« Sllt-PariS. Wer Paris vor der Revolution gese hen und es zur Zeit der Herrschaft Na poleons des Ersten betrat, erkannte eS in mancher Hinsicht nicht wieder. So wohl der äußere Anblick, als auch die geistige Physiognomie von Paris zeig ten tiefgehende Veränderungen. Der Greuel der Revolution,die Angst, daß man jeden Augenblick auf's Schaf fst geschleppt werde» könne, hatten Viele in die Arme der Genußsucht, in den Ab grund der Lüste getrieben. Vollends aber wurde die Genußsucht zur Herr» fchenden Richtung des Tages, als Ro bespierre selbst unter dem Fallbeil fiel, mittels dessen er so vielen frühzeitig das Leben verkürzt hatte. Nun eilte Alles in der größten Ungebundenheit, die Greuel der Revolution zu vergessen. Mit wahrer Gier stürzte man sich in den Strudel der Vergnügungen. Ein neues Leben begann, das mit seinen Ausschreitungen sich wie ein Protest ge gen die lange Unterdrückung ausnahm. Die Zügellosigkeit der Sitten sand einen Leredten Ausdruck in der Kleidung der Damen. Die Kostüme der antiken Sta tuen wurden zu Vorbildern für die weibliche Bekleidung. Unverhülltheit ward zur Signatur für Schnitt nnd Stoff, wie denn in der That die feinen, durchsichtigen Gewebe mehr verriethen als sie verhüllten. Hatte man sich früher ohne jeden Schmnck zeigen müssen, so suchte mau sich jetzt durch maßlosen Gebrauch des selben zn entschädigen. Der Kops, die Büste, die Arme, die Hände, selbst die unbedeckt gebliebenen Zehen der Füße wurde» mit Ringen und Diamanten geziert, so daß man die Damen der da maligen vornehmen Welt in Wahrheit „brillantene Geschöpfe" nennen konnte. Ihren Höhepunkt erreichte die sittliche Corruplion unter dem „Direetoire". Es hatte ganz den Anschein, als ob der Geist der Gesellschaften, in welchen die frivolsten Sitten herrschte», auch nach dein Sturze des Directc r ums unter dem Consnlat soriblühen sollte. Anfangs war dies wirklich der Fall. Selbst im Hanse des Ministers Talleyrand servir ten noch als Nymphen gekleidete Da men, die aus mythologische Namen hör ten, den Kaffee iu goldenen Kannen, wobei der Parfum aus silbernen Rauch pfännche» seinen Duft ausstrahlte. Noch standen einzelne Tempel der Verminst offen, in denen schlecht beleumdeie Tän- Alterthnms auf Altären saßen uud sich huldigen ließen. Ob aber Napoleon die Fordauer die ser Zustände dulden oder ihnen ein End« machen werde? Man kann nicht sagen, daß er eine moralische Persönlichkeit ge wesen wäre, die sich von dem unsittlichen Treiben, wie es damals herrschte, durch einen innerlichen Gegensatz zurückgesto ßen gefühlt hätte. Er hat wohl in spä teren Jahren behauptet, daß er bis zu seinem ersten Feldznge in Italien es nicht gewagt habe, einer Fran in's Ge nend hinzugefügt, daß dem nun anders sei. Aber Napoleon war doch zu sehr Staatsmann, um nicht zu begreifen, daß ein neuer Staat, wie er ihn begründen wollte, mit diesen Gesellschastssorml'n, wie sie die Periode der Direetoire aus wies, nicht le'tehen könne. Es sollte sich auch wirklich bald zeigen, daß der Erste Consnl den Ehrgeiz hatte, nicht nur auf politischem und religiösem Le biet als Bezwinger der Revolution zu erscheinen, sondern daß er auch als Re formator der GesHchast gelten wollte. Wie er ans Politir wünschte, daß die Leute wieder in die Kirche gehen möch te i, NN bekümmert darum, ob man, wie eS ja vorkam, sich während der Messe die Zeit mit der Lektüre von Lafontaines Fabeln vertrieb, so wollte er aus Staats-- raijou eine weiiixstens zur Schau ge tragene Moralität. Wenn Napoleon jedoch eine gewisse Elrenge, wenigstens nach Außen hin, eingeführt wissen wollte, so war es doch nicht seine Absicht, puritanische Sitten einznbürgcrn, wohl wissend, daß er da mit das Grab seiner Herrschast graben würde. Vielmehr war er es, der ein heiteres, lustiges Paris wünschte. Niemand michr, als er, erkannte, daß es auf diesem Wege gelingen könne, die