v Stymph«» „Wer ist da? Ach, Sie. mein Fräu lein ? Ich bitte, treten Sie näher. Einen Augenblick, ich stehe gleich zur Verfügung. Also, bester Paul, Alles nach Abrede. Ich komme mor gen, heute muß ich fleißig sein den gan zen Tag, ich brenne darauf, die Skizze zon der schönen Fran Ranka zn machen." „Gut. Leb' wohl! Also morgen, iluf Wiedersehen." Nach diesen zwischen dem Maler HanS Frege rind Paul Dinklage ausge tauschten Worten entsernte sich der Letz tere, und wandte sich zu dem jungen Mädchen, das in sein Atelier getreten war und inzwischen mit neugierig ver wunderten Augen die kostllare und phan stastischt Ausstattung gemustert hatte. HanS Frege hätte einem Bildhauer als Vorwurf dienen können. Lockiges, dunkles "Haar, jugendlich schwellende Lippen und eine elastische Gestalt, die fast etwas frauenhafte Formen hatte, deren Eindruck aber durch die nnge nvhnlichc Energie des Auges und den scharseii, kräftigen Schnitt des Gesichts -vicder verwischt ward. Unter der Sicherheit seiner bezwin genden Persönlichkeit faßte HanS Frege daS>ichlanke, schöne Mädchen um den Lein und sagte: „Nun, mein Kind! DaS ist ja nett, daß Sie Wort gehalten. Bitte, nehmen Sie einmal den Paletot ab und lassen Sie sich ansehen." Gleichzeitig griff er in übermüthiger Laune nach einem der Knöpfe der Jacke, um ihr beim Ausziehen behilflich zu sein. Aber in demselben Augenblick wich auch daS Mädchen unwillig zurück und zwei vor Erregung blitzende Auge» verschärfte» diese stumm und nicht miß znvcrstehende Antwort auf seine Drei stigkeit. „Nun—?" rief HanS Frege mit nicht geringer Ueberraschung, aber durch deu Ton drang mehr eine solche, als Inmuth oder Aerger. „Nun", erwiederte das Mudchen und richtete sich mit einer fast majestätischen Würde empor. „Ich denke, Sie haben kein Spielzeug vor sich, keine Mario nette, sond:rii ein achtbares Mädchen, und ich ersuche Sie dringend, mich nicht zu berühren." „Wohl, kleine Nymphe", gab Hans Frege gut gelaunt zurück, und halb aus Klugheit, balb seiner ritterlichen Natur folgend, fügte er hinzu: „ES gibt nämlich zwei Standpunkte in der Welt, Fräulein Melanie Ernst nicht wahr, so heißen Sie? Schön, danke freund lichst der eine achtet strenge Formen, zieht enge Grenzen und lügt sich allerlei vor, bei dem anderen geht man von dem Gesichtspunkt ans, daß eine kleine Ver traulichkeit durchaus kein Verbrechen ist und Prüderie die achte Todsünde!" „Ja!" entgegnete die Fremde unbe fangen auf den tieferen Inhalt der Rede eingehend. „DaS verstehe ich wohl, nnd ich begreife, daß Sie durch den Verkehr mit leichtlebigen Mädchen lieber sich aus den letzteren stellten. Ich aber mag. obgleich durchaus nicht prüde, nur ZärtlichkeitSbeweise von Menschen, welche mir nahe stehen und vie ich achte »nd liebe. Wir treten uns lediglich als zwei ihre» geschäftlichen Interessen nachgehende Personen gegenüber; ich bin also nichts weiter als ein Modell, das sich im Uebrigen stillschweigend unter Ihren Schutz begibt und nur unter dieser Voraussetzung Ihre Woh nung betrat. Nicht wahr, das ist auch ein berechtigter Staudpunkt?" „Ja, ja, kleine Nymphe!" bestätigte Hans Frege mit jenem drolligen Ernst, durch den gewandte Menschen die ge fährlichsten "Klippen überspringen und doch das Uebergewicht behalten, „Wir haben uns ja nun verständigt, und wenn ich eS absolut nicht aushalten kann, frage ich erst mit bezahlter Rück antwort an, ob ich Ihnen eine» Kuß geben darf?" „Ah —" machte daS Mädchen mit einem unniuthig enttäuschten, an Ent rüstung streifenden Ausdruck. „Na, eS ist.doch möglich, daß ich eS nicht aushalten kann, denn offen ge standen. so reizend hatte ich Sie mir nicht gedacht, als wir uns neulich im Corridor der Kunstakademie begegneten —und—und—was soll ich denn ansan gen?" Dabei machte Hans Frege so über müthig unwiderstehliche Augen, und sein ganzes Wesen athmete eine solche be strickende Liebenswürdigkeit, daß es wirklich schwer war, ihm zu zürnen. „Wenn Sie in der That meinen, daß Sie Ihren Drang nach Zärtlichkeit nicht von Ihrer Thätigkeit trennen können, will ich verzichten. Ernsthast, Herr Frege! Ich will nicht! Und ich bitte, geben Sie den leichtscrtigen Ton auf. Sie glauben nicht, wie kränkend es ist, als ein solches Spielzeug der Laune -»ich iiur angesehen zu werden." „Sehen Sie, kleine Nymphe! Nun werden Sie wieder sentimental. Ich bilte Sie bei dem Andenken an den lustige» König Salomo eS sei Ihnen gestanden, daß ich diesen testamentari schenMann ungewöhnlich verehre - wel che» Zweck hat eS in der Welt, das Haupt mit