MeÄV i N g, Venn. Gedruckt und herausgegeben vonArnold Puwe l! e, in der Süd 6teu Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße. Jahrg. li, ganze Nnm. Ss«. Sedingungen: Der Niberille ZZrob.ltilter erscheint jeden Dienstag auf einem großen Luperial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der Lubscriptions» Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjährlits,r Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nicht bezahlt, dem werden Gl st) angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein Unterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Subseriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstünde abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen PreiS ein gerückt. Unterschreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreiber. Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden. Die Leichenbraut ! von Edwarl Ochmann. Das Leon von Garran, Capitain in einem Artillerie-Regimente zu Toulouse, ein e ben so tapferer als schöner junger Mann,! der seine Epaulettes in der Schlacht, auf der Parade, wie auf dem Balle mit glei- j cher Leichtigkeit trug, war ein eben so ge übter Taktiker, als angenehmer Gesell- schafter; und trotz seiner kriegerischen Neigungen den Künsten und Wissenschaf- j ten eifrig huldigend, galt er für den vor-! nehmsten Edelmann, was in einer Stadt, in der man noch bei einem zweihundert Jahre alten Stammbaum für einen Em porkömmling gehalten wird, gewiß von großer Bedeutung ist. Zu eben derselben Zeit lebte in Tou-' louse Herr von La Faille, ein strenger, aber unbescholtener Magistratsbeamter. Herr von La Faille war ein geborner, e-! ben so ängstlicher als rechtliebenderJunst, der sich eben so wenig die kleinste Abän derung an dem Torturgesetze erlaubte, als er eS jemals zur Anwendung brachte. Seine, für ihn viel zu früh dahin geschie dene Gattin hatte ihm nur eine einzige Tochter geboren. Elemente (dies war ihr Name) gehör te zu den weiblichen Wesen, die man we gen ihres vollendeten Ko> perbaues, selbst wenn die rosige Blüthe der Jugend längst Geschwunden, noch zu den schönsten Frau en zählt: aber noch weit entfernt von dieseiZeit, hatleElemence ein so liebliches, ausgezeichnetes regelmäßiges Gesicht, daß man die Schönheit ihresÄörpers darüber vergaß ; mit einem Wort: Elemente glich einem Engel. Schon seit längerer Zeit hatte Leon mit der Familie des Herrn von La Faille in den freundschaftlichsten Verhältnissen gelebt, so daß sich Jedermann von einer künftigen Verbindung zwischen Leon und Elemente um so mehr überzeugt hielt, als Beide, an Geburt und Reichthum einan der gleich, auch in Rücksicht ihres Alters für einander geschaffen zu sein schienen. Elemente zählte fünfzehn, Leon fünf und zwanzig Jahre. Leon, der sich in der That bei Herrn «on La Faille um die Hand seiner schö nen Tochter beworben und dessen Einwil ligung empfangen hatte, genoß all' die Rechte, welche ihm als künstiger Gemahl Clemences zustanden, und es fehlte ihm zu seinem Glücke weiter nichts, als die Einwilligung seiner in Paris wohnen den Mutter, die er, sobald er den verlang tenUrlaub erhalten, selbst mit seinem Gl ücke bekannt machen und ihreu Segen er flehen wollte. Da ereignete sich ein Um stand, der all' seine Hoffnungen zertrüm mern und das Band trennen sollte, das > ihn an die Geliebte gefesselt hielt. Ein Befehl des Kriegsministers rief ihn und sein Regiment nach Indien. Leon eilte zu Herrn von La Faille, um ihm die Schreckensbotschaft zu verkündi gen. Sein Schmerz bei dieser Nachricht gränzte an Verzweiflung; Elemente em pfand ruhiger, aber desto tiefer; Herr von La Faille blieb sprachlos. Kaum war der erste Sturm der Empfindungen, die der unglückliche Befehl heraufbeschworen, ein wenig verrauscht, als man berath schlagte, was bei der jetzigen Lage der Dinge zu thun sei. Leon, die Beschleunigung