Aufmerksamkeit der Franzosen von der Politik abz,lcnken. „Die Pariser sollen sich amüsircn, sie sollen tanzen" sagte er zu Bourienne—„aber sie mögen nicht ihre Nase in die Angelegenheiten der Regierung stecken wollen." Eben des halb ordnete er, kurz bevor er den Be fehl zur Reinigung der Gesellschaft gab, die Wiedereröffnung der Opernmasken bälle an, welche die Revolution unter drückt hatte, weil, wie man damals sagte, die Republiken in Rom und Athen solche Vergnügungen auch nicht gekannt hätten. Allgemein war daher die Freude, als am 25. Febrnar 1800 der erste Opcrnmaskenball stattfand. Für Paris begann jetzt überhaupt die „lustige Epoche", wie eine Zeitge nossin diesen Abschnitt aus dem Leben der sranzösischen Hauptstadt nennt. Während bisher sast gar keine Privat- Häuser ihre Salons zum Empfange zn öffnen wagten, folgten nun Feste auf Feste. Man hat berechnet, daß iu die ser Zeit während eines Winters acht bis zehntausend Bälle und fünf- bis sechstausend Diners stattfanden. Na pvleon crmllthigtedieVergnügungssucht, weil er damit außer der Ablenkung von der Politik noch ein anderes Ziel, näm lich die Wiederbelebung der Industrie, verband. Die Kaufleute verkauften jetzt eiue'große Menge von Waaren, wodurch wieder die bisher beschäftigungslosen Arbeiter Unterkunft und Nahrung fan den. Und indem anderseits die Priva tiers ihre Häuser öffneten und für de» gastlichen Empfang einrichteten, bedurs leu sie der Tienstleutc, die gleichfalls bisher keine Verwendung hatte». Zum ersten Mal nach langer Zeit sah man jetzt in den Vorzimmern wieder livrirte Bediente ein Anblick, von dem sich sie Pariser Lau; hatten entwöhnen süssen. !>.!!r;, »nu r der Herrschaft des Konsulats, besonders »ach dein Frieden lwn Lnneviüe, trat in Paris eine ruhi gere, ziüriedenere Stimmung ein, die genährt wurde durch das Vertrauen aus die kräsnge Hand jenes Aiannes, der ich allmälig zum Herrn von Frankreich lufgeschwnngen. Diese Nuhe uud Sicherheit der Zu 'tände kam aber auch Jenen zu Statten, die vor und während der Revolution in die Fremde geflüchtet waren, w» sie, oft in Noth und Elend, über die Kreuel iu der Heimath klagen konnten. Zeit Erlassung der Amnestie jedoch im Zahre 180Ü standen den Emigranten )ie Thore von Paris offen. In hellen Kaufen kehrten diejenigen von ihnen, velche an der Wiedererrichtung des Königthums verzweifelten, nach Frank nich zurück, wodurch der kousularen ellschaft ein Element eingefügt wurde, velches die alte Zeit mit ihren Sitten ind Gewohnheiten repräseutirtc, im Gegensatze zu der neuen Welt, wie sie n dem Paris nach der Revolution cm zorgekommcn war. Eine Menge der zurückgekehrte» sahen fremde Leute im Besitze ihrer Familiengüter. Prozeß ms Prozeß folgte, um das verlorene öesitzthum wieder zu erlangen. Dieses Betreiben der unrechtmäßigen Besitzer >der aber das Unterliegen in dem unter' lommenen Kampfe bildet ein bemer !enswerthes Moment in dem damaligen socialen Leben. Wer arm und ohne ille Mittel in die Heimath zurückge kehrt war, hatte wenig Hoffnung zn den Zeinigen zu gelangen. „Ihre Angelegenheit taugt nichts sagte ein Präfekt zn Herrn von Puy naigre aber Sie haben da an Ihrem Zinger einen fchönen Diamant." /Nehmen Sie ihn, mein Herr", entgeg nete Pnymaigre, worauf der Präfekt sofort bemerkte, daß seine Sache sehr gut stehe und er den Prozeß ganz gewiß gewinnen würde. Ein anderer Theil »es hohen Adels, welcher gerettete Trümmer des einstigen Vermögens ver borgen hielt, zeigte sich noch sehr miß trauisch und lebte daher äußerst einge schränkt. Wenige von ihnen führten noch Pferde uud Wagen. Der deutsche Diplomat, Freiherr von Gagern, der mit dieser Gesellschaft verkehrte, erzählt, daß dafür er genöthigt war, doppelt so oiel Pferde und Wagen zu halten, um die Dameu der alten Noblesse, die eben lioch keine Stellungen hatten, zn den llnterhaltnngen in seinem Palais holen »ind von