Asche zu bestreuen? Glau l>en Sie. daß Ihnen irgend Jemand, selbst ein Gott auch nur eine Koveke da für gibt? Kopeken theilen natürlich nur die Götter der Russen aus " „Wenn ich Sie schon so srivol spre chen höre! Wosnr halten Sie mich ?" „Für die jchlankeste, süßeste kleine Nymphe zwischen Nord und Südpol. Himmel, hat das Mädchen Augen und wie reizend, wcnn sie schmollt!" „Soll ich Modell stehen, oder gehen. Herr Frege? Zum letzten Mal, ich Zvill nicht! Nehmen S«e einen andern Ton gegen mich an. Und ich wieder hole : Für WaS halten Sie mich denn «igentlich? Glauben Sie, ich bin aus Neigung für das Ungewöhnliche, aus Lust an frivolen Pikanterien zu Ihne» gekommen? Ach, wenn Sie wüßten, welchen Einfluß eS mich gekostet —" „Gut, also erzählen Sie, Fräulein Melanie. Ich kann auch ernsthast sein, ja sogar wüthend werden. Als ich noch in der Wiege lag nnd die Kinder frau mir einmal nicht gleich die Flasche reichte, sprang ich ans dem Schlas- Kindlcin-Schlaf-Gcsängniß und ertheilte ihr eine solche Ohrfeige, daß sie fünf Wochen an einem Beinbruch darnieder „Mein Gott ist's denn wirklich nicht möglich, Herr Frege, daß Sie ein ver nünftiges Gespräch führen können? Ich bitte, ich flehe Sie an —machen Sie mit mir eine Ausnahme. Ich bin arm, habe schweren tiefen Kummer, und da ich aus einem gebildeten Hause, em pfinde ich diese Art der Begegnung als eine tiefe Demüthigung. Glauben Sie mir" hier füllten sich die Augen des Mädchens mit Thränen „ich fühlt eine solche Scham, mich überhaupt in eine Situation wie diese begeben zu ha ben, daß ich ich —" „Kommen Sie, mein Kleines! Nun bin ich ganz bei Ihnen, und sehen Sie diesen Druck meiner Hand als einen Beweis echten Mitgefühls an. Und, meine schöne Nymphe, sprechen Sie! Wollen Sie lieber nicht Modell stehen? Kann ich Ihnen dagegen helfen, Sie von Ihrem Kummer zu befreien? Bitte setzen Sie sich. Erzählen Sie einmal. Vorher aber' einen Augenblick hier ist ein indisches Tuch mit Goldsran zen und hier ein Florentiner Tisch und dort drüben bitte, holen Sie gütigst einmal vom Gesimse des Ofens die Wein- und Liqueurslasche, ja, ja, dort. So, danke, vortrefflich! Eine Gänse leberpastete hier etwas kaltes Huhn Butter! Warten Sie, Butter? —lch hole. Wollen Sie in zwischen die Stühle da mit den Re naissancekissen heranrücken? —Donner Wetter, beinahe hätte ich die Teller und Messer vergessen! Meißner Fabrikat einer hat ein Stück vom Rande verlo ren, na. aber es geht, und nicht wahr, diese beiden herrlich geschliffenen, vene tianischeil Gläser entschädigen?— S— oso vortrefflich! Möchten Sie begin nen?—lch will nur draußen sagen, daß ich nicht zu Hause bin. O, o, o, keine Furcht, den alten HanS Frege mit dem Ihnen unbequemen Standpunkt lasse ich draußen, ich komme zurück als ein neuer und nun heißen Sie nicht die kleine Nymphe mehr, sondern Fräulein Ernst! Bitte, Fräulein Ernst, nehmen Sie dieses zarte Hühnerbein " Diese Rede war von so anmuthigen Geberden begleitet, Alles kam so ehr lich, gutherzig und zugleich schelmisch heraus, daß das schon: Geschöpf mit dem kummervollen Herzen einen Au genblick keine andere Empfindung hatte, als die einer überraschten Bewunde rung. In der That, das war einmal ein anderer Mensch und jetzt jetzt gab's auch kein Mißtrauen mehr, sondern einen heftigen Drang, sich dem Manne zu eröffnen. Und das geschah und das lautete wie folgt: .„Vor zwei Jahren zog mein Vater mit meiner Mutter und mir nach Ber lin, nachdem er durch den Zusammen sturz einer Aktiengesellschaft in Schlesien, deren Doktor er war, um Thätigkeit und Erwerb gekommen. Er besaß ein erspartes, sehr kleines Vermögen, das aber schon auf die Neige gegangen, als er vor e!f Monaten Plötzlich starb: seit dem waren meine Mutter und ich ange wiesen, uns selbst zu ernähren. Was das überhaupt und insbesondere in einer großen Stadt heißen will,wissen Sie. Es kommt hinzu, daß meine Mutter ein Mädchen aus adligem Haust sehr verwöhnt war und bei allen, guten Wil len zum Erwerb fast gänzlich nnbefähigt ist. So ist eS denn geschehen, daß wir oft nicht das Nothwendigste zum Lebe» hatten und neuerdings überhaupt nicht wissen, wovon wir existiren sollen. Wie der Entschluß in mir aufstieg, mich als Modell anzubieten, vermag ich selbst kaum zu sagen. Es ist mir nn endlich schwer geworden. Durch Ge spräche mit einem alten polnischen Herrn, der hinten bei uns im Hause wohnt und vom Modellstehen lebt, habe ich zum ersten Mal gehört, daß sich Mädchen dadurch einen Erwerb ver schassen können, und er ist es gewesen, der mir