» »er Die kleine, üppige, noch hübsche Frau Klara Karps war Vorsteherin emer Mädchenarbeitsschule. „Frau Direktor" nannten sie ihre Schülerinnen, und das war ihr recht, denn ihren Namen konnte sie nicht leiden. ES war ihr immer zuwider, wenn je mand sie „Frau Karps" ansprach; „er" hieß >a so, der ewig betrunkene, gewis senlose Mann mit dem blaurothen Ge sicht. der einst ihr Mann war. ES ist schon lange her, schon drei zehn Jahre, daß er davon ging, von ihr und den Kindern. Sie hieß ihn gehen, weil sie nicht mit einem Menschen leben konnte, der ihr verächtlich war, und er ging gern, sehr gern. Die Frau war ihm ja so langweilig, so lästig, mit ihrem sogenannten Anstand »nd ihrer ewigen Einengung. Die kleine Emma war damals erst ein paar Monate alt. Julius aber schon ein verständiges Kind von siebe» Jah ren, da» schon erschreckend große Augen machte, wenn fich die Eltern zankten. Tann war Ruhe im Haus«. Stolz, energisch und unermüdlich kämpfte die kleine Frau Director mit dem Leben. Die Kinder brauchten viel, sie wollte ste doch gut erziehen, und „er" gab nichts dazu, konnte auch nichts geben, denn er hatte selbst kaum das Nöthigste. Ein Schreiblehrer! „Kalligraph" nannte er sich! Tu mein Gott! Und das Trinken, das viele Bier, oder Wem! Und dann noch etwas Einmal, es war ein oder zwei Jahre nach der' Trennung, ging die Frau Di rektor spazieren mit den beiden Kin dern. Da ging „er" drüben, auf der anderen Seite der Straße. Julius erkannte ihn auf der Stelle. „Mutter, da drüben geht —" „Scht", machte die Mutter und riß den Knaben an der Hand vorwärts weg ans seinen Blicken die Kin der braucht er nicht zu sehen, der Ver haßte ! Und dann er war nicht einmal allein! DaS Weib da au seiner Seite— „Also doch!" murmelte Frau Karpf, ein wenig bleicher werdend. Beinahe hätten sich ihre Augen mit Thränen ge füllt. Weinen? Nein! Pfui. „Also doch! ja, ja, ohne eiu Weid hätte er'S nicht ausgehalten! Aber so eiu jammerliches Ding, so ein häßli ches! Also das genügt ihm!" Beinahe hätte sie gelacht, oberes war ihr so bitter im Munde. Die Kinder wuchsen heran. Die kleine Emma kannte den Vater gar nicht, aber sie wußte, daß er lebte mit einer anderen Frau, die aber nicht seine Frau war. Ihre kleinen Freun dinnen erzählten ihr das. Sie errö thet und schämte sich, und sprach nie mehr von ihrem Vater. Julius war sehr talentvoll, schon jetzt gesucht als Klavierlehrer, obwohl er erst zwanzig Jahre alt war. Ausge weckt, klug, energisch, wie die Mutter. Manchmal schon war er auf der Straße dem Vater begegnet, allein, »der mit dem „jämmerlichen Frauen zimmer", das der Vater fchon kannte, »lS er noch im Hause lebte bei der Mutter. „Heut' bin ich ihm wieder begegnet," sagte er beim Essen. „Wem ?" fragte die Frau Director. »Na —dem Karpf." „So, so." „Die Strubel war mit ihm." Er spuckte aus. hieß das „jämmerliche" Ve'.b. „Ich glaub', er war wieder be soffen I" Julius verachtete seinen Vater, er hielt das sür seine Pflicht. Denn er wußte AlleS: den namenlosen Kummer und Schmerz der Mutter, des VaterS Herzlosigkeit, seine Gewissenlosigkeit, seine Alles, alles!" Die Mutter liebte er abgöttisch. Wenn er den Vater sah, ausge schwemmt, rothnäsig, gemein, konnte er nie begreifen, wie seine schöne, liebe, kluge Mutter diesen Mann einst nehmen konnte! Und als Nachsolgerin seiner Mutter—diese Strubel! DaS konnte er noch weniger begreifen. „O pfui, das ist zu gemein." . Dann starb der Karps. Der Schlag hatte ihn getroffen. Da kam die Strubel zur Fra» Di rektor. Zum ersten Male standen sie sich gegenüber. Die kleine Frau er blaßte vor Zorn, als sie das rothge weinte Weib, mit dem auffallenden Trauerputz, vor sich stehen sah. „Was wollen Sie?" „Ach Ihr Mann ist gestorben", schluchzte die Strubel. „Ich habe keinen Mann", erwiederte die Frau Director rauh. „Nun—Herr Karps ist gestorben." Nach kleiner Pause: „Was geht das mich an!" Die Strubel heulte hinaus: „Ich habe kein Geld, ich kann ihn nicht beerdigen lassen —" Plötzlich schwieg sie, unter der Thüre stand Julius mit zornfunkelnden Au gen. „Gehen Sie!" rief er das Weib mit bebender Stimme an. Belästigen Sie meine Mutter nicht. Was gehen un» Ihre Privatverhältnifse an! Die Strubel ging. Die Mutter stand da und sah vor sich hin, dann ging sie leise zur kleinen Emma hinein, und erzählte ihr, daß nun ihr Vater gestorben sei. DaS Kind sah die Mutter ernsthast an und schwieg. Dann, ganz allmäh lich, süllten sich ihre Augen mit Thrä nen und langsam liefen sie über die Wangen herab. Dann als ob sie sich besänne—blickte sie um sich—dann— lächelte sie: „Ich bin aber dumm, jetzt habe ich