Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, July 15, 1851, Image 1

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    Oer Liberale Beobachter,
Und Berks, Montgomery und Schüylkill Camities allgemeiner Anzeiger.
We»n l n g, Nenn, Gedruckt und herausgegeben von ArnoldPu w e ll e, in der Sud kten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut > Straße.
Jahrg. 12, ganze Num. «IS.
Die Rettung von Ch Craven
Touvernör und tord Palatin von Carolina.
(Schluß)
„Wer —was ist das?" erwiederte der
Gefangene, als er die Freundlichkeit dieser
Töne mehr fühlte als verstand, und trat
der Redenden näher.
„St!" —Sie legte ihre Hand auf sei
nen Arm und blickte ängstlich nach der
Thür; dann ermahnte sie ihn mit flü
sterndem Tone zur Borsicht.
„Grimmige Kriege—Tomahawks—
sie liegen im Grase für den Engländer."
„Und wer bist du—Weib?—lst eS
Freiheit —Leben ? Zerschneide die Strän
ge—schnell, schnell —laß meine Freiheit
mich fühlen Z" —Und er hielt kaum seine
Ungeduld zurück, als sie die Sehnen zer
schnitt, womit seine Handgelenke fest zu
sammengeschnürt waren.
„Ich bin frei —frei! Ich danke dir
Gott—großer, guter Vater, daS ist deine
Vorsehung! Und du —wer bist du, mei
ne Retterin —doch wozu fragen? Du
bist-"
„Matiwan ist es, sprach sie demüthig.
„DaS Weib Sanntee s—wie soll ich
danken —wie dich belohnen, Matiwan?"
„Matiwan ist daS Weib des großen
Häuptlings Sanntee—sie befreit den Eng
länder, der einen Blick und eine Sprache
hat wie Occonestoga."
„Und wo ist er, Matiwan, wo ist der
junge Krieger."
„In dem seligen Thale des Manneyto.
Er wird eine große Wohnung bauen für
Matiwan."
„Gib mir das Messer."
Sie überließ eS ihm schaudernd, und
bedeutete ihm. daß er ihr folgen sollte, in
dem sie, um ihn zur Vorsicht anzuhalten,
ihre Hand auf seinen Arm drückte, und
ging nun voran nach der Thür, die sie
bei ihrem Eintritt sorgfältig verschlossen
hatte. Sie öffnete dieselbe mit gleicher,
vielleicht noch größerer Behutsamkeit wie
vorher und zeigte dem Gefangenen in
dem trüben Sternenlicht die ausgestreckten
Gestalten der beiden Wächter. Sie schlie
fen noch immer, aber nicht fest und Ma
tiwan schien den Gefangenen durch den
flüchtigen Blick, zu welchem sie ihn mit in
dianischer Beredsamkeit veranlaßte, auf
all die Gefahren u. Schwierigkeiten vorbe
reiten zu wollen, mit welchen er wahr
scheinlich zu kämpfen bestimmt war. Har
rison würde in der Ungeduld erneuerter
Hoffnung, im Gefühl der Freiheit ohne
weiteres hinauögesprungen sein, hätte die
Indianerin ihn nicht zurückgehalten, und
in demselben Augenblick wurden sie durch
eine plötzliche ruhelose Bewegung eines
der Schlafenden zur Borsicht ermahnt.
Matiwan trat schnell in den Schatten des
Gefängnisses zurück und drückte gleichzei
tig die Thür wieder zu, doch nachdem sie
eine Weile gelauscht und das erneute tie
fe Athmen vor der Thür sie wieder er
muthigt hatte, wandte sie sich, indem sie
die Thür wieder etwas öffnete, im Flü
stertone zu dem ungeduldigen Gefange
nen.
„Den Häuptling der Engländer—sie
liebt- ihm, die bleiche Mutter jenseit des
Wassers?"
„Sie liebt ihn, Matiwan—liebt ihn
zärtlich."