in unserer Hilflosigkeit dazu rieth. Er hat mir auch nicht vorent halten, daß —" ' „Nun, mein Fräulein?" ermuntert, Hans Frege, der mit gespannter Theil nahme zugehört, und goß dem angstvoll stockenden Mädchen Wein in'S Glas. „Daß—daß nun, Sie können den ken, was ich sagen will, wie sich die Ge fühle eines Mädchens sträuben, gerade um Geld —" „Ja, ja, meine liebe, herrliche Nymphe. Ich weiß und verstehe. Reden wir nicht mehr davon!" Das Mädchen schaute den Maler for schend an und schien nicht zu begreisen. Endlich stieß sie heraus: „Also Sie wollen mich—nicht — nicht verwenden?" „Nein, ich verzichte. Aber, ich will helfen, etwas Anderes für Sie zu fin den." „Das wird aber vielleicht nicht ge lingen, und, wenn es gelingt lange währen", wandte sie schüchtern ei». .Ich aber muß heute heute noch meine Mutter Ah Ah!" Der Kops des Kindes fiel herab, Thränen traten in die Augen. Und der Mann verstand, ohne daß sie weiter sprach, erhob sich rasch, sah sie mit einem leidenschaftlichen, aber guten Blick an »nd wagte es, leise über ihr Haar zu streichen. „Bitte nicht —" flehte sie und uckte zusammen. „Gut," gab er zurück und nahm wie der Platz. „So will ich Ihnen denn Folgende sagen: Ick gebe Ihnen, was Si« sür ein paar Wochen gebrauchen mit suche so lange zu Helsen,bis unser Zwecl erreicht ist. Ich thue eS, als sei ich ei« alter Freund, »nd Sie sehen mich als solchen an. Nur eine Bitte habe ich, iber auch nur eine' Bitte: Schenken sie mir diesen Tag." Während sich bei den ersten Worten das Angesicht des Kindes aufgehellt hatte und ein Ausdruck überraschter und dankbarer Freude darin erschienen war, trat bei den letzten Angst und Enttäuschung in ihre Züge, und die Brust hob und senkte sich unruhig. Aber bevor sie zu antworten ver mochte, rückte er ihr näher, erhob das Glas, und indem er mit ihr anstieß, sagteer langgezogen und innig: „Nymphe, kleine liebe Nymphe! Hct der Mann, der Ihnen rieth, zu einem Künstler zn gehen, denn „nur" Schlech tes von Ihnen gesagt? Glauben Sie, daß ich nach einer solchen rührenden Klage der Ncth an etwas Anderes denke, als uuS einander im guten Sinne zu nähern? Sie sollen heute bei mir bleiben, weil ich Sie jetzt nicht wieder lassen kann. Ich will vonJhnen mehr, viel hören, nur das ist der Grund, und ich verspreche Ihnen, daß Sie die Stunden, die Sie nift Hans Frege ver lebten. nie bedauern sollen." Sie sah ihn an und sorschte in seinen Augen. So ernst und Vertrauen ein flößend blickte er sie an und so flehend war sein Ausdruck, daß sie nicht Nein zu sagen wagte. Und doch bewegte si« es etwas heftig und ließ sie zaudern. „Größte Offenheit sür Vertrauen und Freundschaft!" sagte sie. „Was soll meine Mutter denken, .wenn ich den ganze» Tag nicht zurückkehre? Und was wollen Sie mit mir? Ich bin ein trau riger Vogel, der nicht singen kann uud der Niemanden erfreut. Und no ch etwas Anderes. Ich muß meiner Mut ter noch heute Geld hintragen. Sie Wir waren —" nun quollen abermals schwere Thränen aus den süßen Augen „wir haben bereits seit gestern —" „O, meine kleine Nymphe!" rief der Mann bei diesen rührenden Tönen und Ausdrücke» des Kummers voll innerer Bewegung. Er stand aus. klingelte seinem Die ner und sandte ihn mit Aufträgen wie der fort. „So," sagte er zurücktretend. „Ihrer Mutter have ich sagen lassen, wo Sie sind, und habe ihr in Ihrem Namen Geld geschickt. Und nun trocknen Sie Ihre Thränen, denken Sie, daß Alles gut wird, daß von heute ein neues Leben sür Sie anbricht und—und genießen Sie mit mir den Tag! Zunächst gehen wir in Gottes freie Natur—später wollen wir miiien speisen—hierher zurückkehren und endlich geleite ich Sie heim. Die Welt ist schön und zum Ge nießen gemacht. Nicht wahr, Sit wollen? Sie sind fröhlich? Sie haben kein Mißtrauen mehr? Sie denken, Sie haben einen guten Freund gesunden?" Dem Mädchen klangen diese Worte wie berauschende Musik. War das AlleS Wahrheit ? Sie schaute den Mann an und ein glückliches, die Welt vergessen des Lächeln zog über ihr Gesicht. Während sie ihren Paletot anzog, überflog er .noch einmal mit seinen Blicken ihre Gestalt. Immer schöner erschien sie ihm, ihr Haar war braun gewellt und ihre Augen tiefblau, die fei nen, sanst geschweiften Augenbrauen waren ausdrucksvoll gefärbt,eine Venus hätte nicht schöner gewachsen sein können und insbesondere reizten ihn auch ihr« weißen Hände. Nun trat er ihr näher, umfaßte si« sanst und sagte: „Wissen Sie, daß Sie schön, sehr schön sind Nymphe? Nicht wahr, den Namen darf ich gebrauche» ?" Sit zog die Schuttern. „Halten