Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, January 14, 1851, Image 1

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    Oer Liberale Beobachter,
Und Berks, Momgomery und Schnylkill Cannties allgemeiner Anzeiger.
ZK eildi n g, Mnn. Gedruckt und herausgegeben vonArnold Puwell e, in der Süd kten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße.
Jahrg. ganze Nun». Ss».
(Aue vem Jllustr. Unterhaltnnge-Blatte.)
Der Postillion
Novelle.
sFortseyniig.)
Der Postknecht war indessen mit seinem
bestaubten Gespann vor der Schenke ange
langt, hatte sein Posthorn sinken lassen,
stieg von, Sattel, grüßte.treuherzig die
Zechbrüder und rief dem Stallbuben zu,
Brod und Wassereimer für die Thiere,
für sich einen Krug Bier zu bringen, und
setzte sich dann, die müden Hengste sich
selbst überlassend, dicht an die Hausthür
auf die beschattete Ruhebank, indem er
die schlanken Glieder behaglich dehnte.
Es war ein junger besonders wohlgebau
ter Bursche; das lederne Beinkleid und
das blaue Wams mit dem Silberschilde
am Arme stand ihm gar zu gut, die Züge
seines Gesichts waren regelmäßig und die
feingebogene Nase unter den großen dun
keln Augen gab ihm etwas besonders zwi
schen den meist flachen, nichtssagenden
Physiognomien dieses Landstrichs, und auch
sei» dunkles, dichtes Kopfhaar und der
keimende Schwarzbart stachen gegen den
Hellern Haarwuchs ab, der hier den Land
leuten gewöhnlich war.
„Was ist denn in dich gefahren, Wilm,"
rief der Wirth hinüber, ohne vom Tische
aufzustehen, „daß du mit einer so trübse
ligen Musik zu uns herziehst, als wollrest
du meinem Hause den Jammer mitbrin
gen ? Solch' plärrende Gäste sieht kein
Krugvater gern, denn sie tragen Unheil
unter das Dach."
„Wie kann er fragen, Vater?" ant
wortete der Angerufene. „Hört er denn
nicht das Todtenglöcklein im Dorfe? dort
tragen sie vielleicht einen guten Nachbar
in das letzte, einsame Bett, woraus kein
guter Morgen weckt; da gedenkt man
auf der Stelle der bleichen Frau, die hin
terdrein geht, und der weinenden Kinder,
die mit Grauen den schwarzen Kasten in
das dunkle Loch versenken sehen, und ei
nem jeden guten Christen fällt dann sein
letztes Stündlein bei, denn er richtet ein
Bittwort an den Herrn über Leben und
Tod. Und darum habe denn ich, weil
mir nicht gleich ein gutes Wort einfiel,
mein Gebet in den Himmel hinauf gebla
sen."
„Närrischer Junge du!" schmunzelte
der Wirth. „Für diesmal hättest du
dein Sterbelied sparen können. Sie be
gruben den alten wassersüchtigen Matz
Steineke. Ihm hat der Tod Erlösung
gebracht, vom langen Uebel, und sein ein
ziger Erbe, dxr lange Tom, wird dem
Bater sicherlich keinen Thränenguß nach
schicken, sondern lieber die harten Thaler
zählen, die der alteGeizhals ihm nachgelas
sen, und die er nun ohne Aufseher jm
Kruge und am Würfelbrette in die Welt
spediren kann, wo sie lustiger klingen als
in des Alten Ledersäcke."
„Ich beneide ihn nicht," antwortete
der Postillion zuLZoden schauend, „wenn
es so ist, wie er sagt Vater."
„Und doch könnte dir's nicht schaden,
theilte der Tom mit dir seine Erbschaft,"
versetzte der Wirth mit scharfer Betonung.
Der Postillion seufzte recht hörbar,
streichelte und klopfte den dicken Kopf der
riesigen silbergrauenßulldogge die freund
lich zu ihm getreten war und das lange
Hängemaul ihm auf das lederne Bein
kleid gedrückt hatte. „Dir mangelt nichts,
alter Nero!" sagte er leise, dem treuher
zigen Hunde einige Reste Weißbrod aus
der Tasche suchend, und sah sich zugleich
nach der Thür um wie ein Dürstender.
Der Müller schien von innerer Unruhe
gequält, seit der Postillion so nahe am
Hause Posto gefaßt, und als die Schenk
tochter mit dem Kruge flink heraustrat,
hielt es ihn nicht länger auf seinem Platze
unter dem Baume.
