» . Zvte «»«»retteudss«. !kine alltägliche Geschichte die inDeutschland ansäugl und in Amerika aufhört Sonntag Abend bin ich stets bei dem jungen Ehepaare, und wenn wir Drei «ach dem Essen in'S Gespräch kommen, da vergessen wir ganz »nd gar, daß wir in der neuen Welt sind, und das ist «nS sehr lieb, denn wir Deutsche mögen vnS nun einmal nicht an die amerika nische Sabbathheiligung gewöhnen. Zum Kukuk auch, weshalb sollte man gerade durch das einfältige Wassertrin ken in den Himmel eingehen! Der Gastwirth hält sein Local fest verrie gelt, weil es die hohe Polizei anbefiehlt und sich Niemand an dem sträflichen Naß erfreuen foll, und da schließen wir Drei uns denn gleichfalls ein, trinken unser Flaschenbier, das am Sonnabend herbeigeschafft worden ist, plaudern, »nusiciren, und der freundliche Hausherr bietet mir von Zeit zu Zeit eine Ciga rette aus seiner Dose an, und dabei wirst er stets einen so zärtlichen Blick aus das glänzende Ding, daß ich allmä lig zu der Ueberzeugung gelangte, es müsse mit dieser Dose eine ganz eigen thümliche Bewandnlß haben. .Herrgott, ist das ein prächtiges Exemplar!" rief ich, als mir die ge diegene Arbeit daran zum ersten Mal auffiel. „Mein Mann ist ungeheuer stolz darauf,' meinte die junge Frau lachend. „Gestehe es nur selbst ein, Hans!" Und die beiden tauschten einen gar vielsagenden Blick aus, so daß ich gele gentlich weiter sorschte; und wiewohl es HanS bei seinem geheimnißvollen Lä cheln bewenden ließ, sprach die Gat tin für Zwei, denn redselig sind nun einmal alle Frauen, und daS hat ja auch wieder sein Gutes. Wie hätte ich sonst die Geschichte erfahren und sie mir zu sammenreimen können! ' . ' HanS hatte sein Glück eigentlich von der Erde ausgelesen, und wie das kam, soll hier erzählt werden zu Nutz und Frommen Aller, die es ihm nachthun wollen. Es war also an einem bitterkalten Winterabend in einer mittelgroßen Stadt Deutschlands, als unser Held das stattliche Gebäude des Polytechnikums verließ, um »ach Beendigung seiner ei genen Studien eine herzlich schlecht be zahlte Privatstuilde zu ertheilen, wie deren etliche seinen alleinigen Lebens unterhalt bildeten, denn er besaß weder wohlhabende Angehörige, poch ander weitige Gönner, die ihn unterstützten. Daher mußte er schon in frühen Jahren aus eigenen Füßen stehen ler ue», und daS heißt im deutschen Stu dentendasein mit anderen Worten: Kalte Dachstube, karges Mittagsmahl und am Abend häufig sogar strenge Diät. Aber HanS beherzigte dessenunge achtet doch stets die Ermahnung des alten Turnlehrers, der allemal „Kops hoch!" gerufen und jedem Zuwiderhandelnden einen wohlmeincnden Streich ins Genick versetzt hatte. Vielleicht war es solcher gestalt das Verdienst von Vater Jahn, daß unser Haus so zielbewußt wie irgendeiner und ohne sich jemals ent muthigen zu lassen, seineu Lebensweg rinhergiilg. Also knirschte der frischgefallene Schnee auch jetzt unter seinem festen Schritte, und wie geboten ein sicheres Austreten überhaupt sein mag, war ein solches diesmal doch doppelt unerläßlich, denn auf den Fußwegen hatte sich Glatt eis gebildet, »nd ein Fall war gethan, «he man sich dessen versah. Deshalb stießen die weiblichen Passanten leichte Angstschreie aus, gleichsam um die Ge sahr des Ausgleitens von vornherein zu beschwören, während die Männer, so sern sie mit Stöcke» bewaffnet waren, diese bei jedem Schritt vorsichtig nieder setzten; aber was nützt am Endcalle Vorsicht bei diesem verd.... Bah, da hat man's! Ein ältlicher Herr war, seinem mächtige» silberbe ' schlagenen Bambusrohr zum Spott, ausgeglitten und rücklings niederge stürzt, was des Ereignisses genug sein mochte, damit alle Passanten still stan den, etliche müßig gafften, während ein paar Tölpel gar zu kichern begannen, denn sür solche hat ein Fall stets etwas Belustigendes. Hans, in dessen un mittelbarer Nähe das Malheur passirt war, zählte weder zu jenen, noch zu die sen. Er eilte hinzu, hals den alten Herrn aufrichten, hob auch dessen Cy linderhut auf, der bei dem Sturz gleich falls in den Schnee gekollert war, und erkundigte sich schließlich mit besorgten , Worten, ob er irgend welche Verletz»« , gen davongetragen hätte. , „Schönen Dank, mein junger Freund," erwiderte der alte Herr ge rührt und besühlte seine Gliedmaßen der Reihe nach, um in Erfahrung zu dringen, ob keine derselben einen Bruch erlitten hätte. „Es kommt mir so vor, als ob ich keinerlei ernstlichen Schaden genommen hätte wie gesagt, schönsten Dank, mein junger Freund wüßt« wahrlich nicht, wie ich ohne Ihre Hilfe, hätte aufstehen sollen. Darf ich Ihnen vielleicht eine Cigarre