dort wieder nach Hause zurück bringen zu lassen. Ein glänzenderes Loos winkte dage gen jenen Trägern alter Namen, welche sich dem neuen Regime anschließen und »lle Gunst von der Gnade Napoleons erwarten wollten. Denn er, der die linstößigen Sitten des Directoire aus feiner Nähe verbannt hatte, war, stitdem cr sich einen eigenen Hofstaat gebildet hatte, noch einen Schritt weiter gegan zen. Um seinem Hofhalte, wo schon das republikanische Wörtchen Citoyen durch das aristokratischer klingende Mon sieur verdrängt war, Glanz und Würde zn verleihen, war cr jetzt bestrebt, die Vertreter der alten Familien für sich zu gewinnen. Seine Gemahlin, Jofefine, und jene Adeligen, die sich an dem Zer störungswerk der Revolutwn betheiligt, wie Tallehrand, Beurnonville, Ponte coulant, zeigten sich als eifrige Helfers helfer bei diesem Unternehmen, das Venn auch, insbesondere als Marie Louise feine zwetie Gemahlin wnrde, vom Erfolg begleitet war. Der Ehr geiz, die Eitelkeit, die Begierde, kurz alle Leidenschaften wurden in Tribut gefetzt, nm dem jungen Hofe die An hänglichkeit alter Familie» zu sicher». Napoleon, der einmal den Ausspruch gethan, es schicke sich nicht für einen Kö nig, in großer Gesellschaft zn tanzen, rannte eben sehr genan die Wirkungen der Etikette uud war deswegen entschlos fen, die ganze gewaltige Macht derselben in seinem Hose aufleben zu lassen. Aus feinen Bcfchl wurden ans den Bibliotheken die langen und ausführ lichcn Zeremonial-Reglemcnts Ludwigs XIV. hervvrgestlcht und mau war be strebt deren Bestimmungen anf den neuen Hof anwendbar zu machen. Jo sefine ließ Mine. Eampan. die ehemalige :rsteKammerdammeMarie Antoinettens holen, nm sie über die Gewohnheiten der letzten KöniginFrankreichs auszufragen. Hör allen wnrde jedoch Telleyrand über Sie Sitten der alten Gesellschaft zu Rathe gezogen. Seitdem Napoleon Kaiser ge worden, sollte alles noch glänzender sein zls es an dem konsularen Hose gewe scn. Napoleon fühlte sich erst ganz in sei nem Elemente, wen» er mit seinen wun dervoll gekleideten Damen uud seinen rcichgeschmückten Marschällen den frem den Fürsten, Prinzen und Gesandten einen wahrhaft von Zanberpracht pran angefangen, die Damen den größte» Luxus cntfalttendenn wie allen Din gen, fo widmete aucii der Toilette die entsprechende Aufmerksamkeit. Eine Menge Neuerungen im Reiche der Mode knüpfen sich denn an seine Herrschaft. waS die Bcpuderuiig der Haare bei den Herren außer Mode brachte. Als Mine. Vigcc Le Brun, die gewohnt war, alle Welt mit Puder bedeckt zu sehen, nach der Revolution, während des Konsulats nach Paris zurückkehrte und zum ersten Male wieder eine Vorstellung im The etre Arancais beiwohnte, machten ans sie, wie sie in ihren Erinnerungen selbst erzählt, die schwarzen unbepnderter Köpfe der Männer den Eindruck, als wenn sich diese zu einem Leichenbegäng niffe versammelt hätten. Nur für di« S»aatstracht griff Napoleon wieder am die royalistische Puderfrisur nebst Haar bentel zurück. Im Allgemeinen abei hat durch ihn, besonders nach Errichtung des Kaiserreichs, die Herrenkleidung ein mehr soldatisches Gepräge erhalten. Wie er in gewisser Hinsicht für den Schnitt der Männertracht maßgebend wurde, so wurde auch der Geschmack der Damen seines Hofes bestimmend für die übrige Gesellschaft. Und da ist es interessant, den Kampf zu verfolgen, der sich zwischen der Direetoire und der mehr nach Decentheit ringenden neueren Zeit abwickelt. Indem Bonaparte seine Stimme gegen die bisher üblichen sei nen durchsichtigen Gewebe erhebt, kehrt man allmählig wieder zu den festeren Seidenstoffen zurück. Nach nnd nach verschwindet die antike Mode, als deren größter Fcmd seit 1310 und allgemein seit 1813 das Cor sel die Herrschaft an sich reißt. Und wie man vordem in der antik?n Gewan dung keine Grenze kannte, so schnüren sich jetzt die Damen in so übermäßiger Weise, daß schon nm 1811 ein Mode bericht aus Paris melden konnte: „Ein heutiges Eorset preßt nicht blos den Magen, die Taille, die Schultern, son dern drückt und preßt den Oberkörper so zusammen, daß eine so gepanzerte Dame sich kaum mehr bewegen kann." Auch bei den Frauen verschwinden seit 1801 die Perrücken immer mehr, die Herr schaft des PuderS nimmt gleichfalls ab, dagegen vermehren sich die knrzgeschnit tenen Titusköpse, eine Neuerung, die ein etwas unhöflicher Modebericht mit den Worten anzeigt: „Statt Schafschur gibt es eine allgemeine und decidirle Haarschur." 