Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, February 04, 1851, Image 1

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    Und Berks, Momgomcry und Schuylkill Caunries allgemeiner Anzeiger
ZK eavi n g, Penn. Gedruckt und herausgegeben vonA r nold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und CKesttUt' Straße.
Jahrg. 12, gan;e Nnm. ;?»2.
<A»S dem Jllnstr. Untei Haltungs-Blatte.)
Der Postillion
Novelle.
(Fortskpun.q.)
Vor dem Posthause zu M. hielt eine
stattliche Reisekalesche. Das frisch vor
gelegte Doppelpaar wohlgepflegter Heng
ste schnob ungeduldig und sog die kühle
Abendluft begierig ein, und der Post
knecht lehnte schon am Sattelgaule, die
lange Peitsche in der Hand, indeß der
Wagenmeister aus seiner schmutzigenßüch
je noch die Wagenräder tränkte, und da
bei neugierig nach dem in Gold und bun
ten Farben gemalten Wappen schielte,
welches von der Wagenthür herab trotz
der Dämmerung zu seinen Augen herüber
schimmerte.
Eine Staffelte trabte jetzt auS dem
Thorwege des Posthauses heraus, und
an der Extra vorbei reitend rief der alte
steife Postknecht dem jungerfPostillion zu :
„Komm glücklich nach, Kamerad! Ich
will Quartier bestellen."—„Fritz auf ein
Wort!" rief plötzlich der auS seiner Ru-
he erwachende Postillion, und war mit -
zwei Schritten neben dem weilenden
fettenreiter. „Wenn du im weißen Bär I
vorkehrest, so grüße mir heimlich die Jung- j
fer vom Hause, und sprich ;u ihr, über
morgen wäre die Woche zu Ende, und sie
möchte das wohl bedenken."—„Schelm !"
lachte der alte Reiter. „Nun ich weiß ja
Bescheid, und gönne dem jungen Volke,!
was ich selbst gehabt. Soll richtig ab-
gegeben werden." —Dahin trabte er und
der Postillion sah ihm trübsinnig nach,
und ging dann wieder zu seinen Pferden
zurück, nahm die Zügel und klatschte meh
rere Male mir der kräftigen P.itsche durch
die Luft, w.ßhalb die unruhigen, doch gut
gezogenen Thiere zusammenschössen, die
Köpfe geradeaus stellten und sich fest an
einander schlössen, wie vernünftig zur Ab
fahrt sich bereitend.
„Mußt schon Geduld haben," sprach
der Wagenmkister an ihm vorübergehend,
„hast lustige Passagiere, die eben noch die
zweite Flasche Champagner knallen ließen.
Aber vornehm sind sie, und hau nur tüch
tig darauf los, in der Nacht thut ein bis
chen Schweiß den Gäulen nichts, und
solche Herren fliegen gern über das Pfla
ster hin, stößt'S tüchtig, schüttelt's ihnen
den vollen Magen zurecht, und macht'S
Hirn wieder nüchtern. Drei blanke Gul
den geb ich dir für s Trinkgeld."
Der Postillion antwortete nicht, mach
te auch kein fröhlich Gesicht dabei, wie
seines Gleichen wohl zu thun pflegen bei
solcher Prophezeiung. Nach einer Wei
le trat der Livreejäger aus der Thür des
Posthauses, öffnete den Wagenschlag und
ihm folgten bald Reisenden von dem
Postmeister bekompUmentirt. Beide wa
ren Männer von gereiftem Alter, doch
schien der Größere einige Jahre älter
durch die große, haarlose Stirn, welche
sich nach hinten in eine Glatze verlänger
te, die von einem dichten Kranze seiner,
fast schon silbergrauer Haare umgeben
war, und die der Fremde bei dem Heraus
treten in die Abendluft mit einem runden
purpurfarbenen Sammetkäppchen bedeck
te. Als sie sich zum Einsteigen bereite
ten, trat der Andere, der einen feinen
Jagdüberrock trug, zuvor an die Pferde.
