Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, December 31, 1850, Image 1

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    Der Liberale Beobachier,
Und Berks/ Momgomery und Schuylkill Cauntics allgemeiner Anzeiger.
Nraving, Venn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Puwe ll e, in der Süd Kten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße,
Jahrg. 12, ganze Nun». SB7.
Der Kindesrauber
(Fortsetzung.)
Ein schöner Morgen, sprach ich, näher
an den Mann zutretend.
Keine Antwort. Der Mann hielt die
Kuh bei beiden Hörnern und sein Auge
stierte auf den Schweif des Thieres, von
dem einzelne Blutstropfen herabfielen.
Wie weit ist es von hier nach Hope
field? fragte ich nun.
Weit genug um es nie zu erreichen,
wenn Ihr auf meine Kuh Jagd gemacht
habt, erwiederte er drohend.
Und wenn wir es gethan haben, so
werdet 2hr hoffentlich nichts ArgeS dabei
denken. Es war bloßer Zufall.
Solche Zufalle ereignen sich nicht oft.
Leute schießen nicht auf Kühe, wenn sie
nicht im Sinne haben, anderer Leute
Fleisch zu essen.
Jhv wähnt doch nicht, fiel der schuldige
Ohiomann ein, daß wir Eure Kuh zu un
serer Zielscheibe gemacht, wir, die nichts
mehr im Sinne hatten, als einige Trut
hühner auf unser Dampfschiff zu bringen.
Wir sind Passagiere von der Feliciana;
eines unserer Räder ist an eine Sawyer
gelaufen, und das ist die Ursache, warum
unser Schiff bei Hopefield vor Anker
liegt und wir hier sind.
Der Mann hatte mit ächter Ohio-Um
ständlichkeit das Argument auseinander
gesetzt ; der Hinterwäldler gab jedoch kei
ne Antwort, und wir gingen dem Hause
zu.
In der Stube fanden wir sein Weib.
Auch in ihren Zügen hing etwas Düste
res, doch nicht in dem Grade abschreckend,
wie es bei ihrem Manne der Fall war.
Bei ihr schien Gram mehr vorherrschend.
Können wir Etwas zu essen bekommen ?
fragte ich das Weib.
Wir sind keine Wirthsleute, war die
Antwort.
Die andere Partie kann nicht mehr
fern sein, sprach einer unserer Gefährten.
Wir wollen ihnen das Vereinigungszei
chen geben. Und mit diesen Worten ent
fernte er sich einige Schritte in der Rich
tung eines Cottonfeldes.
Halt! sprach der Hinterwäldler, vor
ihn hintretend, Ihr geht keinen Schritt
weiter, bevor Ihr Auskunft gegeben, wo
her Ihr kommt.
Woher ich komme? sprach unser Ge
fährte, ein junger Doctor der Medizin
aus Tenessee; daS braucht weder Ihr,
noch irgend ein Mann in der Welt zu
wissen, der auf eine solche Weise fragt.
Wenn ich mich nicht irre, so sind wir in
einem freien Lande. Und mit diesen
Worten schoß er sein Gewehr ab. Das
Echo schlug so gewaltig und majestätisch
von dem hehren Waldkranze herüber,
mit dem die Pflanzung eingefaßt war,
daß die zwei Andern ebenfalls ihre Ge
wehre abzuschießen Miene machten. Ich
winkte ihnen jedoch, und sie hielten inne.
Es schien mir nicht überflüssig, auf alle
Fälle vorbereitet zu sein, obwohl wir nicht
im Mindesten ernsten Besorgnissen Raum
gaben. In wenigen Minuten wurde ein
Schuß gehört die Antwort auf nnser
Signal.
Macht Euch keine unnöthige Sorge,
sprach ich; unsere Compagnons haben
unser Signal gehört und werden sogleich
hier sein. Was Eure Kuh betrifft, so
könnt ihr wohl so viel gesunden Menschen
verstand haben, um einzusehen, daß fünf
Reisende nicht nach etwas jagen werden,
daS weniger denn werthlos für sie ist.
Während ich noch sprach, kam unsere
zweite Partie mit dem Führer aus dem
Walde hervor, der letztere mit zwei fetten
Truthähnen beladen. Er grüßte den
Hinterwäldler als einen alten Bekannten,
zugleich hatte aber dieser Gruß etwas so
theilnehmendes und Zurückhaltendes, als
mit seinem sonstigen derben und ziemlich
rauhen Wesen seltsam contrastirte.
Wohl, Mister Clarke! sprach er. Noch
nichts gehört? Thut mir sehr leid.
