Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, January 21, 1851, Image 1

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    Der Liberale Beobachter,
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Canmies allgemeiner Anzeiger.
55 eaÄi N ü, Penn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Puwe ll e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße.
Jahrg. 12, gan;e Rnm. SM».
(Aue dein Jllustr. Unteehaltungs-Blacce.)
Der Postillion.
Novelle.
(Fortsetzung.)
„Nichts für ungut, Herr Postillion !
stotterte der kleine Bote, mit halbem Ath
em.—Die Gaste saßen heute gar zu lange
und hatten das Heimgehen vergessen."
Am heiligen Abend. Die Sabath
schänder! murmelte die Alte.
„Dann stak ich eine Viertelstunde in
der hohlen Grenzeiche," fuhr der Knabe
fort, „der Wolkenbruch hätte mich sonst
zum See hinunter geschwemmt, und her
mußte ich, die Jungfer hat's befohlen,
und wenn ich den Herrn Wilms auch Här
te vom Bett aufklopfen müssen.
„Und was giebt's denn so gar Wichti
ges?" fragte Wilm." Doch was von
ihm kommt, ist ja immerdar wasßesonde
res und mir sehr Willkommenes.
Der Knabe lächelte schalkhaft und
kramte dann in breiten Worten seine
Botschaft aus. Die Tochter des Schenk
wirths ließe ihrem Freunde anbefehlen,
auf keinen Fall morgen ihr Haus zu be
suchen obgleich Musik und Tanz stattsiin
den würde. Sie warnte ihn überhaupt,
sich in ihrer Nähe, am Tage sehen zu las
sen, weil der Müller Wolf mit fürchterli
chen Flüchen geschworen, ihn niederzu
schlagen, sobald er nur wiederum einen
Blick zwischen den Liebenden aufgefangen.
Dagegen erlaube sie ihm, morgen spät
nach II Uhr Nachts in dem Schlacht Hau
se der Schenke sie zu erwarten, rieth ihm
jedoch im Haus Camisol und auf dem
Waldwege zu ihr zu kommen. Zuletzt
ließe sie noch auf das dringendste bitten,
überall dem Müller aus dem Wege zu
gehen denn sie träume jetzt nichts wie
Schreckensgeschichten von Wilm und dem
Wolf, und hätte sogar letzte Nacht deut
lich gesehen, wie der Goliath ihren Her
zensfreund ergriffen und mitten zwischen
seine brausenden Mühlräder geworfen.
Zu Anfang des langen Berichtes war
der Postillion recht verdrießlich und trau
rig geworden. Bei der Mitte wurde sein
Gesicht heiter und Freudenrosen auf den
vollen Wangen verriethen, wie seine Ein
bildungskraft bei dem Gedanken an die
nächtliche Zusammenkunft lebendig ward ;
am Schlüsse gar jauchzte er laut auf, und
rief zu der Alten gewandt:
„Sieht sie, Mutter, daß das reiche
Mädchen den armen Wilm nicht zum Be
sten hat, hört sie, wie sich das reiche und
schönste Mädchen am Berge quält um
den armen Wilm, und sich ängstigt, daß
ihm ein Grobian einmal eine Tracht auf
zählte. O, wenn's um ihretwillen wäre
hielt der Wilm ja gern selbst den Rücken
hin! Aber sie, Mutter Ilse, soll nun
nicht wieder solch verläumderisch Zeug
schwatzen, leider denkt sie ja immer von
allen Menschen das Böseste."
In ausgelassener Freudigkeit steckte er
dem Buben ein kleines Silberstück zu,
versprach ihm mehr und recht viel, wenn
er treu und verschwiegen bleibe, hing ihm
dann wieder die nasse Decke über, und
trieb ihn hinaus, damit seine Abwesenheit
uicht zum Verräther würde und das liebe
Stelldichein zu nichte machen möchte.
„Wilm," sagte die Alte, als er träl
lernd zurückkam, „die Geschichte mit der
Schenkwirthstochter nimmt mir den letz
ten raren Schlaf. Ich meinte die Kin
derspielerei wäre ans, seit du zum
Hause zogst, jetzt höre ich, sie soll ernst
werden, aber Gespenster stehen vor dei
nem Hochzeitsbett, und zwischen dir und
der Jungfer Line liegt ein schwarzer
Schlund, finster wie ein Grab und tiefer
wie der See. Kehre um, Junge! Nimm
Mutterrath an ! Was kann aus euch
werden und wann darfst du ans Freien
denken?"