181 l) trägt man jedoch die Haare schon wieder wie zn Anfang der Regierung Ludwigs XIV. Es würde zu weit führen, hier allen Wandlungen, welchen die Mode zur Zeit des Konsulates und des Kaiser reiches unterlag, folgen zu wollen. ES genüge noch zu erwähnen, daß dazninal indische Shawls, veranlaßt durch die Gesandtschaft des Tipp» Saeb, eine groß« und sehr kostspielige Polle spiel ten; daß man mit Vorliebe halbe Spitzenschleier trug, die man an der linken Seite des Gesichtes vom Kops herabfallen ließ. Besonderer Beliebt heit erfreuten sich die weißen Spitzen schleier ans Mecheln. Oft diente aber auch Verliebten die Farbe dieser Schleier als geheime Zeichensprache, wobei hellblau, wegen der Aehnlichkeit mit der Farbe des Himmels als Zeichen der Erhörung galt. Zum vollen Glanz? einer Dame aber gehörten vor allem Diamanten, deren Gebrauch bei der Tiilettc Napoleon ganz besonders be günstigte. So hatte denn unter den Auspizien des Kaisers der LuxuS eine Höye erreicht, vor der alle Wunder, die mau früher am Hofe von Versailles gesehen, verblichen. Napoleon wollte nirgends Rivale» seines Glanzes dulden und am allerwe nigsten war er geneigt, oppositionelle Centren in seiner Hauptstadt zu ertra gen. Wenn eS auch nicht sein mochte, srondirende Salons dnrch sein Verdict zu vernichten, so konnte er eS doch nicht hindern, daß so wohl die politische wie die militärische Opposition sich gewisse Vorcinigmigs pnnkte schuf, die sich im Gegensatz zu sei ner Herrschast befanden. Doch die Ge sellschaften, sie mochten nun zu Napoleon schwören oder ihn im Stillen befehden, zeigten im neuen Jahrhundert manche Neuerungen, welche die vorrevolutionäre Zeit nicht gekannt hatte. Eine Neue rung war eS, daß jetzt auch verheiralhete Frauen in den Salons tanzten, was früher nicht der Fall gewesen. Man ließ sich anfangs wohl ein wenig nöthi gen. wie Mme. Recamter, die ans einen Ball in langem sammtcneu Kleid er schienen war, zum Zeichen, daß sie nicht tanzen werde. Als man sie aber, dringend bat, ihren Vorsatz aufzuge ben, legte, sie das schwere Galakleid ab, das nnr als Hülle für eine leichte Balltoilette von Crepe diente, welche sie vorsichtigerweise für alle Fälle angelegt hatte. Der beliebteste Tanz war jetzt der Walzer, welchen die Kriege mit Deutsch land nach Paris verpflanzt hatten. Freiherr von Gagern pflegte bisweilen scherzweise zu bemerken, der Friede von Luueville enthalte einen geheimen Se paratartikel, vermöge dessen Frankreich der deutsche Walzer abgetreten worden sei. Die Menuette oder Gavotte wurde nur noch von Bräuten als „clanss Us la rvills" auf ihrem Hochzeitsballe ge tanzt. Man hat heute keine rechte Vor stellung mehr davon, mit welcher Kunst fertigkeit damals in den Salons die Tänze ausgeführt wurden. Es war Mode geworden, in dieser Hinsicht sich solcher Vollendung zu befleißigen, als wenn man in der Oper austreten sollte. Natürlich konnte sich nur immer ein Paar producireu. Tanzten dann ein Herr und eine Dame, welche sich eines großen Ruses durch ihre Geschicklichkeit erfreuten, so stiegen die anwesenden Gäste aus die Tische und die Stühle, um voll Bewunderung diesen Anblick genießen zu können. Nicht weniger neu war es, daß man beim Eintritt in eine Abendgesellschaft, aus der einen Seite die Damen, auf der anderen die Herren gruppirt