„Grüß ihn Gott, Wilm, sprach die von
der Natur wohl beschenkte Dirne, indem
sie das Deckelglas vor den Postillion hin
setzte, und mit der Linken die langen blon
den Haarflechten auf den Nacken zurück
warf, um ihn mit den hellen Augen recht
freundlich anschauen zu können. Er ist
lange nicht vorgekehrt," setzte sie schmol
lend hinzu, „nimmt wohl jetzt seinen Col
lege« immer die Touren zur Stadt ab,
weil es ihm dort besser gefällt, als wie
hier in den Bergen."
„Danke schön, Jungfer Line für den
Gruß," erwiederte der Bursch und seine
Augen funkelten wie Silbergluth zu ihr
hinauf. „Freilich ging der Dienst im
mer dort hinaus zwischen dem Gesund
brunnen und der Stadt, und als ich letzte
Nacht vorüber fuhr, lag sie noch sanft
auf dem Ohr; der Mund brannte mir,
sie mit ihrem Leibstückchen zu wecken,
aber ich zwang die Lust zurück, denn sie
hätte grollen können weil ich sie im
Schlaf verstört. Ja unser eins weiß es
ja am besten wie wohl der Schlaf thut."
„Hätte nur immer blasen sollen, Wilm"
fiel das Mädchen ihm ins Wort. „Wenn
man Musik gehört, träumt sich's nachher
desto süßer. Und nicht einmal zum Schei
benschießen ist er gewesen; mir dem Tan
zen war's freilich nicht viel, denn ich hat
te mir bei dem Heu auf dem Rechen den
Fuß übertreten."
Man sah dem Burschen an, wie lieb
ihm die Nachricht war, und wie er sich
Zwang anthat, nicht aufzujauchzen, oder
der Dirne an den Hals zu springen.
„Sonnabends," sagte er stammelnd vor
innerer Bewegung und mir Backen, die
vor Röthe springen wollten, „Sonna
bends geht mein Urlaub an. Der Herr
hat mir drei volle Tage geschenkt, und
da wird's mir erlaubt sein, bei allen guten
Freunden vorzusprechen, und wenn'sGlück
wollte, daß Sonntag hier im weißen Bär
Musik wäre und ihr Fuß nicht mehr
schmerzte, so könnte auch einmal wieder
ein lustiger Schleifer das Herz erfreuen
und dem Wilm ein rares Fest geben."
„Vielleicht gehts bis da," antwortete
die Dirne und ihr blühendes Gesicht schien
von der Vorfreude lieblicher geworden
und sie streckte die Hand aus, als wolle
sie dem flinken Tänzer das Versprechen
besiegeln, da trat der Müller dicht an die
Bank und fast mitten zwischen die jungen
Leute hinein, und wie von einer Otter be
rührt fuhr daö Mädchen zurück, und ging
nach einem recht bösen Blicke auf den
Störer in das Haus.
„Tanzen will er, Junker Hohlbaum
fragte der Müller hämisch. „Man sollt
meinen, das Hängen auf den harten Mäh
ren hätte seine Gliedmaßen längst zu steif
gemacht, um sich auf die Tanztenne und
zwischen die jungen Mädels zu wagen."
„Jeder springt auf seiner Sohle, und
warum nennt Ihr mich nicht bei meinem
rechten Namen?" fragte der Postillion
ernst zurück. Weiß er doch so gut wie
ich, was im Kirchenbuche steht.
„Wilm von dem hohlen Baume!" ant
wortete pathetisch der Fuchsbart; ein recht
vornehmer Name. Klingt fast adelig,
wie die Herrn von dem Sattel oder von
Hagen. Er thut sich wohl ordentlich da
rauf zu gute. Wenn man nur nicht
wüßte, daß selbst sein einziges Erbstück,
der hohle Baum, von dem er sich nennt,
noch vor seiner Taufe unter der Axt ge
fallen, und so sein Lehn und Schloß, ehe
er mündig, in das Kamin gewandert, und
im Rauche aufgestiegen.
„Da ist mir's gegangen, wie manchem
wirklichen Edelmann? in der Kriegszeit,"
sagte der Postknecht gutmüthig. „Mag
er mich immerhin foppen, ist er doch der
reiche Herr Wolf von der Neumühle.
Wir armen Schlucker sind es gewohnt,
den Herrschasten zum Spaß zu stehen,
wenn's bei ihnen schlecht Wetter ist, oder
im Wirthshause ihnen die Kost verbrannt
schmeckte."
