Der Aibemle Beobachter, Und Berks, Momgomcry und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger, NeaÄ i n S, MNN Gedruckt und berausgegebeu vonArnold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße. Jahrg. 12. ganze Num. (Aus dem Jllustr. Unterhaltungs-Blacte.) Der Postillion Novelle. (Fortsetzung.) Der Baron erschrak, doch faßte er sich sogleich wieder und entgegnete: „Thun Sie ihre Pflicht, Herr Lieutenant, aber befehlen Sie der Wache die zarteste Scho- nung; lassen Sie das Mädchen nicht zur Stadt transportiren, Hausarrest ist hin länglich, sie ist nöthig zur Pflege unserer Blessirten. Ja, ich selbst verbürge mich für das unglückliche Kind, und werde die-! se Nachsicht bei der Behörde selbst vertre-! ten. Sie starren mich verwundert an, und betrachten meinen grauen Kopf ? Nein, Herr Lieutenant, nicht die Galan terie meines Vaterlandes, nicht die Schön heit des Mädchens ist meines Mitleides Ursache. Ein wunderbarer Zufall hat mich versichert, daß die Tochter des Va ters Schuld nicht theilte, daß sie aber vielleicht der wichtigste Zeuge gegen die Spießgesellen des Vaters werden möchte, da dieser von Gottes Hand selbst bestraft worden. Erwarten wir ruhig den Tag, doch bitte ich sogleich einen der Gegend kundigen Reiter nach dem nächsten Dorfe zu senden, und mir die alre Hirtenfrau zu holen." ~Jst die alte Hexe mit im Nest. Sie besitzt Alles, was zu einer Zigeunermutter paßt." „Nicht doch," versetzte der Baron ; ~es ist in meiner Privatangelegenheit. Ich lasse die Frau bitten, sich hierher zu ver fügen, und verspreche ihr eine gute Be zahlung des nächtlichen Weges." Verletzt durch das verweigerte Vertrau en, verbeugte sich der Offizier und sagte im Diensttone: Euer Exellenz Befehle sollen befolgt werden. In der Hütte der alten Ilse war indeß die einförmige Ruhe, die sonst nur durch das Aechzen der Gichtbrüchigen gestört zu werden pflegte, ebenfalls auf eine unge wöhnliche Weise unterbrochen worden. Die Alte litt an ihrem Reißen und schlief nicht, hatte die Lampe wieder angezündet und kochte sich einen Hollundertrank, und hörte darum schnell ein leises Klopfen an ihrer Thür, und die Bitte um Einlaß, als sie nach dem Klopfer gefragt. Ihre Ar muth schützte sie vor Argwohn und Furcht, und neugierig hinkte sie zur Thür, fuhr jedoch zurück, als der bekannte Müller Wolf eintrat, und die Thür hinter sich schloß, auch den Riegel sorgsam vorschob. Verwundert sah sie ihn an, wie er erhitzt und schwer athmend vor ihr stand in sei ner riesigen Gestalt, mit einem Sacktuche die Hälfte seines Gesichts verhüllt hielt, und mit dem einen freien Feuerauge, eu nem grimmigen Cyclopen ähnlich, das Innere der Hütte musterte. „Ich bedarf Eurer, Mutler," sprach der wilde Mensch mit abgestoßenen Tönen doch mit erzwungener Freundlichkeit. „Seid Ihr doch bekannt, als der kundig ste Wundarzt bei Menschen und Vieh, und dem dummen Dorfbader darum ein Dorn im Auge. Vergeßt Euer Zipper lein und schafft mir Hülfe, denn der Höl lenschmerz macht mir den Weg bis zur Mühle unmöglich."—Zugleich warf er einen harten Thaler auf den Tisch, und setzte sich auf die Ofenbank. Die Alte stellte, so rasch wie es ihr möglich, die Lampe hin, und antwortete kopfnickend: „Jedermann helfen, der in Nöthen ist, Freund oder Feind, Guten oder Bösen, ist. Christenpflicht. Sagt mir nur, wo's fehlt, mit Gott und des Himmels Segen hat die alte Ilse schon Manchem geholfen." „Meinetwegen helft in des Teufels namen," versetzte der wilde Mann, „wenn nur geholfen wird. Auf dem Heimwe ge von der Kindtaufe beim Bäcker Fleisch in Stein bin ich gestürzt im Walde, und ein Baumstumpf ist mir in s Auge gefah ren. Am Bache habe