anbieten? Sie wissen, wir Russen rauchen einmal nichts Anderes.' Bei diesen Worten zog der alt« Herr eine metallene Dose aus der Hin teren Rocktasche und reichte sie Hans, indem er bittend hinzufügte: „Nehmen Sie das Ding, wie eS geht und steht, vielleicht bringt es Ihnen Glück." Und ohne der Bedenken zu achten, welche unser HnnS geltend machte, nickte der alte Herr freundlich mit dem Kopfe und fetzte seinen auf so unerwartete » Weise unterbrochenen Spaziergang fort. HanS hingegen war von diesem kleinen Abenteuer derart verblüfft, daß er sich uoch eine gute Weile nicht von der Stelle zu rühren vermochte, wobei er deständig das eigenartige Geschenk zwi schen den Händen drehte und endlich, da er doch einen Entschluß fassen mußte, schnurstracks seiner Stammkneipe zu eilte, um daS große Erlebniß seinen in timsten Freunden brühwarm mitzuthei len. Nachdem Hans in einer an ihm völlig ungewohnten Gesprächigkeit alle einzelnen Umstände des Vorfalls zum Besten gegeben hatte, erhoben die Zu hörer zur Evidenz: daß der alte Russe offenbar ein Sonderling sei, wogegen dahingestellt bleiben müsse, ob ein StaatSrath oder ein Nihilist, daß di« von ihm stammende Dvse eine Tula von vollendeter Schönheit sei und das in Platin geätzte Bild aus der Außenseite des Deckels den Kreml darstelle, daß ferner und schließlich die in der Dos« enthaltene» Eigaretterrvon ungewöhnli cher Güte, dem Verständnisse des edel müthlgen Gönners ein glänzende» Zeugniß ausstellten. Insbesondere herrschte über den letz ten Punkt nur eine Meinung, welche dadurch praktischen Ausdruck fand, daß Hans seine Dose ganz geleert mit nach Hause nahm, denn er war ein herzens guter Junge und gab gern, wenngleich es ihm selten vergönnt war, diesen Wunsch zu bethätigen. An jenem Abend zumal hätte er die ganze Welt verschen ken mögen, natürlich mit Ausschluß der prächtigen Dose, denn die war es ge rade, deren Besitz ihn so großmüthig stimmte. Am Ende war es auch nicht ihr Besitz allein, sondern die freund lichen Worte, welche das Geschenk be gleitet hatten, und nicht minder das Un gewöhnliche, daS Unerwartete der ganzen Sache. Obschon keineswegs abergläu bisch, konnte Hans doch nicht umhin, de, wohlgemeinten Rede des alten Herrn öfters zu gedenken. „Vielleicht bringt eS Ihnen Glück," Wiederholte Hans mehrmals auf feinem Heimwege ltnd betastete ehrfurchtsvoll die Dose unter seiner Rocktasche, um schließlich über die eigene Leichtgläubig, keit zu lächeln; aber wer wäre Skep tiker genug, um die Ersüllung einer unS willkommenen Prophezeiung von vorn herein als unmöglich anzusehen! Zu dem war Hans noch ein Jüngling, und wenn der erste Flaum die Lippen be schattet, dann öffnet sich das Herz angel weit der Hoffnung. Richt anders verhielt eS sich mit un serm Helden. Er erblickte in dem er haltenen Andenken keineswegs bloß einen äußerst zierlichen Gegenstand, sondern einen sichern, wenngleich leb losen Bürgen für fein zukünftiges Glück- Deshalb hütete Hans fein« Dose wie einen zauberkrästigen Talis man, und als er an jenem Abend nach Hause kam, brachte er eS gar nicht übe» sich, daS Bett aufzusuchen, weil ihu de» Anblick dcS glänzenden Dinges sörinlich an die Stelle bannte. Die Gewohnheit stumpfte diese Wirkung freilich ab, zu mal vor der Hand keine nennenswerth« Veränderung in dem Lebe» des mittel lose» Studenten eintrat, aber dessen un geachtet blieb ihm die Dose lieb und werth, so daß es eigentlich recht schwer gewesen wäre, sich Hans ohne dieselbe vorzustellen. Sie war seine unsehlbare Begleiterin geworden, und es schmei chelte ihm nicht wenig, wen» man die selten schöne Arbeit daran lobte und Jedermann das kleine Meisterstück mit Wohlgefallen betrachtete. Der Inhalt hatte allerdings seit dem Zusammen treffen mit den, alten Russen sehr an Qualität verloren uud stand wenig im Einklang mit der vornehmen Hülle, aber glucklich der Mensch, bei dem sich die UnauSgeglichenheit blos aus schlechte Cigaretten beschränkt. So schlecht sie übrigens auch sein mochten, mundeten sie doch seiner heiteren Genügsamkeit vortrefflich, und so verging manches Jahr. Hans zog etliche Male des TageS seine Dose ans der Tasche, ent nahm ihr eine Cigarette, steckte sie in Brand, rauchte sie, gerade wie am ersten Abend, nur mit dem Unterschied, daß der blaue Rauch, den er behaglich vor sich hinblies, nicht mehr in der deutschen Heimath e.ichorstieg, sondern inlNcw Aork. *» . " Zwischen dem Heilte und Gestern sei nes Lebens lag das Weltmeer, es war recht verschieden um ihn her, andere Menschen, die anders sprachen; aber in dem Verhältnisse zwischen HanS und seiner Dose hatte sich nichts