„Was will er damit sagen?" fuhr der
Müller auf, seine Faust ballte sich un
willkührlich. „Wo ist schlecht Wetter
für mich und wer hat mir in der Schenke
die Kost verbrannt? Stichelt er, so soll
ja die Kreuz"
„Wer meinte ihn?" fiel der schwarzäu
gige Bursche lächelnd ein. „Es gilt die
"Lvillig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den RA. Januar,
Herrschaften in der Extrapost. Ich
wünschte ihm hoch Wasser und immer vol
le Säcke vor seinem Mühlthore. Mein
Krug ist leer, und der Heinrich hat die
Pferde getränkt, darum ruft's mich wei
ter, damit die braven Thiere und ich vor
Nacht auf die Streu kommen. Gott be
fohlen." So stand er auf, und drehete
dem feindseligen, verstimmten Müller den
Rücken, und reichte der Tochter des Wirths
ein kleines Silberstück für die Zeche in
das Fenster, wobei eö den wachsamen
gen des Aufpassers ungewiß blieb, ob die
Finger der jungen Leutchen nicht auf eine
gewisse mysteriöse Weise in Berührung
gekommen. Der leuchtende Blick, mit
welchem der Bursche dann seinen Sattel
gaul bestieg,machte dieVermuthung wahr
scheinlicher, ebenfalls der heitere Ton, mit
welchem er im Fortreiten dem Schenkwirth
sein: „Gute Nacht, Vater Martin !"
zurief. Dann setzte er sein blankes Horn
an den frischen Mund, bies nach lustiger
Melodie das bekannte Lied: Ich wollte
mal fahren in's Heu! und verschwand
bald hinter der nächsten Baumgruppe.
„Was hast denn du mit dem Burschen
Wolf?" fragte der als der
Müller zur Linde angekommen war, und
wie im bittersten Groll den Rest in sei
nem Glase hinunterstürzte. „Das scheint
ja schwarzer Ernst und wer dein Gesicht
ansieht, das röther glüht wie dein Bart,
müßte fast meinen, du Grauschimmel wä
rest eifersüchtig auf den armen Schlucker,
weil ihm die Jungfer Martin freundlich
zugterunken."
„Der Junge hat ein Franzosengesicht,"
grollte der Müller mit wirklicher Wuth
im Blicke, und ich säße lieber allein mit
ten im Höllenseuer als neben so einem
Gesichte in Abrahams Schooße. Siehst,
da schießt ja wieder die Weihe nach mei
ner Mühle hinüber, setzte er rasch abbre
chend hinzu, die mir schon so manche Ente
vom Hofe geholt. Gieb mir deine Ku
! Gelbüchse, Gevatter, vielleicht thue ich auf
! dem Heimwege einen gnten Schuß nach
> ihr."
Der Schenkwirth sah ihn starr und
! fragend an, stand aber ohne Entgegnung
auf, und ging mit ihm in das Haus, sei
nen Wunsch zu gewähren. .
Der Vierte in der Gesellschaft, der bis
jetzt dem Allem stumm zugesehen, jedoch
brav sich eingeschenkt, war seines Stan
des ein Hausschlachter, ein kleiner
wanstiger Kerl, mit einem Höcker und ei
nem bausbackigen Gnomenkopfe. Er
rückte näher zum Nachbar und sein Voll
mondshaupt auf beide nackte Arme gestützt
fragte er mit sichtbarer Scheu : „Warum
tobt denn der tolle Wolf nun wieder so
arg, Rephahn, was will er mit seinem
Franzosenhaß ? Seit zwanzig Jahren
turbiren ja die fremden Blauröcke kein
deutsches Kind mehr und die böse Fran
zosenzeit ist einem nur noch wie im Trau
me vor dem Gedächtniß. Wenn man
den ungeschlachten breiten Kerl toben hört
ohne Ursache, sollte man meinen, der Toll
wurm stäche ihn und man hätte Grund
sich zu salviren."
„Gut spassen ist nie mit ihm gewesen,"
antwortete der Arbeitsmann, und wenn
ihm so wie heute die Galle im Blute ru
mort, so gehe ihm Jeder aus dem Wege.
Was den Postknecht betrifft, so läßt sich
sein Zorn an den Fingern abzählen.
Der Rothbart wirbt um die Martin drin
nen, und will auf seine alten Tage noch
eine frische Müllerin in seiner Mühle ha
ben. Nun ist der Wilm hier an den
Bergen aufgewachsen, und alle Mädel,
die mit ihm gespielt in der Sandkuhle
und mit ihm Erdbeeren gesucht im Holze
sind versessen auf den Schwarzkopf, seit
er daß fürstliche Jäckchen trägt.
Was den Numero Zwei, den Franzo
senhaß angeht, so mag der Wolf dabei
wohl größer Recht haben und weniger
den alten Gecken spielen als bei Numero
Eins. Man sagt, als die Franzmänner
zuerst hier ins Land gekommen, hätten
sie gerade ihm besonders übel mitgespielt.