ich's gewaschen, aber der Schmerz ist gräßlich und sticht mir das Hirn entzwei. Da seht selbst, und thut das Beste daran, Ihr wißt, der Mül- ler Wolf zahlt gut wenn man ihm dient." „Sündenlohn!" murmelte die Alte, „doch das Gewissen macht das schwere Geld nicht leicht. Habt gewiß wieder einmal des Guten zu viel genossen," setzte sie laut hinzu. „Der reiche Bäcker bäckt klein für die Armen, damit er den Gästen theu ren Wein vollauf eingießen kann. Welt lauf, wer schmiert, fährt gut. Aber um Jesus, was ist mir das? Wolf, das Au ge schasst Euch Niemand mehr, das ist ausgeflossen und todt, als hätte Jemand eine Gabel hineingebohrt." „Satan," knirschte der Müller, „ja die Peitschenschnur traf auch wie eine Na del, aber ich zahle den verdammten Buben dafür." „Was sagt Ihr da?" fragte die Alte. „Redet Ihr im Fieber, und wie kamen die schwarzen Flecken in's Gesicht? Um Jesus, das wird doch nicht schon der Brand sein und ihr stürbt mir hier. Nein die Cur übernehme ich nicht, will zur Nach barin gehen, daß ihr Sohn sattelt und den Stadtdoctor herbeischafft." Der Müller fuhr in die Höhe und pack te die Hirtin bei ihrem Wollrocke. „Bleib verdammtes Weib," rief er in Wuth, oder ich erwürge dich auf dem Fleck! Ich will keinen Doctor, ich will keinen Lärm um die Kleinigkeit, das Schwarze kennst du aus deiner Küche, denn ich stürzte ja dicht am Kohlenschachte. Hole deine Salben und verbinde mich, habe ich zwei Stunden Ruhe, so finde ich mich schon heim, und sprichst du ein Wort, daß ich bei dir ge wesen, so setze ich' den rothen Hahn auf dein Strohdach, und lasse dich lebendig zum Teufel fahren." Die Alte bebte zusammen und ging still zu ihrem Schranke, nahm die ver wahrten Kühlmittel heraus und machte einen lindernden Umschlag, hieß dann den Kranken sich niederlegen, und schob ihm mit Sorgsamkeit selbst die ärmlichen Pol ster ihres Bettes unter. Von 'Mohn köpfen bereitete sie dann am Heerde ei nen Trank, und fragte, als sie damit zu rückkam, zaghaft nach seinem Befinden. Der Müller reichte ihr, nachdem er ge trunken, seine Hand. „Nichts für un gut, Mütterchen, der Schmerz macht wild und ich Hab's nicht so gemeint, wie ich sprach. Euer Verband ist gut, mag das Auge der Teufel holen, man sieht mit ei nem noch genug des Aergerlichen in der Lumpenwelt; der Schmerz läßt nach und ist Eure Hand nicht mehr so weich und rund wie damals, als wir manchen Sprung auf dem Freischießen gethan, und ich Euch in der Bleicherhülte besuch te, sie thut noch eben so wohl, und hat vas Sreicheln nicht verlernt." Die Alte entzog ihm die Hand und drehte sich weg von ihm. „Gott vergebe uns unsere Sünden?" seufzte sie. „Was seid Ihr für ein Mensch, Wolf, und wer kann mitten in solcher Nacht und solchem Unglück sich an solche Sachen erinnern? Ihr wäret ein schlimmer Bursch von früh auf. Laßt ruhen was geschehen. Bei mir ist die Strafe früh gekommen, und Ihr habt nichts gethan, Eure Lüge und Eure Schuld an mir gut zu machen." „Verschafft ich dem LoofS nicht den gu ten Hirtendienst ?" fragte der Müller mit höhnischer Freundlichkeit. „War ich's nicht der Euch den Findling zuwandte, welcher Euch so schönes Geld aus der Gemeinde kasse brachte?" Die Alte drehete sich wieder rasch zu ihm, und sah ihn mit ihren trüben Augen recht durchdringend an. „Eben traf Got tes Hand Euch," sagte sie, „und Ihr mö get Euch aller Sünden rühmen? Habt Ihr denn allein in der Welt gar kein Ge wissen ? Das arme Liebeskind, den Wilm schobt Ihr auch der Gemeinde auf den Beutel und mir in den Schooß. Ihr hättet besser gethan, ihn in Eurer Müh le zu behalten, um ihn von Eurem eige nen Gelde aufzuziehen. Aber wer weiß, ob es dann so ein schmucker