geändert, nicht einmal, daß die letztere mit dem ih< rein Besitzer beschiedenen Glücke aus recht häßliche Art geizte. Hans war so gar schon einige Mal nahe daran gewe sen, sich von seiner steten Begleiterin zu trennen, nicht etwa weil er über ihr Be tragen erzürnt gewesen wäre, nein, ledig lich, weil es Augenblicke gibt, in welchen der Magen alle zärtlichen und schönen Gefühle zu übertönen droht. Er über wand sie. Er fegte zwar niemals Straßen, aber er spülte Teller in einem Speiftlocal und trug zur Weihnachtszeit Packete aus, woiür es allerdings recht überflüs sig schien, daß er jemals in die Geheim nisse drr Algebra eingedrunge» war. aber endlich sand sich für Hans doch ein kleiner Platz bei einem großen Architek ten. Anfangs wies man ihm ganz un bedeutende Arbeiten zu, aber da er fei ner Aufgabe jedes Mal glänzend ge recht wurde, wuchs das Zutrauen, wel ches man >n ihn zu setzen anfing, und mit diesem auch sein Verdienst. So ersreute sich HanS in verhältniß mäßjg kurzer Zeit einer Stellung, die ihren Mann reichlich nährte, und eine der Folgen davon war, daß seine Tula dose, jetzt mit sehr guten Cigaretten ge füllt, eine harmonische Bereinigung von Inhalt und Hülle bildete. Und dennoch bejchlich ihn manchmal ein Gefühl, als ob ihm irgend etwas fehlte, und diese Regung machte sich meist in den Abend stunden gellend. Während des TageS, wo er jede Stunde auszunützen strebte, blieb ihm freilich keine Zeit zu grübeln den Gedanken, wohl aber, wenn das Tagewerk vollbracht war und er dem sogenannten Vergnügen allein leben durfte, das ihn in der Regel recht traurig und niedergeschlagen stimmte. Obgleich von heiterer Gemüthsart, war Hans doch ein Mensch, der sich ungemein schwer anschloß, zumal er iu semer angeborenen Zurückhaltung eine» oberflächlichen Beurtheiler keinen son derlich günstigen Eindruck machte. Je nes Talent, die glänzendste Seite seine» Wesens, gleich beim ersten Mal hervor zukehren, der neuen Bekanntschaft zu Ehren ein blendendes F«uerwerk von Witz, Geist unv Liebenswürdigkeit abzu brennen, besaß er gar nicht, und des halb nannten ihn die meisten einen langweiligen Kerl. Ach, sie thaten ihm Unrecht. Er mußte sich nur erst hei misch sühlen, dann konnte er sogar un glaublich lustig und unterhaltend sein, doch, dafür waren diese flüchtigen Bezie hungen von zu kurzer Dauer. Dieser gehaltlösen Biergespräche mit dem Leitmotiv: „Na, jetzt trinken wir noch Eins," war er nachgerade herzlich überdrüssig geworden, und so bracht« er seine Mußestunden oftmals allein hin, schlenderte an warmen Abenden durch die Straßen der oberen Stadt und hing seinen Gedanken über dies und jenes nach. Bei einem solche» Spazier gange um die Dämmerstunde ereignet« es sich, daß HanS Zeuge war, wie ein kleines Kind niederfiel, weil eS seinen Beinchen allzu große Schnelligkeit zu getraut hatte. Als ordentlicher Sama ritaner sprang er hinzu, hob es auf und fragte theilnehmend, ob es sich weh ge than hätte. ' „Nein," antwortete das Kind und be gann unbändig zu heulen. So weit wäre der geringfügige Zwi schenfall von keiner weiteren Bedeutung gewesen, aber da näherte sich ein hüb sches blondes Mädchen, dankte Han 4 mit verlegenem Lächeln und beugte sich dann zu dem Kleinen hinab, um ihn zii trösten. „Zeig' mir, wo Du Dich gestoßen hast," sagte sie aus gut Deulsch und herzte ihn solange, bis sein Jammc, verstummte. „Ich glaube, eS ist ihm nicktS ge schehen," bemerkte Hans mit sehr viel Schüchternheit. „Nein, gewiß nicht, bestätigte dai Mädchen und machte sich fortgesetzt an dem Kinde zu schaffen, obgleich es schon vollkommen beruhigt war. Hans hiu> gegen suchte vergebens nach einem geeig neten Worte, um daS Gespräch noch ein Weilchen fortzusetzen, doch ivie sehr e> auch danach suchte, er fand eS nicht und da die eingetretene Pause immer pein licher wurde, sagte er endlich „Guten Abend" lüftete den Hut und ging fei ner Wege. Dafür überhäufte er sich nachher mit Selbstvorwürsen ob seine» Blödigkeit, wie er eS nannte, welch« ihn gleich einem Schuljungen erscheine» halte lassen, der um die erstbeste Re densart verlegen ist. Schockschwereuoth, jetzt fiel eS ihm bei, er hätte vom Wetter beginnen müs sen, das wäre das Richtige gewesen, und ihr schließlich ein paar Artigkeiten sagen sollen, die sie doch so vollauf ver diente, das Geschöpf! Miß muthig und früher als sonst trat Hani den Heimweg an. Den nächsten Abend zog es ihn abermals nach jener Straß, hin, obgleich er kaum erwarten durste, wieder einem gestolperten Baby aus di« Beiue Helsen zu können, oder wenigstens nicht gerade demjenigen, welches unte, ihrer Aufsicht