Sie es denn für unnuiglich, daß man einmal anders ist als der Durchschnitt, daß man vertrauenswür dig sein kann und doch die pedantischen Formen verachtet? Hier meine Hand als ehrlicher Mann! Ich will nichts irls Ihre Seele, und lassen Sie mich Ihnen sagen: wir waren nicht zum letzten Mal beisammen." Durch des Kindes Körper flog ein Beben. Sie hörte nicht, daß in den Zweigen des ThiergartenwaldeS. durch oeii sie fuhren, die kleinen Vögel zwitscherten, sah nicht, daß die Sonne durch das jnnge Grün irrte, daß Menschen mit neugierigen Blicken vorübersuhren, weder, daß hier eine schöne B»unlgruppe, noch dort ein prangender Rasenfleck auftauchte, sie hörte nur ihn und war berauscht von dem Glück, in seiner Nähe zu sein. Er erzählte von seiner Familie, von seinem Wohl, gehen, wie ihm Alles seit seiner Kindheit wohl bereit gewe sen, daß er Sorgen nicht kenne, die Welt und seine Frennde liebe, an dem Schönen Gefallen finde und ein Ver langen nach guten Menschen ihn durch ströme. Und dann lachte er wieder und scherzte, geizte um einen Blick und gab ihr all das, was der Liebesgott denen, die er begünstigt, in die Hände legt. „Nicht wahr, Nymphe? Sie kommen kimnal wieder? Ost?" „Ich darf doch nicht, wenn Sie nicht an der Leinwand stehen und meinen ikops brauchen." „Ja, ich brauche ihn!" rief der Mann seurig, griff nach ihrer Hand, drückte sie und empsand den Gegendruck. Endlich, nach zweistündiger Fahrt, kehrten sie in die Stadt zurück. Er sah bei ihr viele Stunden in einem Restau rant, legte ihr vor, goß Wein in'S GlaS, überreichte ihr Blumen, nach denen er geschickt hatte, und war um ein Dienender. Und sie sprachen über Welt, Menschen und Leben. Alles, was sie gab, war klug und einsach; mehr leitete sie besonnerer Verstand als Ge fühl, aber daß sie eS besaß, das ver riethen ihre zärtlichen, scheuen Augen, das verrieth der Drang, ihm zu ver gelten. was er in zarter Form ihr bot. „Wie eine Jerichoblume wachen Si« Champagnerglas. »Immer schöner« Dinge kommen zum Vorschein. Wc war der Lehrmeister, der Sie das Alles lehrte, wo waren meine Augen, dir nicht gleich sahen?" > Sie wehrte ihn, sanst ab und tiefe Schwermuth trat in ihre Mienen. „Was ist's!" rief der Mann. „WaS beschäftigt Sie? Ich will, daß Sit sprechen." Aber sie sagte nichts. „Nymphe, sprich!" Bei den. Du sank der gesenkte Kopf völlig herab und ein Zittern ging durch den Körper. „That ich weh? Noch einmal: Sprechen Sie!" drängte der Mann. „Ich dachte an meine Mutter," sagte sie leise. „Nein, es war etwa? Anderes." Aber weil er das Richtige ahnte, schwieg er. Endlich brachen Sie auf und erreich ten die Wohnung. Sie mußte sich auf den mit kostbaren Stoffen behängten Divan legen und er bereitete den Kaffee, den der Diener brachte, selbst. Nachdem sie getrun ken, setzte er sich an einen im Atelier befindlichen Flügel und spielte' und sang. Allmälig ward die Melodie sanfter und sanfter! die Müdigkeit überwältigte sie und mit einem seligen Ausdruck schlief sie ein. „Die ganze Nacht hat sie gearbei tet; nun kommt dit, Natur und for dert ihr Recht," flüsterte Hans Frege und sah auf das schöne Götterbild. Und er blieb bei ihr sitzen, ergriff ein Buch und laS doch nicht. Endlich stand er leise auf, hob die Vorhänge von dem Fenster zurück, um noch das sinkende Licht herein zu lassen, ergriff einen Stift, nahm Papier und zeichnete ihren Kopf. Das sanfte, glückliche Lächeln, das ihre Züge umspielte, machte sie so schön, daß er imtten in der Arbeit inne hielt, niederkniete und ihre reizend ge formte Hand berührte. „Nymphe!" ging's unwillkürlich über seine Lippen. Nun flog ein Lächeln über ihr Ge sicht, aber sie wachte nicht aus, sondern machte nur eine Bewegung und schlies weiter. Hans Frege trat ans Fenster, öffnete es und sog die Lust ein. Durch seine Brust zog ein ihm ungekannteS Gefühl. ES gab noch etwas Anderes als das leichte Spiel, an dem er bisher Gefchmack gefunden; zum ersten Malt empfand er das berauschende Gefühl einer tiefen, drängenden Liebe. Und er wollte und konnte sie auch nicht wie der lasten. Noch einmal schaute er hinab in den Garten, ließ die Natur in ihrer Stille und Herrlichkeit auf sich einwirken und begab sich dann wieder an das Lager der Schlafenden zurück Noch immer lag sie in sansten Träumen, ihn aber hielt es nicht mehr. Noch wollte er die letzten Stunden des Tages mit ihr ge nießen. „Nymphe Nymphe, wache ans!" flüsterte er und beugte sich zu ihr herab. Und da öffnete sie die Augen, seufzte selig auf, streckte die Arme aus und flüsterte langgezogen: „O Du— Du" « * » Vor der Thür ihres Hauses hielten sie nach einer langen Wanderung. Schon war'S an Mitternacht vorüber. „Morgen bin ich bei Dir und sage Deiner Mutter Alles. Und noch ein mal willst Du mein sein, mein für's Leben?" Sie schaute sich um. Alles war still auf den Straßen. Nun zog sie ihn an sich, küßte ihn zärtlich, voll Leidenschaft, und flüsterte: „Ja ja ich bin Dein, und kein« Sprache giebt'S und keinen Laut, Dir zu sagen, was ich empfinde." „Gute Nacht Nymphe, süße Nymphe!" „Gute Nacht!".... Bua und Dtrudl» Der Aua: „Schan! Laß' Di' vawarna, Dö Buam san so schlecht, —> Moant'S koana net ehrli', Moaut'S koane net recht!