„Denken ist erlaubt, Mutter!" ant
wortete der Postillion leichthin, indem er
sein Pfeifchen anzündete, „darf man doch
ohne Sünden an den Himmel denken
und selbst an den Herrgott und alle seine
Herrlichkeit. Wenn man sich liebt, da
denkt man überhaupt nicht viel, nicht an
Morgen und Uebermorgen, da hat man
genug daran daß man weiß, man wird
geliebt, und wer denkt, wahrhaftig, da
meine ich, der liebt nicht so recht, wie ein
solch Mädel wie die Line geliebt sein muß.
Gott sorgt für die Vögelein und das
! Wild im Walde, er hat mich aus dem
hohlen Baume in dieses Haus gebracht,
und hat mich aus der Hirtenjacke in das
blaue Wams gehoben, da wird er auch
schon wissen, wo das Holz wächst, aus
dem der Meister Tischler mein Hochzeits
betl fertigen soll."
Die Alte stützte ihre dünnen Ellenbo
gen auf die Knie, und legte ihr langes
l Kinn auf beide Hände, und starrte so
i mit trüben Augen in den Schein der
! Lampe.
„Auf Gott vertraut, gut gebaut!"
! murrte sie vor sich hin. „Der Loofs
fluchte immer und ging um die Kirche,
darum fraß ihn der Seegeist. Ja, ein
! Wunder wars, so gut wie das, was
! der Herr that an Lazarus, daß das zarte,
splitternackte Kind nicht umgekommen in
der alten Eiche, und kein Fuchs es ange
bissen, kein Wolf zerrissen in der langen
Frühlingsnacht. Aber doppelt hüte dich
darum vor dem Wolfe in Menschenge
stalt !" setzte sie dann ängstlich auffah
rend hinzu. „Ich kenne den wüsten
Müller lange Jahre, er glaubt an kei
nen Gott und an keine Hölle, an ihm ist
kein gutes Haar, und er hat manches
schwache Menschenkind mit in sein Sün
denleben gerissen. Sie sagen, er freit
um deinen Schatz; Wilm, sieh dich vor!
Es wäre doch gar zu schrecklich, wenn der
Vater dem Sohne ans Leben käme, und
so seinen Sünden die höllische Krone auf.
setzte."
„Was sagt ihr da?" fuhr der Postil
lion auf,, faselt sie im Fieber, und muß
ich den Bader holen!"
„Es ist heraus und einmal mußt du
es doch wissen," versetzte die Alte, indem
sie ermattet vom vielen Reden den Kopf
an die Lehne zurück legte. „Ja, Wilm,
von Anfang her stand's fest in mir und
ich hätt's Sakrament darauf nehmen
wollen, der reiche Wolf ist dir näher ver
wandt als er je gewünscht."
„Nein! Nein !" rief der junge Bursche
entsetzt und ließ die Pfeife fallen. „Re
de sie nicht weiter, Mutter-"
„Er hielt immer freche Dirnen in sei
nem Dienst, seit er aus dem Kriege kam,"
fuhr das Weib mitleidlos fort, ohne auf
den erblichenen zitternden Pflegesohn zu
achten; da trug der geizige Unmensch
das Kind früh vor Tage in die hohle Ei
che, daß es umkomme, und so seine Schan
de mitnehmen oder der Gemeinde zur
Last fallen sollte. O, ich sehe ihn noch,
als wäre es jetzt, wie die Holzfäller um
den Baum standen, an dem sie schon die
Axt gelegt, wie sie erschrocken, als es drin
nen weinte, und wie sie vor Schreck alle
verstummt da standen, als der alte Förster
das weiße, nackte Kindlein aus dem Bau
me hervor hob. Das ganze Dorf lief
zusammen, aber Keiner wollte sich des
armen Würmchens erbarmen, nicht der
Herr Pastor, nicht der Schulmeister, da
sprach mans dem Hirten zu für geringes
Kostgeld, und ich nahm dich in meine
Schürze, und freuete mich über das schö
ne Knäbchen, das seine kalten Händchen
sofort in meine Brust klammerte. Der
Wolf aber stand dabei, und lachte wie ein
Höllengeist in seinen Rothbart hinein
und sprach höhnisch : „Lege sie e5 ihrem
Vieh unter, Frau Ilse, vielleicht verspei
sen es die Bestien zum Frühstück, und
dann ist die Gemeinde die Last los, einen
fremden Heckenprinzen groß zu ziehen."