geweint, und ich habe ihn doch gar nicht gekannt. Und fast stolz klang ihre Stimme, alt sie ihren kleinen Freundinnen erzählte: „Mein Barer ist gestorben! Ich bin -ine Waise." Es war ihr wie eine Erleichterung, sag?» zu können „Ich habe keinen Va ter mehr, er ist gestorben!" Wie die anderen Kinder, wie die an ständigsten. Waisen gibts ja so viele. Und die Leute bemitleideten sie auch »och, jetzt—da sie es doch gar nicht mehr löthig hatte. Die Frau Director schickte dock, uocki einigem Besinnen, Geld nach Karps'S Wohnung. Auf Gemeindekosten, wie einen Bett ler, beerdigen lassen, den Vater ihrer Kinder! Das wollte sie doch nicht. Nach zwei Tagen sagte sie zu JuliuS: .Geh' zum Begräbniß." „Nein, Mutter, das thue ich nicht!" „Du gehst, sage ich Dir! Schau Deinen Vater noch einmal an, draußen auf dem Kirchhof und und ver zeihe ihm." Widerstrebend gehorchte JuliuS. Er trat aus die Steinstufen, die man besteigen mußte, um in di'' Leichenhalle schauen zu können. Eine Tafel war neben dem Sarg: „Michael Karpf, Schreiblehree, 48 Jahre alt." Die Lichter brannten regungslos zu beiden Seiten, auch Kränze und Blumen waren da. „Julius sah durch'S Fenster hinein ,zum Vater, schüttelte den Kops und las noch einmal die Tafel: „Michael Karps Schreiblehrer, 48 Jahre alt." Ja, ja, er war's wirklich. So bleich, so schmal. So edel schien ihm das Gesicht, mit dem leise überlege ne» Zug, den der Tod verleiht. So hatte er den Vater nie gesehen! Ach hätte er doch dielen Vater im Leben ge kannt Er weinte am offenen Grabe und kam wie gebrochen nach Hause. „Mutler, der Vater war so schön." „So schön!" wiederholte Frau Klara still. „Ja, ganz anders als sonst, so schlank in seinem schwarzen Gewand er sah wirklich vornehm a»S wie verklärt— ich hätte nicht geglaubt, daß der Vater ko aussehen könnte!" Die Mutter nickte stumm. „Ich habe geWein», Mutter!* Mit einem tiesen Seufzer, wie wenn eine Last von ihr genommen, blickte sie auf ihren Sohn. „Gott fei gelobt, so wird er seinen Valer im Gedächtniß behalten nicht anders." Sie drückte die Hände zusammen. Ihr Geist sah in ferne, ferne Vergan genheit da sie und „er" jung waren und glücklich! Da er neben ihr stand, srisch und schlank und lebenSmuthig, und er ihr dann den ersten süßen Kuß gab. Daran konnte sie jetzt wieder lächelnd denken, jetzt da doch alles, alles vorüber war. Es war wie eine längst ersehnte Erlösung der Gedanke an holdes Jugendglück! Nie hätte sie ge dacht, daß sie das noch könnte! Lä chelnd! Wie gütig, mild, Versöhnung er zwingend ist doch der Tod I Wahr haftig, nie hätte sie das gedacht. Et» freudiges Wiedersehe«. Ein pikfeiner Herr war eS, der an einem Vormittag im Franziskaner in Berlin bei einem Glase Bier seinem Nach bar in breitspuriger Weise von seinen in Amerika erworbenen Schätzen, seinen noblen Passionen und seinen transatlan tischen Erlebnissen erzählte. Durch die ziemlich laut geführte Unterhaltung wurde ein am Nebentische sitzender Ber- liner Kaufmann auf den Fremdling ausmerksam. Wie ein Blitz schoß ihm der Gedanke durch den Kopf: „Den. Mann solltest Du doch kennen." Er zcrmaxterte skin Gehirn lange Zeil vergeblich. Auf einmal jubelte eS in ihm auf: „Ich Hab's!" Er zahlte schnell seine Zeche, gab auf der Straße einem Bekannten einen Wink, den Fremd ling nicht aus den Augen zu verlieren, und stürzte nach Hause; dort durch wühlte er seine alten Papiere und zog endlich aus denselben ein Schriftstück hervor,das mit den characteristischenWor t«n begann; „Im Namen des Königs!" Ein benachbarter Gerichtsvollzieher war bald zur Stelle gerufen. Mit ihm im Bunde zog der Kaufmann aus, den fei nen Herrn wieder aufzusuchen. Durch den Beobachter erhielt man die Kunde, daß der Fremde Hch soeben nach dem Bahnhofe Friedrichstraße begeben habe. Rechtzeitig vor Abgang des ZugeS tras unser Kaufmann und sein Adlatu», der Gerichtsvollzieher, auf dem Bahnhof ein; sie sanden den noblen Herrn, wie er sorglos und guter Dinge aus dem Perron umherschlenderte. Der Ge richtSvollzieher näherte sich ihm mit höflichem Gruße und den Worten: „Ich habe Ihnen ein rechtskräftiges, sofort vollstreckbares Urtheil vorzulegen, und bitte, bei Vermeidung unmittelbar er folgender Zwangsvollstreckung, um freundliche Begleichung der kleinen Schuld, die Sie vor mehreren Jahren bei Ihrer etwas plötzlich erfolgten Ab reise zu begleichen vergessen haben". Was nützte dem noblen Herrn da alles Sträuben und Zieren, das Roth-und Blaßwerden. DaS Mundspitzen hals nichts, eS mußte gepfiffen werden. Und fo zog er denn endlich sein Portemonnaie aus oer Tasche und entnahm demselben eine Reihe von Goldfüchsen, die