- 'S Dirndl: „DöS will i' gern glauben, I' gib schon sein Acht: Und kuiilmt Aner an'S Fensta, So wird tlet ausg'macht!" Der Bua: „Recht schön is von Dir dös! < Do' grad' denk' i' d'raus) Gelt! Mir, wann i' hinkumm, Machst as Fenster do' aus?!" A. v. F.-Wl. Bescheiden. Der junge Gras, der eben mit dem Schnellzuge angekom ine» ist, um an'S Sterbebett seines Oheims zu eilen, sragt im Vorzimmer den Diener: —WaS macht mein Onkel? Der Notar ist gerade drinnen bei ihm »nd versaßt sein Testament. Si« müssen sich also wohl ans Alles gesaßt mache». Meinen Sie? Mit der Halste wäre ich sonst auch schon zusrie — Berechtigter Zorn. Gen darm (liest in einem Briese Amts vorsteherS, daß in der vergangenen Nacht aus dem Dorfe ei» Eindruck) ver übt worden sei»: Himmeldonnerwetter! Gestern bin ich noch in dem verwünsch ten Nest geioesen und heute muß ich schon wieder die acht Kilometer lausen. Hätte der Kerl nicht ein paar Stunden früher stehlen können! Ein Nimrod. Sie (zum Manne, der aus die Jagd geht): Hast Du denn alles bei Dir, liebes Männ chen? Er: Jawohl, die Flint'n, den Rucksack, die Patronen.... Halt! Eins hätt' ich fast vergessen. Du könntest mir noch etwas Schmerzensgeld für 2—3 Treiber mitgeben. Der Vorzug des Mo nocle. Bekannter: Warum tragen Sie denn auf dem andern Auge nicht noch so'n Ding ? Geck: Na, man will doch auch'was sehen! «esundh«it»pfiegt. Verhalten beimAnSbruchvon Geisteskrankheiten. Schmerzliches Bangtn ergreift nn», wenn einer unserer Angehörigen von tincr bedenklichen, das Leben bedrohen den Krankheit befallen wird : aber noch weit schwerer wird uns zu Muth, wenn wir wahrnehmen, daß diese Krankheit ans eine Störung der geistigen Funktio nen beruht, daß sein Thun und Reden von Aberwitz beherrscht wird und in sinnlosen Handlungen, Wuth- oder Ber zweislungSausbrüchen sich kundgibt. Es ist etwas Entsetzliches und Unheimliches, einen uns nahestehenden Menschen, de, bis dahin seiner vollsten Geistesklarheit sich ersreute. nun plötzlich lauter Thor heiten begehen, von einer fixen Idee be fangen. in den Fesseln des Trübsinns oder der Tobsucht zu sehen. Er bildet sich vielleicht ein, Kaiser oder Papst zu sei», glaubt sich im Besitz von Roth schilds Schätzen nnd vergeudet seine sauer ersparten Groschen. Ein Andern wähnt, daß es ihm nicht zureiche, jam mert, daß er dem Elend, dem Hunger tod versallen sei, oder hält sich seiner Sünden wegen zur Hölle verdammt, von Feinden »nd Neidern versolgt, wer wäre im Stande, alle die Wahngebilde und verkehrten Erzeugnisse eines zerrüt teten Gehirns auszuzählen? Der Wahnsinn ist schlimmer, als die schlimmste Krankheit. Jeder andere Schwerkranke sügt sich, legt sich zu Bett, besolgt die ärztlichen Rathschläge--der Geistesgestörte ist Vernunstgründen nicht zugänglich, ist häufig ganz unlenkbar, er hält sich selbst sür ganz gesund, von sei ner Umgebung gekränkt. Er schläft nicht, ißt nicht, trinkt nicht, weist Arz neien und Hitseleistung zurück, braucht fortwährend Bewachung, stört die Ord nung des Hauses, bildet die stete Angst und Sorge der Familie. Bei jedem an deren Leiden ist doch einmal ei» Ende, sei eS zum Guten, sei es zum Bösen, abzusehen wer kann das von einer Geisteskrankheit voraussagen? Ihre Dauer ist ja oft eine lebenslängliche! Der Verrückte ist immer ein unnützes, oft sogar schädliches und gemeingefähr liches Glied der Gesellschaft. Aller dings neigen nicht alle Gemüthskranke zur Gewaltthätigkeit; es gibt viele an scheinend vollkommen Stille und Gut müthige unter ihnen aber auch der Harmloseste kann sür sich und seine Nächsten zur Gesahr werden; in der Tiese seiner geistigen Nacht schlummern ost Dämonen, die unversehens an s Ta geslicht hervorbrechen und eS sehlt nicht an schauerlichen Beispielen dafür die grausigsten Blutthaten vollfüh ren. Man rechnet in Deutschland, gewiß nicht zu wenig, auf Sl>o Einwohner einen Geisteskranken, also 