Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, February 18, 1851, Image 1

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    Der Aibemle Beobachter,
Und Berks, Momgomcry und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger,
NeaÄ i n S, MNN Gedruckt und berausgegebeu vonArnold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße.
Jahrg. 12. ganze Num.
(Aus dem Jllustr. Unterhaltungs-Blacte.)
Der Postillion
Novelle.
(Fortsetzung.)
Der Baron erschrak, doch faßte er sich
sogleich wieder und entgegnete: „Thun
Sie ihre Pflicht, Herr Lieutenant, aber
befehlen Sie der Wache die zarteste Scho-
nung; lassen Sie das Mädchen nicht zur
Stadt transportiren, Hausarrest ist hin
länglich, sie ist nöthig zur Pflege unserer
Blessirten. Ja, ich selbst verbürge mich
für das unglückliche Kind, und werde die-!
se Nachsicht bei der Behörde selbst vertre-!
ten. Sie starren mich verwundert an,
und betrachten meinen grauen Kopf ?
Nein, Herr Lieutenant, nicht die Galan
terie meines Vaterlandes, nicht die Schön
heit des Mädchens ist meines Mitleides
Ursache. Ein wunderbarer Zufall hat
mich versichert, daß die Tochter des Va
ters Schuld nicht theilte, daß sie aber
vielleicht der wichtigste Zeuge gegen die
Spießgesellen des Vaters werden möchte,
da dieser von Gottes Hand selbst bestraft
worden. Erwarten wir ruhig den Tag,
doch bitte ich sogleich einen der Gegend
kundigen Reiter nach dem nächsten Dorfe
zu senden, und mir die alre Hirtenfrau
zu holen."
~Jst die alte Hexe mit im Nest. Sie
besitzt Alles, was zu einer Zigeunermutter
paßt."
„Nicht doch," versetzte der Baron ; ~es
ist in meiner Privatangelegenheit. Ich
lasse die Frau bitten, sich hierher zu ver
fügen, und verspreche ihr eine gute Be
zahlung des nächtlichen Weges."
Verletzt durch das verweigerte Vertrau
en, verbeugte sich der Offizier und sagte
im Diensttone: Euer Exellenz Befehle
sollen befolgt werden.
In der Hütte der alten Ilse war indeß
die einförmige Ruhe, die sonst nur durch
das Aechzen der Gichtbrüchigen gestört zu
werden pflegte, ebenfalls auf eine unge
wöhnliche Weise unterbrochen worden.
Die Alte litt an ihrem Reißen und schlief
nicht, hatte die Lampe wieder angezündet
und kochte sich einen Hollundertrank, und
hörte darum schnell ein leises Klopfen an
ihrer Thür, und die Bitte um Einlaß, als
sie nach dem Klopfer gefragt. Ihre Ar
muth schützte sie vor Argwohn und Furcht,
und neugierig hinkte sie zur Thür, fuhr
jedoch zurück, als der bekannte Müller
Wolf eintrat, und die Thür hinter sich
schloß, auch den Riegel sorgsam vorschob.
Verwundert sah sie ihn an, wie er erhitzt
und schwer athmend vor ihr stand in sei
ner riesigen Gestalt, mit einem Sacktuche
die Hälfte seines Gesichts verhüllt hielt,
und mit dem einen freien Feuerauge, eu
nem grimmigen Cyclopen ähnlich, das
Innere der Hütte musterte.
„Ich bedarf Eurer, Mutler," sprach
der wilde Mensch mit abgestoßenen Tönen
doch mit erzwungener Freundlichkeit.
„Seid Ihr doch bekannt, als der kundig
ste Wundarzt bei Menschen und Vieh,
und dem dummen Dorfbader darum ein
Dorn im Auge. Vergeßt Euer Zipper
lein und schafft mir Hülfe, denn der Höl
lenschmerz macht mir den Weg bis zur
Mühle unmöglich."—Zugleich warf er
einen harten Thaler auf den Tisch, und
setzte sich auf die Ofenbank.