er in des Gerichtsvollziehers Hand gleiten ließ, der, als die Summe voll war, als Gegengabe dem noblen Herrn das bewußte Aktenstück mit den kalligraphi schen Ansangsworten: „Im Namen des Königs" unter die Arme schob »nd mit seinem Austraggeber sehr vergnügt von bannen zog. Der noble Herr ab« sprang in den bereits zur Abfahrt fer tig stehenden Zug und verließ di« schöne Stadt mit den innigsten Segens wünschen für den Kaufmann, der ihm den Abschied voo hier sehr erleichtert hatte. Bei Männern, denen dai Herz immer aus der Zunge schwebt, iß es nie auf dem rechte» Fleck j» finden, Z)t« ti«d««»ad«rdrassige»« Ziemlich oft in mancher Woche zwei- oder drei Mal wundere ich mich darüber, daß so wenige Menschen sich umbringen. Nämlickn Verhältniß mäßig so wenige, angesichts des Um stände», daß eine ungleich größere An zahl Personen sich mit aller Entschie denheit sür lebensüberdrüsfig erklärt. Wenn man den Leuten so zuhört, möchte man meine», neunzig Proccnt aller Er dcnbcwohner stehen im Begriffe, sich allcrnächstens au» der Welt hinauszu besordeln. Unaufhörlich umsummt Ei nen die Klage der verschiedensten an geblichen Selbstmordcandidaten; man athmet erleichtert auf, so man eine Stunde lang keinem Geiste begegnet, welcher den Willen zum Leben verneint. Oder richtiger: man hört diese Vernei nung allezeit wieder, aber es bleibt er freulicherweise bei der grundsätzlichen Negation, während in Wirklichkeit der Wille zum Leben un» als entschieden bejaht erscheint. Nach und nach bin ich dahin gekommen, den Pessimisten, wel che angeblich das Tasein hassen und ver achten, nicht mehr unbedingt zu glau ben. Erfahrungen haben mich daliin gebracht, aus Versicherungen, wie zum Beispiel: „Ich habe das Leben satt, Sie werden nochstcnS Schreckliches von mir hören!" zweiselsüchtig zu antwvr ten: „Sie versprechen Einem, was Sie denn doch nicht halten." Wer sich mit offenen Augen umthut, wird nach und nach von einem nicht un begreiflichen Mißtrauen gegen die be geisterten Verehrer der Sclbstvernich tung ersaßt; wer mit dem Leben fertig ist, der ist es auch mit den Nebenmc» schen und legt keinen Werth daraus, sie von seinen Ansichten und Absichten zu verständigen; wer sich sür den gesell schasUiche» Verkehr als Selbstmordcan didat zurechtlegt, der nimmt eine Pose sür den lieben Nächsten a» und verläßt sicherlich nicht freiwillig eine Welt, i» welcher es so viele Gelegenheit gibt, persönliche Eitelkeit zu befriedigen. Lessing macht die Bemerkung, man spreche von keiner Tugend so viel, wie von jener, die man nicht Hot. DaS gilt nicht nur von Tugenden, sondern von Allem, was das geistige oder seeli sche Leden des Menschen betrifft. Biel leicht sogar das körperliche, denn Schwächlinge, die ein Windhauch um blasen könnte, möchten als Athleten gelten, die Schwerhörigen ersuchen, man solle mit ihnen nicht schreien, die Kurzsichtigen thun sich auf ihr treffliches Sehvermögen etwas zugute und wer nicht zwei Stunden Spazierengehens verträgt, macht Projekte für die gewag testen Bergbesteigungen Die LebenSüberdrüssigen, die mit dieser ihrer angeblichen Gemüthsver sassung cocettiren, dürfen keinen An spruch erheben, ernst genommen zu wer den. Sie sind nur Selbstmörder ini Princip, in Portikus iliticlelium. Be gegnc ich einem von ihnen, so erinnere ich mich an ei»' höchst ergötzliche Gestalt in einer Posse von O. F. Berg: ein Mann, der den Anderen mit unversieg barer Beredtsamkeit klarzumachen sucht, daß das Leben nicht werth sei, gelebt zu werden, daß sie die Anderen nichts Vernünftigeres thun können, als sich zu tödten. Er empfiehlt die lie benswürdigsten, reizendsten Selbstmord mittel; den Revolver schildert er wie das köstlichste Bijou, das Einem nur Vergnügen bereite; wenn er „Chankali" sagt, so schnalzt er mit der Zunge wie ein Feinschmecker, der von einem kostbar seltenen Gerichte spricht; nach seiner Versicherung macht Jemand, der sich ertränkt, eine erfrischende Wasserkur durch. Die Pseudo-Leben-Züberdrüssigen sind nach Muster der besagten Figur Aerz!e, welche Medikamente verschrei ben, aber selbst kein« nehmen. Schopen hauer, der bekanntlich das Leben als etwas Nichtiges, ja Häßliches von oben herab beurtheilt hat, hauste in Frank furt a. M. recht behaglich und wollte die deutsche Bundeshauptstadt wegen der daselbst üblichen guten Küche nicht verlassen. Auf den Frankfurter Welt weisen berufen sich gar oft Diejenigen, welche uns dadurch begreiflich machen möchten, daß wir alle Ursache hätten, aus diesem Jammerthale zu scheiden. So oft Jemand mir die Löblichkeit mei nes eventuellen Selbstmordes auseinan dersetzt, sage