der Hochzeit fordernd, wollte Clemence mitnehmen, die mit Freuden ihm zu folgen einwilligte. Nur He»r von La Faille konnte den Ge danken nicht fassen, sich so schnell von sei ner Tochter zu trennen und sie in so zar ter Jugend Tausende von Meilen weit in ein fernes Land zu senden, wo ein böses Ktima sie hinwegraffen, oder bei dem T ode ihres Gatten, ohne Schutz und Hülfe lassen konnte. Leon beschloß, sein Entlassungßgesuch einzureichen und der Aussicht auf eine glänzende Laufbahn zu entsagen, um so den Wünschen des Herrn von La Faille entgegenzukommen. Allein das hieß den Der Liberale Beobachter Und Berks, Momgomery und Schuylkitl Caunties allgemeiner Anzeiger. Charakter dieses Ehrenmannes gänzlich verkennen. Hcrr von La FaiUe wies dies Anerbieten als die Ausgeburt einer ganz unverzeihlichen Unbesonnenheit mitFestig keit zurück, da er wegen eines solchen Schrittes sich selbst gegen Leon's Familie für verantwortlich hielt. Es blieb Leon nur noch ein 'Ausweg. Er versuchte es, Elemencens Vater zu be wegen, das Band, welches sie und Leon vereinigte, durch Priesterhand unauflös lich heiligen zu lassen und Elemente bis zu seiner Rückkehr, die in zweiJahren er folgen müsse, bei sich zu behalten. Aber auch dieser Vorschlag vermochte nicht, Herrn von La Frille zur Nachgiebigkeit zu bewegen, der auf seinen Willen, Leon's Heirath mit seinerTochter nicht eher voll ziehen zu lassen, bis er seine gefährliche Mission beendet, mit einer so unerschütter lichen Entschlossenheit heharrte, daß sich die beiden Liebenden, wen auch mit schwe rem Herzen, darin fügen mußten. Herr von La Faille, handelte in dieser so wichtigen Angelegenheit, wie es dem Biedermanne geziemte; aber er besaß nicht Zartgefühl genug, Leon und Elemente, nachdem sie ihm Gehorsam gelobt, wenig stens auf einige Augenblicke allein zu las sen. Er empfand nicht die geheimen Re gungen des Herzens, er kannte nicht das schmerzliche Verlangen der Liebenden, oh ne Zeugen ihrer Thränen und dem Aus bruche ihrer Gefühle freien Lauf lass.n zu können ; er ahnte nichts von jenen hei ligen Empfindungen einer jungen, himm lisch reinen Liebe, bei denen die Seele sich eben so sehr nach Unbelauschtheit sehnt, ihre Mysterien zu feiern, wie die flam mende Begierde einer unedlen Leidenschaft. So saßen alle Drei in dumpfeSTchwei gen versunken, bis der Abend zur Tren nung mahnte. Leon, unfähig die Ge fühle, welche seine Brust durchwoglen, ganz zurückzudrängen, fast erdrückt von der Last seines Schmeizens, vergaß auf einen Augenblick die geheiligte Pflicht der Ehe und flüsterte in leisen Tonen, in de nen sich die flehende Bitte mit ernstem Befehle einte, der trauernden Elemente die Worte zu: --Heute um Mitternacht im Garten! Elemente erröthete; sie blickte ihn tief forschend an und hauchte tonlos: Ich komme! Die ungewöhnliche Ruhe und Festig keit, mit der Beide von einander Abschied nahmen, hätte Herr von La FaiUe ver rathen müssen, daß ihr Benehmen nur Maske sei; allein unfähig, die Gewalt der Liebe zu erkennen, ahnte er auch nicht den leisesten Verdacht. Der Abend kam. Elemente überglück lich, Leon noch einmal sehen, ihm nochein mal sagen zu können, daß ihr Leben auf ewig ihm geweiht sei, schlich in den ten, wo Leon, die Gefahren einer solchen Zusammenkunft kennend, ihrer angstvoll harrte. Sie trafen sich in einer der ent ferntern Allee'n des Gartens; ohne zu wissen, was sie sich sagen sollten, sanken sie einander sprachlos in die Arme. Es war einMoment voll Freude und Schmerz, voll Furcht und Hoffnung. Endlich er mannten sie sich. Sie redeten von ihrer grausamen Trennung, von der Zurückge zogenheit, in der sie leben wollten; dann plauderten sie von ihren künftigen Be schäftigungen, die sie für jeden Tag der zwei langen Trennungsjahre ordneten. Sie bestimmten die Stunden der Nacht, in denen sie zugleich einander gedenken und