a > Ich w-iß nicht, ob Du, freundlicher Meier, schon einmal das Gefühl gehab: Hast, eine Berühmtheit zu sein. Ich besaß eS in der vorigen Woche. ES ist ja schwierig, die Grenze festzu stellen zwischen dem Dunkel gewöhn licher Sterblicher und dem Lichtglanz «wer Berühmtheit. Aber ich besitze ein Erkennungszeichen, und ich will es Dir «it Freuden mittheilen, damit, wenn iDn in die Lage kommst, es zu bemar len, Du auch sofort weißt: heute bin ich berühmt geworden. Früher meinte ich freilich: berühmt <p, wer in der Zeitung steht. Ja, da «väre eS jeder Mensch, der in den ersten Stunden seines Daseins dem Publikum Die Visitenkarte abgegeben hat. Da war tch es in erhöhtem Maßstabe mit vier Nähren, als ich während einer Illum ination meinen Eltern abhanden gekom men war und diese mich öffentlich auf bieten ließen. Da war ich eS mit grö berem Anrecht, als ich eines schönen um einem tiefgefühlten Bedürf nisse abzuhelfen, ein „Spedition?-, CommissioiiS- und Inkassogeschäft" «tablirte, und mit noch größerem, als lich, zehn Jahre später, wegen allzu guter Geschäfte, die Löschung der Firma in den Zeitungen bekannt machte. > Es gibt ja übrigens noch andere Deichen, aber die greifen in der Regel zu weit. Wessen Name im Konversa tionslexikon steht, wessen Bild ihm aus einer illustrirten Zeitung entgegenlacht, wessen Wachsfigur im Panoptikum aus gestellt oder als Brunnenfigur gemei ßelt ist. wessen Name einer Straße, einem Restaurant oder einer Hutmode zu Pathen gestanden hat: der ist be rühmt, aber wer kann und will denn immer so lange warten? Mein Krite rium ist viel einfacher und präziser: Du brauchst auch nicht bis nach Deinem Tode zu harren, um es zu erleben. Die Stunde, die Minute, in welcher Du zum ersten Male von einem Dir sonst nicht persönlich nahestehenden Auto graphensammler um einen Beitrag ge beten wirst, drückt Dir den Kranz der Unsterblichkeit aus die Locken. Der Lust, Autographen zu sammeln, liegt inehr zu Grunde, als ein seelen loser Sport. Denn in der Handschrist offenbart sich daS innerste Wesen des Mensche». Darum billigte ich von jeher diese Beschäftigung, zumal in voriger Woche, wo mir eine schöne Unbekannte die Ehre anthat, wich um ein Auto graph anzugehen. Es ist. streng genommen, nicht das erste Mal, daß mir diese Freude zu Theil wird. Einst, in der Knabenzeit, lang, lang ist's her, als ich meine ersten Rmnertragödien frei nach Livius dich tete, ersuchte mich eine Dame, welche bei «ns im Hause schneiderte, um ein Auto graph. Entzückt durch dieses schmei chelhafte Ansinnen, brachte ich das Ma nuskript eines auf großem Conceptbogen geschriebenen, zweimal umgearbeiteten Trauerspiels herbeigeschleppt. Zu mei «er nicht geringen Kränkung mußte ich nachher Zeuge sein, daß das findige Fräulein eine ganze Reihe Schnittmuster «us meiner Dichtung geschneidert hatte. Aus meine entrüsteie Anfrage gab sie «iir lachend den Bescheid, daß sie aus «mdere Weise wahrscheinlich von mir kein Papier hätte erlangen können. So Meierte meine Lavinia ihre Auferstehung als eine Crinoline und Jacket mit lan gen Aermeln. Diesmal aber war es ernst. Eine zweifellos reizende jnnge Dame. Lomfe von Z. die Discretion gestattete ihr jeden alls nicht, den vollen Name» zu verrathe» sprach mir in höchst ehren der und schmeichelhafter Form aus ei «cin >iluidra!ischcn Kärtchen den Wunsch für sich und ihre drei Freundinnen aus, ein Autograph von mir zu besitzen. Je der Mensch ist eitel, warum sollten die, »vclche den Beruf haben, dem Leben den Spiegel vorziihallc», ihren Mitbürgern in der Eitelkeit nicht noch um einige Striche voraus sein? Ich machte daher «inen bohen Freudensprung, als ich das Kärtchen gelesen hatte. Meine Frau glaubte zuerst, ich hätte de» Schiller- Prns bekommen. Sie nahm aber dann das autographische Gesuch als Ab schlagszahlung auf den Ruhm mit gro ßer Genugthuung entgegen und ließ, das geschieht bei un- stets gewisser mas.en an Stelle eines Dank und Freu deiiopsers, zum VeSperkassje Streusel kuchen hole». Ich setzte mich sosort an die Arbeit, schrieb der Wortsühreri» de, vier Grazien zurück, daß ich mich wegen Zkilinangels längst daraus beschränken müsse, den Stoß der läzlich einlausen bcn Aulvgraphengesuche durch meinen Eecretär beantworten zu lassen, daß die Bitte von schönen Damen mich jedoch mit »innen Gepflogenheiten zum ersten Male in Conflict bringe. Wenn ich mir ein Gegengeschenk ausbitten dürse, so sei es das Bild der liebenswürdigen Schreib,ritt, für welches ich mich natür tich sehr gern zu revanchireu bereit sei. Der ganze Nachmittag war der Ab fassnng der vier Autographen gewidmet, die ich dreimal umjchrieb, zuletzl in einer Kalligraphie, die meinem seligen Schreib lehrer, der zu seinen Lebzeiten nicht viel