ich ihm in Folge meiner guten Erziehung: „Bitte, nach Ihnen." Man soll Standespersonen immer den Vortritt lassen. Jeder Tag bringt uns Kunde von Elenden und Unglücklichen, die freiwil lig den Ausgang aus Verzweiflung oder Noth gesucht haben. Unser Herz zuckt schmerzlich zusammen bei dem Ge danken an die Verlorenen, denen kein Ausweg sich mehr eröffnen wollte. Zuerst kommt die Kunde von ihrem tragischen Ende uns unerwartet, denn das tiesste Unglück ist verschämt wie die tiefsie Armuth Ich will nicht unter suchen, ob ein anderer Ausweg nicht in den meisten Fällen doch wäre zu errei chen gewesen; die Realschüler und Ghmnafiasten, die sich wegen schlechter Zeugnisse das Leben nehmen, prosa niren ihr Schicksal; der Engländer, der sich umbringt, weil es ihn langweilt, jeden Abend vor d<m Schlafengehen seine Taschenuhr aus zuziehen, sein Landsmann, der eS nicht verirägt, sich täglich an- und aus zukleiden sie mögen dem Bereich der Anekdote angehören, aber manchmal hat der Selbstmord keine vernünftigeren Gründe als das leichtsinnigste Duell. Nur eine Gattung Menscheu tödtet sich nicht wegen Lappalien: die LebenS überdrüssigen von Profession. Wohl werden sie nicht müde, Haß und Verach tung gegen ihre irdische Existenz in den heftigsten Ausdrücken kundzugeben, aber sie zeigen eine fabelhafte Virtuosität »uch darin, fich in der Ausführung ihre, »„heimlichen Pläne behindert zu sehen. Vor Allem sürchten sie den Vorwurf der Feigheit. Schade, daß sie die Stell« aus Schopenhauer vergessen haben: ,ES gibt gewisse allgemeine und fest arcredrrte. täglich von unzähligen mit Selbstveranügen nachgesprochene Irr thümer Zu diesen gehör: auch der Satz „Selbstmord >st eine »eige Hand lung" , , Alto ermei'kti !ie iich muthiq und leben sich wacker zu Tode. Auch schieben sie d:e Schuld an ver Nichtaus führung 'hrer liebevoll gehegten Pro jekte Tritten >n d'.e Schuhe. D>e über wiegende Mehrbett der vrs'e>fiznellen Pflichten gegen Weib und kmd. Wer nichts Aehn'.iches u::d sich doch in der dankbaren Rolle des Selbstmord- Enthusiasten gefällt, sucht eine» moder nen TugendbKk. Einer meiner Bekann ten zum Beispiel redete sich Jahre hin durch aus einen in Amerika ansässigen heißgeliebten Lnkel auS: diesen würde er lies betrüben, wenn er einen unna türlichen Tod suchte freilich, wärc der amerikantsche Onkel nicht, so würde er, der Neffe, längst an die Pforte einer besseren Welt gepocht haben. Eines Tages erfuhr ich, daß fraglicher Onkel längst nicht mehr im Lichte der Sonne wandle. Dem Neffen fchicn dieser Mortimer sehr gelegen zu leben Tie scheinbaren Lebensülurdrüssi gen, welche gerne mit Lenau klagen, daß wir „so viel Arbeit um ein Leichen tuch" vergeude«, sie sind im Stande, ihrem Raseur zuliebe, die Last dieses Lebens fortzuschleppen, die Gutherzi gen! Uebngens können sie sich daraus beritten, daß ihr Schopenhauer aller dings behauptet, Jedermann habe das Recht, sich umzubringen, daß er aber von emer Pflicht dazu nichts verlaute» läßt, ja daß er sogar die Behauptung ausstellt, der Selbstmord sei etwas ganz Vergebliches. Nach seinen Folgerungen zerstöre der Selbstmord blos die einzelne Erschei nung. jedoch nicht das Ding an nch: den Willen zum Leben. Der Selbst mord sei also eine „thörichte Handlung" —im „Hotel Schwan" in Frankfurt, wo Schopenhauer Stammgast war, wurde ausgezeichnet gekocht ja noch mehr: der Pessimist solle dem armseli gen Leben gar nicht die Ehre anthun, sich eine Kugel vor die Stirne zu jagen oder einen Strick als Halsbinde anzule gen. „Weit entsernt", meint er vom Selbstmorde, „Verneinung des Willens zu sein, ist dieser ein Phänomen starker Bejahung des Willens. Der Selbst mörder will das Leben und ist blos mit den Bedingungen unzufrieden, unter' denen eS ihm geworden." Das lassen unsere LebenSüberdrüssigen sich gesagt sein und verachten das Dasein, indem sie es grollend ertragen In ihnen vereinigen sich nicht selten die grellste» Gegensätze. Im vorigen Jahre wurde ich im Ballsaale einer reizenden, jungen Dame vorgestellt. Da ich sie nicht nenne, dars ich ihr öffentlich dieses Com pliment machen. Die Reizende plauderte mit mir über ihre Melancholie: sie sei lebensüber drüssig, trotz ihrer Jugend freue sie nichts mehr, sie möchte am liebsten hin ter Klostermauern den Rest ihrer Tage verbringen. Trotz all' meiner Erfah rungcn fühlte ich etwas wie Mitleid mit ihr, tröstete sie, so gut ich konnte, suchte ihr zu beweisen, daß die Existenz einige Lichtpunkte habe es hals nichts, sie blieb bei ihrem düsteren Standpunkte. Da nahte sich ein Husa ren-Lieutenant mit cocett ausgezwirbel tem Schnurrbärtchen, bat