Eine Dirne in der Mühle starb drei Ta
ge nachher ohne Doktors Hülfe, und eS
ging ein Gerücht in der ganzen Gegend
die Kohlengräber hätten gerade in der
Nacht, wie alles das geschah, den Müller
mit der Büchse auf dem Nacken zu meh
reren Malen durch das Holz streifen sehen
wo die hohle Tiche nicht fern stand. A-
"IVillig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 2R Jannar, I 5 »I
ber Jeder fürchtet den Wütherich und
Keiner wagte was zu erzählen."
„Nein, nein, es ist nicht, Mutter; Es
kann, es darf nicht sein. Es wäre ent
setzlich, und so hart wird mich Gott nicht
strafen !"' schrie Wilm, und stürzte hinaus
vor die Hütte, und warf sich auf die nas
se Erde, und richtete mit gefalteten Hän
den wie ein Verzweifelnder seine starren
Augen zu dem Vollmonde auf, der eben
über den schwarzen, fortziehenden Wol
kenballen glänzend heraufstieg. Die Al
te aber plapperte immerfort in der Hüt
te, als hätte sie des Fliehenden Entfer
nung nicht bemerkt, und wenn der Blick
in daß goldene, milde Himmelslicht die
Angst in der Brust des Jünglings zu
sänftigen begann, so warfen ihn die dum
pfen Hexensprüche, die zu ihm heraus
tönten, immer wieder zurück in die Hölle,
die er so plötzlich um sich fühlte, seit die
Pflegemutter den als Vater genannt, den
der Knabe schon mit Grauen angesehen
und den der ganze Gau als einen von
Jedermann gefürchteten Popanz betrach
tete.
„Der leichte Sinn, die schöne Mitgift
der Jugend, hatte am andern Morgen
die schwarzen Dämonen der Schreckens
nacht verscheucht; Wilms gesunder Ver
stand sah in den Bekenntnissen nur die
gehaltlosen Träumereien einer fieber
kranken, vom Schicksale stiefmütterlich be
handelten Greisin, und der schöne Som
mertag, die wohlthätige Kühle, die nach
dem Gewitter aus dem Walde und den
Thälern ihn anhauchte, verwischte vol
lends jeden Eindruck von gestern. Wie
konnte der sein Vater sein, der ihn noch
in den jüngsten Tagen so barsch und
feindselig behandelt hatte? Kannte er
doch aus des Postmeisters Hause, der ein
glücklicher Familienvater war, die Vater
liebe, die Vatersorgsalt in den schönsten
Bildern, und halte oft die kleinen Buben
und Dirnen um das Glück beneidet, ei
! nen Vater zu kennen, von ihm geschätzt
und geliebkoset zu werden.
Mutter Ilse schien ermattet von der
Furcht und dem angestrengten Reden der
schlaflosen Nacht, sie war einsilbig und
schlief auch viel noch am Tage; so
überließ er sich ungestört ben Vorträu
men der nahen glücklichen Nacht, ging
als die Sonntagsglocke rief, zur Kirche,
und trieb die Zeit nachher hinab durch
stille Hausarbeit reinigte den kleinen Gar
ten am Hirtenhause, besserte das alte
zerbrochene Hausgeräth aus, und war
recht inniglich vergnügt, daß er in seiner
Einsamkeit dabei ohne Unterbrechung an
seine Line denken konnte, und kosen durf
te mit dem schönen Bilde so recht nach
Verlangen.
Die Nacht kam, Mondhell und still,
wie eine fromme Mutter, welche ihre gu
ten Kinder im warmen Schooße einwiegt.
Er zog ein dunkles Bauernwams an,
setzte die Pelzmütze welche noch vom Va
ter Loofs da war, auf den dunklen Lok
kenkopf, schnitt sich am Hagen einen der
ben Wanderstock, und eilte mit freudig
schlagendem Herzen seinem Ziele zu.
Anfangs blieb er auf der Heerstraße,
als ihm aber ein Haufen Reiter, welche
laut in die Nacht hinein lärmten und
fluchten, im Galopp entgegen kam, ge
dachte er des erhaltenen Befehls seiner
Trauten, und bog ab in den Wald, und
wandrte auf einem wohlbekannten Fuß
steige der einsamen Schenke zu, deren
Hintergebäude ihm bald am Rande des
Holzes sichtbar wurden. Behutsam nä
herte er sich durch den abgetriebenen
Platz, auf dem nur noch hie und da ein
alter Baumstamm Schatten gab, der
Schutzwand des Gehöftes. Da bewegte
sich etwas im Mondscheine, und kaum
hatte er noch Zeit, unbemerkt hinter ei
nen dunklen Baumstamm zu flüchten.