von meinen Fähigkeiten hielt, Achtung abgezwungen hälte. Dann suchte ich «»r aus der Sammlung meiner Kar tons ich besitze eine ganze Muster »arle ein besonders schönes Convert Heraus nnd schrieb die Adresse mit Ninndschrijt postlagernd nach jenem Elädlchen. vo» dem ich weiter nichts wußle, als daß es in dem „Berzeichniß gleichnamiger und gleichlautender Post «rli" eine große Nolle spielt, daß es seit zwanzig Jahren, bisher aber noch immer vergeblich, den Anlauf KU seinem dreitausendsten Einwohner «iinmt, daß es in seinen Mauern eine weitläufige Tante von mir beherbergt, «nit welcher ich seit undenklichen Zeiten »icht mehr zusammengekommen bin, und »aß eS von Berlin innerhalb weniger Stunden bequem erreicht werden kann. Dem letzteren Umstände nicht minder, Ols dem Eiser der jungen Dame ver- dankte ich, daß bereit» am nächsten Morgen ein Brief einging, der zwar leider nicht das erbetene Bild, wohl aber an dessen Stelle, da der Schreibe rin augenblicklich die Photographien fehlten, eine Art Nationale enthielt. Sie schrieb: „Figur: groß und schlank (etwas eckig.) Haar: hellbraun. Augen: blaugrau. Nase: gewöhnlich, mit soge nannten Küssen des Sonnengottes. Mund: etwas über Mittelgröße. LH ren: dito. Alrer: bitte zu errathen." Sie hoffe, daß diese Merkmale das erbetene Portrait mir ersetzen würden. DaS war nun freilich nicht der Fall: aber das gelungenste Oelbild hätte meine Phantasie nicht so aufregen kön nen,wie d,efe lückenhaften Angaben. Ich zeichnete die Schreiberin mit dem Blei stift, mit der Feder einmal, zweimal, zehnmal. Die „etwas eckige" Flgur wurde pikant, die „blaugrauen Augen" blitzten, die „gewöhnliche Nase" zeigte Laune und Schalkhaftigkeit,, und die Küsse des Sonnengottes, die ich aus tuschte, um ein lebhafteres Bild zu ge winnen, gaben dem interessanten Ge sichtchen einen besonderen Reiz. Diese Thätigkeit, die etwaS an die Rekon struction des pergamenifchenAltarfriesfs aus seinen einzelnen unvollkommenen Werkstücken erinnert, nahm mich so voll ständig in Anspruch, daß meine Frau, um mich von dieser Unruhe zu befreien, den mit Freuden aufgenommenen Vor schlag machte, nach dem Städtchen hin überzufahren und den Löwen, richtiger die Löwin, in ihrer Höhle aufzusuchen. Am nächsten Morgen, Sonntags, lösten wir ein Retourbillet andere Billette.werden überhaupt niemals dort hin gefordert —und um 10 Uhr dröhn ten unsere Schritte über das bergige Pflaster des schrägansteigenden Marktes von N. Die Geschäftsleute traten vor ihr« Läden, die Fensterchen öffneten sich zu ebener Erde und im ersten Stock, als die Großstädter mit umgeschnalltem Plaid und dem mitgebrachten kunstvollen Bouquet vorüberzogen, und ein ganzes Komitat von Gassenjungen schritt zur Seite und voran, um uns den Weg zu» Hause unserer Tante, einer stadtbekann ten Persönlichkeit, zn geleitet!. Als wir in den Laden derselben hin einsielen, der Fußboden lag nämlich zwei Stufen unter dem Straßenniveau, und die wüthende Klingel, die durch das Oeffnen der Thüre aus dem Schlafe geweckt zu sein schien, sich einigermaßen beruhigt hatte, trat uns die Tante aus dem Halbdunkel ihres Gewölbes mit glitzernder Brille entgegen und fragte nach unserem Begehr. Als ich mich ihr in Erinnerung zu rückgerufen und meine Frau vorgestellt hatte, war sie hoch erfreut, schloß ohne weitere Umstände das Ge!chäftslocal und führte uns über die steilen Stu fen der hellen, gewundenen Steintreppe nach der behaglichen und viclzimmrigen Wohnung. Es gab da Gelasse im Ueberfluß, denn die Kinder waren seit dem Tode des Onkels sämmtlich ver helrathet und lebten außerhalb, bis auf den Jüngsten, einen hoffnungsvollen Tertianer, von dem uns die Tante klagte, daß er jede schulfreie Stunde über den Büch«« sitze, den sie heut nur mit Gewalt ein wenig in's Freie getrieben habe. Es war nun etwas peinlich, die gute Frau vorzubereiten, daß unser Besuch nicht ganz interesselos sei, daß wir sogar ans ihre Hilfe rech neten, um unserer schönen Unbekannten auf die Spur zu kommen. Die Tante hielt natürlich in ihrer Vorstellung noch bei meinem „Speditions-, CommissionS- und Inkassogeschäft", wollte sich aus schütten vor Lachen über die Verände rung meines Standes und gab mir den eben heimkehrenden Sohn Ludwig mit dem schmeichelhaften Kosenamen „auch so ein verdrehter Mensch", als Aman nensis für meine Entdeckungsreise an die Seite. Ludwig war ein lang aufgeschossener, überhängender Jüngling von jenen eckigen Manieren, hinter denen sich Schüchternheit, Verlegenheit und kolossa les Selbstbewußtsein verstecken. Die schlichten Haare genial aus dem som mersprossigen Gesicht gestrichen, drehte er an der Stelle, an welcher sich vor aussichtlich dereinst ein Schnurrbärtchen erheben dürfte, mit den Fingern