um einen Walzer fort raste sie mit ihm. Glück in den Augen, Glück auf den Wangen, Lebensfreude in jedem Nerv. Und der Husaren-Lieutenant tanzte noch etliche Male mit ihr sie aber vergaß mich und ihren Lebensüberdruß es hatte sich nur darum gehandelt, daß der Rechte kam; ich, der Mann mit der leise beginnende» Glatze, schlich beschämt aus der Brüder und Schwestern Kreise hinaus.... Die Jugend, die noch kaum begonnen hat zu genießen, thut gerne so, als habe sie schon übergenug des Genusses, sie nimmt die Maske der Uebersättigtheit vor, aber dahinter lacht der pausbackige Avpetit, der nur aus etwas Gutes war tet, um tüchtig hineinzubeißen. Nein! Wenn ich e» ehrlich sagen soll: ich glaube fast niemals den Lebens überdrüssigen, die ihren Ueberdruß zur Schau tragen, wie einen neuen Hut oder ein neues Kleid. Wir Alle, ob wir es Wort haben wollen oder nicht, wir leben gerne der Sieche und der Bettler sogar wollen leben, und am hes tigsten wollen eS Diejenigen, die das Gegentheil behaupten, um interessant j» sein. Am stärksten wendet sich mein Miß trauen wider die „LebenSüberdrüssigen" im Frühling, wenn der Flieder duftet und Alles um uns und in uns Knospen treibt und ein allgemeines großes Wer den sich regt. In des Lenzes Gold schimmer gedeiht der Pessimismus am übelsten; das ist jetzt die schöne, die hei lige Zeit, da der Jüngling, statt Bla sirtheit zu heucheln, von rechtswegen im Abendhauche vor die Allerliebste hin lnien und ihr sagen sollte: „O Köni gin, das Leben ist doch schön!" Und insgeheim, ohne sich zu verrathen, fin den sogar Diejenigen es schön, die es schon längst abgethan hätten wenn nicht ».s.w. F. Groß. —ln einer Berliner Ge> meindeschule bemüht sich der Lehrer, seinen Zöglingen den Unterschied zwi schen gleichlautenden Substantiven und Adjekiiven klar zu machen. Er schreib! die Worte „Weise" und „weise" an die Tafel. „Nun, Fritz, welches ist der Unterschied zwischen diesen beiden Wör tern?" fragte er einen pausbackigen Jungen. „Ja", antwortete „Fritze" mit Selbstbewußtsein, „det is ne große Weiße und det is 'ne kleene!" Merkwürdig. Student: .Merkwürdige Ideen von unserm Pro fessor, um sieben Uhr Morgens Colleg zu lesen! Da schläft doch jeder vernünf tige Mensch schon!" Der Blick de» ManneS richte! fich aus die großen Dinge in der Ferne, das Auge der Frau sucht nur die Klei> «igkeiten i« der Nähe. ZRodern« z»i»«ft«tir»»«ot. Dr. med. Heinrich Boennecken ans Krefeld, der sich in der medicimsche« stacultät der Bonner Universität al» Privatdocent lzabilitirt hat. hielt in der Aula sei«? öffentliche Antrittsrede „über bie moderne Zahnheilkunde und ihre Beziehungen zur gefammten Heilkunde". Der Vortragende ging von dem Gedan ken ans, baß di« moderne Heilkunde „im Zeitalter de» Specialisirung" sieht. Den drei Svecialsächern der Krankhei ten om Kops, der Augenheilkunde, der Ohrenheil lunde, der Specialität für Nasen- und Halskrankheiten, die sich seit Jahrzehnten an den Universitäten ein gebürgert haben, schließt sich naturge mäß ein viertes an, welches aber auf fälligcrwcije seitens der Gesammtmedi cin bis zum heutigen Tage eine etwas geringschätzende Behandlung erfahren hat, das ist die Zahnheillunde oder die Specialwissenfchast von den Krankheiten der Zähne und des Mundes. Tieselbe habe jedoch im letzten Jahrzehnt einen mächtigen Ausschwung in Deutschland genommen. Die Anregung dazu sei zweifellos von Nordamerika, der „hohen Schule der Zahnheilkunde", ausgegan gen; bezüglich der wissenschaftlichen Ausbildung der Studirenden seien jedoch deutschen Schulen neuerdings überflü gelt worden. Amerika bringe Zahn lünstler, Teutschland Zahnärzte her vor. Die großen Fortschritte, die in der Aera der Antisepsis auch in der Zahn- Heilkunde gemacht worden, sind von Deutschland ausgegangen. Die wich tigste Errungenschast aber ist die Er kenntniß von der Abhängigkeit der mei ste» Mundhöhlen - Erkrankungen von parasitären Einflüssen. „Die Groß thaten eines Joseph Lister und eines Robert Koch sind auch sür die Zahn- Heilkunde epochemachend geworden." Die erste Frucht der durch Koch ge schaffenen exacte» bakteriologischen Un tersuchungsmethodik war die Lvsung der Frage nach der Ursache der wich tigsten aller Mundhöhlen-Erkrankungen, ja, der verbrcitetsten Krankheiten über haupt, der Zahnverderbniß, wurde durch die ausgezeichneten Untersuchun gen Millers im Sinne der chemisch pa rasitäre» Theorie entschieden. Ein weiteres Ergebniß bakteriologi scher Forschung ist die Erkenntniß, daß Ne menschliche Mundhöhle der ständige Aufenthaltsort einer großen Zahl ver fchiedenarliger, theils harmloser, theils im hohen Grade krankheiterregender Organismen ist. 