und starrten ver wundert nach ihm und der jungen Dame hin, der seine Anrede galt. Athemlos lauschte man den Dingen, die sich dort entwickeln würden. Man bekam nicht viel zu hören, und die Scene fand einen so schnellen Ab schluß, wie sie plötzlich und überraschend gekommen war. Die junge Dame er hob sich hastig von ihrem Platze, ergriff die Hand des vor ihr stehenden Man nes und flüsterte ihm mit bebender Stimme ins Ohr: „Ja, ich will Dich!"— Plötzlich ertönte ein lauter Pfiff, das Tageslicht begann zu leuchten; alle Reisenden stürzten an die Fenster, um den Ausgang des Riesentunnels zu sehen. Der Zug hielt, und ehe die neugieri gen Reisenden sich noch deS Abenteuer«, dessen Zeugen sie eben gewesen, erinnern und nach den handelnden Personen die ses originellen Dramas ansschanen konnten, hatten diese bereits den Wagen verlassen und ihre Plätze waren leer. Ter Zug suhr weiter in das schöne Ita lien hinein, zu Eypressen- und Orangen hainen. Herr Bartelot mit seiner Tochter und Arthur Jamson gingen den Weg nach Airolo hinab. Elli schritt am Arme JamsonS voraus, während ihr Vater eifrig die landwirthschaftlichen Schön heiten zu bewundern schien. „Und Du hast diese ganzen zwei Jahre daran gedacht?" fragte Ella glückselig. „Von dem Augenblick an, als Tu von den zehntausend Fuß unter der Erde sprachst, setzte ich meine Hoffnung aus diesen Augenblick und habe sehnsüch tig ans die Eröffnung der Gotthard bahn gewartet." „Du bautest so felsenfest auf mein Wort?" fragte Elli weiter. „Ja, weil ich glaubte, daß Du mich nur aus Stolz und Laune abgewiesen, da ich fast ein wenig ungestüm vorging. Weil ich aber sah und sühlte, daß Du mich liebtest, so schien es mir unmöglich, daß Du mir ewig zürnen könntest, und die zwei Jahre, in welchen Du alle Freier abgewiesen, haben mich in mei nem Vertrauen nur bestärkt." »So hast Du mich zwei Jahre lang in meiner Pein gelassen," schmollte Elli. „Ei gewiß," lachte Jamson. „In der Stunde, als Du das Spottwort von den zehntausend Fuß aussprachst, stieg bei mir die Idee auf, daß die» daS Mittel wäre, Dich Dir selbst abzu trotzen." Elli warf einen innigen Blick in die Augen Arthurs. „Weißt Du übrigens," sprach sie daraus mit schalkhafter Miene, „daß dreitausend Fuß an den zehntausend sch ien? Göschenen und der Tunnel liegen gerade dreitausend Fuß über dem Meere. Wenn Du Dich also nicht gut beträgst, kann ich diese als Scheidungsgrund gel tend machen." „O das wußte ich wohl," erwiderte herzlich lachend Jamson. „Aber, liebes Kind," setzte er etwas ernster hinzu, „ich verspreche Dir, daß Du niemals Ursache haben sollst, diesen oder einen anderen Scheidungsgrund, gegen mich in's Feld zu führen!" Man erzählt in Gegenwart eine? Marseillers die Prahlsucht der Süd franzofen ist eine bekannte und oft be spottete Thatsache von einem Manne, der es vorzüglich verstanden habe, Thierstimnien zu imitiren. „Das ist gar nichts," sagt der Spröß ling aus der Stadt der Bouillabaisse, „ich habe einen Mann gekannt, der so großartig dem Hahn nachmachen konnte, daß, wenn er zu krähen begann, die Sonne ausging." Demselben Marseille» spricht man von einem wunderbaren Zwillingspaar zwei Schwestern, die nur einen Rumpf hatten. „Pah!" sagte er, „in Marseille ha ben wir schon vor Jahren so etwas ge sehen; nur waren es damals nicht zwei Schwestern, sondern zwei Cousi nen." Ein Bettler spricht beim Baron voi» Rothschild vor. „Ter Herr Baron empfängt nicht," sagt der Portier. „DaS ist mir gleichgiltig, wenn er nur gibt." Ein rasch reich gewordener Gentle man, der von Haus aus nicht gerade an seine Sitten gewöhnt ist, zeigt seinen Freunden daS prächtige Hotel, das er sich hat erbaue» und einrichten lassen. Alles wird „wundervoll" befunden, nur bemerken die Freunde, daß an den Fen stern, selbst an denen des Schlafzim mers, die Vorhänge fehlen. Man in terpellirt den Hausherrn diesbezüglich. „Oh, das wäre eine überflüssige Aus gabe gewesen," sagt dieser. „Aber " „Oh ja, ich weiß, was Sie lagen wol. len, meine Herren ... die Nachbarn gegenüber Allein, sehen Sie, die haben ja selber Vorhänge an den Fen stern und das genügt doch." Kein Abschreckungs gründ. Tochter: „Denke Papachen, da hat Cousin Fritz einen großen Korb Wein trauben geschickt und oben darauf lag dieses lange Gedicht!" —Vater: „Scha det nicht, wir essen die Trauben trotz dem!" Recht ermunternd. Mut ter (zur Hausfrau): Ach bitte, nöthi gen Sie meine Tochter doch nicht, sie ißt zu Haufe auch immer nur sehr wenig. Haussrau: Aber, liebes Fräulein, thun Sie doch ganz, als ob Sie zu Hauje wären!
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