fand, als wenn, wie eine Zeitgenossin sich aus drückt, zwei feindliche Lager sich gegen übergestanden wären. Bor der Revz lution war es Sitte, daß die Gaste nach ciiigenommenem Diner noch bis zum späten Abend zusammenblieben. Auch das war anders geworden. Als Mine. Le Brun eines Tages um 8 Uhr Abends die Gräfin Segur besuchte und sie ganz allein fand, hörte sie diese zu ihrer nicht geringen Ueberraschung sagen: „Wür den Sie es glauben, daß ich zwanzig Personen zum Diner hatte? Aber sie haben sich alle nach dem Kaffee ent fernt." Dagegen war es noch immer verpönt, in Gegenwart von Damen zu rauchen eine Gewohnheit, welche der Restauration angehört und über »Helcht die Herzogin von Abrantes in ihren Memoiren nicht genug klagen kann. Auch für den Verkehr untereinander hatte die Mode eine ebenso interessante wie kostspielige Neuerung in's Lebe>> gerufen. Nicht mehr wie bisher gaben d: Leute beieinander geschriebene oder ge druckte Visitenkarten ab. Man ließ jetzl vielmehr sein geliebtes Ich in Kupser stechen, und da man von dem betreffen den Künstler zugleich auch die Platte erhielt, so konnte man aus diese Weise vou seinem Eontersei so viel Abdrücke nehmen lassen, al-Z Einem nur beliebte. Man gelangte dadurch in den Besitz einer Porträtsanimlung. Gewiß wäre eS von Interesse, noch einen Rundgang durch die Theaber »nd andere Vergnügungsorte des kaiserlichen Paris zn unternehmen. Allein bei dem beschränkten Raum, der nns hier znr Verfügung steht, müssen wir daraus ver zichten und, ehe wir unsere Darstellung beschließen, uns mit einer Erscheinung beschäftigen, die von charakteristischer Bedeutung für das erste Kaiserreich ist. Glan> und Luxus hat dieses zur Ge nüge für Paris geschaffen, mit seinem Raube aus aller Herreu Museen hat es auch die Kuustschätze der Hauptstadt iu nie zuvor gekannter Weise bereichert. Dafür aber hat es und dies bildet die düstere Seite in dem Gemälde, das wir hier zu zeichnen haben jedwede Freiheit unterdrückt. Napoleon duldete nur seinen Willen, nnd wem es beifiel, gegen deuselbeu seine Stimme zn er heben, war verloren. Dichtern und Schriftstellern untergrub er den Boden, anf dem sie allein gedeihen können, indem er ihnen verbot, zu denken, wie es ihucn beliebte. Um aber alle Re gungen zu ersticken, um jede freiere Aeußerung unmöglich zu machen, dazu bedurfte es einer Polizei, die Alles sah und überall gegenwärtig war. Das Kaiserreich verfügte denn auch über eine Polizei, wie man sie in dieser Ausbildung bisher nicht gekannt hatte. Ganz Paris war vou einem ungeheuren Polizeinetze umgarnt. Ein Heer von Spionen durcheilte die ganze Stadt und drang in das Innere der Häuser ein, wo ihnen nichts verborgen blieb. In jedem Augenblicke konnte man sich von einem Horcher bedroht fühlen. Man hatte keine Ahnung, wie viel Menschen damals in den Staatsgefängnissen schmachteten, wo man ihnen nicht ein mal die nöthige Kleidung und erforder liche Nahrung reichte. Die stetig zu nehmende Herrschsucht, zwang schließlich Napoleon, der Polizei und allen damit verbundenen Einrichtungen eine immer größere Gewalt über Paris und das ganze Reich einzuräumen. Als er nach seinem ersten Falle von Elba nach Pa ris zurückkehrte, versuchte er, natürlich aus Politik, der Freiheit größeren Spielraum zu gewähren. Aber dies konnte seinen endgiltigen Sturz nicht mel>r hindern. Er mußte unterliegen, weil Niemand an der mächtigsten Grundsänle menschlichen Fortschrittes, an der Freiheit des Geistes, ungestraft rütteln darf. Amerikanischer Humor. Rasircn und Einseifen. Ein Mafchilienheizer in Pennsylva nien ging in einen Barbierladen, um sich rasiren zu lassen, und da er den Barbier nicht vorfand, beschloß er, sich vor dessen Rückkehr ein.'n kleinen Jur zn mache». Er zog also seinen Rock ans und einen dünneren an und wartete ruhig ans einen Kunden. Bald trat ein alter Herr in den