100,OOS'aus etwa SV Millionen Seelen. Welche Unmasse physischer und geistiger Krast liegt hier brach, ungenützt und vergeudet! Zu diesem Heer von Unglücklichen stellt jedes Geschlecht, jedes Lebensalter sei nen Beitrag, Gerade die besten Jahre, die sür die Entfaltung und Ausbeutung aller Kräfte, mit denen die Natur den Menschen ausgestattet hat, am vorzüg lichsten geeigneten, sind die srnchtbarsten für Geisteskrankheiten. Nur zu ost zählt dann die Familie, die Gemeinde, der Staat und die Gesellschaft umsonst auf den Tribut der Mitarbeit, den sie zu empfangen berechtigt gewesen wären. Die Fürsorge für die Bedauerns werthesten aller Kranken ist eine Errun genschaft der Neuzeit. In srüheren Jahrhunderten in Narrenthürme einge sperrt, mit Ketten an Blöcke gefesselt und mit Peitschen ob ihres Tobens ge züchtigt, hatten sie es selbst in Berlin noch vor wenigen Jahrzehnten nicht viel besser; wer sich ungeberdig zeigte, kam aus die Drehscheibe oder in die Zwangsjacke: wollte man sich überzeu gen, ob Einer „den wilden Mann" spielte, so griff man zum Glüheisen und brannte dem Verdächtigen ein Loch in den Nacken. Solche Maßregeln entsprachen der damals noch herrschende» Anschauung, wonach die Geisteskrankheiten «inder der Sünde nnd der Leidenschaften sein sollten; heutzutage ist man zu der Er kenntniß gekoinmen, daß sie lediglich durch abnorme Vorgänge in, Gehiru leben entstehen. Staat und Provinzen wetteisern miteinander in der Errichtung zweckmäßiger Anstalten zur Heilung und Ausnahme von Geisteskranken. Di« Zahl der öffentlichen Irrenhäuser in Deutschland beläust sich jetzt aus unge fähr hundert; nicht geringer dürfte die der privaten sein. Schwer ist die Heilung des siechen Körpers, schwerer genest die krank« Seele. Unser Gefühls-, Vorstellungs- und Denkvermögen ist abhängig von dem Zustand des Gehirns, das uns anatomisch zwar sehr genau, um so weniger aber in psychologischer Hinsicht bekannt ist. Bei Sektionen von Gei steskranke» finde» sich ja im Gehirn bemertenswerlhe Strukturveränderun gen, z. B. Ergüsse, entzündliche oder Erweichungsherdc, Verhärtungen. Ge schwülste ii. s. w.; ebenso oft aber,läßt sich nicht die geringste Abnormität nach weisen, und wenn Shakespeare's König' Lear abrief: „Schafft mir'nen Wund arzt, mir ist in'S Gehirn gehau n!" so würde der Aeskulapjüuger in dem selben vielleicht gar nichts Fremdarti ges gesunden haben. Bei der Schwie rigkeit einer direkten medicinische» Ein wirkung aus das Gehirn kann es also nicht Wunder nehmen, wenn Krank heilen desselben so oft theils lang wicrig oder rückfällig, theils unheilbar sind. Trotzdem ist statistisch erwiesen, daß in den Irrenanstalten ungtsähr L 0 v. H. der Heilung zugeführt wer den. Einer der wesentlichen Vortheile.drr Irrenhäuser besteht darin, daß di« Kranken darin von allen schädlichen Einflüssen ihrer bisherigen Verhältnisse befreit sind Momente, die so häufig Aufregung, Zorn oder Trübsinn her »orrvfen »nd steigern. In der Anstalt lebt der Kranke beständig nnter ärzt licher und fachmännischer Aufsicht und erhält daselbst diejenigen Heilmittel, die Kost, die Wohnräume, die Beschäfti gung, die seiner Eigenthümlichkeit an gepaßt und geeignet sind, die erregten Nerven zu beschwichtigen. Soll aber ein Gemüthskranker geheilt werden, so muß er sobald als möglich in die An stalt kommen.. Jede Woche Verzögerung erschwert die Heilung. Warum entschließen sich aber die An gehörigen zu diesem einzigen RettungS mittel so ungern? Es geschieht haupt sächlich aus drei Gründen. Erstens, weil sie sich au die Hoffnung die fast immer trügerische anklammern, es könne doch wohl zu Hause noch Besse rung eintreten, zweitens weil sie den angeblichen Makel fürchten, den ein Aufenthalt im Irrenhause zeitlebens aufbürden soll, drittens,-weil sie die da mit verbundenen Unannehmlichkeiten (Aufseher beim Transport, Kosten der Behandlung u. s. w.) scheuen. Mit solchen Bedenken wird aber le diglich die kostbare Zeit vertrödelt und die im Anfang oft noch leicht heilbare Krankheit in eine hoffnungslose ver wandelt. Fort, schnell, gänzlich fort ans den bisherigen Umgebungen ist die erste Bedingung zur Heilung! Was den behaupteten Makel anbelangt, der dem einstmaligen Insassen einer Irren anstalt anhasten soll, so ist ja nicht in Abrede zu stellen, daß das Bekanntwer den eines solchen Ereignisses für den Betreffenden nicht angenehm sein mag. Wie klein und geringfügig aber er scheint dieser Nachtheil gegenüber dem körperlichen und geistigen Ruin eines Menschen, verschuldet