„Und der Häuptling, er bewahrt sie
hier?" Und sie zeigte auf ihr Herz bei
dieser Frage.
„StetS- tief! Auch ich liebe sie warm
und innig.-
„ES ist gut. Der Häuptling wird
auf die Seen ziehen —wird zu der Mut
ter ziehen, die ihn liebt. Sie wird um
ihn singen wie ein grüner Vogel, wann
daS junge Korn aus der Erde kommt.
Geh', Engländer, aber sei wachsam, denn
der Pfeil der Yemassee schwirrt auf dei
nem Pfade."
Er drückte ihr mit Wärme die Hand,
obgleich seine Lippen jeden andern Dank
versagten, und Matiwan verrieth durch
einen tiefen Seufzer, wie sehr ihr eigenes
Gefühl an den Worten betheiligt war,
womit sie den Sohn an die Mutter mahn
te. Dann öffnete sie vollends die Thür
und schritt furchtlos und glücklich über
die schlafenden Wachen hinweg.
Er folgte ihr, aber weniger glücklich.
Ob er in dem ungewohnten Lichte nicht
deutlich sehen konnte, und vielleicht den
Krieger mii dem Fuße berührte oder ob
dieser schon vorher nur noch im Halb
schlummer gelegen, der eben unterbrochen
wurde, ist kaum zu erörtern, aber der
Krieger erwachte gerade im ungünstigsten
Augenblick und mit dem Erwachen komim
bei dem Indianer auch vollständiges Be
wußtsein. Er erkannte sogleich seinen
Gefangenen und faßte ihn am Beine,
Harrison aber stieß ihm mit nicht minder
schnellem Instinkt den noch freien Fuß
ins Gesicht, wodurch er seine Besinnung
verlor. Obwohl dieses nur das Werk ei
nes Augenblicks war, erwachte doch der
auf dem Baume sich befindliche Wächter
und wollte eben auf Harrison feuern, als
Ehestatee mit der Behendigkeit einer Kat
ze die Eiche erklomm und mit dem Stoße
seines Jagdmessers ihn von dem Baume
in den Abgrund stürzte.
Nach wenigen Minuten hatte Harrison
(Lord Craven) den Wald erreicht und be
fand sich in Sicherheit. P h. R o h r.
Des Spielmanns Heimkehr.
Hndidldum! mein Weit' ist krnmin
Sie hol 'neu wehen Zeh'
Und hnvft jetzt in der Stnb' herum
Spielt auf! Aufgespielt! Laßt einen
Dreher los Spielleute, aufgemacht! Juch
hui!—und es schmetterte daS Horn, es
brummte der Baß, die Geige ächzte und
krächzte, und die Paare flogen herum auf
dem Tanzplatze wie s Wetter. Immer
wilder stampften die wohlbestiefelten Füs
se den Boden, flatterten die radförmigen
Röcke, und es war gerade, als ob der Tanz
erst beginnen solle, und Niemand daran
gedenke, daß der Zeiger der fliegenbeschmutz
ten Schwarzwälderuhr schon auf die Mit
ternachtsstunde deute. Da erschien mit
einemmale der Nachtwächter unter der
Thür des Tanzplatzes mit seinem Spies
se, und schrie herein, oder sang vielmehr:
„Meine lieben Leute geht nach Haus,
Die K irmetz und der Tanz ist jetzt aus !
Zwölf Uhr vorbei!"