Der Hinterwäldler gab keine Antwort;
aber seine trotzige Miene überging plötzlich
in ein finsteres Dahinstarren ! eine Thrä
ne, schien es mir, drang in seine Augen.
Mistreß Clarke; sprach der Führer
zum Weibe, die von der Vorhalle herab
kam; diese Gentlemen hier wünschen ei
nen Bissen zum Mittagessen. Sie ha
ben geüug gejagt däucht es mich; wir
haben Ueberfluß an Allem. Wollt ihr
wohl so gefällig sein, uns etwas zu berei
ten ?
Das Weib stand ohne ein Wort zu
sprechen; der Mann ebenfalls. Beide
halten etwas so abschreckend Störrisches,
so etwas ungewöhnlich Verstocktes, als
mir noch nie bei den Hinterwäldlern vor
gekommen.
Wollt Ihr so gut sein, wiederholte
der Führer, uns einen Truthahn zu bra
ten, mit etwas Schinken und Eiern?
Keine Antwort. Der Mann hielt die
Hörner der Kuh, starr und finster auf
die Erde blickend, und das Weib sah ih
ren Mann an.
Wohl denn; sprach der Doktor, hier
läßt sich nichts erwarten; wir verlieren
nur unsere Zeit. Laßt uns auf einen
Baumstamm niedersitzten und unsere
Schinken und Crackers kosten.
Der Führer winkte uns, bedeutsam
und näherte sich dem Weibe, mit dem er
angelegentlich sprach. Doch sie gab kei
nen Laut von sich.
Frau! sprach der Doktor, etwas muß
mit Euch oder in Eurer Familie vorge
gangen sein, das Euch so verstimmt hat.
Wir sind fremd, aber nicht gefühllos.
Sagt an, was fehlt Euch? Bielleicht
läßt sich ein Mittel finden.
Der Mann blickte auf, daß Weib
schüttelte daß Haupt.
WaS ist eS? fragte ich sie, mich ihr
nähernd, daS Euch bekümmert? Hülfe
kommt oft, wenn es am wenigsten erwar
tet wird.
Etwas, das sahen wir nun wohl ein,
wG hier vorgefallen, das erschütternd
schmerzlich sein mußte. Kleinigkeiten sind
nicht so leicht im Stande, die Nerven die
ser gewaltigen Menschen so fürchterlich
zu spannen.
Das Weib trat, ohne ein Wort zu
sprechen, zum Führer, nahm ihm einen
Truthahn und die Schinken ab, und ging
dann in das Haus. Wir folgten und
traten in die Stube. Nachdem wir uns
um die Tafel gesetzt, langten wir nach un
sern Bouteillen. Der Mann brachte
Gläser und setzte sie vor uns hin. Wir
schenkten ein und drangen in ihn, sich an
uns anzuschließen; hartnäckig jedoch wies
er unsere wiederholten Einladungen zu
rück. Wir wurden es endlich müde, gute
Worte auf ihn zu verschwenden. Unsere
Gesellschaft bestand, wie gesagt, aus zehn
jungen Männern. Zwei Bouteillen wa
ren bereits geleert, als unser Wirth plötz
lich von seinem Sessel vor dem Kamin
feuer aufstand und, vor den Tisch tretend
sprach:
Gentlemen! Ihr müßt nicht denken,
daß ich ein grober Mann bin, aber ich
muß Euch gerade heraus sagen, daß ich
in meinem Hause keinen Lärm leide.
Es ist kein Haus zum Lachen; ich ver
sichere Euch bei—
Und nachdem er so gesagt, setzte er sich
wieder hin, stützte seinen Kopf in beide
Hände und versank in fein voriges Hin
starren.
Vergebung! sprachen wir, aber wirklich
wir haben nicht vermuthet, daß unsere
Fröhlichkeit Euch beleidigen könnte.
Der Mann gab keine Antwort und so
verging eine halbe Stunde in Flüstern
und Vermuthungen.
Endlich deckte ein Negermädchen die
Tafel. Nach vielem und eindringlichem
Bitten, Theil an unserem Male zu neh
men, setzten sich Wirth und Wirthin zu
uns. Er kostete nun ein Glas Cognac
und leerte es auf einen Zug. Wir füll
ten eö; wieder trank er eö aus und wie
der wurde eS gefüllt. Als er daS dritte
Glas geleert hatte, entstieg ihm ein
schwerer Seufzer; dem Manne wurde au-
"TVillig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 31. December, 18S«.
genscheinlich leichter.