durch thörichte Bedenken und unverantwortliche Saum seligkeit! Ebenso hinfällig ist die Scheu vor dem Aufsehen, welches der Transport eines Geisteskranken nach der Anstalt machen möchte. Soll man denn warten, bis es durch skandalöse Handlungen und unberechenbares Unheil, das er anstif tet, erst recht an die große Glocke Und darf die knauserige Rücksicht ans Kosten uns bestimmen, einen Unglück? lichen derjenigen Zuflucht zu berauben, die einzig und allein im Stande ist, ihm seine Gesundheit wiederzugeben? Wir wissen bereits, daß die AnMlt die Geisteskrankheit nicht immer zu hei? len vermag. Aber ist nicht auch das schon ein großer Segen, daß es für unheilbar Gestörte Asyle gibt, in denen sie Unterkunft, Schutz und Pflege finden, und wo sie gehindert werden, sich und Andern Schaden zuzufügen? Wie groß ist die Zahl der Geisteskran ken, welche fast beständig von Raserei nnd Zerstörungssucht besessen sind und daher einer unausgesetzten Bewachung bedürfen, wie sie das HauS gar nicht bieten kann! In der Anstalt ist die Welt vor ihnen, und sind sie vor sich selbst geschützt. Der Entschluß zur Uebersiedelung des Kranken in die Anstalt muß um so rascher zesaßt werden, als ohnehin mit der Ausnahme Formalitäten verbunden sind, die einige Zeit rauben, der Rath und das Gutachten des behandelnden ilrztes wird als selbstverständlich vor inSgesctzt, in den meisten Fällen aber soll das Gutachten noch ein anderer ttrzt bestätigen. Bis zur Zeit der An nahme und während der Reise nach dem Ziel derselben ist die sorgfältigste Auf sicht auf den Kranken durch einen oder zwei Begleiter nöthig, und jede Gele genheit zu Verletzung durch Entfernung stechender und schneidender, wie über haupt möglicherweise Gefahr bringender Werkzeuge zu verhüten. Den Wächtern schärse man ein, dem Kranken mit der erdenklichsten Sanstmuth und Schonung zu begegnen. Di« Bergnügungsretse. Sehen Sie, mein« Herren, mit die Vergnügungsreisen soll mir Keener mehr kommen! Besucht mir doch neu lich 'mal mein oller Freund Weipert, den Sir ja ooch Alle kennen und sagt der zu mir: „Weeßte sagte er ick hätte Lust, mir 'mal die berühmte Leip ziger Messe een bisken in die Nähe zu bekieken! Wat meenste, hätt'ste Du ooch Lust zu?" Na, bei so wat bin ick natürlich im mer mitten mang, ick sagte also: „Alle mal derjenige, welcher.... - und andern Tages trasen wir uns denn ooch richtig ufs'n Bahnhos. „Weeßt e, oller Junge hatte Wei pert noch zu mir jesagt wir fahren ruhig vierter Klasse! Das Jeld, das wir dabei sparen, können wir lieber in Leipzig verkneipen und außerdem habe ick ooch verschiedene probate Mittel, wie mir. mit List und Schläue einen Eou pon janz alleene vor uns kriejen können!" Was das vor Mittel waren, sollte ick ooch bald nur zu jut kennen lerne».— Als die „Ersten" kletterten wir schnell in einen Wagen 'rin. „So sagte mein Freund nu sieh' man immer zum Fenster raus und denn sprich man öfter so zurück, als ob Du ein kleeneSKind beruhijen wolltest!" Und nu ssng er an, indem er sich die Hände vor n Mnnd hielt, so täuschend Ivie'n kleenzS Kind zu plärren, daß eS mir ordentlich unheimlich wurde. Die Wirkung war ooch jroßartig! „Um Jotteswillen, man nich 'rin zu die schreiige löhre!" sagten die Leute und drängelten sich alle in andere Waggons, nur eine olle Frau, die wol in der Eile keinen anderen Platz finden konnte, stieg doch noch zu uns ein. Der Zug setzte sich in Bewejung und Weipert hörte mit's Kinderjeschreie usf. So waren wir einige Stationen jefahren, da deu tete die olle Frau uff unsern jroßen Stullenkorb, den uns meine Rieke mit Jewalt niltjejeben hatte und frug: „Das Kleine schläft wol?" „Ja jriente Weipert das Kleine schläft!" „Ach. meinte wieder die Olle machen Sie doch den Deckel ein bischen aus, das arme Wurm muß ja sonst sticken I" »Jh, Unsim» lachte Weipert das Wurm kam» nich sticken! Nicht wahr, oller Junge?" und dabei sah er mir so pfiffig von die Seite an, daß ick jar nich wußte, was ick sagen sollte. Na, die Olle beruhigte sich ooch und schlief schließlich uff ihren mitjebrachten Koffer ein. Wir benutzten die jünstige Jelegenheit und frühstückten so sachte unsern Stullenkorb leer; wie wir da mit fertig waren, macht mein Freund das Fenster uff und wirft das oll« Stullcnpapier weg, und zum Schluß schüttet er den janzen Korb noch gründ lich aus, damit ooch kein Krümelchen mehr drin bleiben sollte. In demselben Moment ertönt aber auch ein janz jäm merlicher Schrei. Die olle Frau war erwacht und hatte jerade noch jesehen, wie Weipert noch den leeren Korb