hin und her, entflammte bis zu dem brei ten HalSkraqen, als die Tante ihn in uns seinen Verwandten vorstellte, wurde rothglühend, als diese ihm meiie Vor namen nannte und gerie'h in s Weiß glühen, als sie ihm den Zweck meiner Reise mittheilte. Ein Fräulein Louise von Z. war nicht zu ermitteln, obwohl meine Tante den ganzen Adel der Umgebung, mit welchem sie durch ihr Geschäft in Verbindung stand, an den Fingern aufzählte: die Handschrist der Briese, die ich natürlich als werthvolle Jndicic» bei mir führte, war Ludwig nach seiner Erklärung noch nicht vor klärte sich in Handschristen sür nicht kompetent. Wir beschlossen zunächst, zur Buchhandlung zu gehen, in welcher sich doch wohl die Geister des Kreises ein Rendezvous geben mußten. Ter Buchhändler, bei welchem ich mir, um mich einigermaßen zu empsehlen, zu nächst eine Tüte Marokkaner Datteln lauste—denn das geistige Centrum sühit neben Sortiment und Leihbibliothek noch Schreibwaarcn, Manusaeturen, Co lonialartikel und vertritt eine Feuerver sicherung ging sein ganzes Kunden register durch, ohne mir auf die Spur Helsen zu können. Seine Bibliothek, die übrigens nicht über Eugen Sue und Ida v. DürinzSfeld hinausging, würde wenig vom Adel benutzt: diese Herr schaften besäßen so wenig ihre geistige Kost sich von Berlin liefern zu lassen, durch dessen Buchhandlungen sie auch an den Journalcirkeln theilneh men. Hier könne natürlich nur der Herr Postverwalter Auskunft geben. Ich ließ mich von meinem jungen Freunde, der m einer Ecke des LadenStz die Marokkaner Datteln verspeiste, zu diesem geleiten. Er weigerte sich aber hier so entschieden, mit hineinzugehen, sprach von Verleitung zum Verletzen des Postgeheimnisses und machte so ge waltsame Einwände, daß ich ihn in Gnaden entließ. Nachdem ich den Herrn Postverwalter, der ein großer, vier schrötigsr, gemüthlicher Herr in einem Käpvchen war. durch Abkaufen seines halben Markenoorraths in eine vorzüg liche Laune gesetzt hatte, leitete ich mit kühner Wendung das Gespräch auf den Versandt von Zeitungen, Journalmap pen, Büchern, endlich aus das Abholen von postlagernden Briefen über. De» Herr Postverwalter schien sehr erfreut zu sein, sich einmal mit einem Mann« von Fach über diese Materien unterhal ten zu Können, bot mir mehrere Male eine Prise an, behauptete, daß man den Bedarf an geistiger Nahrung in de, Provinz weit unterschätze, gab mir stati stüche Daten, schien aber jede Frage, di« mich meinem Zwecke näher bringen sollte, beharrlich zu überhören. Als ich ihn daraus zu meinem Vertrauten machtl und die ominösen Briefe vorlegte, lacht« er pfiffig in sich hinein und verwies mich auf da» Nachmittagsconcert im Schützen hausgarten, wo ich die ganze Haute voloo der Stadt und Umgebung treffen und meine Verehrerin Heraussinden werde. Wie ich nun heimkehrend meiner Frau von der Ersolglosigkeit meiner Expodi dion berichtete, äußerte sie etwas von Fnhlhörnchen, welche nach Sardou di« Frauen befähigten, auf einer Stelle sitzend, sicherer ein Verlorenes aufzu finden, als die Männer, die systemlos suchend umherliefen. Sie zog in Folg« dessen auch vor, »ach dem gemeinsamen Mittagessen, das sür eine Schaar hung riger Wölfe berechnet zu sein schien, daheim der Tante in ihrer Gartenlaub« Gesellschaft zu leisten. Auch der Ter tianer entschuldigte sich mit dringenden Arbeiten, und so eilte ich allein dem Schützenhausgarten zu, in welchem ich endlich meine vier Verehrerinnen zu treffen hoffte. Ich memte sehr früh zu kommen, aber ich fand bereits die grün und weiß gestrichenen Tische rings um das Or chester mit sonntäglich geputzter Ge sellschaft, gröizteutheils Damen, um kränzt und war sast geblendet von dem Glitzern Her im Sonnenschein nach dem Takt des GasparonewalzerS auf und nieoertauchenden Stricknadeln. Den unter Hut und Halbschleier hervor nach dem Fremden mit dem breitkrämpigen zerknillten Filzhut gerichteten neu gierigen Blicken setzte ich einen antiken Gleichmuth entgegen. Ich bat sogar einige Damen, auf einem von ihnen mit Mänteln und Schirmen belegten Stuhl Platz nehmen zu dürfen, was diese gegen meine Versicherung, daß ich vor dem erwarteten Hausvatei das Feld räumen würde, artig ge währten. Die Mama, eine Tante, eine Schwie gertochter und ein schlankes Töchterlein wünschte» natürlich gern etwas übe, den Eindringling zu wissen, ein Wunsch, den man in einem Städtchen ganz na türlich finden muß, in welchem einst ein Durchreisender, der in die Colonue des Fremde»buches„Zweck der Reise": „zum Vergnügen" geschrieben batte, als dringend verdächtig verhaftet worden ist. Ich aber wollte mein Geheimniß möglichst theuer verkaufen und das um so mehr, als mir auch das junge Fräu lein, ebenfalls Louise, die gesuchte Per son zu sei» schien. Sie