'Als wichtigste Ab lagerungSstälten solcher bakteriellen Gifte betrachtet er den Verdauungs lractus, die Athmungsorgane und die mit der Mundhöhle commuilinrenden Lymphbahnen. Von einer ungepfleg ten Mundhöhle aus gelangen bei jeder Nahrungsaufnahme zahllose Mengen lebender Keime in den Magen, veran lassen hier Esügsäure und Milchsäure gährungen und sühren schließlich zu dem Bilde der chronischen Dyspepsie. Txe Behandlung derartiger Störungen habe in erster Linie eine zahnärztliche zu sein. „Es erscheint irrationell, Kranke mit chronischem Magen- und Darmkatarrh zur isur nach Karlsbad oder Bich» zu senden, wenn dieselben au der Ein gangspforte ihres LerdauungSshstems einen Infektionsherd mit sich iimver tragen, welcher die verdauende Thätig Kit des Magens in empfindlichster Weise schädigt." ?!uck> die Athmungsorgane ?rlranken nicht srlten durch direete In sertion von der Mundhöhle aus, wie durch eine Zusammenstellung zahlreicher einschlägiger Beobachtungen »achgewie jcn wird. Weiterhin bespricht Redner die mannigfachen Erkrankungen des ?rimshgesösjk>f!enis. welche durch Zadn .eiden rerursackt werden. Das bei Kindern so häufige Auftreten chronischer Lymphdrüsenschwellungen am Halle ist :n den meisten Fällen i>urch eariöse Zähne bedingt. Die Zahnheilkunde erreicht ihre vor beugende Ausgabe aus zweifache Weise, einmal durch Entziehung des Haupt nährmaterialS sür die in der Mund höhle vorhandenen Mikro Organismen und zweitens durch Vernichtung der mit den Nahrungsmitteln eingeführten Keime. Das letztere geschieht durch eine methodische Tesinsection der Mund höhle nach teocr Nahrungsausnahme: der Sterilisation des Mundes durch zweckmäßige anliseptische Lösungen hat eine mechanische Reinigung der Zahn reihen, insbesondere der Zwischenräume der Zähne, voranzugehen. Ter erstere Weg ist die Ausschaltung oller Krankheitsherde der Mundhöhle. Zahnreste und Zahnwurzeln, deren Er haltung aussichtslos erscheint, sind zu entfernen, die übrigen Zähne sind sorg fältig aus das Vorhandensein von ca riö'en Herde» zu untersuchen und jede Höhle, auch die kleinste, ist mit einer Füllung zu versehen. „Dank dem Fort schritt, den wir seit Einführung der An tisepsiö in die Zahnleilkundc in der conservatiren Behandlung der Zähne gemocht haben, sind wir heutzutage in der Lage, weitaus die größte Zahl der Zähne, die früher rettungslos der Zange verfallen waren, mit Sicherheit zu erhalten." Zum Schluß spricht Redner über die Nothwendigkeit der Hebung des zahn ärztlichen Standes. „Daß die Zahn heilkunde den ihr zukommenden Platz unter den medicinischen Specialitäten noch nicht voll und ganz behauptet, hat seinen Grund einzig und allein darin, daß staatlicherseits an die Zahnärzte geringere Anforderungen bezüglich der humanistischen und wissenschaftlichen Ausbildung gestellt werden. Will der Zahnarzt die ihm bis heute versagte, aber dringend wünschenswerthe Gleich berechtigung mit dem ärztlichen Stande erlangen, so steht hierfür nur ein Weg offen, und dieser heißt: gleiche huniani stische Vorbildung und gleiche Dauer der Universitätsstudien, wie sie vom Arzte gefordert werden. Erst dann wird die Odontologie ein allgemein an erkaunteS Specialfach der Medicin wer- den, wie die Oihologie n«d die Lary«- gologi«." Gtfange«. Ein Bäuerlein, nur «ine Handtasche «ragend, tritt aus der Bahnhofhalle in Berlin auf die Straße und bleibt dort unschlüssig stehen. Bald gesellt sich ein robuster, nur wenig städtisch gekleideter Mann zu ihm, frägt ihn, woher er komme, behauvtet in der Näh« der ge nannten Ortschaft Verwandte zu be sitzen und plaudert so freundlich, daß der Bauer bald zutraulich wird und er zählt, ein dringendes Geschäft habe ihn hergeführt und er wolle sofort die nöthi gen Schritte machen, wentt er sich nur erst ein wenig gestärkt habe. Der neugewonnene Freund erbietet sich, ihm ein nicht theures Local zu zei gen und sührt ihn in ein kleines Kaffee- Restaurant, wo es sich Beide bald gut schmecken lassen. Zufällig betritt auch ein Freund des Führers das Local, seinerseits ebenfalls von ein«» Bekann ten begleitet. Bald sitzen die Herren vereint an einem Tische und erzählen so interessante und lustige Geschichten, daß der Bauer vor Erstaunen und Lachen gar nicht rechr zu sich kommt. Tann werden zur Erhöhung der Hei terkeit Kartenkunststücke gezeigt und end lich ein Spielchen „Kümmelblätt che»" und dergleichen arrangirt. Der Bauer gewinnt anfänglich, dann wen det sich das Blatt. Er verliert. ES haben sich übrigens noch vier weitere Theilnehmcr an dem Spiele gefunden, die