zum Fenster wieder hereinnahm. „Mörder" kreischte sie, wie eine Besessene „Mörder, Sie haben ja Ihr armes, un schuldiges Kind autz die Schienen ge schmissen!" Na, und ehe wir sie beru higen konnten, hatt« si« auch schon den Hebel am Nothsignal in Bewegung ge setzt ei« schriller Pfiff der Zug hielt und wenige Minuten später stan den mehrere Beamte, an der Spitze der Zugführer, vor uns und ließen sich schaudernd von der Alten erzählen, daß wir ein kleines Kind, welches sie selbst noch schreien gehört, aus dem Korb zum Fenster hinausgeworfen hätten. Na türlich gestanden wir nun sofort unsere List, »in möglichst allein fahren zu kön nen, ein, fanden aber wenig Glauben. Ein Beamter blieb vorläufig zu unserer Bewachung bei uns im Wagen, und dann wurde von der nächsten Haltestelle ans telegraphisch eine Absuchung der von nns soeben passirten Strecke nach der Kindesleiche anbefohlen. Na, nachdem wir ein paar Stunden so in jrößter Zerknirschung zurückgelegt hat ten, wurde ooch sestjestellt, daß sich zwar kein» KindeSleiche, wohl aber unser fet tiges Stullenpapier vorjefnnden hatte, und wir konnten ohne Bewachung, aber niit'ir starke» Verweis weiter sahren. Endlich mußten wir umsteigen, was wir mit Freuden bejrüßten, weil uns di« übrigen Mitreisenden doch immer nsf jede Station so scheu von die Seite be trachtet hatten. Weipert, der seinen guten Humor schon wieder gesunden hatte, sagte: „Weeßt'e Bengel, nn fah ren wie doch noch alleen«; jetzt paß' mal uff, jetzt kommt een anderes Mittet 'van!" „Ach nee, sagte ick laß' manl Wer weiß, was das wieder vor Foljen hat!" „Unsinn meinte Weipert, indem er in's Eonpee kletterte— so, jetzt hast Du weiter nischt zu thun, als blos immer, wenn Leute zu uns .rinsteijen wollen, tüchtig zu husten!" „Ja, warum denn man blos?" trug ick°ängstlich, aber: „Das wirst'e schon sehen! Huste man!" ranzte er mir a» und ick hustete, was ick man konnte. So wie m, ein paar Menschen sich un serm Waqen näherten, kloppte mir Wei pert immer den Rücken und sagte ganz laut: „Ach. Du armer Kerl, daß Da ooch den- ollen Keuchhusten jarnich wie« der los wirst!" Natürlich floh nu allenS jleich ganz entsetzt in die anderen Wagens. Wenn ick ooch eene anstrengende Rolle dabei spitlte, so machte mir die neue List doch großen Spaß und ick hustete so, daß ick schließlich wirtlich husten mußte, wenn ick ooch jarnich mehr Molltk ES hatte schon zum zweiten Male gsbimmelt, als ein junges elejan tes Kerlchen, welches mit'n Musterkoffer unterm. Arm schon 'ne Zeit lang vor linserm Wagen stand, freundlich zn mir sagte. „OK haben Sie wirklich den Keuch husten?" „Iswiß! antwortete Weipert für mich. —lm höchsten Jrade!" „So? machte der sreundliche Jüngling das thut mir ja sehr leid! Sie, Zug führer wandte er sich dann an diese» hier dieser Passagier, ist mit einer ansteckenden Krankheit dehaftet und von der Fahrt auszuschließen!" „Na, so'ne Niedertracht! Vergeblich war unser Reden. Die Umstehende» hatten alle deutlich jehört, daß wir selbst ten und so mußten wir 'raus, da mein Freund doch ooch nich ohne mir weiter reisen mochte. Der Zug mit die hohn lachenden Passagiere dampfte uns vor die Nase ab, und um mit dem nächsten Zuge, der übrigens erst sechs Stunden später durchkommen sollte, weiter fahren zu können, hätte ick mir erst von einem Arzt ein Attest ausstellen lassen müssen, daß ick janz jesund s«i. Na, mir war die Lust zur Reise nach Leipzig jründ lich verjaiigen nnd so »artete ick denn mit meinem Freund den nächsten nach Berlin sahrenden Zug ab und wir be stiegen vom Inspektor nicht bemerkt, und ohne Attest ein vollgepfropftes Coupe vierter Dimension. „Mensch sagte leise Weipert zu mir paß' mal uff, wie leer daS jleich hier wird; ick habe jetzt ein janz seine» Mittel „Um'S Himmelswille» ich aber da laß dett blos sind, sonst kommen wir am Ende nicht mehr leben dig nach Hause!" Na, dett sah er denn ooch ein und schweigend fuhren wir nach Berlin, wo wir allen erzählen sollten, wie wir uns amüsirt hatten uff unsere „Vergnü gungsreise!" Ein englischer Reisen der hat den Mongolen folgenden herz haften Fluch abgelauscht: „Ich wünschte, daß Dir der Teufel mit einem Messer in den Leib kröche. Dir das Fett von den Gedärmen schälte und Kerzen davon machte, um Dir zur ewigen Verdammniß ;u leuchten!" Ein rü cksi chtSl oserMensch. werden Sie mich endlich bezahlen? Baron: Lassen Sie doch das ewige Mahnen. Herr Meier, haben Sie denn zar kein Mitgefühl mit meinen —ande ren Gläubigern?
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