Gentlemen ! sprach er, Ihr werdet mich
für stöckisch und rauh gehalten haben, als
ich Euch traf, wie Ihr meine Kuh ge
jagt ; aber ich sehe nun, wen ich vor mir
habe. Aber möge ich erschossen werden,
wenn ich ihn je finde, so will ich ihm auch
eine Kugel durch den Leib jagen, und ich
verbürge mich, er wird kein zweites Mal
Buben stehlen!
Buben stehlen? sprach ich. Ist einer
Euerer Neger gestohlen worden?
Einer meiner Neger, Mann ? Mein
Sohn, mein einziger Sohn ! Mein ehe
lich gezeugter Sohn ! Ihr Kind Z auf
sein Weib deutend, unser Bube ist gestoh
len ! Unser Bube, der uns allein von
fünf Kindern übrig geblieben die das
Fieber uns genommen, die wir begraben
haben. Ein Bube, so rüstig und ge
scheid, so lieblich, jo flink, als je einer in
diesen Hinterwäldern geboren ward. Da
haben wir uns nun daher gesetzt in die
Wildniß, haben Tag und Nacht gearbei
tet, haben Mühe und Gefahren ausge
standen, Hunger und Durst, Hitze und
Kälte. Und für wen? Hier sitzen wir
allein, verlassen, kinderlos trostlos, betend
und weinend, fluchend und ächzend. Nichts
hilft, Alles umsonst ! Nein ich werde noch
wahnsinnig! Wenn er todt wäre! Wenn
er hinten unterm Hügel an der Seite sei
ner Brüder und Schwestern läge, ich
wollte nichts sagen. Gott hat ihn ge
geben, er hätte ihn genommen! Aber All
mächtiger !
Der Mann stieß einen Schrei aus, so
fürchterlich, so grauenerregend, daß Wei
ber und Kinder der Neger zur Thüre
! hereinstürzten und Gabel und Messer un
sern Händen entfielen. Wir sahen ihn
sprachlos an.
Gott allein weiß fuhr er fort, und
sein Haupt sank auf seine Brust; plötz
lich richtete er sich jedoch auf und schütte
te ein Glas nach dem andern hinab.
Und wie trug sich dieser schreckliche
Diebstahl zu? fragten wir.
Das Weib, sprach er, kann es Euch sa
gen.
Sie war von der Tafel aufgestanden
und dem Bette zugewankt, auf welches
sie sich schluchzend und weinend setzte.
Es war wirklich eine erschütternde Scene.
Der Doktor sprang auf und führte sie
wieder zur Tafel; wir blickten auf sie,
ängstlich Aufschluß über das ungeheure
Verbrechen erwartend.
Gestern war es vierWochen, begann sie;
Mister Clarke war in dem Busche, ich war
in dem Welschkornfelde, den Leuten nach
zusehen, die Kolben einsammelten. Ich
blieb ziemlich lange bei den Leuten; die
Sonne wieS bereits aus eilf; der Morgen
war aber so schön, wie er je auf das Mis
sissippithal geschienen, und Ihr wißt, die
Leute arbeiten nicht gern, wenn sie anders
können, und so blieb ich denn. Dachte
dann, mußt wohl nach Haufe gehen und
daS Mittagsmahl für die Leute kochen,
und so ging ich denn. Ich weiß nicht;
aber als ich so dem Hause zuging war
es mir, als ob mir's plötzlich zuriefe:
Laufe was du kannst ! und ich lief was
ich konnte. Es kam Etwas über mich
Etwas, gleich einer Angst, einer Furcht.
Ich rannte, so schnell ich konnte. Als ich
zu Hause kam, sah ich Cesi, unsern
schwarzen Buben, auf der Haussteige sit
zen und allein spielen. Ich hatte aber
noch immer keinen Gedanken an daS was
noch kommen sollte. Ich ging in s Haus
und in die Küche, ohne etwas Arges zu
denken. Als ich mich so umsah um Kes
sel und Pfannen, fiel mir mein Dougl
(Douglas) ein. Ich ließ die Pfanne
stehen und lief zur Thür; da kam mir
Cesi entgegen. Missi ! sagteer, Dougl
ist weg." „Dougl ist weg?" sagte ich,
„wohin ist er denn, Cesi ?" „Weiß nicht,"
sagte Cesi ; „er ist mit einem Manne weg,
der auf einem Pferde gekommen." „Mit
einem Manne, der auf einem Pferde ge
kommen?" sagte ich. „Um Gotteöwillen
wohin kann «r denn gegangen fein?
Was ist denn das ?" „Weiß nicht," sag''
te Cesi. „Und mit wem ist er denn ge
gangen, Cesi fragte ich. Ging er
freiwillig?" „Nein, er ging nicht frei
willig,"sagte Cesi; „aber der Mann
sprang von seinem Pferde, hob Dougl zu
erst darauf, und setzte sich dann hinter ihn
und ritt weg." „Ritt weg?" sagte ich,
„und du kennst den Mann nicht?"