„Schöne Thiere. Postmeister," sagte er
mit Lebhaftigkeit und leichter Zunge, „da
sitzt fremdes Blut in HalS und Fuß.
Aber Schwager, du bist noch so ein jun
ges Bürschchen, und unterstehst dich solch
muthigen Postzug zu commandiren, und
dazu durch die Nacht, und all ihren Sa
tansspuk?"— Der Postillion zog respekt
voll seinen Hut, als er sich aber zur schul
digen Antwort gegen die Herren wandte,
traf sein Auge auf den größeren Fremden
und das imposante Aeußere desselben, das
bleiche edle Angesicht, gehoben durch das
Schwarze seiner Kleidung, unter welcher
Orden sichtbar funkellen besonders aber
das dunkle, auffallend große Auge, wel»
cheS über die gebogene Nase blitzte, und
starr auf ihm zu hafte« schien, drückte
das freie Wort, das ihm schon auf den
Lippen schwebte, zurück. Der Postmei
ster säumte nicht an seiner Statt zu spre
chen.
„Ich stehe für ihn, Herr Oberjäger-
Meister," sagte er devot, in meinem Stal
le gibts keinen sicherern Kutscher und kei
nen bessern Hornbläser. Ich wette er
lenkt die zwölf königlichen Isabellen durch
alle Querstraßen der Residenz so kunstge
recht, wie der königliche Stallmeister und
würde im Hoforchester, wo man die Horn
duoS besonders lieben soll, seinem Platze
Ehre machen. Wollen Sie die Nacht
im Wagen wach bleiben, um sich an den
Gespensterformen des Fichtenwaldes zu er
götzen, so bläset er mir seiner Radawats
ka oder Tiroler Hopser Ihnen jedes Mor
pheuekorn vom Auge; wünschen Sie in
der Wagenecke zu schlummern, so dürfen
Sie nur befehlen, und das preußische
Mantellied oder „schlafe mein Prinzchen"
und andere melodische AdagioS werden
wie sanfte Opiate Sie zur Ruhe fördern."
„Also ein wahres Postillion Genie!"
lachte der adelige Nimrod. „Aber wir
sind ja bei Ihnen, Postmeisterchen, immer
an das Besondere gewöhnt. Gute Pfer
de, rascheßeförderung, höflichen Empfang
billige Zeche kenne ich in ihrem Hause seit
zwanzig Jahren, welche man auf hundert
Meilen weit bei Ihresgleichen oft verge
bens sucht. Nun mein junger Schwager
fahre brav und vorsichtig, damit wir mor
gen in der Residenz nicht mit geschunde
nen Nasen und blankgeschlagenen Augen
der Hof Fete Schande machen, und blase
lustige Weisen, damit wir die Molestien
und Unhöflichsten der Gebirgsstraße
Möglichst vergessen, und vok rundwadigen
Ballettänzerinnen träumen können."
Der Postillion setzte den Fuß in den
Bügel, und schwang sich so leicht in den
Sattel, als hätte er eS auf der Pariser
Reitbahn gelernt, so daß die Passagiere
ihm Beifall zunickend, ohne fernere Sor
ge in ihre Kalesche stiegen. Der Livree
jäger bestieg den Kutschbock, lehnte seine
Büchse zwischen die Knie, und die ange
klatschten Hengste zogen im raschen Tra
be den Wagen über das rauhe Pflaster
des Städtchens in das Freie hinaus.
Die Nacht stieg langsam auf, sternen
klar und still. So lange daS letzte schwa
che Licht in Westen die Gegenstände er
kennbar machte, schauten die Reisenden,
Jeder für sich in einzelne Betrachtungen
versenkt, aus dem nur halbbedeckten Wa
gen auf die Gegend hinaus, die zu den
schönsten Deutschlands gehörte, und im
steten Wechsel der herrlichen Höhen und
lachenden Thäler dem Auge die manigfal
tigste Ergötzung darbot. Als aber der
neidische Schleier der Nacht die Schönhei
ten der Natur verhüllte, lehnten beide sich
bequem in den Wagen zurück, und der
sanguinische Oberjägermeister unterbrach
die Schweigsamkeit gar bald.