Die Alte stellte, so rasch wie es ihr
möglich, die Lampe hin, und antwortete
kopfnickend: „Jedermann helfen, der in
Nöthen ist, Freund oder Feind, Guten
oder Bösen, ist. Christenpflicht. Sagt
mir nur, wo's fehlt, mit Gott und des
Himmels Segen hat die alte Ilse schon
Manchem geholfen."
„Meinetwegen helft in des Teufels
namen," versetzte der wilde Mann, „wenn
nur geholfen wird. Auf dem Heimwe
ge von der Kindtaufe beim Bäcker Fleisch
in Stein bin ich gestürzt im Walde, und
ein Baumstumpf ist mir in s Auge gefah
ren. Am Bache habe ich's gewaschen, aber
der Schmerz ist gräßlich und sticht mir
das Hirn entzwei. Da seht selbst, und
thut das Beste daran, Ihr wißt, der Mül-
ler Wolf zahlt gut wenn man ihm dient."
„Sündenlohn!" murmelte die Alte,
„doch das Gewissen macht das schwere Geld
nicht leicht. Habt gewiß wieder einmal
des Guten zu viel genossen," setzte sie laut
hinzu. „Der reiche Bäcker bäckt klein
für die Armen, damit er den Gästen theu
ren Wein vollauf eingießen kann. Welt
lauf, wer schmiert, fährt gut. Aber um
Jesus, was ist mir das? Wolf, das Au
ge schasst Euch Niemand mehr, das ist
ausgeflossen und todt, als hätte Jemand
eine Gabel hineingebohrt."
„Satan," knirschte der Müller, „ja
die Peitschenschnur traf auch wie eine Na
del, aber ich zahle den verdammten Buben
dafür."
„Was sagt Ihr da?" fragte die Alte.
„Redet Ihr im Fieber, und wie kamen
die schwarzen Flecken in's Gesicht? Um
Jesus, das wird doch nicht schon der Brand
sein und ihr stürbt mir hier. Nein die
Cur übernehme ich nicht, will zur Nach
barin gehen, daß ihr Sohn sattelt und
den Stadtdoctor herbeischafft."
Der Müller fuhr in die Höhe und pack
te die Hirtin bei ihrem Wollrocke. „Bleib
verdammtes Weib," rief er in Wuth, oder
ich erwürge dich auf dem Fleck! Ich will
keinen Doctor, ich will keinen Lärm um
die Kleinigkeit, das Schwarze kennst du
aus deiner Küche, denn ich stürzte ja dicht
am Kohlenschachte. Hole deine Salben
und verbinde mich, habe ich zwei Stunden
Ruhe, so finde ich mich schon heim, und
sprichst du ein Wort, daß ich bei dir ge
wesen, so setze ich' den rothen Hahn auf
dein Strohdach, und lasse dich lebendig
zum Teufel fahren."
Die Alte bebte zusammen und ging
still zu ihrem Schranke, nahm die ver
wahrten Kühlmittel heraus und machte
einen lindernden Umschlag, hieß dann den
Kranken sich niederlegen, und schob ihm
mit Sorgsamkeit selbst die ärmlichen Pol
ster ihres Bettes unter. Von 'Mohn
köpfen bereitete sie dann am Heerde ei
nen Trank, und fragte, als sie damit zu
rückkam, zaghaft nach seinem Befinden.
Der Müller reichte ihr, nachdem er ge
trunken, seine Hand. „Nichts für un
gut, Mütterchen, der Schmerz macht wild
und ich Hab's nicht so gemeint, wie ich
sprach. Euer Verband ist gut, mag das
Auge der Teufel holen, man sieht mit ei
nem noch genug des Aergerlichen in der
Lumpenwelt; der Schmerz läßt nach und
ist Eure Hand nicht mehr so weich und
rund wie damals, als wir manchen
Sprung auf dem Freischießen gethan,
und ich Euch in der Bleicherhülte besuch
te, sie thut noch eben so wohl, und hat
vas Sreicheln nicht verlernt."