Die Musikanten spielten ihr Stück zu
Ende, packten ihre Instrumente schlaff u.
biertrunken ein, und verloren sich Einer
nach dem Andern trotz dem Gelärm und
Geschrei der jungen Burschen, die noch
länger tanzen wollten. Nur Krispin,
der Siebmacher von Weiher, blieb auf sei
nem Posten fest und unerschütterlich, und
schaute nach den Steinkrügen unter der
Bank des Orchesters, damit sich nicht etwa
ein bösartiges Gerede unter den Leuten
verbreite, als hätten die Spielleute auf
der Arbeiter Kirmeß einen Trunk Bier im
Stiche gelassen. Ob zu seinem Aerger
oder seiner Freude —ist ungewiß—fand
er alle leer bis auf die Nagelprobe, und
konnte nun seinerseits getrost auf denßück
zug denken. Er packte seine Cremoneser
geige in den ledernen Schnappsack, nahm
Stock und Hut, stieg bedächtig von sei
nem Posten, überschaute noch einmal das
Feld seiner Thaten, und zog dann, dem
Feldherrn gleich, der das Schlachtfeld be
hauptet hat, den Uebrigen nach. An der
Stiege stolperte der gute Fiedler ein klein
wenig, und rollte und kollerte kopfüber
kopfunter die Treppen hinab, mit Sack u.
Pack, und Alles wunderte sich, daß die
Cremoneserin nicht unter der Wucht ihres
Herrn zum letztenmale geächzt und ge
krächzt hatte. Nur der Gefallene selbst
sah das für gar kein Wunder an, denn
der Fall war ihm schon oft passirt, daß er
es für ein Wunder gehalten hätte, wenn
sie zetrümmert neben ihm gelegen wäre.
Muthig hängte er den Schnappsack sammt
der Geige wieder auf den Rücken, wan
derte guter Dinge, lustige Weisen trillernd
und brummend, hinaus in's Freie, und
dabei schien eS als ob er, seinem Gange
nach zu urtheilen, den Bauern Lektionen
geben wollte im Laufgräbenziehen. Al-
"'willig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag de« IS. Juli, 15 » I
les kam ihm heute so gar verkehrt und ver
dreht vor, daß er sich gar nicht zurecht
finden konnte, und dachte, daß ihm unser
lieber Herrgott diesmal gewiß einen Pos-
sen spielen wolle, weil er seine Sternlein
gar so ruhig an der Himmelsdecke hin-
und herflattern und fackeln ließ, und dort
—nun, nun '. dort waren gar zweiMon
de!—zwei auf einmal, das muß sicherlich
nicht mit rechten Dingen zugehen!
Auf solche Weise hatte der Fiedler die
Erle erreicht, wo der Moorgrund anfängt
und sich eine ganze Stunde lang hinüber
erstreckt bis nach Föhrenbach, und war
blos ein einzigmal auf dem Wege bis Hie
her gefallen, aber ganz gemächlich wieder
aufgestanden, um kein Glied am Leibe zu
verrenken. Mühsam ließ er seine schlaf
trunkenen Augen über die weite Fläche
hinweggleiten, blieb aber wie angebannt
stehen, als er auf einmal, ganz nahe in
dem Gestäude linker Hand hin ein großes
Feuer erblickte, umgeben von einer Menge
Männer und Weiber, die da jubelten und
tanzten, sangen und sprangen, daß es ei
ne Freude war'
„Glück auf!" jubelte Krispin, da gibts
für dich einen guten Trunk. Hast einen
ganz heidenmäßigen Durst, und Durst u.
Meister Krispin, der Fiedler von Weiher,
sind nicht extra gute Kameraden ; mag ei
ner den andern nicht. Eilig nahm er
Stock und Schnappsack und wanderte über
den feuchten, schwammartig unter seinen
schweren Tritten nachgebenden Moorgrund
um Augenschein von dem nächsten Trei
ben der tollen Gesellen zu nehmen. Die
führten nun freilich ein Leben wie im Him
mel, und speisten, daß es eine Lust und
Freude war, ihnen nur zuzuschauen ; aber
waö tranken sie, etwa Bier oder Fusel ?