Lade». „Rafireu, Herr?" fragte der Heizer aus dem Stegreif. Der alte Herr setzte sich, und unser Künstler begann Schaum zu schlagen und einznseisen, in der Erwartung, daß der Barbier jeden Augenblick zurückkeh ren würde. Fünf Minuten vergingen, aber der Barbier ließ sich nicht sehen; zehn Minuten vergingen, er erschien nicht. Der alte Herr kam sich schon ziemlich eingeseift vor. Weitere fünj Minuten kein Barbier; des alten Herrn Gesicht verschwand allmäliz in einem kleinen Meer von Seifenschaum. Weitere fünf Minuten uud noch immer kein Barbierunser Heizer verfällt schließlich auf einen sinnreichen Gedan ken. Er legt den Rasirpinsel weg, ver tauscht rasch den Nock mit dem seinigen, langt nach seinem Hut und will rasch hinter dem Rücken des alten Herrn ver schwinden, als dieser den Kopf rückwärts wendet und ausruft: „Heda, Freund! Wollen Sie mich nicht rasiren?" „Nein, Herr," antwortete unser Aus reißer, „hier wird nur eingeseift, rasirt wird vier Häuser weiter unten!" * . * Der listige Käufer. Ein Herr, der bei seinen Einkäufen die höchsten Preise zahlte und gern die besten Waaren hatte, wurde einst von seinem Geflügelhändler mit einem zähen Huhn betrogen. Als er einige Tage später ans den Markt ging, trat er an dessen Stand heran und fragte: „Haben Sie heute Gänse?" „O ja", sagte der Geslügelhändler, „eine hübsche Parlhie." „Wie viele hab.'n sie?" „Ein Dutzend sehr schöne." Der Kunde betrachtete sie und sagte dann: „Hören Sie, ich habe eine Menge Leute im Hause, und die essen sehr viel Geflügel. Haben Sie nicht ein paar zähe?" „Hm ja, ich denke", sagte der Händler, die Gänse befühlend. „Da ist eine zwei drei vier fünf". „Sind das die zähen alle ?" „Ja, ja, das sind alle," sagte der Ver käufer, sie von den andern trennend. „Nun," sagte der Käufer, listig mit den Augen zwinkernd, „ich denke, ich will doch lieber die andern nehmen!" Die Gefühle des Geflügelhändlers bei dieser unerwarteten Wendung kann man sich leichter vorstellen als beschrei ben. Aus der Schule. Leh rerin: „Wir kommen nun zu durch sichtigen Gegenständen. Emilie, gib mir ein Beispiel!" Emilie: „Eine Glasscheibe!" Lehrerin: „Richtig. Nun, Sophie, nenne etwas Anderes!" Sophie: »Ein Schlüsselloch!" Ter blaue See. Oberhalb des schönen Eiseldorsei Gillenfeld, auf einem Berge am Wege von dem lieblichen Bertrich nach dem romantischen Manderscheid, liegt in eine» weiten runden Schale im Waldesdnnkel ein stiller tiefer See mit dunkelblauem Wasser, Vom Volke wohl daher „Pnl vermaar" genannt. Wie ein Geheim niß, wie ein Märchen aus alten Zeiten, ruht das blaue Wasser des Sees da, so wunderbar, so unheimlich, so an ziehend zugwich! Und hebst du ein Glas voll Seewasser zum Licht empor, so ist es krystallhell, klar und blitzend, wie ein geschlissener Diamant. Das dunkelblaue Wasser im See ist wohl nur ein Augentrug, hervorgernsen dnrch die Mischung von Himmelsblau uud Wal deSdunkel über und um den See. Aber warum blaut so kein ander Wasser im Walde unter dem Himmelszelt? Wer erklärt das Geheimniß vom blauen See in der Eisel? Nicht das Volk ringsum in den Dörfern da unten und drüben auf den Berge» und auch wir nicht. Es bleibt ein Geheimniß. Noch nie mand hat den Schleier gelüstet und nie wird er vou einem Sterblichen gelüstet werden. Und es soll auch immer so bleiben, denn gar eigen schön ist die unerforschte dunkle Bläue des geheim uißvolleu Sees. Und wunderbar ist der See auf dem Berge da oben, denn alle seine Brüder auf Erden liegen gebettet in Thälern, wohin das Wasser von den Bergen fließt. Welche ungekannte Kraft füllt das See becken aus dem Berge der Eisel? Wie mächtig innß der Zufluß des Wassers in den unsichtbaren, geheimnißvollen Ca nälen ans dem Innern der Erde sein, denn kein Sonnenbrand, keine Dürre vermag den See zu verkleinern. Der Wasserstand bleibt immer derselbe. Und ob wochenlang strömende Regengüsse aus die Eisel