Die Alte entzog ihm die Hand und
drehte sich weg von ihm.
„Gott vergebe uns unsere Sünden?"
seufzte sie. „Was seid Ihr für ein
Mensch, Wolf, und wer kann mitten in
solcher Nacht und solchem Unglück sich an
solche Sachen erinnern? Ihr wäret ein
schlimmer Bursch von früh auf. Laßt
ruhen was geschehen. Bei mir ist die
Strafe früh gekommen, und Ihr habt
nichts gethan, Eure Lüge und Eure Schuld
an mir gut zu machen."
„Verschafft ich dem LoofS nicht den gu
ten Hirtendienst ?" fragte der Müller mit
höhnischer Freundlichkeit. „War ich's nicht
der Euch den Findling zuwandte, welcher
Euch so schönes Geld aus der Gemeinde
kasse brachte?"
Die Alte drehete sich wieder rasch zu
ihm, und sah ihn mit ihren trüben Augen
recht durchdringend an. „Eben traf Got
tes Hand Euch," sagte sie, „und Ihr mö
get Euch aller Sünden rühmen? Habt
Ihr denn allein in der Welt gar kein Ge
wissen ? Das arme Liebeskind, den Wilm
schobt Ihr auch der Gemeinde auf den
Beutel und mir in den Schooß. Ihr
hättet besser gethan, ihn in Eurer Müh
le zu behalten, um ihn von Eurem eige
nen Gelde aufzuziehen. Aber wer weiß,
ob es dann so ein schmucker Bursch ge
worden wäre, fromm und gut, daß alle
"Tvillig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 18. Februar, 15» I
Welt an ihm eine Freude hat."
„Den Wilm, den Postknecht?" fragte
der Müller finster und wild. „Die Höl
le hat ihn überall in meinen Weg gewor
fen und Niemand ist mir so verhaßt wie
er. O daß ich so ein Schwächling war,
und dem Wurm nicht das Genick abstieß,
als er im Baumloche winselte."
„Also gesteht Jhr's endlich, was ich
schon längst glaubte? So seid Ihr des
Wilms Vater?" entgegnete hastig und
im frohen Tone die Alte. Nun das ist
ein Zeicheu der Neue; so werdet Ihr doch
von jetzt an des verstoßenen Sohnes ge
denken, und wenn's an's Sterben geht
für ihn sorgen, da Ihr doch keine Erben
habt."
„Welch ein Tollwurm sticht die alte
Hexe wieder?" fuhr der Müller ingrim
mig auf und hob die Faust. „Ich bin
des Postknechts Vater? Da wollte ich ja
lieber mich selber in's brausende Mühlrad
stürzen, ehe ich den Buben für meinen
Sohn ansähe und traetirte."
„Nun, Ihr sagtet ja eben selbst, Ihr
hättet ihn im Baumloche gewußt, ehe die
Andern hinzukamen." stotterte die Alte
erschrocken. Der Müller legte sich von
neuem Schmerz gefoltert wieder auf das
Lager zurück. „Habe ich's gesagt ?"