Prosit die Mahlzeit nein! Rheinwein,
Burgunder, Malaga, Champagner und
andere edle Weine aus aller Herren Lan
den, flössen schäumend in die funkelnden
Becher; daneben prangten aufreichgedeck
ter Tafel in goldenen Schüsseln, Fasanen,
Gänse Kapaunen, Torten, Bratwürste
und sonstige kostbare Speisen, die der
staunende Krispin gar nicht zu benamsen
wußte. Lustige Dirnen in leichten seide
nen fast durchsichtigenßöcklein, mit langen
fliegendenHaarcn hüpften lachend u.muth
willig um das Feuer, oder tanzten mit
jungen Bürschlein, die aussahen wie Milch
und Blut, indessen andere in großen Kan
nen, alten runzligen Knaben mit silber
grauen Haaren den Wein kredenzten.
Unter diesen Zechern zeichnete sich beson
ders einer aus, der um einen ganzen Kopf
länger war als die andern, und ein grü
nes Hütlein mit einer nach hinten zu ge
bogenen Hahnenfeder aufhatte. Er läch
elte überaus freundlich und ermunterte die
lustigen Tänzer und Zecher zu noch tolle
rer Lustigkeit; allem Anscheine nach moch
te er der Herr der Gesellschaft sein, oder
doch der Höchste darunter.
Sonderbar daß sie keine Musik haben,
dachte der Fiedler, nachdem er dem tollen
Treiben eine Weile zugeschaut hatte, trat
er ganz nahe unter die Gesellschaft und
sprach: Gut Freund allhie! seh ich da
eine lustige Gesellschaft und keine Spiel
leute dabei, das muß einen Spielmann är
gern bis in sein blutiges Herz hinein! —
Nichts für ungut und mit Verlaub!
Mit diesen Worten zog er seine Geige
heraus und siedelte zur Probe von seiner
Geschicklichkeit die Melodie!
O du lieber Augustin,
G Geld ist hin, 6 Mädel ist hin,
Alles ist hin!
und heißa juhei! wie tanzten und flogen
hüpften nnd drehten sich da die Gesellen
mit ihren Dirnen, daß sie kaum den Bo
den berührten und: schneller! rief'S,
schneller, Fiedler, schneller! da geigte der
Spielmann, waö gibst, was hast, daß ihm
der Schweiß über die Rase tropfte und
die Finger wehe thaten, aber kein Pär
chen wollte müde werden, Niemand schrie
ausgehalten! Die Graubärte lachten,
klatschten und lärmten ärger als die Jun
gen, und der mit dem grünen Hütlein u.
der Feder d rauf ärger als alle, bis der
Fiedler gänzlich ermattet Arme und Gei-I
ge sinken ließ.
Brav Spielmann brav! schrie Alles,
und die Jungen brachten ihm Wein von
allen Farben, die Dirnen warfen ihn mit
Bratwürsten, Torten und Fasanenschen
keln, und zwickten ihm schäckernd die Bat
ten. Der Geiger aß und trank, jubelte
mit seinem Bierbasse d'rein. daß alleS
dröhnte, wobei er nicht vergaß, die Dir
nen zu herzen und zu küssen, als ob er
fein Liest im Arm hätte.
Spiel auf ! hieß es wieder, und er spiel
te auf seiner Cremoneserin der Reihe nach
alle Melodien, die er im Kopfe hatte, takt
fest daher, daß es eine Frende war ihm zu
zuhören und zuzuschauen, wie er den Takt
mit dem Kopf nickte und mit dem Fuß
stampfte. Wir möchten unsern freundli
chen Lesern nicht wünschen, daß sie die
grimmigen Weisen des unverdrossenen
Spielmanns mit angehört hätten; aber
die lustigen Gesellen tanzten mit den mun
teren Dirnen kümmerten sich darob nicht,
und tanzten wie besoffen um's Feuer und
um den Fiedler herum, schlugen Räder und
Schnippchen, schnalzten mit Finger und
Zunge und pfiffen dazu ohne müde zu
werden. Wenn dann der erschöpfte Mu
sikant Arm und Geige sinken ließ, wurde
er wieder mit Speise und Trank geworfen
und überschüttet, geküßt und gedrückt, daß
es ihm schier auf die Dauer nicht mehr
recht behagen wollte; denn er glaubte, sie
sollten nun auch einmal mit klingender
Münze bezahlen, der guten Speisen und
Getränke hätte er nun bald genug. Al
lein auch darauf sollte er nicht lange mehr
warten, denn als er wieder einen ewig
langen Walzer beendet hatte, flogen Gold-
und Silbermünzen um ihn herum und
auf ihn, wie ein Mairegen, daß er nicht
schnell genug einsammeln konnte. Sein
Ränzlein wurde bald so dick und bauchigt,
daß eS die blinkenden Bögelein nicht mehr
fassen konnte; die Taschen waren auch
bald gefüllt, die Tänzer aber warfen noch
mehr her, so daß er endlich voll freudiger
Verzweiflung auSrief: „Genug meine
Herrn und Damen, mehr als genug, für
einen armen Fiedler! Gottlob und Dank
daß ich einmal zu Etwas gekommen bin !"