war groß und schlank, sogar etwas eckig, und auch die anderen Merkmale trafen zu. In ihren hübschen graublauen A igen glaubte ich ein warmes Interesse sür die Schrist stellerwelt verschleiert zu finden. Nur daß, je lebhafter ich wurde, die Damen sich immer kühler verhielten, bedrückte mich, und es verstimmte mich tief, daß meine Karte, mit der ich jetzt als mit meinem letzten Trumps herausrückte, aus keiner Seite einen Eindruck machte. Als aber nach einer längeren Pause mich die Präsidentin des Tisches recht geschäftsmäßig sragte, ob ich in Wem oder Cigarren reise, da glaubte ich meine Zeit gekommen, und schmollend zog ich mich ans der llsut« vols» nach einer einsamen Bank am Waldrande zurück, wo ich während des Miserere ans dem Troubadour, wie Napoleon nach der Schlacht von Belle-Alliance, schwermü thig die Arme kreuzte und traurig über einen neuen Fe.djugSplan nachdachte. Ha, schoß es mir plötzlich durch den Kopf. Hat dieses Fräulein Louise von Z. in ihrer Neckerei nicht vielleicht einen ab'ichtlich irreführenden Steckbrief von fih entwerfen? sie vielleicht dick >iatt dünn, klein statt lang, fchwarz statt hellbraun Und da kam auch schon der H-rr Poithalter, jetzt in Civil und hohem Hut, und ihm zur Seite eine kleine, schwarze, volle, bewegliche, junge Dame suchte enie nach Abdera verpflanzte Athenicnserin, kurz eine Erscheinnng, der man, um juristisch zu sprechen, dl« in Rede stehende Handlung zutrauen konnte. schweizer Bonne, die bei einer dem Herrn Posthalter besreundeten Familie aus dem Lande in Stellung war, nur gebrochen deutsch sprach und, als ihr Begleiter mich ihr als deutscher Autor vorstellte, sich sosort erkundigte, ob ich vielleicht „Monsieur Henri Heine" sei, der einzige, von dem sie überhaupt je etwa; gehört hatte. Tas war also auch nichts, und nach dem ich mich noch an den Herrn Buch händler, den Doctor und den Apotheker herangeschlängelt und bei allen anwe schämt und muthlos den Rückzug an. AIS ich zu Hause eintrat, stand meine Frau, völlig reisefertig, an eine Thür gelehnt und winkte mir, leise auszutre ten. Sie horchte die Thatsache läßt sich nicht beschönigen; ober sie hatte ver dächtige Anzeichen gesammelt, und zur Ermittelung der Wahrheit ist ja auch dieser Weg gestattet. Im Nebenzimmer tagte „Der Neue Reimbimd", ein au» vier Tertianern bestehender literarischer Berein, auf'deren etwa» dürftigen Schultern die geistige Neugeburt des Slädtchens ruhte. Während die Tante m der Speisekammer beschäftigt war, uns sür die zweistündige Rückfahrt eine voltaifche Säule von Butterstullen auf zuschichten, halte meine Frau hier alle Gattungen Poesie und alle erdenklichen Sirophen über sich ergehen lassen. Jetzt trat ich an die Wand und hörte meine eigne Schande. „Liebe Kollegen!" vernahm »ch Lud wigs jetzt sehr flotte Stimme. „Ich bin wieder in der Lage, Jedem von Euch ein Autograph zum Präsent zu machen, das ich mir durch eine wohlgelungene List, unter dem Namen eines im Aus tragen? ihrer drei Freundinnen schrei benden Fräuleins Louise von Z. heraus gelockt habe. An sich vollständig bedeu tungslos, gewinnen diese Autographen als Austauschobjekt einen gewissen Werth, zumal ich die Absicht habe, diesen mit Autographen' so freigebigen Herrn weh ihm, daß er mein Onkel tft! noch recht oft und recht ausgiebig anzu schrö^sen!" „Wofür ich mich vorkommend zu Ihren Diensten halte", konnte ich nicht üb.'r mich gewinne», durch die jetzt ge öffnete Thür als AbschieoSgruß dem verb ü flen Reinibunde zuzurufen. Im nächsten Moment hatten mir un« bei der arglosen Tante verabschiedet, und ein Vierielstündchen später saßen wi, eingehüllt in unsere Plaids und den tiefsten Groll im Herzen in dem heim faujenden Waggon. Meine Freud« war hin, mein Herz war fchwer! Wenn aber doch einmal eine echt« Autogravhenfammlerin mich beehren sollte, nichts mehr ohne Photographie, und die muß amtlich beglaubigt sein. „Aus pftarmaieattscher Borzeit tu SSort und Bild" betitelt sich ein zweibändiges Werk von Peters, dem der „Hann. Cour." an sprechende Einzelheiten entnimmt. Ueber die Materialien der allen Apotheken gibt der Verfasser folgende Aufschlüsse: Mit vielem Gethier gerieihen die alten Apotheken iu Wehdel denn es galt ab zusagen: dem Wolf die Leber, dem N»ch< die Lunge, dem Hirsch die Ruth« ind das Kreuz, den Hühnern das in nere Häutchen des Magens, dem Hecht den gezähnten Kiefer, dem Hafen die schnelle Ferse, dem Ochsen die Gallen steine. Die Schwalben, Zaunkönige uud hatten, ehe sie würdig ivaren, im Reiche der Aeskulap zu die ne», einen Röstproceß durchzumachen. Ja, selbst seine Mitmenschen sah wahr scheinlich der Apotheker vom Ende des IV. Jahrhunderts nur mit Neid in ihrem Feite sitzen, denn in seiner ?lp»- theke durste