hcrabsallen und gewaltige Schneemasscn ans den Berge» schinelzen nnd die Bergwässer wild daher eilen »nd ihre User überschreiten nie wächst der Spiegel des blauen Sees nnd nie trübt sich sein Wasser. Diese kleinen Dinge auf Erden kümmern ihn nicht, den See. der seit Jahrtausenden da liegt und die Brnnnen und Bache und Bächlein rings um in den Thälern nnd Schluchten stets gleichmäßig und reichlich mit dem klar sten Wasser speist. In dem gleichen Maße, womit er Wasser in die Land schaft ringshin spendet, fließt ihm aus llngckannten Gängen Wasser zu, wie tief und zerrissen die Thäler umher auch sein mögen. Ein mächtiges, schönes Wasser werk, wie Menschenhände nicht schassen können, ist der dunkelblaue See, und die Werkstätte der Natur hat hier eine so gewaltige Fontaine geschassen, daß sie schon seit Jahrtausenden ungestört arbei tet und wohl ewig weiter arbeiten wird. Die Gelehrten brechen sich den Kops über dieses Wunderwerk, aber das Volk weiß eS, das „Meeraugc" wird aus den tiefsten Tieseu, aus dem Meere gespeist. Das Salz dieses Wassers wird in den langen unterirdischen Gänge» abgesetzt. So wird das Mccrwasser in den großen Bergtrichter bei Gillenfeld süß und klar hineingegossen. Drnm ist die Tiese des blauen Wassers so unergründlich, drnm wogt nnd braust es auch zuweilen mäch tig in der Mille des Sees aus, nnd sehr gefährlich ist's da sür den Schiffer und Kahn. „Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zn steigen in diesen Schlund hinab?" Gewaltige Naturkräste habe» den Tee und die Berge ringsum geschaffen. In der Urzeit wer zählt die Zahl der Jahre?' —da brach hier ein mäch tig Feuer hervor aus den Eingeweide» der Erde. Aus dem nun mit Wasser gefüllten Krater stiegen Flanimensäulen, Rauchwolken, brennendes Gestein nnd glühende Asche zum Himmel empor, schaurig die Nächte erhellend und don nernd und rollend, daß das Land rings um zitterte und bebte. Schwarz ver brannt ist der Sand und hoch hinausge worfen die Schichten übereinander. Der Landmaiin sieht es, daß sein Pflug durch verbrannte Erde zieht, stundenweit vom See. Und da, wo einst das Erdseuer geherrscht, alles umher gewaltig verän dernd, die Form der Berge iimgcslal tend, tiefe Thalschluchten ausreißend, da liegt jetzt wie iu einer Schale das kühle Krebs wohnt da nnten in den Höhlen des geschmolzenen Gesteins und im Schilse zieht die Wildente ihre Bahn. Welche llnigcstaltniig, welcher Wechsel zwischen Feuer und Wasser! Ob alles Feuer tief unten erloschen? üZor alten Zeiten, so erzählt sich das Volk, stieg der See oft hinaus bis an den Rand, als wollte er seine Um wallnng übersteigen. Und grollend und donnernd, daß die Landschaft erzitterte, cnmorte es tief da unten. Das Volk in der Umgegend zog dann hinauf ans den Leeraud, voran das Kreuz, uud betete, fromme Brauch, der alljährlich a» einem bestimmten Tage stattfand, durch Lässig teil unterblieben. Da begann der See zn zischen, zn schänmen und ans seinen Usern z» steigen. Schon waren die Ilten Buche» und Eiche» am Rande im Wasser verschwunden und immer höher stieg die Wasserflut!« am Bergrande hinauf. Eiu unheimliches Grollen und dumpfes Tofeu in der Erde ertönte, und gewaltig erzitterte das Gelände. Es gewahrte die Gefahr der Schäser des TorseS, der mit seiner Herde hoch oben zm Berge Weiden luelt. Schnell ent schlossen ging er auf den Bergrand, hing seinen Hut auf den Hirtenstab nnd fing ,n laut zu beten. Er umging, gefolgt von seinem Hunde und von der ganzen Herde, den zürnenden See, gleich der Procession. die alljährlich den Umgang um den See betend nnd singend gehal len, da senkten sich die Wasser in den tiraterkessel zurück. Das Tosen und Brüllen des SeeS schwieg, bald lag er da ftjll nnd rnhig und blan wie vorher. Seither wird der sromme Gang um den Zee regelmäßig gehalten. Es ist herrlich um den blauen See. Die herabhängenden Aeste der alten Buchen