Kaum waren indeß diese Worte gespro
chen, so verschwand Knall und Fall Alt
und Jung, Wein und Braten, das Feuer
sammt allem Andern, und der Fiedler fand
sich allein im Dunkel. Er vernahm ein
Rauschen, wie wenn der Herbstwind über
stoppelfelder streicht, und ein Geklatsche
wie von fallenden Regentropfen; dazwi
schen pfiff und rauschte es wie der Wind
durch Schilfröhricht, und über ihn hin
flog es wie mit Eulenflügeln, kaum hör
bar, so daß er nicht wußte, wo ihm der
Kopf stand. Alsbald fielen ihm die schwe
ren Augendeckel zu, schlaftrunken legte er
sein müdes Haupt auf den Ranzen und
schlief fest ein.
Die Sonne röthete eben im Osten das
Gewölk, als der Fiedler mit manchem weit
hinschallenden : Huah! gähnend sich reg
te, dehnte und murmelte: Liesl, geh steh
auf, koch mir eine warme Suppe; mir
ist's so öde und leer im Magen, als ob ich
gestern hätte einen Spitz gehabt; aber sei
es, daß das Ausbleiben der Antwort ihn
überraschte, oder ihm die frische
luft doch zu kühl unter die Nase strich, er
richtete sich auf, und sah mit Verwunde
rung, daß er unter freiem Himmel kege,
naß bis auf die Haut, und steif und starr
vor Kälte. Erschrocken tappte er
lichte nach seiner Geige und nach dem Hu
te, nichts fehlte, auch der alteSchnappsack
nicht den er sonst jedesmal noch hatte su
chen müssen. Als er aber diesen so dick
bauchig fand, und staunend überlegte, was
wohl darin stecken möge, da siel ihm plötz
lich sein heute Nacht bestandemes Aben
theuer ein, und mit lächelnderMiene sprach
er zu sich: Also ist daS tolle Zeug doch
wahr? wohlauf KriSpin, jetzt hast du
doch einmal waö rechtes zusammengegeigt.
Hastig begann er die Riemen des SackeS
zu öffnen, um sich durch den Augenschein
Laufende Nummer Ä«.
zu überzeugen; doch, wie staunte er, als
er statt der Gold- u. Silbermünzen, Stei
ne u. zerbröckeltesKnochengerippevorfand.
Mißmuthig und ärgerlich kratzte er sich
hinter den Ohren, und eö überlief ihn eis
kalt, als er über sich ein sonderbares Ge
räusch und Geklapper vernahm.