stand. Aber Amor wußt, es doch derart einzurichten, daß ein Wiedersehen selbst ohne das neuerlich« Stolpern des Kleinen stattfand. Das blonde Mädchen saß an de, Treppe, welche zum Erdgeschoß führte, und als Hans vorbeikam, faßte er einen kühnen Entschluß und entbot der Hol den einen zaghaften Abendgruß, wobei er obendrein noch etwas seitwärts blickte. DaS war gewiß nur eine selbst verständliche Artigkeit, aber HanS war doch entzückt und entsetzt zugleich über seine unglaubliche Verwegenheit. Den nächsten Abend spielte sich genau die selbe Scene ab, und HanS hätte von nun ab um keinen Preis einen anderen Weg eingeschlagen als jenen, der ihm die Möglichkeit bot, seinen Gruß anzu bringen. Sein .Guten Abend" klang zwar noch immer verzweifelt schüchtern, aber allmälig brachte er eS wenigstens so weit, ihr voll ins Gesicht zu schauen, wodurch'sein Entzücken eine stetige Stei gerung ersilhr. Wie reizend sie war! Blond, ach, und welches Blond, und diese Auge», so wunderschön und sanst, gar nicht von dem kleinen Mund zu reden! Hans zählte sich die Vorzüge seiner Schönen allabendlich vor, was eine entsernte Aehnlichkeit mit einer Litanei besaß, und die Litanei wurde immer länger, aber er war seinem Ziele um nichts näher gekommen. In dieser Weise vergingen mehrere Wochen, bis selbst der geduldige HanS einsah, daß etwas geschehen mußte. Eines Abends, als ihn eine ungewöhnliche Entschlossen heit ersaßt hatte, unternahm er daS lange geplante Wagniß, blieb an dem eisernen Geländer, hinter welchem sie ihren Sitz einzunehmen pflegte, stehen und sragte mit nnsicherer Stimme: „Wie geht es Ihnen, mein Fräu lein?" Seine Angst, daß diese namen lose Kühnheit Alles verderben könnte, recht gnädig aus, lächelte ihm in sreund licher Verlegenheit zu und meinte schließlich, daß eS drückend warm sei. Damit schloß ihre erste Unterredung, welcher nunmehr ein allabendliches Ge spräch vor dem Treppenaufsatze solgte, bei welcher Gelegenheit die jungen Leutchen einander ihre gegenseitige Le bensgeschichte mittheilten. Auch die ihrige war ungemein kurz und alltäg lich. Sie lebte bei entfernten Angehö rigen, die sie nach dem Lande der unge zählten Verheißungen hatten kommen lassen, und vereinigte in ihrer Stellung die Obliegenheiten eines chens und einer Gouvernante. Freilich hätte sie hinzufügen müsse», daß sie trotz dieser doppelten Leistung keinerlei Lohn erhielt, denn in dieser Hinsicht zählte man sie zur Familie, aber sie verschwieg e» aus irgendwelchem Grunde. HanS war allmälig recht unver schämt geworden. Er beugte sich jetzt gar schon über d«i Geländer und dehnt« die ihm so lieb gewordenen Gespräch« bis zur Dauer von vollen fünf Minuten aus, aber felbst die Errungenschast sollte bald daraus in Schatten gestellt werden. Wie eS kam, wußte HanS am allerwenigsten, ober ei»eS Abends trennte ihn nicht mehr das»»erweich liche Eisengeläilder von seinem blonden Engel, und eS sügte sich ganz zufällig, daß ein zweiter Siuhl dastand, aus dem er sich ihr gegenüber niederlassen durste. Und damit war der Born seines Glückes noch nicht erschöpft! Er konnte sein« bewundernden Blicke auS nächster Nähe ans sie richten, ohne daß irgend Jemand sie gezählt hätte, und manchmal schaute sie ihn sogar an, aber das war zu viel für ihn, denn er guckte dann flugS auf die Seite. Im Uebrigen hätte ihr Benehmen jedem Kindergarten zur Zierde gereicht. Sie sprachen zumeist von dem, was ihnen am sernsten lag, und Ha«s rauchte mit ihrer Erlaubniß dann und wann eine Cigarette, wobei er seine Dose mit der Feierlichkeit eines KronschatzhüterS her vorholte und wieder zu sich steckte. Eine geraume Weile genossen sie die ungetrübte Freude ihres allabendlichen Beisammenseins, bis ein ganz unerwar tetes Ereigniß eintrat. HanS mußte zur Ueberwachuug eines Baues im Auf trage seines EhefS für längere Zeit »ach dem Westen gehen, und wiewohl dies« Veränderung sür ihn nur mit Vorthei len verbünde» loar, blickte er doch rechl niedergeschlagen drein. Seine Stimme zitterte merklich, als er dem blonde» Fräulein mittheilte, daß eS nun aus und vorbei sei mit dem traulichen Plauderstündchen. Es sollt« sür eine ewig lange Zeit das letzte Mal sein, daß er ihr gegenübersitzen, sich an ihren theuren Zügen labe» durste! Ja, nleun er das nur gesagt hätte, es wäre immerhin ein Ansang gewesen, so aber saß er noch einsilbiger als sonst da und schob die Enthüllung seine» HerzenSgcheimnisse von Minute zu Mi< nute auf. In feiner Aufregung macht« er sich beständig mit der Cigaretteudos« zu schaffen und dachte so wenig ans Rauchen, Ivie weiland König Jacob von England. Er hatte so viel auf dem Herzen, wollte so viel in dieser letzten Stunde sagen, daß er schließlich gar nichts sagte. Als er sich zum Ausbruch erhob, schwebte ihm das entscheidend« Wort aus der Zunge, aber es wollt« nicht aus der Kehle; und so war de, Abschied gekommen, ohne daß Hans von dem gesprochen, was ihni'seit Monaten als höchstes Glück erschien! Eine ohnmächtige Wnth gegen sich selbst drohle ihn zu ersticken, cls er di« Straße binabschritt. Deutlich wie nie zuvor süylte er, daß seine Lcbcnsfreud« von dieser Stunde abgehangen, und er hatte sie verscherzt! Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, lehnte er sich gegen den Laternenpfahl, in dessen Um kreis daS flatternde Gaslicht eine» un beständige» Schein verbreitete, und blickte schmerzlich nach jener Stelle, welche er kurz vorher verlassen hatte. Dort lag sein Glück! ES überkam ihn eine Empfindung, als müßte er in ra sendem Lause zurückkehren, aber sein« Beine waren bleiern schwer und wollten nicht gehorchen. Hans begriff in stnm. mer Verzweiflung, daß es zu verlore nem Glücke keine Rückkehr giebt, und seuszte aus tiefinnerstem Herze». Me chanisch griff er nach seiner Cigaretten. dose. Sonderbar genug, sie war nicht, wo er sie stets zu verwahren pflegte. Er durchsuchte alle Taschen. Sie wa» nicht da, und doch hatte er sie noch kurz vorher >» der Haud gehabt. Sollte er sie dort vergesse» haben? Hans fragt« sich dies nicht zweimal, sondern ging rasch zurück. Wie konnte er auch die gute Dose so leichtsinnig liegen lassen! Als Hans jedoch zur Stelle kam, wo er so glückliche Stunde» verbracht hatte, ward die Dose neuerdings vergessen, denn da saß daS blonde Fräulein gerade noch, wie er eS verlassen, und iveiute leise vor sich hin. So ist's recht, Du einfältiger HanSl Schau ihr fest in die blauen Augen, zieh sie an die Brust und sag' ihr, daß Du sie liebst! Begreisst Du nun, daß eS gar nicht so schwer hält, ein braves Weibchen zu kriege»? Haben'S ja auch schon viele, ach, wie viele vor Dir ge- Als die Beiden unter ungezählten süssen ihr zukünftiges Glück ausmalten »nd schon dabei angelangt waren, wi« daS kleine Speisezimmer eingerichtet werden mußte, meinte HanS m seine« treuherzigen Einsalt: .Was doch der Zufall für eine Nolle spielt!" .Wie soll ich denn das verstehen?' fragte das blonde Fräulein. „Nun ja, ich bin eigentlich nur wegen meiner Cigaretteudose zurückgekommen.- Darüber lachten Beide gar sehr und küßten einander noch mehr. Ein »»gezwungen-ge müthlicher Ton herrschte im Hause de» Davon legt folgender in der Ueberlie ferung fortlebender Austritt Zeugniß ab: Gymnasiallehrer M. hielt um Lohmann'S Tochter an. „Herr Super intendent, ich hätte ein besonderes An liegen an Sie." .Was wünschen Sie denn, ich habe jetzt nicht viel Zelt.' .Ich wünsche die Hand Ihrer Tochter.' .Ach was? Welche wollen Sie denn?' „Fräulein Minchen.' .Ach was, die Mine; ach, das muß ich doch aver meiner Frau sagen, warten Sie, bitte, mal - „Frau', rief «r jum Söller hinauf, .komm mal runter!* „Ich kann nicht, ich bin bei der Wäsche." .Du mußt aber mal kom men, der M. ist da." „Ach was, der langweilige M.; was will denn der wieder?' »Er will die Mi«e.' .So ? Die Mine will er? Na, dann soll er eine» Augenblick warten. Ich komm' gleich.' Scharfsinnige Bermn thung. Rosa, weshalb mag mich der berr dort unverwandt anblicken? Bielleicht will er verwandt mit Dir werden. Wie ein Stern aufgeht. Der Impresario Bernardelli Bern hard klang ihm nicht vertrauenerweckend genug ist wüthend: er hat aus einer GeschäitSreise gerade l" der schmutzige», winkligen, öden Prooinzialstadt Zittel witz den Zug verpaßt nnd ist gezwun gen, den Abend und die Nacht in Zittel witz zu verbringen. Schimpfend durchmißt er das einsam, KonvcrsationSziminer des Hotels inil langen Schritten und überlegt, wie er die Zeit und den Groll am besten todt schlagen könne. Kellner!" „Ew. Gnaden befehlen?' „Giebt'S in dem Nest hier ein Thea ter?" August lächelt mitleidig. „Theater? Na, wie man's nimmN Der Direktor behauptet, er hätte eine .Lperngesellschast" eS ist aber man nur so so!' Dc>S Orchester ist ein Ä lavier— lange nicht gestimmt, weil die Einnahme» zu iniierabel sind und der Vorhang war früher bei uns Him melbett-Gardine. Unser Ehef hat sie dem Direktor überlassen und dafür ein Passepartout bekommen. Heute wird der „Troubadour" gegeben". Die Augen des Impresario leuchten förmlich vor Vergnügen, er schwelgt schon im Vorgefühl des kommendeo Amüsements. „Wo ist das Theater? „Gleich rechts um die Ecke, Ew. Gna den! Wünsche recht viel Vergnügen!' Füns Minuten später sitzt Bernar delli im Zittelwitzer