„Nein, Missi !" sagte Cesi. „Erinnere
dich Cesi, !" schrie ich, „um Gotteswillen
erinnere dich, kennst du den Mann nicht?"
„Hast du nicht aufgemerkt, wie er aussah,
Cesi?" fagte ich; „war er schwarz oder
weiß?" „Ich weiß nicht," sagte Cesi.
„Hast du ihm nicht in s Gesicht gesehen,
Cett?" fragte ich. „Er hatte ein rothes
Flanellhemd vor'm Gesicht," meinte Cesi.
„Weißt du denn nicht, wie der Mank aus
sah, lieber Cesi ?" „Er hatte einen Rock
und ein Pferd," sagte Cesi. „Weißt du
nicht den Namen des Mannes, Cesi?
war es Nachbar Symmes, oder Banks,
oder Medling, oder Barns?" „Nein,"
weinte Cesi.
Gerechter Gott! schrie ich, was ist daS ?
Was ist aus meinem armen Kinde gewor
den ! Ich lief vorwärts, ich lief zurück;
ich lief in den Busch, ich lief auf die Fel
der ; ich schaute, ich rief. Je länger ich
rief, desto größer wurde meine Angst.
Zuletzt rannte ich zu den Leuten und hol
te die Mutter des Cesi. Ihr, dachte ich
wird er es vielleicht sagen, waS aus mei
nem Kinde geworden. Sie lief herein
mit mir; sie fragte den Buben, wie der
Mann aussah. Sie versprach ihm Pfef
ferkuchen, neue Hosen, eine neue Jacke,
Alles in der Welt der Bube weinte,
konnte, aber nichts mehr sagen. Dann
kam Mister Clarke. So weit das Weib.
Als ich herein kam, fuhr der Mann
fort, war der Schrecken deS Weibes so
groß, daß mir auf der Stelle einleuchtete
daß es ein Unglück gegeben. Aber an
so etwas hätte ich in meinem Leben nicht
gedacht. Als sie mir das Ganze erzählte
sagte ich ihr, um sie zu trösten, daß ir
gend einer unserer Freunde oder Nach
barn den Buben mit sich genommen ; aber
ich selbst glaubte es nicht; denn welcher
meiner Nachbarn würde sich eine so dum
me Freiheit mit meinem einzigen Kinde
wohl erlaubt haben? Ich würde ihm
wahrlich nicht gedankt haben für ein solch
einfältiges Wesen. Ich nahm Cesi noch
einmal vor und fragte ihn, wie der Mann
aussah; ob er einen blauen oder schwar
zen Rock angehabt? er sagte, einen blau
en ; wie sein Pferd ausgesehen? braun,
sagte der Bube; welchen Weg er genom
men ? diesen Weg, sagte der Bube, und
deutete auf den großen Sumpf. Ich
sandte sogleich alle meine Neger, Männer
Weiber und Mädchen ringß herum zu
meinen Nachbarn, um meinen Buben
aufzusuchen, und ihnen zu sagen, was
vorgefallen. Ich ftlbst nahm den Weg
längs einem Pfade, auf welchem ich wirk
lich Pferdehufspuren fand. Ich folgte
der Spur bis zur Bayou; dort verlor
ich sie. Der Mann war mit seinem Gau
le und meinem Kinde in ein Boot gegan
gen, hat vielleicht in einem Boote über
den Mississippi gesetzt, ist vielleicht längS
dem jenseitigen Ufer hinabgegangen —wo
er gelandet, weiß Gott. Er mag viel
leicht zehn, zwanzig, vielleicht fünfzig,
hundert Meilen unterhalb an's Land ge
gangen sein. Meine Angst wurde schreck
lich ; ich ritt auf Hopefield zu. Nichts
war da von meinem Kinde gesehen oder
gehört worden; alle Männer aber setzten
sich auf die Gäule, um mir mein Söhn
chen suchen zu helfen. Alle meine Nach
barn kamen, und wir suchten einen ganzen
Tag und eine ganze Nacht. Nichts nichts
hatten wir gefunden. Niemand hatte
meinen Buben gesehen,
Mann, der ihn weggeführt. W,r stöber
ten den Wald dreißig Meilen im Umkreise
meines HauseS durch, setzten über den
Mississippi, gingen hinauf biß nach Mem
phis und hinab biß nach Helena und dem
Aazoofluß nicht« war zn sehen oder zu
Laufende Nummer 18.
hören. Wir kamen zurück, wie wir aus
gezogen waren: keine Spur, kein Zeichen.