ein Tops mit „Armensün der" Fett nicht fehlen! Sehr gesichert waren die Apotheker jener Zeit vor dem Vorwurfe, bei Ausübung ihres Berufes den Schädel »icht gebraucht zuhaben; deu» die menschliche Hirnschale war ein hochgeschätztes Heilmittel. Aus den menschlichen Gebeinen ward ein heilsames Oel destillirt; selbst die ägyptische Mumie mußte zum Wohle der Leidende» ihre tausendjährige Ruhe aufgeben, und der „medicinische Kanni balisinus" fabricirle „Men chenschiiael spiritus" und „Menichenknocheuspiri tuS"! Unter den Pflanzen wird ein Kraut a's Heilmittel aufgeführt, Ivel <S"S bei u»S als Genußmiltel sehr ge fch itzt ist, der Tibak. In Nürnberg taucht derselbe um IS7S zum ersten Male aur, aber schon im Anfange des 17. Jahrhunderts gab es „Passions rauch:r", zu ihnen gehörte auch Wallen zre.». „der FrieZländer", denn in einer gleichzeitigen Schritt über seine Ermor dung wird auödrüklich bezeugt, daß er an diesem Tage „Tabak gesoffen" h ibe. AuS dem Steinreich war der fabelhafte Ostolan, der unsichtbar machen sollte, besonders geschätzt, und als Universal mittel zur Verlängerung des Lebens diente ei» kostbares Elirir ans gestoße ne» Gemmen! Daß diese werihvollen Erzeugnisse antiker Kunstthäligkeit von unseren Vocsahren verspeist worden sind, daran hat wohl noch kein Archäo loge gedacht. Bon den Metallen wurden im Mit telalter besonders das Gold und Silber s.ir ärztliche Zwecke, und zwar meistens innerlich verwandt; wir spotte» heule darüber, aber vielleicht kommt nach uns ein naseweises Geschlecht, welches eben so höhnend über unsere heutigen Eisen präparate die Nase rümpst Besonders unlerhaltend sind die Kapitel über „Fälschungen von Genußinitieln" und „Quacksalbereien". In Bezug ans den chen und Verbrennen, das waren so Silasen für die Hölscher, die recht häu ig vorkamen. Besonders verhaßt waren zu allen Zeilen die Weinsälscher, Schon 'erschla . il und lolcheS Gist in Euren Flu» schütte», sondern auch die Ein «chi'ilker dieses Weines lebend aus den Scheiterhaufen und in's Heuer werfen, ni Anbetracht nichl weniger dieseSÄif teS als der Spitzbüberei!" Zum amerikanischen Kunstzoll. Ein Kunstler, denn ei nicht gelungen, die alte Welt von seiner Be oenlunz zii überzeugen, wandert nach .'l»ier>ka aus. Beim Vetteren des Bo« den» der neuen Welt werde» seine Es seilen der üblichen Zollrevision unter worfin. Zollbeamter (die Studien- Als was denn?" Zollbeamter: „Nun. als Kunstwerke natürlich!" Ma ler: .Dem Himmel sei Dank! Endlich einmal eine Anerkennung!" Wir kommen nie zum Bewußtsein des wahren Werthes einer grau, die uns liebt, weil wir sie auch im besten Falle unterschätzen. »»« »«schicht« «»««» S»»«r». Im Jahre 18L9 veranstaltete eine Commission im Kensington-Museum zu London eine Fächcrausstellung. Die Königin von England, die Prinzessin von Wales und die derzeitige Kaiserin der Franzosen Eugenie hatten wahre Prachtexemplare brillantengeschn'ücklcr Fächer gesandt, deren Preis ans Hun derttausende geschätzt wurde; die kunst licbeiide Baronin Rothschild in Paris stellte eine NouveaUte. einen breitge gliederten Elfenbeinfächer, dessen ein zelne Stäbe mit den herrlichsten Ge mälde-Miniaturen bedeckt waren, a»S; Meiffonier, Carlo Duroc, Lepietre und andere Großen des Pinsels mehr hat ten mit ihrer kunstvollen „Hand schrift" sich der schönen Baronin in dies eigenartige Salonalbum einge schrieben. Riesensächer, von Indiens Vice ssönig gesandt, aus dem ben Rad des Pfaues und im Stiel mit indischen Diamanten incrustirt, andere uns dem schillernden Gefieder der indi schen Papageien, wieder andere aus runden Goldreisen, die nnt einer Schaar Lolibris, nicht größer wie Maikäfer übersäet waren, concurrirten mit den echten Brüsseler Spitzensächern, die, in i>autr-lies gearbeitet, die Lilien der ILourbone» oder die Veilchen der Na poleoniden im Wappen zeigten. Kunst bolle Schnitzereien, Email kunstwerke, aus Goldgrund sich wiegende Blüthen und Schmetterlinge, sandte eine damals regierende Pariser Fürstin der Bühne, „Großherzogin von Gerolstein" von Ossenbachs Gnaden, im Privatleben den deutschen Uriprung verrathend: Hor tense Schneider! Die russische Fürstin Gortschakoff seine Cousine des späteren Kanzlers) stellte nur einen Fächer aus; im Ver gleich zu all der Pracht von Diamanten, Federn, Skulpturen und Malerei er schien er aus den ersten Blick t'ragwürdig einiach, und er wurde gewiß von der Hülste der zahllosen BesuchSmeuge Über seen, dennoch war es ein kleines Wun der, welches sich dem Kennerblick bot, ein Fächer a»S milchigem hellen Bern stein, dreizehn Stäbe, sünsunddreißig Zentimeter lang und elf Centimeter an der obersten Breite messend! Wenn man b'denkt, wie selten solche große Stücke gesunden werden, begreist man erst