sich durch die Sterne Grüße senden wollten, in ihrem süßenWahne vergessend, daß in jener Zone, zu der das Geschick Leon rief, seine Tage die Nächte Elemen cens sein würden. Endlich beschlossen sie, sich jeden Augenblick an einander zu erin nern, um sicher zu sein, daß ihre Gedan ken sich begegnen würden. Während ihrer traulichen Unterhaltung hatte sich der Mond amHorizont erhoben. Die Nacht war ruhig und durchströmt von dem süßbetäubenden Dufte, der sich aus unzähligen Blumenkelchen ergoß. "TVillig zu loben und okne Furcht zu tadeln." Dienstag den 8. Januar, Die Natur feierte ringsumher ihren Schlummer und nur der Nachtigall kla gendes Lied tönte von Fei ne als Nachtge sang. Leon hatte sich mir Elementen unter einem, von üppig wuchernden GeiS blatt umranktenßaume, dessen dickbelaub te Zweige weithin dunkeln Schatten ver breiteten, auf eine Moosbank niedergelas sen, und die feurige Rede war unmerk lich träumerischen Schweigen gewichen. Elemente, schwelgend in den Wonnen ei ner «»entweihten Liebe, ruhte unbeweg lich mit gesenktem Haupte anLeon sßrust; sie weinte ohne zu wissen weßhalb. Le on's Sinne geriethen in Aufruhr, seine Brust wogte, sein Athem wurde heftiger, glühender. Er betrachtete mit Entzücken seine schöne Braut, deren Gesicht in die sem Augenblicke ein Strahl des Mondes, der sich verratherisch durch die dunkeln Zweige stahl, wie mit einem Glorienschein umleuchtete. Leon, seiner nicht mehr mäch tig, sank vor ihr nieder. Liebst Du mich? fragte er voll Lei denschaft. —Gott ist mein Zeuge, antworteteEle mence, mehr als mein Leben. Diese einfache Antwort, dieser Ruf an die Gottheit trafen wie eine Mahnung ihres Schutzengels Leons Herz; er raffte sich empor, sichtbar erschüttert. Leb wohl! Leb wohl! rief er. —Schon jetzt? fragte Elemente mit bebender Stimme. —lch muß Dich verlassen, erwiderte Leon, Deine Nähe verwirrt meine Sinne. Halt mich nicht zurück; laß mich fliehen um unserer Liebe willen! Ein fragenderßlick Elemencens begeg nete seinem flammenden Auge. Forsche nicht weiter, sprach Leon. Laß uns unschuldig scheiden, damit kein Er röthen der Schaam uns einst das Wieder sehen verbittere. Lebe wohl, lebe glücklich ! Elemente begriff nichts von der Angst, die sich in Leons männlich schönen Zügen i aussprach; aber sie fühlte, daß indem Ausdruck seiner Worte die heißeste Gluth der Empfindung verborgen lag. Sie fürchtete, in diesem Augenblick des höch sten Entzückens zu luhig zu erscheinen, und dies Gefühl trieb sie an, als Leon ihr einen feurig langen Kuß auf ihre Lippen drückte, auszurufen : Deine Küsse, o mein Leon, würden mich als Leiche noch vom Tode erwecken ! Leon preßte sie bei diesen Worten noch einmal an seine Brust, dann riß er sich gewaltsam los und eilte hiweg. Der Lcichenraub. Vier Jahre waren seit jenem Tren nungstage verflossen, als Leon, der sich vor einigen Tagen in Brest ausgeschifft hatte, den Weg nach Paris einschlug, wo er in der Mitte des Juni 17. in dem Ha use seiner Mutter anlangte. Er hatte sie durch einige Freunde von seiner Rückkehr unterrichten lassen, damit sein unerwarte tes Erscheinen keine schlimme Wirkung auf sie hervorbringe, denn Leon war, schwer verwundet, in Gefangenschrft gerathen und schon lange als todt betrauert. Das Glück und die Freude Leons bei'm Wiedersehen seiner geliebten Mutter war unbeschreiblich; dennoch bemerkte Frau von Garran, als die ersten Aufregungen des Freudentaumels verrauscht waren, ei nen Zug von düsterer Melancholie in den Blicken ihres Sohnes und eine auffallen de Zerstreutheit in seinen Antworten. Sie fragte ihn ; cr suchte sich zu entschuldi gen ; endlich konnte er den Bitten der Mutter nicht widerstehen. Es ist ei ne Kinderei, liebe Mutter, sagte er zu ihr, eine Thorheit, unwürdig eines Man nes, und ich muß fürchten, wenn Du den Grund meines Trübsinns erfährst, am Ende sogar lächerlich