fragte er verächtlich. „So will ich's
auch nicht läugnen vor dir, du jämmerli
ches Wesen, deren Zunge die Furcht ge
bunden hält, ja, ich sah den Buben eher
als Jemand vor uns. Von einer Wald
streiferei zurückkehrend hörte ich ein Kind
weinen, ging dem Tone nach und fand es
in dem hohlen Banme. Es trug ein fei
nes Kleidchen, ein Spitzenmützchen, und
dazu hing an seinem Halse eine zarte
Goldkette und an dieser hing ein kleines
silbernes Kruzifix mit ächten Steinen be
setzt. Die Steine blitzten mir ins Auge,
denn eben ließ sich die Sonne am Berge
sehen, mit den feinen Kleidern konnte ich
die schöne Marie erfreuen, die eben in
meiner Mühlkammer ein Töchterlein ge
boren. So nahm ich das Kind aus dem
Baume, gab ihm einen Trunk aus mei
ner Flasche, entkleidete es und legte es
wieder an seinen Platz. Der tüchtige
Trunk hatte es ruhig gemacht, und ich
meinte, der kalte Herbstmorgen, der mich
selber schüttelte, würde dem Wurm schon
hinüber helfen, und ihm alles kommende
Weh ersparen. Die Holzhauer hatten
es lebendig gefunden, als ich vier Stun
den später hinzu kam. Nesseln vertilgt
man nicht leicht, und diese verfluchte Nes
sel hat mich tüchtig gebrannt für mein
schlecht angebrachtes Mitleid."
Die Alte schlug die dürren Arme vor
Erstaunen über dem Kopf zusammen.
„O Ihr entsetzlicher Bösewicht!" kreisch
te sie. „So war unser Wilm was Vor
nehmes, nicht am Zaune geboren, und ihr
habt ihn um all sein Glück gebracht, ihn
bestohlen ehe er einmal Euch Dieb schel
ten konnte. Fand man ihn mit seinem
Kleidchen und im Schmuck dazu, so hät
te ihn der Herr Amtmann selbst zu sich
genommen, in alle Zeitungen wäre es ge
schrieben, und die armen Eltern halten
sich sicher eingefunden. Jetzt sind es 18
Jahr, und da sind wohl Manche, die ihn
gern wieder hätten, in den schwarzen Ka
sten gelegt. O Wolf, mit Euch kann's
kein gutes Ende nehmen ! Aber Ihr müßt
das Alles selbst dem Wilm bekennn,, und
dem Gericht gestehen, oder ich"
„Weib!" siel der Müller ein und hob
bedeutungsvoll den Finger, nur einen Fin
ger gegen sie auf. Kalt setzte er dann
hinzu: „Hast du vergessen was du gelobt,
Alles was du diese Nacht gesehen und ge
hört, keiner Menschenseele zu vertrauen?
Und ich meine, wenn du und dein elender
Wilm noch länger Lust haben, sich in der
Sonne zu wärmen, so wirst du schon dein
Maul versiegeln."
Zwei starke Schläge geschahen an die
Pforte, und eine fremde Stimme rief
draußen. —„Geh hin, sieh wer da ist,"
flüsterte der Müller, „aber verrathe mich
nicht, daß ich dein Gast bin."
Die Alre ging mir der Lampe, sprach
durch die Thür mit dem Klopfer und kam
bald zurück. „Man will mich in die Bä
renschenke haben," sagte sie. Der Bote
verspricht guten Lohn. Einem Reisenden
ist sicher dort sein Pferd oder sein Hund
krank geworden.
„So geh und rühre dem Thiere ein
Rattenpulver ein, komm aber bald zurück
zu deinem Seelenfreund," antwortete der
Müller noch leiser. „Dein Trank war
gut, ich fühle mich schläferig. Lösch die
Lampe, und schweig, oder ich spiele des
Teufels Rolle und setze dir das Gesicht
in den Nacken." Er bedeckte sich mit der
großen Wolldecke, die alte Ilse suchte ih
ren Medizinkasten hervor, hing einen
Mantel um, löschte die Lampe und verließ
die Hütte dem Boten folgend durch die
Nacht.
Im Wirthshause war indeß der Wund
arzt aus dem Städtchen allein und zu Ros
se angekommen. Der Oberjägermeister
hatte ihn angespornt, und versprochen zu
folgen, sobald die ermüdeten Thiere sei
nes Fuhrwerks geruht hätten und durch
ein gutes Futter gestärkt sein würden.