ES war der Wirth selbst. Vater Martin,
der langsam an ihm vorüber schritt ;
deutlich sah er im Mondscheine, daß er ein
Gewehr auf der Schulter trug, dessen
blinkender Lauf dem Versteckten nützlich
wurde, da sein Schimmer ihm weithin
den Gang des Alten verrieth. Was
wollte der Vater noch so spät im Freien?
War sein Liebesgang verrathen? —Nein,
antworte das sehnsüchtige Herz. Viele
Diebereien und Raubthaten waren in den
letzten Jahren in der Gegend vorgekom
men; gewiß hatte der Sonntag heute
vielerlei Fremde in die Stadt gelockt; der
brave umsichtige Hausvarer machte sicher
die Runde um sein Gebiet, nachzuschauen
ob nichts Verdächtiges in der Nähe wall
te und er sorglos sein Haus schließen
dürfte. —So sein Bangen beschwichtigend
näherte Wilm sich nach einer Weile der
der Schutzwand, überstieg sie an einer
niedrigen Stelle, und befand sich glück
lich zwischen den Stallgebäuden im Hofe,
wo im fernsten Winkel das Schlachthaus
sich zeigte, dessen geöffnete Thür ihm die
Vorsorge seines geliebten Mädchens kund
that. Vom Hause her klang noch dum
pfes Geräusch, und Lichter schimmerten
noch; so schlüpfte er im Scharten der
Ställe zu dem bestimmten Orte, und trat
in das Schlachthaus. Einsam und leer
war das Versteck, recht heimlich und still;
durch eine große, offene Luke siel das
volle Mondlicht hinein, und beschien den
derben Schlachttisch in der Mitte und die
Eimer und Kübel, die an den Wänden
herum standen. Der junge Bursche setz
te sich auf den blanken Tisch, und horchte
aufmerksam, um bei irgend einem Ge
räusch einen dunkeln Winkel gewinnen zu
können. Die Ungeduld schlug in allen
seinen Pulsen, die Minuten wurden ihm
zu Stunden, und das Mädchen blieb auch
wirklich gar lange aus. Ein Heimchen
zirpte eintönig in dem nahen Backofen,
ein Eulenruf scholl von der nächsten Ei
che herüber, und immer befangener wur
de das Gemüth des Jünglings, so daß er
erschreckt zusammenschoß, als jetzt der
Hund herein rauschte, ihn murrend be
willkommte und dann wieder zum Pfört
chen sprang, an welchem das schlanke
Mädchen im Nachtkleide erschien, und hef
tig bewegt sich in seine geöffneten Arme
warf.
„Armer Wilm," sagte sie mit verhal
tener Stimme, wie lange wird dir die
Zeit geworden sein, und ich meinte schon,
ich würde dich gar nicht sehen dürfen, da
der Vater mich hinauf ins Bett geschickt."
„So waren keine Gäste mehr da?"
fragte der Postillion verwundert.
„O es ist noch nicht leer im Gastzim
mer," antwortete Line, aber der Spiritus
stieg ihnen zu arg in den Kopf, und da
mochte der besorgte Vater es vielleicht für
gut achten, die Weibsleute fern zu halten.
Welch ein Abend war das, Wilm!" fuhr
sie fort, indem sie sich neben ihn auf den
niedern Tisch setzte, und ihren vollen Arm
um seinen Nacken legte. „O Wilm, ich
möchte fort mit dir in die weite Welt,
und sollten wir betteln gehen mitsammen,
denn wüstes Leben am Sonntage kann
dem Himniel nicht gefallen, und mit
Grauen bin ich mitten dazwischen ohne
Schuld und ohne Willen."—Sie erzählte
nun, wie zuerst das junge Volk auf dem
Saale getanzt, sie aber mit dem vertrete
nen Fuße alle Bewerber zurückgewiesen;
doch später wäre im Gastzimmer rechts
der Tumult erst recht losgegangen. Die
reichen Kornhändler und Meiersleute vom
Nachbarlande wären alle zusammen ge
wesen und hätten das Würfelbrett so arg
getrieben, wie sie es noch nie gesehen.
Jeder Wurf hätte eine Hand voll Silber«
thaler gegolten, und wenn die Münze zu
Ende gegangen, wäre ein Fuder Waizen
oder das beste Stück im Stalle ar»f den
Wurf gesetzt worden. Unter Allen hät
te aber der lange Tom Steinecke das
wunderbarste Glück gehabt.
„Der Tom, dessen Vater sie vor acht
Tagen zu Grabe trugen ?" fragte Wilm
mit Erstaunen. „Ach! wer doch einen
Vater beweinen dürfte," setzte er weh
müthig hinzu.