„Sind Sie zufrieden mein sinstererßa
ron, mit unserm Postillion ?!' fragte er.
„Was mich betrifft, so muß ich bekennen,
daß ich dem Postmeister eine Abbitte zu
thun habe. Ich hielt seine Lobrede auf
den jungen Menschen für einen windigen
Posaunenstvß, mit welchem die Herren an
den Heerstraßen gar zu gern die Klagen
und Besorgnisse der Passagiere zu über
täuben suchen. Sein Wort war eine
Wahrheit, und die Fertigkeit des Bur
schen auf diesen bergichten, nicht gefahr
losen Wegen verdiente einen ehrenvoller»
Posten, und wüßte ich, daß er frei wäre
von den Gewohnheits Untugenden seines
Standes, dem Dienste des Bachus und
der Göttin Pandemos, möchte ich ihn dem
Oberstallmeister empfehlen."
„Aber Sie antworren nicht, Baron!"
plapperte er nach kurzer Pause Weiler.
„Je länger wir mit einander reisen, je
mehr seit Ihr in sichtlicher Melancholie
versunken, und die Residenz wird Ihr Va
terland nicht an Ihnen zu erkennen ver
mögen. Ueberlassen Sie den Spleen je
nen Söhnen dtö überseeischen Jnsellandeö
"IVlllig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den «. Febrnar, IBSI.
iu deren Adern der schwere Porter und
nicht der göttliche Geist des Ehampagners
moussirt. Gedenken Sie der schönen Ta
ge, die wir vor zwei Decennien unter eben
diesem Himmel am Hofe des galantesten
aller Konige verlebten, gedenken Sie der
Freuden und Abenteuer, welche wir theil
ten, und bringen Sie diesem Lande einen
freundlichen Wiedersehens Gruß in der
Erinnerung an die schöne Jugendzeit,
welche für unS freilich nicht wiederkehrt."
„Ich gedenke!" antwortete der Baron
sehr ernst und fast eintönig. „Ich füh
le, daß sie nicht wiederkehren kann, daß
sie dahin ist, und darum ist meine Zunge
gelähmt, meine Brnst beklommen. Wohl
habe ich diese Gegend wieder erkannt, und
alte Wunden bluten neu, wie des Mör
derS Nähe der Leiche seines Opfers fri
sche Blutstropfen entlockt."
~Sie wählen grausige Bilder, lieber
Freund" siel der Qberjägermeister lebhaft
ein. „Wäre ich kein Waidmann, so wür
de mir solch Nachtgespräch Herzklopfen
machen, denn die Fichten dort sehen einer
Horde schwarzer Jäger sehr ähnlich, und
jene einzelne Eiche mit den abgestorbenen
Unterzweigen ähnelt einem Riesen, der
gleich der bekannten strafenden Schloß
jungfrau seine zerschneidenden Arme nach
unS ausbieitet.
„Verzeihen Sie mir. Graf, wenn ich
ihren guten Humor trübe, aber ich kann
nicht anders," antwortete der Baron nicht
ohne Schärfe. ..Als ich diese Berge zu
letzt sah—o hätte ich sie nie gesehen, nie
mein liebes Vaterland verlassen! —Als
ich diese Berge zuletzt sah, saß meine theu
re Hortense an meiner Seite."
Der Baron sprach die letzten Worte
mir so schmerzlichem Ausdrucke, daß sein
Nachbar, von dem Gewicht derselben er
griffen. vergebens nach einer Erwiederung
suchte, und verstummend in die Nacht
hinaus starrte. Der Baron fühlte den.