Unruhig ging der Baron ab und zu, in
deß der Chirurg seine Visitation voll
führte, die Landleute standen handreichend
an dem Krankenlager.
„Ist eine Schande für die ganze Ge
gend/' sagte da ein alter weißhaariger
Bauermeister halblaut zu seinem Nachbar
„daß solch Gesindel mitten zwischen ehr
lichen Leuten gewohnt. Niemand darf
jetzt seinem Nächsten trauen, denn der
scheinheilige Martin nnd der bucklichte
Schweinstecher hatten der Bekannte gar
viele, und man merkt's nun, warum die
Kirche leer stellt wie ein Pesthaus und die
Schenkstube voll wie ein Hochzeitssaal.
Dauert mich nur der arme Junge da, daß
der's ausbüßen mußte. Hat sich herauf
gequält aus dem Sande und Schmutze,
muß von guter Art gewesen sein, daß er
unter der Loofschen Wirthschaft nicht
schlecht geworden. Weiß noch wie heut,
als man ihn fand im Walde, und sah's
dem feinen Knäblein gleich an, daß er
nicht von gemeinem Blut in die Welt ge
setzt, wenn auch Niemand rathen konnte,
wie er in den Baum gekommen.
Der Baron, der gerade hinter den Spr
echer getreten, fragte rasch: „Ihr wäret
dabei, Vater ? Saget, wie war das Kind
gekleidet? Fand man nichts Besonderes
an ihm? Der Bauersmann drehte sich
mürrisch um, als er jedoch den vornehmen
Fremden erkannte, zog er die Mütze und
entgegnete: „Was sollte man finden?
Das Kind lag nackicht wie Adam im Pa.
radiese. Es schien wohl auf ein Schelm
stück abgesehen, denn der Morgen war
winterkalt, und wer das arme Kind hin
gelegt, hatte sich gewiß seiner auf immer
entledigen wollen."
Der Baron verstumnte und ging in
sein Gemach zurück, die Bauern verwun
derten sich gar sehr, wie der Herr von der
Geschichte wisse und warum er so hastig
gefragt. Der Wundarzt begab sich bald
darauf zu dem Baron und stattete ihm
seinen Rapport ab. Dem Diener dessel
ben sprach er das Todesurtheil, des Po
stillions Wunde hielt er nicht für gefähr
lich, nur meinte er, sein Krankenlager
möchte sich in die Länge ziehen. Der Ge
sandte empfing die Nachricht ohne beson
dere Erregung ; er war durch die Aussa
ge der Landleute irre geworden und von
so vielfachen Gefühlen wechselnd bestürmt,
war sein Geist ermattet, und, auf ein
Ruhebett hingestreckt, erwartete er des
Freundes Ankunft, und sein Drang nach
Aufklärung in einer so wichtigen Ange
legenheit schien in stumpfe Geduld über
gegangen.
Jetzt kam die alte Ilse in das Haus.
Die todten Körper auf der Hausflur die
Geschwätzigkeit der Mägde machte sie bald
mit Allem was vorgegangen, bekannt,
und sie wankte an Wilms Bett, und wein
te laut über ihres Lieblings Unglück.
Als aber der Landdragoner sie an den
Laufende Nummer 2S.
fremden Herrn erinnert und gescholten,
daß sie solch Exellenz warten lasse, ging
eine plötzliche Veränderung mit ihr vor;
kerzengerade stand die gekrümmte Grei
sin am Lager auf, ihre Augen funkelten,
wie rothglühende Heerdkohlen, und die
dürren Arme griffen durch die Luft, als
haschten sie nach flüchtigen Schalten.
„Schlaf süß, mein Junge!" sagte sie
mit einer rauhen, seltsamen Stimme.
Mit dem Schlafs ist aller Jammer aus,
und was ist mir die Neige vom Leben,
wenn meine letzte Freude dahin ist ? Aber
der Wolf, der mein gutes Kind zweimal
gebissen soll auch nicht mehr lachen. So
wahr ein Gott ist, er soll nicht mehr lachen
denn er war dabei, er war der Anführer!