Als ich nach Hause kam, fand ich die
Leute aus meinem Caunty vor meinem
Hause. Neuerdings zogen wir aus, neu
erdings durchsuchten wir den Wald. Ich
halte nicht Rast noch Ruhe. Jeden hoh
len Baum untersuchten wir, jedes Ge
büsch Hirsche, Bären, Panther fanden
wir in Menge, doch nicht meinen Buben.
Am sechsten Tage meines verzweifelnden
Lebens kehrte ich zurück. Mein Haus
war mir zum Schrecken geworden; Alles
verdroß mich, Alles ekelte mich an. Ich
war zerfleischt, meine Knochen geschunden
aber mein Inneres litt tausendmal mehr
als mein Leib. Ich war krank an Leib
und Seele und lag im Bette, als am
zweiten Tage meiner Heimkehr einer mei
ner Nachbarn zu mir kam, und mir mel
dete, daß er so eben von einem Manne
von Müller Caunty gehört daß ein Frem
der auf der Straße von Neu-Madrid ge
sehen worden, der der Beschreibung ent
spreche, die wir von dem Räuber meines
Sohnes hatten. Der Mann sollte einen
braunen Gaul haben, und aus dem Sat
telknopfe einen Knaben. Ich vergaß
meine Krankheit, meine wunden Glieder;
ich erhandelte mir sogleich ?inen frischen
Gaul, ich hatte die meinigen zu Schanden
geritten. Ich setzte dem Manne an dem
selben Tage nach, ritt Tag und Nacht,
ritt dreihundert Meilen bis Neu-Madrid
und als ich dort ankam, so sah ich mit
Schmeazen den Mann, den Gaul und
das Kind. ES war ein Mann von Neu-
Madrid, der von einem Besuche in Mülller
Caunty mit seinem Sohne zurückgekehrt.
Wie ich heim kam, weiß ich nicht. Nicht
weit von Hopefield fanden mich die Leute
und brachten mich nach Hause. Ich
war vierzehn Tage krank und wußte nicht
was um mich her vorging. Meine Nach
barn hatten unterdessen die Anzeige von
der greuelvollen That in die Zeitung set
zen lassen, in alle Zeitungen von Arkan
sas, Tennessee, Mississippi, Missouri und
Louisiana ; ich war mit meinen Freun
den tausende von Meilen geritten—Alles
vergebens! Nein! schrie er mit einem
herzzerreißenden Stöhnen, wäre mein
Kind mir vom Fieber entrissen, hätte es
ein Bär oder Panther zerrissen : es wür
de mich schmerzen, bitter schmerzen; es
war mein letztes Kind. Aber, barmher
ziger Gott, gestohlen! Mein Sohn,
mein armes Kind gestohlen!— Der Mann
schrie laut, sprang auf, rannte in der
Stube herum mit gerungenen Händen
und wie ein Kind weinend. Selbst daS
Weib war nicht so schrecklich vom Schmer
ze ergriffen.
Wenn ich an die Arbeit gehe, fuhr er
schluchzend fort, so steht mein Dougl vor
mir und meine Hände hängen herab, so
steif, so schwer, als wären sie von Blei.
Ich schaue mich um, aber kein Dougl ist
zu sehen Dougl steht vor mir, ich mag
wachen oder schlafen. Wollte Gott, ich
wäre schon todt! Ich habe geflucht und
gelästert, geschworen und gebetet, ich habe
geweint und geheult, —eS ist aber Alles
umsonst.
Ich habe manchen Leidenden gesehen,
aber nie sah ich einen, dem das schmerz
lichste Weh, sich so tief in's Herz gegra
ben, wie diesem Hinterwäldler. Sein
Leiden war wirklich grenzenlos. Wir be
mühten uns, ihn zu trösten, ihm Hoff
nung einzuflößen; des Mannes Blick
war starr; ich zweifle, daß er nur eines un
serer Worte vernommen. Uns selbst hat
te Mitleiden mit seinem Zustande mit ei
ner Gewalt ergriffen, die die Worte auf
der Zunge erstickte. Wir brachen bald
hernach auf, schüttelten die Hände des
unglücklichen Ehepaares, und versprachen
alles Mögliche beizutragen, um dieser
räthselhaften, gräuelvollen That auf die
Spur zu kommen, und ihnen wieder zu
ihrem Kinde zu verhelfen.
Ich hatte oft des armen Vaters gedacht
und in Verbindung mit meinen Freunden
mir alle erdenkliche Mühe gegeben, dieftr