Musentempel. Die Himmelbett-Gardine ist bereits aufge zogen, auf der Bühue jammert die Primadonna ein Lied sie könnte nicht beredtsamer sür ihre Ausnahme in das ZittelwitzerAltersversorguugshaus plai diren, als durch ten Vortrag dieser Arie. Im Klavier versagen hier und da einige Töne, die Oellampcn ver breiten einen unerträglichen Dunst, im dunklen Zuschauerräume klappern.die Gläser. Bernardelli findet die Sache doch nicht so amüsant, wie er gedacht hat, und macht bereits Miene, zu gehen. Da betritt der Tenor die Scene. Alle Wetter, was war das für ein Ton? Bernardelli hängt rasch wieder den Hut an den Nagel und bleibt. Mit gespannter Aufmerksamkeit lauscht er «ach der Bühne hin, die Hand am Ohr, die Angen halb zuge kniffen. Unv immer süßer, immei schmeichelnder werden die Klänge, jetzt im sanst hinsterbenden Piano, jetzt markig und voll, dann wieder anschwel lend und mächtig dahiilströmeud, als müßte» die Wände dcS engen SaaleS bersten, gesprengt von dieser Fülle des Wohllauts! Bernardelli traut seinen Augen und Ohren nicht. Das ist ja „ein Fund", ein Fund ersten Ranges. Wie kommt dieser Mensch »ach Zittelwitz?" Er eilt auf die Bühne nnd stellt sich dem Sänger vor. „Mann, welches Schicksal treibt Sie hierher?" Der Künstler lächelt trübe und zuckl mit den Achseln. Es ist die alte Ge schichte. Wen» man in eine kleine, un fähige Choristin verliebt ist, sich mit ih» verheirathet »nd nicht ohne sie in's Engagement gehen will, dann koininl man rasch herunter — bis zur Schmiere. Wer aber einmal dort angelangt ist, um den kümmert sich kein Agent mehr und kein Direetor. Der ist vergessen. Bernardellis Entschluß steht fest: De, Mann wird „gemacht!' „Sie reisen morgen srüh mit mir ab/ sagt er in einem Tone, der jeden Wider spruch ausschließt. „Aber mein Eontract, mein Diree tor—" „Dem zahle ich tausend Mark Ab standsgeld!" „Dann trifft ihn der Glücksschlag!" „Abgemacht?" Zitternd vor Erregung schlägt dei glückliche Mensch in die dargebotene Rechte: „Abgemacht!' „Na gut, nach der Borstellung bespre chen wir im Hotel bei einer Flasche Rheinwein das weitere!" Bernardelli dreht sich lachend noch einmal um und fragt: wie heißen Sie eigentlich?" „Stiebel," antwortete beschämt der Gefragte. Der Impresario macht ein Gesicht, als vb er Essig verschlucken müßte: „Stiebelist geradezu unmöglich! Bon heute ab heißen Sie Stibelli! Aus Wiedersclie»!' Noch spät in der Nacht sitzen die bei oen Männer eisrig berathend einander gegenüber, sie sind längst vom Rhein wein zum Sekt übergegangen, ihr, Phantasie erhitzt sich mehr und mehr Bernardelli sieht in jeder aussteigende!! Schaumperle ein Goldstück, Stibelli ein, neue Hoffnung ans Glück und Erfolg. „Wo aber wollen Sie mich zuerst hinbringen?" forschte er erwartungs voll. „Etwa gleich an'S Hostheater?' Da sährt der Impresario auf, wie von einer Inspiration ergriffen : „Vor läusig bringe ich Sie nirgends hin! Ich Hab'S Ihnen bereits zehnmal gejagt, daß Sie erst „gemacht" werden messen, damit ich Sie zum besten Kurs ausbin ten kann. An eine Berühmtheit von Zittelwitz glaubt kein Mensch. Mit einem Eklat müssen Sie vor die Leute gebracht werden, mit einem SenjationS effekt als fertige Berühmtheit! Ich habe mir vorgenommen, Siein der Hefe des Volkes zu entdecken, das zieht am meisten, und wehe Ihnen, wenn Sie sich meinem Plane widersetzen! Sie werden also zunächst Droschkenkutscher!" Stiebel springt entsetzt von seinen Stuhle empor: „Droschkenkutscher?" .Erschrecken Sie nicht! Nur auf zwe» Tage! Dann gehe ich von ungefähr an Ihrem Standplatze vzrüber, Sie sangen an, zu singen, ich stutze, bleibe stehen, reiße Sie vom Bock herunter, Auslauf, Skandal, Polizei Endresultat: Sie sind entdeckt! Haben Sie mich ersaßt Stibelli?" Der Tenorist beugt sich stumm vor der Macht des Genies. Er träumt iu dieser Nacht von einer großen goldenen Peitsche, an die das „hohe O' vorn als „Schmitz" angebunden ist, und immer, wenn er mit der Peitsche knallt, wiehern olle Pferde, und dieses Gewiehe» klingt genau wie: „Bravo. Dacapo!" . Nach wenigen Wochen wurde Stiebel „entdeckt!" In zwanzig Variationen lief die famose Troschkenkutschergeschichte durch sämmtliche Zeitungen, in den Schaufenstern stand Stiebel's Bild, eS wurden namhafte Wetten veranstaltet über die Frage, ob Stiebel Droschken kutscher erster oder zweiter Güte gewe sen sei, und als Stiebel endlich in ei nem WohlthätigkeitS-Coneert thatsäch lich den Beweis einer wunderschönen Stimme erbrachte, war er der Held des TageS. Das Hostheater machte einen Gast spielantrag. Aber Bernardelli lachte verschmitzt und schüttelte den Kopf. „Nein, mein