Vorwurf, welchen er unwillkührlich dem
Freunde gemacht, und fuhr nun selbst
gutmachend zu reden fort. „Meine Hör
tense kam, wie Sie wissen, von dieser letz
ten Reise auf Deutschlands Boden krank
in der Heimarb an, und nur der wohl
thätige Tod heilte sie von dieser Krank'
heit. O Freund was der rasche Flug
der Weltgeschichte, was der heimliche
Kampf der Intriguen des Hofes mich
hatte vergessen machen, ist Alles wieder
hell und schneidend geworden, und selbst
der Postillion, der Ihr Interesse so schnell
und seltsam zu gewinnen wußte, hat mei
ne Seele verwundet, denn er ähnelt im
Wüchse und in den Gesichtszügen auffal
lend meinem Henry, der bei Algier viel
leicht in dieser Nacht von den krummen
Säbeln arabischer Horden bedräuet wird."
„Hören Sie, Baron !" entgegnete der
Graf rasch, um dem ihn ineommodiren
den Trauertexte eine andere Richtung zu
geben. „Der Bursch hat ein feines Ge
hör, ist galant gegen Sie und will seiner
Aenlichkeit Ehre machen. Er bläset die
Marseillaise trefflich, und das Echo accom
pagnirt ihn echt romantisch."
„Doch was wird das ?" rief der Ba
ron, indem sie eine Weile gehorcht, und
stellte sich mit Aengstlichkeit hoch auf im
Wagen. „Warum verstummt das Horn
so plötzlich? Was ist mit den Pferden!"
Francois, herab, es gibt ein Unglück!—
Wilm hatte seit dem Abschiedsmorgen
gar traurige Tage verlebt. Gewissens
bisse quälten ihn, und seine Seele war so
bedrückt, als hätte er selbst jene Mord;
that begangen. Aber bald wurde diese
Qual von einem noch größeren Schmerze
betäubt. Er hatte sich von seinein Mäd
chen losgerissen für immer, er mußte ihr
entsagen, denn wenn sie auch den Vater
zur Flucht in ein fremdes Land bewog,
konnte er ihr folgen? hätte er ruhig,
glücklich sein können in der Nähe deS
Mordgesellen ? Und das war der Schenk
wirth, wenn er auch nicht selbst Hand an
gelegt er hatte die That gewußt, hatte
Wacht gestanden, ohne seine Mitwissen
schaft würden die Bösewichter nimmer so
dreist in der Blutnacht gewirthschaftet ha
ben. Tiefste Finsterniß lag anf dem
Geiste deS guten Bnrschen, all sein Hof
fen anf LebenSglück war in jener Nacht
begraben worden mit dem unglücklichen
Tom, denn er hatte die schöne Line wahr
haft geliebt, und sie war seine erste, ein
zige Liebe gewesen ; diese Liebe war die
Sonne seines Daseins geworden, war ge
keimt in seinem Knabenalter, war gereift
in dem Jüngling, sie gehörte zu seinem
Wesen, wie Luft und Licht schien sie sei
ner Existenz unentbchrlich. MehrereMa--
le kam ihm der sündige Gedanke, diese
Qual schnell zu enden im rauschenden Flus
se oder im verschwiegenen See, aber er
trug reine Gottesfurcht im Busen, und
der frühe Umgang mit dem frommen
Mädchen hatte den leichtfertigen Trotz
und die wüste Heftigkeit der Menschen
seines Alters und Standes abgeschliffen,
ehe sie sich festgesetzt als gefährlicher, im
mer wachsender Giftkeim.
Er verlor alle seine Munterkeit, schlich
wie ein bleicher Träumer an seine Geschäf
te, und hätte der strenge Ordnungssinn
des Postmeisters, die Furcht vor seinen
Verweisen ihn nicht gewaltsam aufrecht
erhalten, krank wäre der vom Geiste aus
zerrüttete Körper zusammengebrochen.