den unberechenbaren Werth diese» Unikums. Eine handschriftliche Erklärung in sran zösiichec Sprache besagte, baß im Jahre 1 l>l die Fürstin Daschkow, Natalie Daschkow, B>ipsi-Ks", durch den Fund eines riesigen Stückes Bernstein aus ihren Besitzungen am Weichsel strand, auf die Idee gekommen wäre, daraus den Anfang eines Fächers zu bilden. Das erste Stück ergab die drei ersten Stäbe, sie tragen ganz fein unten am schmalen Fuß die Jahreszahl 1701. ES muß eine lange Zeil vergangen sein, ehe sich ivieder solch' seltenes Stück sand. Die schöne Daschkow war Wittwe geworden, als die Kunde an ihr Ohr drang, ein Osficier der sogenannten „Weichsel-Armee" befände sich im Be sitze des sehnsuchtsvoll gesuchten Bern sleins. Sie reiste, trotz der Januarkälte, selbst den weilen Weg in's wüste Land wnein, und sie traf den Officier Borgas Rutven aus dem Wege zum Juwelier, der ibiii zum Hoch zeitstag für sein holdes Bräutchen einen Spangenschmuck daraus vusertigen sollte. Er hatte nur ein be scheidenes Gütchen, daher verlauste er der re ch n vornehmen Frau willig sei nen Schatz sür den Preis eines Pracht edelsitzes. 1.2 snl>o>-lio legte außerdem einen anveren Bernsteinschmuck um den Nacken der schönen Polenbraut und eilte glückselig heim, vier weilere Stäbe, die mit ihrer Jahreszahl 171-t bezeichnet sind, gewann sie aus diesem erkauften Bernsteiustück. Ein einziges Jahr später nur tauchte in der Petersburger Hoigesellschast ein junger Mann aus, dessen Eleganz und Schönheit bald Tagesgeivräch war. Er nannte sich Marquis de Benoud, der fran>ösische Gesandte wußte absolut nichts von seiner Herkunft, doch wer konnte damals alle AstelSgeschlichter im Kopf führen? Genug, daß die tonan g bende Natalie Daschkow ihn zuerst nmührie, daß er elegant tanzte, ritt, spielte und couversirte im Grunde ar er ein gauz gemeiner Adenteurer, ar Kammerdiener eines Edelmannes gewe'en. nach dessen Tod er sich das ÄoelSprädicat und dessen Namen zu legte. Der Zauber, womit er die eiiinabin, war anßer seiner Person ein herrliches Stück Bernstein, er gerieth anßer sich, als die reiche Wittwe vv» „Bertanscn" sprach, cr wollte es ihr schenken, nur schenken sür ein Gegengeschenk ihre weiße Hand, ihr goldenes Herz. Sie zählte wohl zelm Jahre mehr als sranzösisct)« Galan, sie war srei und rücksichtslos. Am Sonntag nach Ostern hieß sie Daschkow Bertoud und h>elt de»,köstl>chen Bernstein in Händen. Eittige Monare später beschäftigte eine selname Angelegenheit das sranzösiiche GesaiHschastSamt. In Danzig war au> dein Rathhause ein seltenes Stück Bernstein gestohlen.man muthmaßte als Dieb den französischen Tanzmeister Ber toud, der die Sprößlinge der Patrizier sainilie» dort, im alten RathhauSsaal, nach dem Klang seiner Fiedel einst die zierlichsten PaS lehrte. O. Petersburg ist ei» hübsches Endchen von D»nzig enlsernt, dort wußte man nichls vrn einem Tanzmeister und gestohlenem Gut! Die alternde Fürstin deckte mit ihren goldstrotzenden Röcken den vielge liebten schönen Gatten, den geborenen Edelmann, und die vier Stäbchen mit der lahrzahl 1714 verrathen nicht, daß sie zu dem Pracht- und Schaustück des Do'.i ziger Rathhaussaals gehörten. Doch erwirkt« die verliebte Sattm sür den Gatten die Erlaubniß, daß er sortan den Namen Daschkow führe, der andere Name Benrond verschwand mit dem Dampfer reitenden Boten und ist nur wohl noch in den Akten de» bestohlenea Rsthhauses zu finden. Elf StZbe. genügend sür ein?» Prachtsächer, besaß die Fürstin nun. doch wollte fie noch die Endstäbe, die mit ihrem Wappen geschnitzt werden sollten, in besonderer Ähönheit und Stärke er werben. Sie ist uralt geworden, den noch ist e« ihr nicht gelungen, mehr als eine einzige Deckschale zu finden. Ein armer Haiidwerksbursche aus Ost preußen, der von dem Wunsch der Für stin hörte, machte zu Fuß den endlosen schrecklichen Weg. Vergebens suchte der halbverhungerte und zerlumpte Mann Eingang in den Palast der Fürstin, man wies ihn rauh zurück. Der Sprache unkundig, verstand man sein ewig wie derholtes Wort: „Bernstein" nicht, bis gegen Abend lag er aus der Schnelle des Hauses, obgleich man ihn zwanziz mal weggejagt! Da fuhr die Fürstin in eine kaiser liche Soiree. Sie war nicht mehr l.» kuporbs. die Schläge von der Hand des geliebten Undankbaren lagen ihr als breite Furchen um Mund und Wanden. Der ostpreußische Geselle richtete sich noch einmal auf. „Bern stein!" rief er und hielt seine zitternde Hand mit dem gelben Stein zum Wa geusenster. Die Fürstin verstand sie ließ öffnen, nahm ihm den ersehnten Schatz ab und sagte dem Portier: „Gebt ihm warme Speise und ein gutes Lager, reine Kleider und bedient ihn mit Ach tung, denn dieser Mann ist mein Freund." Und zu dem armen Burschen: „Ich danke