Eine halbe Compagnie von den ziegelfar
bigen Husaren, die am .Ohr die Zöpfe in
Blei gewickelt trugen, fielen in seine Müh
le, uud kehrten das Oberste zu unterst.
Der handfeste Wolf wehrte sich brav;
da haben sie ihn fast lahm geschlagen
und dann an seinen eigenen Bettpfosten
gebunden, wo er zusehen mußte, wie die
Halunken Frau und Magd auf den Tod
gemißhandelt und ihm zuletzt das Mühl-
Haus über dem Kopfe angebrannt, daß
die braven Nachbarn ihn kaum aus dem
Feuer zu retten vermochten. Die Frau
starb bald hernach, und er ging fort unter
das preußische Fußvolk, und mag man
chen Franzosenkopf eingeschlagen haben
zur wohlverdienten Vergeltung. Als es
dort schief ging, kam er wieder ins Land,
hatte schwer Geld mitgebracht, woher
wußte Niemand und er sagte nichts davon,
es ging das Gerede, er hätte eine Kriegs
kasse im Felde erwischt. Da baute er
sich die Mühle neu auf, und—nun, das
Weitere weißt du so gut wie ich, Bruder
Schweinestecher."
„Ich wollte, er wäre nicht so rabiat,"
flüsterte der Schlachter. „Er könnte uns
Alle mit seinem wilden Wesen in's Un
glück bringen."
Der Müller mit dem Gewehr trat jetzt
wieder ins Freie. „Bedenk was ich dir
gesagt, Gevatter," sprach er mir seiner
lauttönenden rauhen Stimme zumSchenk
wirth, indem er die Heerstraße betrat.
„Dein Wort habe ich, das Dirnchen muß
schon, und daß mir nicht wieder eine
schwarzhaarige Hummel meinen Bienen
stock verderben soll, dafür bin -ich jetzt
Mann genug geworden. Hüte dich Ge
vatter, der Wolf läßt sich keine Nase
hen, am wenigsten von Jemanden, den er
in der Tasche hat, wie dich."
Der Schenkwirt!) kam ganz timide un
ter die Linde zurück. „Sollet ihm das
Gewehr nicht gegeben haben," flüsterte
der Bucklichte. „Wenn er den Postknecht
unterwegs trifft, könnte es ihm eine
schlechte Affaire geben, wobei auch unsere
Köpfe zum Wackeln kämen."
„Possen," murrte der Wirth und dreh
te die Mütze rundum auf dem Kahlkopfe.
~Da 6 macht mir keine Sorgen, wenn der
Weißbär nur nicht seine Augen auf mein
Linel geworfen, u. ich ihm im Rausche nur
nicht das Kind zugesagt. Doch gesche
hen ist für immer geschehen, und das Geld
bleibt beieinander. Für den Wilm bangt
mir nicht, der ist schmr weit voraus, und
trotz feines Grimmes ist der Wolf viel zu
gescheid, sich um nichts Blankes an einem
herrschaftlichen Nocke und Wappen zu
vergreifen, er müßte ihm denn im Walde
und dicht an einem Kohlenschachte begeg
nen, wo das geschossene Wild und sein
Grab nur einen Schritt weit von einan
der lägen."
Es waren mehrere Tage später, als
ein heftiges Gewitter, von Sturm und
Regengüssen begleitet, in derselben Ge
geng tobte und vorzüglich einer kleinen
elenden Hütte den Untergang zu dräuen
schien, welche am Ende eines Dorfes zwi
schen vier alten gekrümmten Zwergeichen
versteckt lag. D'rinnen saß ein altes,
von Gicht zusammengebogenes Weib in
einem zerrissenen, mit schmutzigem Leder
beschlagenen Lehnstuhle, und stieß bei je
dem Krachen der Balken und Knarren
der Wände ein Stoßgebet aus, und sank
bei jedem Donnerschlage mit einem Angst
rufe zum Knäuel zusammen.
Die Alte durfte sich freuen, nicht eini
ge Jahrhunderte früher in dieser Gestalt
auf Erden gewandelt zu haben, denn ihr
roth umrändertes Augenpaar, der weite
zahnlose, blaulippige Mund, über welchen
einzelne Barthaare, den Schnurren eines
Katers gleich, sich sehen ließen, und ihre
ganze widrige Häßlichkeit hätten sie jeden
falls als das Musterbild einer Teufels
buhlin zum heißen Hexentode verdammt.