zu erscheinen. Denke Dir, als ich vor der Kirche Saint Ger main des Pres vorbeikomme, sehe ich sie ganz schwarz behängt und ausgeschmückt, wie es bei vornehmen Leichenbegängnissen der Fall zu sein pflegt. Es ist dieö ge wiß ein so gewöhnliches Ereigniß, daß es nicht einmal die Aufmerksamkeit eines Kindes gefesselt haben würde, doch, ich weiß nicht weshalb, dieser Anblick hatte für mich etwas Unheilverkündendes und ich kann mich des Gedankens an die Nä he eines unglücklichen Ereignisses nicht entwehren. —Du lächelst und hast Recht. Aber drei Jahre der Gefangenschaft, viel schreckliche Entbehrungen und Leiden ha ben mich für den Kummer so empfänglich gemacht, daß ich selbst Furcht empfinde, nun ich wieder bei Dir und glücklich bin. Es ist mir der lebhafteste Beweis, daß Du Dich, meinSohn, dieses Glückes wirk lich freuest, weilDu es zu verlieren fürch test, entgegnete Frau von Garran, und bald werden Freude und Heiterkeit, wie vormals, Deine unzertrennlichen Beglei ter sein. Die Zurüstungen in der Kirche galten nur dem 'Leichenbegängnisse der schönen Frau von Servins, der Gattin des Präsidenten, welche, nach einerKrank heit von kaum drei Tagen, plötzlich ver schieden ist. —War denn Frau von Servins wirk lich so schön, daß Du sie mit diesem Bei namen bezeichnest? fragte Leon. Allerdings, erwiederte Frau von Garran; die Schönheit der Frau von Servins war in ganz Paris bekannt und fast zum Sprichwort geworden; schon in Toulouse nannte man sie nur das schöne Fräulein von La Faille. Leon erstarrte. Er betrachtete seine Mutter mehr mit dem Ausdruck desStau nens als des Schreckens und bat sie, die letzten Worte noch einmal zu wiederholen. Frau von Garran, der sein Verhältniß zu dem Fräulein von La Faille unbekannt geblieben war, widerholte indeß, durch das sondebare Benehmen ihreS Sohnes auf merksam gemacht, das Gesagte mit gro ßer Vorsicht und Behutsamkeit. Kaum hatte sie aber den Namen La Faille aus gesprochen, als Leon, wie von einem un erwartet tödtlichen Schlage getroffen, zu Boden stürzte. Seine Augen zuckten krampfhaft, Leichenblässe bedeckte seinGe sicht, und gewiß würden die Worte seiner Mutter zur Todesbotschaft für ihn ge worden sein, hätte sich nicht sein furchtba rer Seelenschmerz in herzzerreißenden Kla gen und Seufzern einen Ausweg gebahnt. Mutterliebe und angeborner Scharf sinn ließen Frau von Garran bald erra then, wie theuer Frau von Servins ihrem Sohne gewesen sei. Sie wandte ihre gan ze Ueberredungögabe auf, ihren Sohn zu beruhigen, und ohne zu wissen, daß sie die Wahrheit sprach, erzählte sie ihm, wie die unglückliche Elemente, als die Nach richt von Leons Gefangenschaft und Tod durch ganz Frankreich erschollen sei, un geachtet ihrer Bitten und Thränen und des lebhaftesten Wiederstandes, endlich den Wünschen und Befehlen ihres Vaters ha be gehorchen müssen. Dann suchte sie ihm mit dem feinen bewundernswerthen, nur den Frauen eigenen Takte, gleich wie lindernden Balsam für die Wunden seines Herzens, die Vermuthung einzuflößen, Saß Eleyiencens Leben nur dem Gram u. Kummer über Leon's Tod und ihre ge zwungene Heirath mit Herrn von Ser vins geendet hätten, und so gelang es ihr Venn, die wilde Verzweiflung Leons, über vie vermeinte Untreue seiner Geliebten u. veren frühen Verlust, in sanftere Gefüh le aufzulösen Leon, der weinend zugehört hatte, such te sich endlich zu fassen. Er schwieg, a ber sein Schweigen war nicht die Resig nation eines Mannes, der den Schmerz besiegt, sondern nur die Folge einer Auf regung seines Geistes, der plötzlich eine Idee erfaßt, sie durchdenkt und ihre Aus führung beschließt. Frau von Garran folgte mit Mutterangst seinerGemüthsbe wegung, die sich nur zu deutlich in seinen Zügen malte.