auch im Verlust sind. Als die An zahl der Spieler sich immer mehr er höhte, war die rosige Laune des „Herrn Vetter" sichtlich im Schwinden. Biel leicht irritirte ihn auch sein Pech, genug, er war wortkarg und nachdenklich ge worden. Endlich, als sein letztes Geld stück verloren war, schien er auf's Neue in eine milde Lustigkeit auszubrechen. „Macht nichts", schrie er, „ich werde mein Geld schon Mieder zurückgewinnen". „Womit denn?" fragt der Bankhal ter ironisch, „geborgt wird nicht bei uns." „Ist auch gar nicht nothwen dig", erwiderte der Landmann stolz, „ich kau» mir gleich zehnmal so viel Geld verschaffen, als ich verlor. Und dann spielen wir Weiler. Kennt Je mand von Ihnen die Firma A. ?" „Gewiß", meint der Banlhalter, „das ist ja ein sehr bekanntes Haus und gleich nebendra» in der nächste» Straße." „So, in der Nähe auch noch? Da gehe ich gleich hin." „Will mir einer der Herren den Weg zeigen?" „Gewiß", lautet die freundliche Antwort und Einer von der Tafelrunde erbietet sich zur Begleitung. Binnen wenigen Minuten sind sie an Ort und Stelle. Der Bauer verlangt zu dem Chef des Hauses gesührt zu werden, da er ihm persönlich eine« Brief zu übergeben habe. Sein Wunsch wird erfüllt und er in das Zimmer des GeschästScigenthümers geführt, während sein Begleiter in einem Vorraum war tete. „WaS wünschen Sie, lieber Mann?" frägt der Herr freundlich, bleibt aber fofort ganz erstaunt stehen, da sein Besucher eine Perrücke vom Haupte ninimt, auf ihn zutritt und sagt: „Ich bin Geheimpolizist. Hier meine Legitimation. Ich bitte Sie im Inte resse der guten Sache um einen Dienst. ES handelt sich um die Verhastung eini ger der gefährlichsten Bauernsänger. Gegen meine Voraussetzung denn ich fahndete nur aus zwei habe ich eS mit einem halben Dutzend zu thun, kann also allein nicht vorgehen. Ich brauche SukkurZ. Erlauben Sie. daß ich Ihr Telephon benütze und hören Sie mein Gespräch mit an, damit Sie mir völlig vertrauen." Der Kausnian!» willigte selbstver ständlich ein und veruahm nun, wie der Detectiv mit der Polizeieentrale ver kehrte, seinen Namen nannte, sosort agnoScirt wurde, sein Unternehmen meldete und schließlich zehn Mann Lache in das bewußte Kaffeerestaurant erbat, die binnen eincr halben Stunde in Aktion treten sollten. Dann setzte der Detectiv seine wieder zu recht, dankte dem Geschäftsmanne für seine Unterstützung, Holle aus einer ver borgenen Rocktasche eine Anzahl Bank noten und betrat, diese in den Händen haltend, den Vorraum, um wieder ganz zum „Bauer" geworden, dem harrenden Begleiter zuzurufen: „So, da ist Geld! Jetzt werden wir sehen, ob ich meinen Verlust nicht zurückgewinne!" DaS Spiel ist wieder im besten Gange und die Theilnehmer sehr lustig, denn das Bäuerlein läßt sich rupsen, nach allen Regeln der Kunst. Plötzlich stürzt der Wirth schreckensbleich in das Ge mach, die Spieler springen aus und drängen nach den Ausgängen. Aber Polizisten treten ihnen entgegen und als sie einer geheimen Thüre zueilen, steht das Bäuerlein dort und hält ihnen zwei, der Gandtasche entnommene Re volver unter die Nase. Bald war die ganze Bande bewältigt und ist nun wohl sür längere Zeit unschädlich ge macht. Berich nqppt. Baron: Dies ist dasselbe Pferd, das ich in der Schlacht bei Gravelotte ritt, wo meine ganze ESkadron zu Grunde ging. Gräfin: Also, Sie blieben allein übrig? Baron: Ja. obgleich das Pferd unter mir erschossen wurde. Gräfin - Aber, Sie sagten doch, dasselbe Pserd .... — Baron: Ah Pardon! Wollte sagen, das Pserd blieb, und ich wurde erschossen. Rückfällig. Rechtsanwalt: Ich habe es also jetzt zu Stande ge bracht, daß Sie vom Diebstahl freige sprochen sind nun müssen Sie mir aber auch einen Gefallen thun. —Ange- klagter: Gern WaS soll ich für Sie stehlen? Ein Ehrenmann. Gast (zum Wirthe, dem er die MonatSzeche schuldig geblieben ist): Diesmal zahl' ich nichts. —Wirth: Ja, aber das haben Sie schon vorigen Monat gesagt. Gast: Nun—habe ich etwa nicht Wort gehalten? > w»r «r««« wir sind z» beNagen heutheißt eS m einem alten Walzer. Besonders die Primadonnen in Berlin können «in Liedchen davon singen: die Signora Patti haben sie ausgepfändet, und die Signora Onoria haben sie ausgepfifsenk Signora Onoria behauptet allerdings das Gegentheil und hat deshalb den Director des v hantantS, der sie wegen ihres Mißerfolges sofort entließ, auf eine Entschädigungssumme von KBV Mark verklagt. Und so wurde denn kürzlich vor der 9. Civilkammer des königlichen Landgerichts der Beweis er» hoben - „ob Signora Onoria D. bei ihrem Auftreten im Berliner Chantant- Theater ausgepfiffen worden fei!" Der Fall Onoria