Ein auffallendes Gegenbild zu der Alten
erschuf der junge Mensch, welcher ihr ge
gegenüber saß, der hübsche Postillion, der
Laufende Rummer 2«.
im Hauskostüm, in reinlichen Hemdär
meln und dem nackten Halse seine kräfti
ge Jugendschöne noch deutlicher zeigte,
als in dem steifen Diensthabit. Unbe
kümmert um das Wetter rauchte er behag
lich aus einem kleinen Pfeifchen uud klim
perte spielend mit einem halben Dutzend
blanker Guldenstücke, die auf dem Tische
lagen und im trüben Lampenlichte doppelt
lockend schimmerten.
„Es geht schon vorüber, Mutter Ilse,
und zieht zum See hinunter," sagte er
gutmüthig tröstend. „Solch Spektakel
hat unser ein s hundertmal erlebt und
noch dazu im Freien, wo die himmlischen
Paukenschläge das Menschenohr ganz an
ders anfallen. Und was hilft das Zagen
und Wimmern? Gott schickt solch Wet
ter so gut wie den Sonnenschein, und er
ist überall dabei. Wer ein ruhiges Ge
wissen hat, kann ruhig zusehen."
„Hu! —schüttelte die Alte, —eben solch
Wetter wars, als sie den Loofs vom See
hier herein trugen. Eben solch Wetter
wars, als die Mühle brannte nnd die
Franzosen um den Brand tanzten, daß es
von hieraus im Dunkel aussah, als feiere
der Gottseibeiuns mit seinem Heere den
Ostersabath. Wilm, spotte nicht, solch
Wetter hat hier herein immerdar recht
Böses gebracht."
„Bin ich damit gemeint oder das blan
ke Geld hier, das Euch die Brodsorge auf
einige Wochen wieder abnimmt?" fragte
der Postillion lächelnd zurück.
„Du bist ein gutes Kind und sammelst
Kehlen auf meinem Haupte,"—antwor
tete die Alte, die dürre, gelbe Hand nach
ihm ausstreckend ; —„aber dafür sollst du
dich auch hüten und wahren, daß ich dich
noch lange habe, denn ich könnte ja nicht
einmal das Brod suchen vor den Thüren,
und in meinem Winkel brächte mir ohne
Lohn keine Menschenseele einen Trunk
aus dem Brunnen herein. Oh, die Men
schen sind unbarmherzig und steinhart ge
worden in dieser schweren Zeit."
„Sagt nicht so, Mutter Ilse," versetz
te der junge Bursche. „Es giebt wie sonst
Böse und Gute, und die Guten werden
weicher, wenn sie selbst das Unglück ge
schmeckt haben. Habt Ihr denn die Line
vergessen von der Bärenschenke, die Euch
doch manches Labsal durch den kleinen
Heinrich hat zustecken lassen, wenn meine
Pfennige nicht reichten?
„Gottes Segen über das gute Kind !"
stöhnte die Alte, „aber auch sie soll sich
wahren, denn als sie zuletzt hier vorsprach
lag ein schwarzes Flortuch halb über ih
rem Gesichte, da sie doch im Strohhute
ging, und das bedeutet schwere Schicksale
und den Sarg ins Haus. Nicht Jeder
mann sieht so etwas, —und wer's sieht
dem machts Pein und nicht Freude."
Ein flammender Blitz machte das gan
ze Gemach tageshell und gleich darauf
rasselte ein Donner durch die Berge hin,
als wollte er ihre Urbäume allzumal bre
chen. Die Alte schrie laut auf, der Po
stillion selbst sah sich nach dem Fenster un
willkührlich um, und da schien ihm eine
weißliche Gestalt außen sich zu bewegen,
und zugleich klopfte eine Hand an die
kleine Fensterscheibe.
„Das ist der böse Feind !" kreischte die
Alte. „Bleib sitzen, öffne nicht, Wilm!
setzte sie ängstlich hinzu. Dein Geld hat
einen gar zu gierigen Bettler gelockt, in
solcher Nacht wandelt kein Christenkind
oder wer GuteS im Sinne hat!"
Der Postillion war dennoch zum Fen
ster getreten und hatte gefragt und Ant
wort erhalten. „Sieht sie, daß sie nicht
immer recht hat!" sprach er froh, indem
er den inneren Riegel von der Thür schob.
Ein Liebesbote ist's, der Heinrich von der
Schenke, die Taube fürchtet das Wetter
nicht! Und herein trat der kleine Stall
bube, in eine helle Pferdedecke wie in ei
nen spanischen Mantel gewickelt, aus der
er, gleichwie ein buntes Vögelein durch
das gebrochene Ei, hervorhuschte.
folgtz