Lieber! Jetzt gehen wir erst auf ein paar Monate nach Amerika! Dort sammeln wir Dollars uud Recensionen, ton dort ans machen wir noch ein bischen Reklame, und wenn wir zurückkommen, sind wir das Sechs fache werlh. Ter Deutsche hat nun einmal in künstlerischen Dingen eine Schwäche sür den Import I' » * » Ein Jährchen später. Im Bureau eines der solventesten Direktoren unterhandelt der srisch aus Amerika heimgekehrte Stibelli über die Engagements-Bedingungen, er hat es im Gage- und Urlaubfordern bereits zu einer höchst bcmerkenSwerthen Virtuosi tät gebracht. Dem Direktor steht der Angstschweiß auf der Stirn, Stibellis Forderungen sind unerhört, aber die amerikanischen Kritiken lauten sensationell, das Publi kum ist gespannt einen Droschken kutscher mit dem „hohen O" will doch schließlich Jeder mal gehört haben und wenn die Sache einschlägt, gibt'S fünfzig ausverkaufte Häuser! Mit siegesbewußtem Lächeln hört der Impresario Bernardelli den Verhand lungen zu, er weiß genau, daß der Eon tract perfect wird.- Er berechnet im Geiste schon, wieviel etwa ein großer Fackelzug sämmtlicher Droschkenkutscher nach der 25. Gastvorstellung kosten würde. Famose Reclam^ Von de» amerikanischen Einnahmen hat er sich eine reizende kleine Villa iahe bei der Hauptstadt gekauft, unten vor dem Theater wartet seine Equipage, ein netter schwarzer Groom in hoch rothem Frack steht am Wagenschlag es trägt immer Zinsen, wenn man den Leiten was zu sehen gibt. Ja, man sollte gar nicht glaube», wi« schön und nützlich es mitunter ist, iu Zittelwitz den Zug zu verpassen. Der zweite Treffer. Herr Meyer?" .Jawohl!" sagte der dicke Herr im Schlafrock unwirsch, indem er durch die Thürspalte etwas „Weißes" entgegen nahm; „aha, eine Depesche!" Er grüßte dabei etwas freundlicher; jedenfalls um sich dem Stephansboten nicht ganz un erkenntlich zu zeigen und näherte sich dann dem trüben Oellicht, das noth dürftig den Flur erhellte. „Teufel, aus Berlin; wird doch keine Todesnachricht sein!" Herr Meyer zauderte und wurde blaß wie die Wand, an die er sich anlehnte. „Mein armer Bruder, sollte er viel leicht ' Er hielt noch einen Augenblick un schlüssig das Papier in der Hand. Daun erhellten sich plötzlich seine Züge, wie von einem neuen Gedanken befreit. „Hm, unmöglich Wär'S nicht!" ' Im nächsten Augenblick war die Do pesche auseinandergerissen, dann mußte Herr Meyer unwillkürlich nach einem festen Halt greifen. Kein Zweifel; seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen; dort stand'S mit großen blauen Buchstaben. .Hurrah, der zweite Tresser: Weite res morgen!' Otto, Jotterie-Colleeteur Es dauerte ziemlich lange, bis der Glückliche soweit zu sich gekommen war, daß er sich der frohen Botschaft freuen konnte; er überließ sich dann dem Ge fühl auch nur wenige Minuten, dann .Sechzigtaufend Mark, das wäre ein schöner Gewinn," murmelte er halblaut vor sich hin, „wenn er nur unglücklicher Weise nicht in acht Theile zerfiele!' Herr Meyer stand still und legte den Finger an die Nase. „Wen» die Bögel nicht etwa den Braten riechen, jetzt wär's noch Zeit; die Stimmung bei den Sieben war ge stern schon nicht mehr die beste!' Er spann den Gedanken noch bis zui Zimmerthür weiter; als er sie hinter sich schloß, faßte er mit demselben Griff nach seinem Rock. „Frische Fische, gute Fische. Der Versuch kann nichts schaden!' Fünf Minuten später befand er sich auf dem Wege zum „goldenen Hirsch", in welch' ehrenwerthem Local Herr Meyer zur selben Zeit von sieben alten Arauköpsen gar heftig mitgenommen wurde. „Na, wir hatten'S mal wieder dem Meyer zu verdanken," polterte der Eine eben; „ich sagt'S ja gleich, daß die Lot terie z» viele Nieten hat und verhält nißmäßig zu wenig Gewinne.' „Und gleich zwei Loose zu nehmen,' fuhr ein Anderer dazwischen; .möchte nur wissen, wieviel Proeente Meyer eigentlich von seinem Freunde, dem Herr» Lotterie Eollecteur, bezieht; jedenfalls kostet'S ihm nicht die zwanzig Mark, wie uns!' .Na, abwarten,' beschwichtigte jetzt ein Dritter, „noch ist das Resultat vom heutige» Tage ja nicht bekannt!' Er wurde durch eine Reihe ärgerlicher A»S ruse unterbrochen. »Der heutige Tag.... wo schon alle Treffer bis zum zwölftgrößten hinunter gezogen sind, bah!" Gerade wurde die Thür geöffnet, als das Thema so ziemlich seinen Abschluß gesunden hatte. Enthusiastisch empfangen wurde Herr Meyer nicht von den Stammgästen, nur etwas verwundert ob der an Werktagen seltenen Ehre seines Besuches. Er hatte sich kaum gesetzt, als ihm sein vis-» vi« ichon eine offene Liste hinwarf. „Hier, Ihre famos« Lotterie; viel Nlück ftir'S nächste Mal, wenn