Halte dich nur sicher in meiner Grube, du
weißzähniges Raubthier! das Netz schlägt
zu. und dein rother Hahn kräht nimmer
mehr auf meinem Dache!"
Alle wichen ihr aus, wie sie durch die
Lente schritt, einem häßlichen Nacht-Ge
spenste nicht unähnlich. Als der Land
dragoner ihr die Thür geöffnet zum Zim
mer des Barons, sah man nur noch, daß
sie einen Augenblick den fremden hochge
wachsenen Mann anstarrte, und sich dann
vor ihm in die Kniee warf. Der Baron
schloß dann die Thür von innen vor den
Blicken der Neugierde.
Der Oberjägermeister kam indessen zu
rück zur Schenke, und wurde bei seinem
Eintritte einige Zeit durch die Erkundi
gungen nach dem, was während seiner
Abwesenheit vorgefallen beschäftigt. Des
Freundes gedenkend verwunderte er sich
denselben eingeschlossen zu finden, doch
sein Befremden stieg, als jetzt die Zim
merthür geöffnet wurde, der stille, ernste
wortarme Baron in heftiger Gemüthsbe
wegung mit gerötherem Gesicht heraus
trat, die Hirtin, die er an der Hand führ
te, einer Magd zur Pflege befahl, den
Lieutenant in einen Winkel zog und ihm
einige heimliche Worte zuflüsterte die die
ser mit Staunen vernahm, und dann so
gleich hinaus zu seinem Commando eilte.
Der Graf wendete sich mit einer freund
lichen Frage an den Freund, dieser aber
beugte sich zu dem Postillion, und legte
sanft seine Rechte auf die Stirn des ar
men, leidenden Burschen. Dann richtete
er sich rasch auf, fuhr mit der Hand über
die Stirn als besänne er sich jetzt, und
fühle selbst die Seltsamkeit seines Beneh
mens. Zum Grafen sich wendend reichte
er diesem die Hand, doch die Worte man
gelten ihm, und er deutete nur auf des
Wirthes einsames Stübchen, wohin ihm
der Freund auch ohne Aufschub folgte.
„Ihr erschreckt mich lieber Baron,"
nahm der Graf das Wort, als sich Beide
gesetzt. „Ich glaubte Euch im Bett zu
finden, Erhohlung suchend nach dem bö
sen Abenteuer. Aber ich muß fürchten,
die Schrecknisse dieser Nacht sind noch
nicht zu Ende. Reißt mich aus der Pein
und saget, was Euch so ganz aus den
Schranken Eures Benehmens warf, und
Eure ernste, fest barrikadirte Philosophie
in die Luft sprengte."
„Fürchtet, hofft, wie Ihr wollet," siel
der Baron lebhaft ein. Nur schenkt mir
geduldig ein Viertelstündchen, denn ich
muß Euch mit einer langen Erzählung
langweilen, damit Ihr den Rath eines un
befangenen Mannes geben könnt in einer
Sache, die meinen Geist verwirrt, mein
Herz zerfleischt, die alten Narben meiner
Seele aufgerissen, und die mir Freude
und Schmerz zugleich in demselben Becher
darbeut."
„Erzählt Freund," entgegnete der Graf
theilnehmend, „erleichtert Euer Herz, ich
sehe es thut Noth damit. Die frische
Morgenluft hat mich wieder munter ge
macht, und das Leben meiner Zunge soll
meinen Ohren zu gut kommen, daß ich
schweige und nur höre."
Der Baron that einen tiefen Athem
zug, dann begann er folgendermaßen:
„Ich muß eine Zeit herauf beschwören, die
ein grauer Schleier bedeckt hat, die ver
sunken ist gleich einer ärmlichen Hirten-