Als er den Befehl zu dieser Fahrt em
pfing, sträubte sich sein innerstes Gefühl
dagegen, und er sprach den Wunsch aus
mit einem Kameraden zu tauschen, doch
der Postmeister, der so gut er sonst mit
' seinen Leuten umging nie die Regel än
derte oder einen Befehl zurück nahm, und
dem heute gerade die Ehre seines Stalles
vor einem der ersten Hofherren seines
Fürsten am Herzen lag, wiederholte den
Befehl, und der arme Bursch, vom Ge
fühle seiner Schuld gegen den Wohlthä
ter eingeschüchtert, schirrte die Hengste
an und nahm mit Ergebung in sein Ge
schick die Zügel. Auf der ersten Hälfte
des Weges gelang es ihm, seiner Gedan
ken Herr zu werden, indem die muthigen
Thiere ihm zu schaffen machten, als je
doch die Straße jetzt hügeliger wurde, die
dampfenden Rosse geduldiger seiner Lei
tung und seiner Peitsche gehorchten, als
jetzt die bekannten Holzwinkel und Berg
spitzen seiner Heimath aus dem Dunkel
hervorstiegen, als er dort fern sogar den
Lichtschein aus dem Hause, wo die Gelieb
te weinte, zu erblicken vermeinte, und als
er sich dachte, wie fremd und verstoßen
er vor der bekannten Thür vorbei traben
müsse, da fuhr es ihm wie sengende Blit
ze durch das Herz und Hirn, und sich zu be
täuben blies er den täuschendsten Kriegs
marsch den er kannte, in sein Horn.
Langsam ging es bergauf, und er hatte
dem Vorderspann die Zügel nachgelassen,
da gewahrte er plötzlich eine fremde Ge
stalt mitten vor den Pferden, die aus dem
Boden gewachsen schien. Er sah, wie
der Nachtmensch die vorder» Hengste kräf
tig bei den Zügeln packte, gewaltsam zur
Seite riß, so daß ihre Köpfe seinem Sat
tel ganz nahe kamen. Ein weißer Kittel
deckte den ungezogenen Störenfried, sein
Gesicht war schwarz wie ein Mohrenant
litz, und als er jetzt kaum zwei Schritte
von ihm den Arm dräuend gegen ihn aus
streckte nnd mit einer dumpfen Stimme
rief: „Keinen Lant, Schwager, und her
unter vom Sattel, oder der Teufel holt
Dich ohne Gnade!"—Da fuhr er zusam
men wie vom lähmenden Wetterstrahle
getroffen, denn er kannte die Stimme, er
erkannte im Sternenlichte die stämmige,
jetzt noch riesiger scheinende Gestalt.
Indessen waren hinter ihm die Passa
giere in keinen geringern Schrecken ge
worfen worden. So wie der Wagen
hielt, stürzte ein halbes Dutzend verdäch
tiger Waldmenschen aus dem Busche, der
zu beiden Seiten die Heerstraße einzäun
te, gegen die Kalesche, und ihr unverständ
liches Gebrüll ließ über ihre böse Absicht
keinen Zweifel übrig. Die beiden Rei
senden waren im Wagen d rinnen aufge
sprungen, doch die Ueberraschung schien
ihnen die Besonnenheit für einen Augen-
Laufende Nnmmer 2S
blick genommen zu haben und der Anblick
mehrerer blinkender Flintenlä'ufe warf sie
auf den Sitz zurück.
„Keine Umstände, und keine unnütze
Gegenwehr," rief einer der Straßenrit»
ter, die sämmtlich in weiße Kittel geklei
det waren und die Gesichter geschwärzt
hatten, und in dieser gleichmäßigen Uni«
form noch furchtbarer erschienen. „Aus
gestiegen, Geld und Gut heraus, soll das
Leben salvirt bleiben. Wer eine Hand
aufhebt ist des Todes!"