hat eine recht in teressante Vorgeschichte. Der Direktor eines größeren Chantant-Theaters, der seine Gesangs-Specialitäten „direct von der Quelle" bezieht, hatte eincn Agen ten in Mailand beauftragt, ihm eine waschechte italienische Primmadoima von Schönheit und Ruf zu senden. Der Agent schickte Bild und Repertoir einer Sängerin ein, deren Exterieur dem Besteller so wohl gefiel, daß er sie sosort acceptirte. Denn eine derartige Beaut« mußte ein Kassenmagnet sür sein Locol werden. Sehr unangenehm berührte ihn des halb ein fväterer Brief des Agenten, der ihm kurz und bündig mittheilte, daß die von ihm engagirte Signora nicht eintreffen werde Sie sei für längere geit „rergrissen" und werde erst nach Monaten „srei", wie die artistischen Kunstausdrücke lauten. Eiue Dame aber, die erst nach Mo naten frei wird, paßt nicht für das Rendezvous der Lebewelr. „Darum", schrieb der Agent, „sandte ich Ihnen umgehend eine vortreffliche Primadonna, die ich zufällig auf Lager hatte.' Sie ist noch besser und echter als das be musterte Exemplar sie wird Furore Bald daraus traf die avifirte Prima donna ein, Signora Onoria D. S» schön sie sich aus der Eutfernung vi» lieblich soll sie in der Nähe ausgesehen haben. Wenn man den Bekundungen unparteiischer Zeugen trauen darf, so gleicht sie < wie die Buchhändler sagen), „dem wohlerhaltenen Jahrgang eines ehemals viel verlangte» Werkes, das wohl auch heute noch seine Liebhaber findet, in Wahrheit aber nur einen imaginären antiquarischen Werth be sitzt." Der Direetor erkannte aus den ersten Blick, daß ihn der Agent mit dieser Surrogat-Primadonna schlecht bedient hatte, aber er ließ sie trotzdem austreten, und das war ein Fehler. Signora Onoria kam, wurde gesehen und sang—der Rest ist Pfeifen! Das Publikum war über die Er scheinung der SängeUn gewaltig ent täuscht und vergaß die fromme Lehre, daß man über das Alter nicht spotten soll. So lange die Signora im Schlepp kleide erschien und Bravour-Arien sang, „jing et noch," wie ein Zeuge erklärte. Es fielen nur einige halblaute Bemer kungen; ein Enthusiast, der die Sänge rin mit der Hälfte eines alten Schrau bendampsers verglich, fand allerding» begeisterte Zustimmung. Als aber Onoria im kurzen, koketten Röckchen hereiiitänzelte, brach mit einem Sturme der Entrüstung zugleich ein hohngelächter der Hölle los. Und da soll eS hauptsächlich ein incognito auf tretendes Mitglied der bewaffneten Macht gewesen sein, das den Schlacht ruf anstimmte, unter dem Italien fiel: .Großmutter will tanzen!" Das ungalante Beispiel verdarb die zuten Sitten oer übrigen Gäste. Der selige Methusalem, der doch ein alte, Lebemann gewesen ist, wird wohl in seiner über ein Jahrhundert langen Praxis keinen ähnlichen Lärm gehört haben, wie ihn die jungen Lebemänner vollführt habe», um d»e Signora „hin zuSzugraulen". Es war eine offenbare und unzwei deutige Ablehnung, und nur eine ein zige Person verstand sie nicht, und da» war Lnvria selbst! Sie träumte von unerhörten Triumphen, und als ihr der Direktor auf Grund des sogenannten „Mißfallcnsparagraphen" sofort kün digte und sie nicht mehr austreten ließ, verklagte sie ihn aus eine Entschädi gungssumme von Mark—Revanche und Schmerzensgeld sür die „Groß mutter!" Der Beklagte bestand auf seinem Schein, der ihm das Recht gab, eine Sängerin, die „allseitig Mißfallen" er regte, sofort zu entlassen. Und um seine Berechtigung zu erhärten, trat er den Beweis an, daß die ihm unterscho bene Surrogat Primadonna thatsächlich ausgepfiffen worden sei. Selten ist wohl einem Gerichte eine schwierigere Beweisaufnahme zugcmu- der ersten Vertagung der Sache werde,; wohl noch mehrere folgen, ehe es gelingt, der unglücklichen Prima donna den vollgiltigen Beweis ihrer Niederlage beizubringen. Man wird noch hören von dieser clause c«lst>i-s! In Mailand aber fitzt der Anstifter alleS Uebels und lacht jedenfalls herz lich über den Fall Onoria parUook über den Durchfall Onoria! Theater - Kritik eine» Börsenblattes. Wilhelm Tell. Drama in sünf Abschlüssen vom Dramas lieferanten Schiller. DaS Theater er öffnete in schwankender Haltung, wurde aber nach dem zweiten Abschluß fester. Gelingere Schauspieler gingen mit klei nen Beifallssalven ab, längere Tiraden erzielten höhere Beisallspreise. Rich tige Betonung und Deklamation meist gedrückt. Kassentendenz: Matt. Undank. Richter: Sie find mm schon zum zwanzigsten Mole wegen Betrunkenheit bestraft worden. An geklagter: Leider fällt'S aber Niemand ein. mich wegen meiner Nüchternheit, tue auch hie und da mal vorkommt, belohne».
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