Bursch ge worden wäre, fromm und gut, daß alle "Tvillig zu loben und okne Furcht zu tadeln." Dienstag den 18. Februar, 15» I Welt an ihm eine Freude hat." „Den Wilm, den Postknecht?" fragte der Müller finster und wild. „Die Höl le hat ihn überall in meinen Weg gewor fen und Niemand ist mir so verhaßt wie er. O daß ich so ein Schwächling war, und dem Wurm nicht das Genick abstieß, als er im Baumloche winselte." „Also gesteht Jhr's endlich, was ich schon längst glaubte? So seid Ihr des Wilms Vater?" entgegnete hastig und im frohen Tone die Alte. Nun das ist ein Zeicheu der Neue; so werdet Ihr doch von jetzt an des verstoßenen Sohnes ge denken, und wenn's an's Sterben geht für ihn sorgen, da Ihr doch keine Erben habt." „Welch ein Tollwurm sticht die alte Hexe wieder?" fuhr der Müller ingrim mig auf und hob die Faust. „Ich bin des Postknechts Vater? Da wollte ich ja lieber mich selber in's brausende Mühlrad stürzen, ehe ich den Buben für meinen Sohn ansähe und traetirte." „Nun, Ihr sagtet ja eben selbst, Ihr hättet ihn im Baumloche gewußt, ehe die Andern hinzukamen." stotterte die Alte erschrocken. Der Müller legte sich von neuem Schmerz gefoltert wieder auf das Lager zurück. „Habe ich's gesagt ?" fragte er verächtlich. „So will ich's auch nicht läugnen vor dir, du jämmerli ches Wesen, deren Zunge die Furcht ge bunden hält, ja, ich sah den Buben eher als Jemand vor uns. Von einer Wald streiferei zurückkehrend hörte ich ein Kind weinen, ging dem Tone nach und fand es in dem hohlen Banme. Es trug ein fei nes Kleidchen, ein Spitzenmützchen, und dazu hing an seinem Halse eine zarte Goldkette und an dieser hing ein kleines silbernes Kruzifix mit ächten Steinen be setzt. Die Steine blitzten mir ins Auge, denn eben ließ sich die Sonne am Berge sehen, mit den feinen Kleidern konnte ich die schöne Marie erfreuen, die eben in meiner Mühlkammer ein Töchterlein ge boren. So nahm ich das Kind aus dem Baume, gab ihm einen Trunk aus mei ner Flasche, entkleidete es und legte es wieder an seinen Platz. Der tüchtige Trunk hatte es ruhig gemacht, und ich meinte, der kalte Herbstmorgen, der mich selber schüttelte, würde dem Wurm schon hinüber helfen, und ihm alles kommende Weh ersparen. Die Holzhauer hatten es lebendig gefunden, als ich vier Stun den später hinzu kam. Nesseln vertilgt man nicht leicht, und diese verfluchte Nes sel hat mich tüchtig gebrannt für mein schlecht angebrachtes Mitleid." Die Alte schlug die dürren Arme vor Erstaunen über dem Kopf zusammen. „O Ihr entsetzlicher Bösewicht!" kreisch te sie. „So war unser Wilm was Vor nehmes, nicht am Zaune geboren, und ihr habt ihn um all sein Glück gebracht, ihn bestohlen ehe er einmal Euch Dieb schel ten konnte. Fand man ihn mit seinem Kleidchen und im Schmuck dazu, so hät te ihn der Herr Amtmann selbst zu sich genommen, in alle Zeitungen wäre es ge schrieben, und die armen Eltern halten sich sicher eingefunden. Jetzt sind es 18 Jahr, und da sind wohl Manche, die ihn gern wieder hätten, in den schwarzen Ka sten gelegt. O Wolf, mit Euch kann's kein gutes Ende nehmen ! Aber Ihr müßt das Alles selbst dem Wilm bekennn,, und dem Gericht gestehen, oder ich" „Weib!" siel der Müller ein und hob bedeutungsvoll den Finger, nur einen Fin ger gegen sie auf. Kalt setzte er dann hinzu: „Hast du vergessen was du gelobt, Alles was du diese Nacht gesehen und ge hört, keiner Menschenseele zu vertrauen? Und ich meine, wenn du und dein elender Wilm noch länger Lust haben, sich in der Sonne zu wärmen, so wirst du schon dein Maul versiegeln." Zwei starke Schläge geschahen an die Pforte, und eine fremde Stimme rief draußen. —„Geh hin, sieh wer da ist," flüsterte