Sie allein spielen!' Herr Meyer drehte daS Blatt an scheinend gleichgiltig zwischen den Fin ,ern. „Hm, meine Schuld ist's nicht, Venn wir auch selbst heute noch nicht» zewinnen sollten; ich habe allerdings sie Hoffnung noch nicht verloren....' Derjenige, der ihm die Liste zugewor fen hatte, lachte spöttisch auf. „Was thu» wir mit der Hoffnung sür den Heu tigen Tag; was die meinige angeht, so überlasse ich sie Ihnen gern gegen Wie derstattung meines Beitrages.' Der Runde lachte und nickte zustim mend: „Auch unsern Theil daran!' Herr Meyer that einen lange» Schluck aus seinem Glase, wobei seine Finger merklich zitterten. „Und wenn ich nun an Träume glaubte und zufällig einen Traum ge habt hätte ' Die Worte warrn in so eigenthüm lichem Tone gesprochen, daß die Ändern sich unwillkürlich ansahen. „Sagen Sie's nur frei heraus, Meyer", sagte plötzlich einer, indem er vorsichtig die Ziehungsliste wieder a» sich, „Sie wollen uns unsere Antheile wieder abkaufen...." Herr Meyer vermochte kaum eine freudige Bewegung zu unterdrücken. Na, wenn Sie'S denn wissen wollen, ich bin einmal so ein abergläubischer Patron, und " Sein Nachbar unterbrach ihn, indem er ihm die Hand entgegenstreckte. „Egal, aus welchem Grunde, mein Antheil ist feil!" In noch nicht fünf Minuten war er einig mit der ganzen Runde; der „goldene Hirfch" hatte noch mit hundert Mark herausrücken müssen, damit er Jedem die nach heftigem Ringen aecor dirten fünfzig Mark auszahlen konnte. Er wurde in dieser Nacht nicht dun kel. der „goldene Hirsch", und was er »och an „guten Flaschen" in seinen Kellern barg, dem wurde der Hals ge brochen. Heller Tag war'S, als Herr Meyer seinem Heim zuwantte; nicht ganz nüchtern mehr, aber doch noch so, daß er sein unverhofftes Glück zu wür digen wußte. Unter der Zimmerthür lagen schon zwei Briese, beide von einer Hand ge schrieben und Beide den Poststempel »Berlin" tragend. Um Livven des Empfängers zuckte ein leichtes fächeln, als er den erste» zcöffnet hatte. Er enthielt nur wenige Worte: „Auf „60,820" ein kleiner Ge winn, M.; hoffentlich ziehen wir die „21" heute auch noch! Otto." „Also zwei Gewinne sogar", mnr melte der Glückliche, indem er auch de» zweiten Brief erbrach. Als er die ersten W.-te gelesen, tanz ten ihm die Buchstaben vor den Augen, »ann mußte er, wie gestern Abend, mit der Hand eine Stütze suchen. „O, Du gütiger Himmel!" Das zweite Schreiben enthielt, wie auch das erste, nur drei Zeilen: „Hurrah, der zweite Treffer, aller dings auch nur av Mk.; aus die .21' (telegr. schon gemeldet); Du hast ent« schieden Glück, Junge ; spiele in meiner Tollecte weiter. Otto." Wa» solle« wir beim Effe» de»dach«en. Viele Menschen lernen daS Gesühl des eigentlichen Hungers niemals ken nen, weil sie sich von Jugend auf an zu reichliche und üppige Kost gewöhnten Es ist in der That eine der angenehm sten Empfindungen, wenn man sich mit lebhaftem Effbedürfniß zu Tische setzen ann. Der Gesunde »nd Mäßige weiß zenau, wann er satt ist und hört zur rechten Zeit auf, zu essen; für den Kran ken darf fein Hunger niemals maßge bend sür die Menge seiner Nahrung sein, ebenso ist Vorsicht bei Kindern zeboten, bei denen das Essen häufig zur Newohnheit wird. Darin liegt auch ein wichtiger Punkt der Erziehung. Drei, bei ganz kleinen Kindern oder magenkranke» Personen auch vier Mahl zeiten mit gehörigen Pause» sind sür »nseren Körper am zuträglichsten. Nun ,och einige kurze, wichtige Regeln sür unsere Mahlzeiten. 1) Iß niemals, wenn dein Gemütl» tark erregt oder wenn dich unmittelbar zor dem Essen ein Aerger oder Zorn »usgeregt hat.' 2) Iß langsam und aue alles Feste gründlich, den» gut ge taut, ist halb verdaut. !Z) Iß die. Apeiseu niemals heiß, weil diese leider iehr häufige Unsitte nicht nur demeir Zähnen, sondern auch dem Magen den zrößten Schaden bringt. 4) Trinke vährend des EssenS oder unmittelbar uichher nicht kaltes Wasser oder Bier. Di« Zähne vertragen eS nicht und der Verdauung schadet es. S) Deine Kost ei nicht zu dürftig; Blutarmulk. schwäche. Magen- und andere Krank leiten würden die Folge sei. Sei auch licht etwa thöricht, auS Eitelkeit wenig >u. essen, ö) Bielesserei werde dir nichr ,ur Gewohnheit. Ueberladung de» Nagens, UnterleibSbeschwerden, Träg >eit und andere Leiden führt sie herbei ind sie erniedrigt uns unter die Thiere, >ie stets Maß zu halten wissen. Aus der Lebenspraxi«. Vie kommt eS, daß geistreiche Leute neistenS so bescheiden und gel »reiche so inmaßeiid sind?— Weil geistreiche Men chen wissen, wa» ihnen fehlt und geld eiche, ivaS sie haben.
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