Wie aber zuckte er zusammen, als er
aufblickte und wahrnahm, daß er sich un
ter einem Hochgerichte befand. Ueber
ihm schaukelten im Winde die mit ver
witterten und zerfetzten Kleiderlappen be
hangenen Knochen eines Gehenkten, um
flattert von Raben, die krächzend hier ih
re Mahlzeit hielten. Dieses sehen und
nach seiner Cremoneserin greifen, war
bei dem Fiedler einS ; aber im selben Mo
mente riß ein starker Windstoß den ver
faulten Strick, welchrr den Gehenkten hielt
dieser rasselte herab und siel dem zum To
de Erschrockenen, der sich gerade nach sei
ner Geige bückte, auf den Rücken.
hu hu! stöhnte er, ließ seine Geige und
Schnappsack, Hut und Stock im Stiche,
rannte wie rasend davon über Stock und
Stein, durch Dick und Dünn, ohne zu
wissen wohin, bis er endlich todtmüde und
schweißtriefend niederstürzte. In diesem
Zustande völliger Betäubung fanden ihn
Leute, die ihn kannten, und trugen ihn
nach Hause, wo ihn lange Zeit ein hitzi
ges Fieber an's Lager fesselte, bis er end
lich wieder genesen.—Das erste, waö er
nach seiner Krankheit that, war, daß er
die Geige, welche ihm redliche Menschen
wieder gebracht hatten, am Ofen zer
schmetterte und sich hoch und theuer ver
maß, nie wieder zu spielen auf einer Gei
ge, weder im Wirthshaus noch sonst wo,
und würde er es je noch einmal wagen,
so solle ihn der Teufel leibhaftig holen.
DaS war seiner Liesl recht lieb, nur
konnte sie nicht begreifen, waS denn gera
de die uuschuldige Geige verschuldet haben
sollte, daß er sie so grimmig zerschmetter
te, bis er ihr endlich sein Erlebniß in der
Kirmeßnacht erzählte.
Ja, wenn daS Ding so ist, sprach sie
dann, so hast du recht gethan, und hättest
du sie nicht zusammengeschlagen, so hätte
ich es gethan. Hat die Geige dem Bö
sen einen Dienst geleistet, so soll sie auch
dafür Teufelslohn haben. —
Der Marquis von L. ging in seinem
Garten mit einem Herrn auf und ab,
welchen er so eben zu einem Diner einge
laden hatte. Da erschien ein Diener, der
den Marlluis bei Seite rief und ihm et
was in'S Ohr sagte. Darauf verabschie
dete sich der Marquis von seinem Beglei
ter, indem er die Erwartung, ihn beim
Mittagessen zu sehen, aussprach. Der
Marquis ließ darauf seinen Gallawagen
mit vier Pferden bespannen, ließ zwei Die
ner in reicher Livree hinten aufsteigen, leg
te seine Oberst-Uniform an und fuhr ab.
Bald darauf hielt er, als eS gerade 12
Uhr schlug, vor dem Hause eines Flei
schers still und begab sich in die Stube
dieses ManneS, der eben mit seiner Fa
milie und mit seinen Knechten bei Tische
saß. Ohne weitere Einleitung setzte er
sich zu Tische und schien das Erstaunen
dieses Mannes gar nicht zu bemerken.
Als dieser endlich fragte, waS ihm die Eh
re eineS so hohen Besuchs verschaffe, ant
wortete der Marquis: „Mein Koch hat
mir gesagt, daß Ihr mir kein Fleisch mehr
verabfolgen wollt, weil ich Euer Schuld
ner bin. Ihr thut vielleicht wohl daran,
so zu verfahren; denn ich kann Euch erst
in vier Wochen bezahlen und erst dann ist
meine Besoldung fällig. Daß ich bis da
hin essen muß, versteht sich von selbst und
ich werde daher so lange Euer Gast sein.
Auf heute hatte ich ein Diner veranstal
tet ; aber ich muß nun diesen Hrn. sagen,
daß ich eö wegen Euch nicht geben kann.
Das wird unS Beide empfehlen !" Der
Fleischer war über das, waö er hörte, nicht
sehr verwundert, fand eS übrigens so ko
misch, daß er lachend sagte: „Gehen Sie
nur nach Hause, Herr Oberst. Meine
Küche ist zu schlecht für Sie und Sie wer
den zu Hause finden, was Sie verlangt