der Müller, „aber verrathe mich nicht, daß ich dein Gast bin." Die Alre ging mir der Lampe, sprach durch die Thür mit dem Klopfer und kam bald zurück. „Man will mich in die Bä renschenke haben," sagte sie. Der Bote verspricht guten Lohn. Einem Reisenden ist sicher dort sein Pferd oder sein Hund krank geworden. „So geh und rühre dem Thiere ein Rattenpulver ein, komm aber bald zurück zu deinem Seelenfreund," antwortete der Müller noch leiser. „Dein Trank war gut, ich fühle mich schläferig. Lösch die Lampe, und schweig, oder ich spiele des Teufels Rolle und setze dir das Gesicht in den Nacken." Er bedeckte sich mit der großen Wolldecke, die alte Ilse suchte ih ren Medizinkasten hervor, hing einen Mantel um, löschte die Lampe und verließ die Hütte dem Boten folgend durch die Nacht. Im Wirthshause war indeß der Wund arzt aus dem Städtchen allein und zu Ros se angekommen. Der Oberjägermeister hatte ihn angespornt, und versprochen zu folgen, sobald die ermüdeten Thiere sei nes Fuhrwerks geruht hätten und durch ein gutes Futter gestärkt sein würden. Unruhig ging der Baron ab und zu, in deß der Chirurg seine Visitation voll führte, die Landleute standen handreichend an dem Krankenlager. „Ist eine Schande für die ganze Ge gend/' sagte da ein alter weißhaariger Bauermeister halblaut zu seinem Nachbar „daß solch Gesindel mitten zwischen ehr lichen Leuten gewohnt. Niemand darf jetzt seinem Nächsten trauen, denn der scheinheilige Martin nnd der bucklichte Schweinstecher hatten der Bekannte gar viele, und man merkt's nun, warum die Kirche leer stellt wie ein Pesthaus und die Schenkstube voll wie ein Hochzeitssaal. Dauert mich nur der arme Junge da, daß der's ausbüßen mußte. Hat sich herauf gequält aus dem Sande und Schmutze, muß von guter Art gewesen sein, daß er unter der Loofschen Wirthschaft nicht schlecht geworden. Weiß noch wie heut, als man ihn fand im Walde, und sah's dem feinen Knäblein gleich an, daß er nicht von gemeinem Blut in die Welt ge setzt, wenn auch Niemand rathen konnte, wie er in den Baum gekommen. Der Baron, der gerade hinter den Spr echer getreten, fragte rasch: „Ihr wäret dabei, Vater ? Saget, wie war das Kind gekleidet? Fand man nichts Besonderes an ihm? Der Bauersmann drehte sich mürrisch um, als er jedoch den vornehmen Fremden erkannte, zog er die Mütze und entgegnete: „Was sollte man finden? Das Kind lag nackicht wie Adam im Pa. radiese. Es schien wohl auf ein Schelm stück abgesehen, denn der Morgen war winterkalt, und wer das arme Kind hin gelegt, hatte sich gewiß seiner auf immer entledigen wollen." Der Baron verstumnte und ging in sein Gemach zurück, die Bauern verwun derten sich gar sehr, wie der Herr von der Geschichte wisse und warum er so hastig gefragt. Der Wundarzt begab sich bald darauf zu dem Baron und stattete ihm seinen Rapport ab. Dem Diener dessel ben sprach er das Todesurtheil, des Po stillions Wunde hielt er nicht für gefähr lich, nur meinte er, sein Krankenlager möchte sich in die Länge ziehen. Der Ge sandte empfing die Nachricht ohne beson dere Erregung ; er war durch die Aussa ge der Landleute irre geworden und von so vielfachen Gefühlen wechselnd bestürmt, war sein Geist ermattet, und, auf ein Ruhebett hingestreckt, erwartete er des Freundes Ankunft, und sein Drang nach Aufklärung in einer so wichtigen Ange legenheit schien in stumpfe Geduld über gegangen. Jetzt kam die alte Ilse in das Haus. Die todten Körper auf der Hausflur die Geschwätzigkeit der Mägde machte sie bald mit Allem was vorgegangen, bekannt, und sie wankte an Wilms Bett, und wein te laut über ihres Lieblings Unglück. Als aber der Landdragoner sie an den Laufende Nummer 