Dir. morgen will ich Dich be lohnen !" Aber am „Morgen" war der arme Bursche todt. Der „Marquis", jetzt Fürst Dasch kow, ließ den Portier und die halbe Dienerschaft durchpeitschen, die den gu ten Gesellen vor der Thür hatten um kommen lassen, anstatt ihn sosort zu der Fürstin zu führen, sie ließ aus Dank für den fremden protestantischen Freund einhundert katholische Messen lesen. Im selben Jahr 1734 las man auch sür sie die Sterbeinessen! Der untröstliche Wittiver verheirathete sich nach Jah resfrist mit einer Prinzessin Teganoff. Die Ehe blieb kinderlos : der Fächerging nach dem Tode der Fürstin in den Besitz der Gortschakoss'schen Familie über. Wie die zweite Schale, die hundert und drei Jahre später gearbeitet, und durch welche der Fächer vollständig wurde, sich sand, erzählte mir unter Diskretion die Erzieherin des kleinen Prinzen, mit der ein Zusall mich im Kensinzton-Museum bekannt machte. Da die Betheiligten alle längst gestor ben sind, stehe ich nicht an. den Vorfall zu erzählen. Im Jahre 1837 besuchte eine Prin zessin Gortschakoff. die an hochgradiger Nervosität litt, den damals erst in primitivsten Anfängen stehenden Bade ort Zoppot bei Danzig. Die balsa mische Lust der ozonreichen Waldungen und der frische Hauch der See wirkten belebend auf die zarte Gesundheit der jungen Dame, die mit neunzehn Jahren bereits Wittwe war. Bald blühten auch die Rostn aus ihren bleichen Wan gen auf und vertieften sich oft zu dun kelstem Inkarnat, wenn sie den Sohn des Wirths, bei dem sie Logis genom men, Christian Ulbrich. sah. Er war der Abgott des Hauses, ein starke, kräftiger Bursche von herkulischer Ge stalt und dem Herzen eines Kinde». Das krause Lockenhaar deckte wohl nicht allzuviel Geist, aber einen reinen Ver stand und grundgutes Gefühl. Mit der Prinzessin Ankunft »ollzog sich in ihm daS Wunder dir ersten Liebe. Diese köstliche vornehme Frau, so jung und lieblich wie eine knospende Jung frau, versetzte ihn in wonnige Anbetung, doch war er zu bescheiden, um seine Ver ehrung in Wünsche zu sormeu er war schon glücklich, wenn er daS reizend« Wesen aus seine Arme heben und in oder aus dem Boot tragen, wen» er sie hinaus in -daS rauschende Meer fahren oder durch die flüsternden Wälder be gleiten durfte. Und bei solchen» Spa ziergang, durch Danzigs Nähe veran laßt, erzählte sie ihm «inst die Geschichte ihres BernsteinsischerS und zeigte ihm die zwölf Stäbe, denen der dreizehnte fehlle, wie fie lebhaft bedauernd hinzu fügte. Nun war der arme Junge dem Zauber des goldenen Ambras verfallen. Zuerst spürte er bei allen Händlern um her, unter den Arbeitern der Bagge reien, selbst unter denen, die nicht im mer das Recht haben, zu verkaufen, was „sie finden". Alks vergebens! Eines Abends, Nebel gingen über das wogende Meer, und der sanfte Sommerhauch wandelte sich in frische Kühle, weilte die junge Prinzessin dort, wo ihre Seele und Leib Genesung ge sunden. Sie wußte, daß sie Chrrstian liebte, und ein Theil jenes Despotis mus, der das ganze weile Zarenreich regiert, thronte auch in ihrem Herzen. Sie war frei, war unabhängig. Jene „Süperbe" hatte geliebt und selbst den Unwürdigen geschützt, wohl war ihr Christ»« niedrig geboren, doch hoch und rein sein (sharacter-—die Welt ist so weit, so weil—und mit Gold erschließt man selbst die Pforten des Paradieses; es fehlte nur die günstige Stunde, ihm sein Glück zu verkünden. Rauh kam der Michaelistag ins Land, der Glückstag der Jahreswende im Ostseelande. Geheimuißvoll, ohne Grnß, hatte der liebe Mensch sich am Morgen entsernt, nur seine Blicke sandte er zu ihrem Fenster hinaus sie ahnte nicht, daß er den Zauber beschworen, daß er hinnbtauchen wollte an der Küste Wand, um dort, den begehrten Bern stein sür die angebetete Frau zu suchen. Nimmer hätte sie es gelitten, denn abergläubisch, wie alle nordischen Wei ber, sürchtete sie, daß »der dreizehnte Stab" ihr Unglück bringen könne. Un ruhig vernahm sie endlich am Mittag vou feinem Borhaben! Der ernste Va ter, die freundliche Mutter des Gelieb ten irrten jammernd im Hause umher. Er war getaucht und nicht mehr zum Vorschein gekommen. Die Fischer such ten ihn !