spielen mit den Wellen und das Rausche« des Wassers klingt und mur melt wie ein Märchenlied aus alter Zeit. Uud prachtvoll ist die Ausschau vom blauen See und seine Umgebung, denn sie halten hier Villen und Straßen, wie »laucher Baurcst zeigte. Es war der Velgen gewiß eine reizende Sommer frische für die Bevorzngtrn des fremden Volkes. Da im See hat trohl manche Römerin die schönen Glii-dcr gebadet und dann im Schatten des Ur waldes gelnstwandelt. Droben aus der Höhe im Waldesschattcu liegen runde Hügel, eS sind Römergräber. Darin stehen die Urnen mit der Asche ihrer Todten. Vorüber ist seit vielen Jahr hunderten die Zeit der Römer in der Eisel. Aber in unvergänglicher Schön heit blant noch der geheimnitzvolle See da oben in den Bergen der Aordcreisel. Wasser. Jüngst trug uns noch der Kahn dnrch seine Flnth. Es war Abend, ja, schon die zehnte Stunde in der lanen Som mernacht. Die Sterne glänzten am dunkelblauen Himmel und spiegelten sich wieder in der dunkelblauen Wasser fläche. Ueber dem Walde hingen dnnklc Gewitterwolken gleich einem wogenden See, und daraus suhr des Mondes Silberschiff fo still und stnmm dahin. Der Schiffer im Kahn träumte seine Träume über der schauerlichen Tiefe. Er träumte sich zurück in die Urzeit, in die Zeit, wo hier das Erdseuer so ge waltig geherrscht, wo seine Glnthen die Nächte erhellt. Und über den Wechsel aus Erde» in großen und kleinen Din gen! Die Eintagsfliege Meusch achtet nicht, wie es war, wie es ist und wie eS werden wird. Da schnellte ein Fisch aus der stillen Wasserfläche empor, .ein Blitz znckte in der Wolkenwand und fernher rollte dumps der Donner. Rasch wandte der Schiffer den Kahn zum Ufer nnd ging hinab in's Dorf zum gastlichen Dach. ES war Zeit, denn es zog ein gewaltiges Gewitter über den See, über den Wald, über die Berge der Eisel. Die entdcSteu Liebhaber. tlni GotteSwillen, da kommt Mada ne, schnell hier in den Schrank! ! ' -M/W Nann! Das ist sei» Schritt, ich überrasche ihn! I» den Schrank! Kein Mensch hier; wo mag denn Li lette stecken? tlh,'da Si«'ja. kleiner Käfer; wo ist meine Frau? Oben? Dann r?ich einen Kuß; leu» Mensch sieht's ja Oho, da sind wir auch mit dabei! Was. meine Frau im Schrank mit dem fremden Menschen! Und Du im Arm des Dienst mädchens l «-4 KV" Vertragen wir uns! Rosegger dankt. Ueber das Befinden P. K. RofeggerZ hat der Dichter selbst aus eine an ihn gerichtete Anfrage der „Münch. N. oon Graz aus nachstehende ausführliche Auskunft ertheilt: Lerge steigen, wie früher schon lange nicht mehr, und that es mit meinen Nnabcn jugendlich frohen Herzens. Da packte mich Ansangs September Asthma, Brustkatarrh heftiger als sonst und mit Fieber; eine große Müdigkeit kam, das Herz war sast zn müde, um seine Pflicht-, schuldige» Pulse zu schlagen. Als ich ein wettig aus dem Bette konnte, verließ ich meinen srostig gewordenen Sommer-, ätz in Krieglach und zog nach Graz., Hier setzten Fieber und Schwäche von Neuem ein, es käme» die heißen Tage, die für mich eine Qual sind. Die Bes-> scruug schreitet nun zwar vor. aber, langsam; wenigstens kann ich täglich wieder ein Stündchen arbeiten, die beste Erfrischung, die mir bekannt ist. Aber einigermaßen anstrengend ist die Beantwortung der einlausenden liebe vollen Anfrage», wie es mir denn gehe? Dieses Frage und Antworlspiel haben die Zeitungen mit ihren überflüssigen Notizen über meine Erkrankung ange richtet. Es kommt ja oft vor, daß ich krank bin, so daß diese „Neuigkeit" den ZeitungSlescrn endlich wohl langweilig werde» muß. Man erholt sich endlich »er P. K. Rosegger." Rechtfertigung. Reisender: Sie, ich bedank' mich schön für so eine Nacht —die Flöh' sind ja förmlich wü thend gewesen! —Kellner: Da sind die Herren Reisenden nur selbst daran schuld, weil s' so selten herkommen — da sind dann die armeu Vieher ganz aus gehungert l
Significant historical Pennsylvania newspapers