„Das ist ein recht schlechter Mensch,"
entgegnete das Mädchen heftig, „aber
Laufende Nummer 21.
der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.
Und daß die Schlechten solch ein Glück
haben können ! Alles Geld was auf dem
Tische klang, steckt in den Taschen des
blassen Tom, sür zehn Fuder Frucht ha
ben ihm die Kornhändler Papier geben
müssen, ehe sie sich schimpfend entfernten
und es hätte Prügel dabei abgesetzt wenn
nicht der Müller Wolf immer auf Toms
seine Seite getreten wäre, obgleich er
selbst ebenfalls viel Geld zugesetzt. Jetzt
sitzt der lange Tom noch mit dem Wolf
und einem Paar Andern, und Alle schei
nen im Zechen und Spielen den Tag er
warten zu wollen. Der kleine Heinrich
sagte aber, sie wären Alle so angetrun
ken, daß sie die Stube nicht verlassen
würden, und wir ohne Sorgen sein dürf
ten.
Der Postillion drängte die innere Be
wegung zurück, die bei dem Namen des
gefürchteten Müllers in ihm aufgestiegen
war.
„Lassen wir die Taugenichtse," sprach
er, die Geliebte fest an sich drückend, spre
chen wir nur von uns, Line; wie lange
hast du mir nicht die Hand geboten, und
wie wird es noch werden mit dir und mir."
„Gut," sagte das das Mädchen fest,
„wahrhaftig gut, Wilm, denn es kann
nicht so bleiben. Seit du fort bist, und
so selten einsprichst, weil der Müller dir
giftige und auch der Vater seinetwegen
scheele Blicke zuwirft, bin ich fremd im
Hause geworden, und wüßtest du ein
Plätzchen für uns, weit weg, je weiter, je
lieber, ich schnürte mein Bündel und folg
te dir bis über die letzten Berge hinaus."
~Und müßtest hungern vielleicht und
daß Gewohnte entbehren? Nein, wer an
so etwas dächte, *hätte dich nimmer lieb
gehabt!" antwortete Wilm bewegt, aber
mit der Stimme innerer Freude.
„Versuch's, und du wirst sehen, wie
lieb dich die Line hat," entgegnete sie in
niglich.—„Und wir sollten's gleich thun,"
setzte sie lebhafter hinzu, „da wir's am
Ende doch thun müssen, wollen wir uns
nicht im Unglück verzehren und abhär
men."—„Weil der Rothkopf ernst macht
mit seiner Freierei," siel Wilm erbittert
ein.—„Er thut's, aber da fürchtet sich
die Line nicht," sprach sie rasch, „lieber
auf den Kirchhof als in die Mühle! Vor
dem Pastor kann man kein Mädchen
zwingen ihr Ja zu sprechen, und, Wilm,
so wahr der Mond uns bescheint, ehe dein
Mädchen des verruchten Müllers Weib
würde, ehe spränge sie in den See und
gäbe sich den Fischen zum Fraß.
Wilm antwortete nicht, aber selbst er
starkt an des Mädchens Festigkeit umsing
er die Braut fester und preßte sie vor in
nerem Entzücken bebend an sein Herz.
Sie sprachen nichts mehr, aber ihre Lip
pen hingen fest zusammen, und höher
wogte der volle, kaum bedeckte Busen des
Mädchens an des geliebten MannesSchul
ter, und er faßte die langen Flechten ih
res schönen Haars und zog leise ihr schö
nes Köpfchen zurück und bedeckte mit sei
nen Küssen Stirn, Wangen, Mund und
Hals des glühenden, Alles vergessenden
Kindes, und fester klammerte sie sich an
ihn, wie auf nimmer von sich zu lassen.
Da murrte plötzlich der Hund am
Pförtchen, Line sprang hin, und sogleich
erschrocken zurück. „Birg dich so tief
du kannst, um Gotteswillen!" stammelte
sie mit Todesangst. „Es kommen Leute
auf den Hof. Wenn Alles still ist kehre
ich zurück."
So schlüpfte sie leicht seitwärts an den
Ställen hin, und wie eisiges Wasser fuhr
es über den erhitzten Mann, als er hor
chend die Stimme des Müllers in dem
Hofe vernahm. Schnell besonnen sah
er sich nach einem RettungSplatze um.
Ein hohler Schlachttrog stand mit seinev
Höhlung nach innen schräg an die Wand
gelehnt in einem Winkel, den das Mond
licht nicht beschien. Er kroch dahinter,
und von der Wanne völlig bedeckt fand
er sich dem fremden Auge entzogen, mit
dem Vortheile, aus seinem Dunkel Alleö