->>' und Haken am Wandvsrsprmlg, und fie fanden ihn dort. Sein Fuß war von einem da selbst versunkenen Anker ersaßt und ge halten, das war seines Todes Ursache. Sie hoben ihn zum Licht hinauf: in seiner Hand, fest im Todeskrampf ge schlossen, hielt er daS gesuchte Kleinod, das er sterbend der Geliebten geret tet! Die Prinzessin ging weder in ein Kloster, noch starb sie an gebrochenem Herzen. Sie ließ den Fächer vollenden, trug ihn aber nie oft mögen ihr« Blicke, ihre Thränen auf den schimmern den Ambra gefallen sein. Sie starb uo vermählt und kinderlos! Der Fächer ist jetzt in dem Besitz bei Kaiserin-Wittwe von Rußland. Dt« Mustr in der Küche» Von der Poesie in der Küche habe» unsere Leser und besonders unser« freundlichen Leserinnen, schreibt ein Berliner Blatt, gewiß schon gehört, denn eine zartbesaitete Meisterin de« Bratpfanne hat vor längerer Zeit be reits ein Kochbüchlein in Versen heraus gegeben, welches sür die Schülerinnen der Kochkunst ungefähr dasselbe sein soll, was die lateinische Grammatik mit ihren Genusregeln für den Sextaner ist, nur mit dem Unterschied, daß man di« in zierliche Reime gebrachten Koch rezepte Gennßregeln nennen müßte. Das Verdienst des gereimten Koch' buches ist im Wesentlichen darin z> suchen, daß man so ein Braten- ode« Mehlspeise-Rezept leichter behält, wenn man es als Gedicht gelernt hat. Z. B.i Willst Du guten Gulasch kochen, Kani Du Fleisch ein ohne Knochen; 'S kann vom Rind, vom Kalb auch Schneide es in Würsel klein: Laß im eignen Sast es schmoren, Bis durchzogen all« Po^n; Thue Paprika dazu. Schließe sest den Kochtopf zu; Mach' zu dick die Sauce nicht. Dann hast Du ein sein Gericht. Die vorstehende Probe soll bei Leib» nicht als sicheres Rezept gellen, wi, wollten nur ungefähr die Art und Weis« andeuten, wie diese Kochrezepte in Reim, gebracht werden. Also mit der Poesi« hat die Küche sich bereits in Verbindung gesetzt, und auch den Knchenseen darf man Interesse an der Dichtkunst nicht absprechen. So manches Mädchen für Alles be sitzt ein Versbüchlein, ans welchem e» in kurzen Mußestunden sich Musestun den verschafft. Bon der „Musik de, Küche" im eigentlichen Sinne des Wor» tes hat man noch nicht gehört. De, Leierkasten kann wohl als „Instrument der Küche" insofern gelten, als sein» Töne, seine Lieder, seine Walzer haupt fächlich für die Ohren der Dienstmäd chen erklingen. DaS Erscheinen eines Leierkastenspielers auf dem Hose wir» von den Dienstmädchen stets freudig begrüßt nnd manches derselben opfert gern ein Nickelstück sür das Hofroncert. Das ist aber nicht diejenige Musik de, Küche, die wir hier im Sinne haben. Es ist mehr die Cveirung einer culina rischen Musik, frei ersunden nach de» Schiller'schen Ausspruch: „Wenn frohe Reden sie begleiten. Dann fließt die Arbeit munter sort." Ein Berliner Koch hat, wie wir HS ren, das Piano oder irgend ein andere» Instrument mit dem Kochtopf zu schö nem Bunde vereint. Er hat «ine Eier polka componirt und gibt dazu solgeud« Vorschrift auf der ersten Druckseite: „Man lege die E«er in siedende» Wasser und spiele die Eierpolka moclsekio. Sobald der letzte Takt verklungen ist, sind die Eier fertig." Ob diese Eierpolka, die der Berline, Koch ausgebrütet hat, als bahnbrechend« Erfindung aus dem Gebiete der kulina rischen Musik sich erweisen wird, muß für den Augenblick noch dahingestellt bleiben. Wir wollen nicht leugnen, daß Fachsrauen, mit denen wir hierüber sprachen. Zweifel hegten. Erstens zei- Ken sie den Berliner Koch de« Plagiats; sie meinen, es gäbe schon lang« soge nannte Eieruhren, deren Constructio» und Anwendung bekannt ist. Da» Ausspielen der Eierpolka hätte ferne« feine Schwierigkeiten. Wenn man der Idee des Erfinder« folgen weilte, müßte man nur musikalische Dienstmäd chen miethen, die irgend ein Instrument spielen. Wir haben ja vor dem immen sen Kultursortschritt unser Dienstmäd chen allen Respect, aber wir glaube« nicht, daß es viele Jetten, Güsten und Rieken gibt, die „durch kie Sailen mei stern" können. Unsere mnsikalischen höhere» Töchter würden ja helfend eingreifen können, auch wohl die musikalische Hausfrau. Wenn dann das Mädchen Eier zu koche» hat, müßte sie sagen: „Madam (oder Fräulein) bitte sehen Sie an'S Klavier und spielen Sie die Eierpolka, ich leg» die Eier eben in Wasser." Einen Bor theil böte aber dann die „Erfindung" nicht, da zum Kochen der Eier in diesem Falle zwei Personen nothwendig wären. Bekanntlich ißt man Eier hart und weich. Der musikalische Koch sagt nichts ob seine Polka sür harte ode« weiche Eier bestimmt ist. Eier, di« weich bleiben sollen, dürfen nicht s» lange kochen, wie die, welche hart wer den Milizen. Wenn die Polka ans, weiche Eier hin komponirt ist, wird man jedenfalls einen Theil wiederholen müs se», wenn man die Eier hart haben will. Man sieht, die Bedenken der Hausfrauen sind zu theilen. Möglich, daß der musikalische Koch sich aber dadurch nicht abschrecken läßt und zunächst noch einen Theewalzer kompo nirt. Man läßt den Thee so lange „ziehen", bis der Walzer gespielt ist. Die „Erfindung" ist eben erweiterungS» iähig. Was ist das höchste Maß der Macht der Gewohnheit? Wen» ein Journalist bei seiner Ber. mählung am Traualtar das Notizen buch aus der Tasche zieht und die Red« de» Pfarrers ftenographirtl"
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