—Einmal fürchtete sie so gar, er habe den Entschluß gefaßt, sich zu ermorden, allein Leon's Ruhe befreite sie bald wieder von diesem quälenden Gedan ken. Frau von Garran, wohl wissend, daß stetes Trösten den Schmerz nur von Neuem vermehre, ließ Leon ungestört in Laufende Nummer 2«. seinem Hinbrüten und wagte nicht einmal eine Frage, als dieser bei einbrechender Dunkelheit aufsprang, sie umarmte, eine MasscGoldeszu sich steckte und hinanseilte. Es war völlig Nacht geworden, als Leon, der den Weg nach der Kirche Saint Germain des Pres genommen, bei der Wohnung des Kirchenhüters anlangte, um den Ort zu erfahre«, an dem man Frau von Servins zur Ruhe bestattet hatte. Er eilte dann nach dem Kirchhofe und weckte den Todtengräber, der sich kaum von seinem Erstaunen erholen konnte, als er in so später Stunde der Nacht ei nen Mann, dessen Wesen und Haltung den vornehmen Herrn verkündeten, vor sich sah, welcher ihn zum Mitschuldigen des größten Verbrechens, der Kirchen schändung, machen wollte. Leon verlangte wiederholt der Todtengräber solle den Erdhügel, der das Grab Clemencens be deckte, aufreißen, den Sarg emporwinden, öffnen u. ihm gestatten, den starren Leich nam Clemencens, die ihm das Theuerste der Erde gewesen, nocheinmal betrachten zu dürfen. Der Todtengräber wies die se Forderung mit Abscheu zurück. Leon bot ihm Gold, aber auch diese Macht vermochte nicht, die Befürchtungen und die Gewissensbisse zu betäuben, welche schon der Gedanke an solche Frevelthat bei dem armen Knechte erweckten. Leon, der vergebens auf die Bestechlichkeit deS Mannes gezählt, stürzte, nachdem er alle Ueberredjingen erschöpft hatte, verzweif lungsvoll vor dem Grabhüter auf die Kniee, benetzte seineHände mit einerFlu'tl) von Thränen nnd beschwor ihn unter hef tigem Schluchzen, sein Flehen zu erhören; dann sprang er auf, geberdete sich wie ein Rasender, drohete und bat zugleich, so daß sein schrecklicher Jammer zuletzt das längst abgehärtete Gemüth des Tod tengräbers erweichte und dieser aus Mit» leid gewährte, wozu ihn selbst der Glanz des Goldes nicht verleiten konnte. Nach getroffener Uebereinkunft began nen sie ihr unheimliches Werk. Der Tod tengräber, versehen mit Hacke und Spa den ; Leon hielt eine Laterne. Bei dem ersten Schlag den der Todtengräber auf den Sarg fühlte, um ihn zu erbrechen, durchdrang Leons Gebein ein furchtbarer Schauer, der das Blut in seinen Adern erstarrte. Schon lag die leblose Hülle Clemen cens, nur von dem Todtentuche bedeckt, auf demßasen, allein Leon blieb regungs los und schien den Zweck seines Kommens gänzlich vergessen zu haben. Er hörte nicht die wiederholte Anrede des Todten gräbers, der sich, um von der mühevollen und gefahrdrohenden Arbeit zu erholen, auf den Rand des offenen Grabes gesetzt hatte und die Beine in das Gewölbe her unterhängen ließ. Leon starrte dumpf vor sich hin. Der Todtengräber, erschreckt über diesen Zustand und zu furchtsam, Leon anzurühren, wagte es endlich, um ihn aus seiner Apathie emporzuscheuchen, das Tuch, welches den schönen Körper der Frau von Servins bedeckte, aufzuheben, so daß Leons Blick gerade auf das Ant litz der Todten siel. Kein Talisman hätte eine wunderähn lichere Wirkung hervorbringen können. Wie von einem Zauberschlag berührt, ge riet!) Leon in eine fast convulsivische Be wegung. Er sank an der Seile der theu ren Leiche nieder, bald sich als die Ursache ihres Todes verwünschend, bald sie um Gnade und Verzeihung anflehend, bald zu ihr von vergangenen Tagen und zer trümmerten Hoffnungen redend. Wäh rend dieser Unterhaltung hatte er sich erhoben, den Leichnam halb aufgerichtet auf sein Kniee gestützt und ihn dann lange Zeit mit tiefem Schmerz betrachtet. Plötzlich erhellte ein Strahl der Erinnerung die dunkeln Wolken der Schwermuth, die feine Seele umdüsterten, und hell tönten in seinemJnnern die Wo rte wieder, welche die Purpurlippen Cle mencens ihm zuflüsterten, als er von ihr Abschied nahm. folgt.
Significant historical Pennsylvania newspapers