Furcht ergriffen sah der Postillion rück
wärts, auch die Stimme hatte er erkannt;
er sah den braven Jäger auf dem Kutsch
bock aufgestanden, wie er den Kolben fei
ner Büchse an die Schulter drückte, er
sah wie der, welcher so eben gesprochen
schneller losbrannte und der Jäger getrof
fen zurücksank, er sah den Baron sein
Terzerol abfeuern auf die Feinde, und
Alles, was jetzt kommen mußte, in seiner
erhitzten Phantasie erblickend, hob er sich
in Verzweiflung auf dem Sattel, und
schlug, da es doch einmal das Leben galt,
mit der Peitsche nach dem, der die Pferde
hielt, ohne die Schwäche dieser Waffe zu
bedenken. Er mußte gut getroffen haben
denn der stämmige Riese that einen gräß
lichen Schrei und taumelte zur Seite,
drückte jedoch im Falle noch sein Hand
gewehr auf ihn ab.
Das Herumreißen des Vordergespan
nes mit kräftigem Zügel, das Antreiben
der Rosse, durch Sporn und Peitsche,
war das Werk eines Augenblicks, und da«
hin rollte der Wagen wie im SturmeL
fluge, doch fühlten die betäubten Passa
giere, wie die Räder sich hoben und krach»
! ten, als wenn sie Seinhaufen zermalmten,
und hörten mit Entsetzen ein wildes Ge»
heul hinter sich her, das aber immer fer
ner tönte und endlich verstummte. Kei
wagte einen Laut zu sprechen und der Ba
ron hatte sich auf den Rücksitz geworfen
und hielt den stöhnenden Jäger bei den
Schultern fest und stützte den Kopf deZ
treuen Dieners. So flog die Kalesche
über Stock und Stein, Hügel hinauf,
Hügel herab, unter dem steten Peitschen
knall und lautem Zuruf des braven Postil
lions durch Busch und Wald, bis endlich
an einer Ecke ein Haus sichtbar wurde,
Licht darin schimmerte und menschliche
Gestalten vor demselben die letzte Furcht
der Reisenden verscheuchten.
„Halt an, braver rief der
Graf. „Wir müssen einkehren, sonst
stirbt uns der Francois unter den Hän
den. Halt an, ich kenne das Haus, hier
sind wir außer aller Gefahr."
„Um Gott nicht hier, Gnaden!" ent
gegnete der Postillion mit sichtlich beben
der Stimme. „Fort, bis zur nächsten
Station. Die Pferde halten schon auS
und auch ich mit Gott."
Neuerdings peitschte er aufdie dampfen»
den Thiere, aber eine fremde Stimme
hinderte feine wohlgemeinte Absicht. Bist
du betrunken oder blind, du toller OchS
von einem Kutscher?" schrie ein schwar
zer Reiter, als die vordersten Hengste
zwischen einen Haufen dastehender Sat»
telpferde geriethen, die nur von einigen
Reitern gekoppelt gehalten wurden, und,
durch den heftigen Anlauf in Uuordnung
gerathen, sich bäumten und schlugen und
kaum von den starken Führern gebändigt
werden konnten. Wer tobt so ohne Ver
stand in die Nacht hinein!" setzte er zornig
hinzu und ließ eine blanke Klinge durch
durch die Luft blitzen. „Reiß deine Pferde
zurück, oder ich will dich zusammenfuch
teln, daß du nüchtern werden sollst, ehe
du aus dem Sattel kommst."
Thut ihm nichts, wer Ihr auch sein
möget,—rief der Graf aus dem Wagen,
—das Licht von der HauSflur muß ihn
geblendet haben, und er verdient Lohn
ohne Gleichen, denn er hat uns eben auS
einer Gefahr gerettet, in der bei meiner
Ehre! alle seines Gleichen den eigenen
Kopf nicht gewagt haben würden für
fremdes Leben. Straßenräuber überfi«,
len uns, kein, Biertelstunde von hie».
lS»res»tz«ns folg»?