2S. fremden Herrn erinnert und gescholten, daß sie solch Exellenz warten lasse, ging eine plötzliche Veränderung mit ihr vor; kerzengerade stand die gekrümmte Grei sin am Lager auf, ihre Augen funkelten, wie rothglühende Heerdkohlen, und die dürren Arme griffen durch die Luft, als haschten sie nach flüchtigen Schalten. „Schlaf süß, mein Junge!" sagte sie mit einer rauhen, seltsamen Stimme. Mit dem Schlafs ist aller Jammer aus, und was ist mir die Neige vom Leben, wenn meine letzte Freude dahin ist ? Aber der Wolf, der mein gutes Kind zweimal gebissen soll auch nicht mehr lachen. So wahr ein Gott ist, er soll nicht mehr lachen denn er war dabei, er war der Anführer! Halte dich nur sicher in meiner Grube, du weißzähniges Raubthier! das Netz schlägt zu. und dein rother Hahn kräht nimmer mehr auf meinem Dache!" Alle wichen ihr aus, wie sie durch die Lente schritt, einem häßlichen Nacht-Ge spenste nicht unähnlich. Als der Land dragoner ihr die Thür geöffnet zum Zim mer des Barons, sah man nur noch, daß sie einen Augenblick den fremden hochge wachsenen Mann anstarrte, und sich dann vor ihm in die Kniee warf. Der Baron schloß dann die Thür von innen vor den Blicken der Neugierde. Der Oberjägermeister kam indessen zu rück zur Schenke, und wurde bei seinem Eintritte einige Zeit durch die Erkundi gungen nach dem, was während seiner Abwesenheit vorgefallen beschäftigt. Des Freundes gedenkend verwunderte er sich denselben eingeschlossen zu finden, doch sein Befremden stieg, als jetzt die Zim merthür geöffnet wurde, der stille, ernste wortarme Baron in heftiger Gemüthsbe wegung mit gerötherem Gesicht heraus trat, die Hirtin, die er an der Hand führ te, einer Magd zur Pflege befahl, den Lieutenant in einen Winkel zog und ihm einige heimliche Worte zuflüsterte die die ser mit Staunen vernahm, und dann so gleich hinaus zu seinem Commando eilte. Der Graf wendete sich mit einer freund lichen Frage an den Freund, dieser aber beugte sich zu dem Postillion, und legte sanft seine Rechte auf die Stirn des ar men, leidenden Burschen. Dann richtete er sich rasch auf, fuhr mit der Hand über die Stirn als besänne er sich jetzt, und fühle selbst die Seltsamkeit seines Beneh mens. Zum Grafen sich wendend reichte er diesem die Hand, doch die Worte man gelten ihm, und er deutete nur auf des Wirthes einsames Stübchen, wohin ihm der Freund auch ohne Aufschub folgte. „Ihr erschreckt mich lieber Baron," nahm der Graf das Wort, als sich Beide gesetzt. „Ich glaubte Euch im Bett zu finden, Erhohlung suchend nach dem bö sen Abenteuer. Aber ich muß fürchten, die Schrecknisse dieser Nacht sind noch nicht zu Ende. Reißt mich aus der Pein und saget, was Euch so ganz aus den Schranken Eures Benehmens warf, und Eure ernste, fest barrikadirte Philosophie in die Luft sprengte." „Fürchtet, hofft, wie Ihr wollet," siel der Baron lebhaft ein. Nur schenkt mir geduldig ein Viertelstündchen, denn ich muß Euch mit einer langen Erzählung langweilen, damit Ihr den Rath eines un befangenen Mannes geben könnt in einer Sache, die meinen Geist verwirrt, mein Herz zerfleischt, die alten Narben meiner Seele aufgerissen, und die mir Freude und Schmerz zugleich in demselben Becher darbeut." „Erzählt Freund," entgegnete der Graf theilnehmend, „erleichtert Euer Herz, ich sehe es thut Noth damit. Die frische Morgenluft hat mich wieder munter ge macht, und das Leben meiner Zunge soll meinen Ohren zu gut kommen, daß ich schweige und nur höre." Der Baron that einen tiefen Athem zug, dann begann er folgendermaßen: „Ich muß eine Zeit herauf beschwören, die ein grauer Schleier bedeckt hat, die ver sunken ist gleich einer ärmlichen Hirten-