Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, November 19, 1850, Image 1

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    Der liberale Beobachter,
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Camtties allgemeiner Anzeiger.
Ne«lÄ i N ü, HZenn. Gedruckt und berausgegeben vonArnold Puwe l! e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnul - Straße.
Jahrg. R 2, ganze Nnn». »51.
Muttersorge
Verderben weissagend stieg der Mor
gen des 5. Februars, im Jahre 178 A,
über der reizenden Stadt Messina auf.
Die vorausgegangenen Tage waren schon
unheilvoll durch die wilden Spuren ver
schiedener Erderschütterungen. Gleich
dem allgewaltigen Dröhnen des Donners
durch weite Gebirgsschluchten, brüllte das
Meer mit seinen auftosenden Wassermas
sen. Die Fische waren aus den Tiefen
zur Oberfläche geschleudert. Schiffs
trümmer schwammen auf den Fluchen.
Bäume lagen von zerstörenden Windstös
sen entwurzelt. Dächer wurden durch den
Sturmhauch von den Häusern abgerissen.
Pestartige, tiefgelbe Nebel füllten Alles
an. Ein giftiger Thau ließ abwelken
Frucht und Gras. Die Thiere starben
vor Hunger. Die Menschen übten Buße
auf öffentlichen Plätzen und in den Kir
ch?«. Biltprozessionen zogen in feierli
cher Andacht durch die Straßen. Man
fastete und bereitete sich vor auf den jüng
sten Tag. Regengüsse, wie Sündflulh
gewasser, brachen jetzt herein Man ver
nahm ein Zittern und Gähren im Erden
grunde. Die ungeheuren Festungsmau
ern spalteten sich plötzlich im weitesten
Risse. Der Boden wankte. Entsetzen
faßte die Einwohner. Die Furcht gab
ihnen Flügel. Alles stürmte nach dem
Meeresgestade hin, um dort vielleicht die
Stätte der Rettung zu finden. Als
hörte man das Wiehern der Hölle, so
krachten die Erdstöße, und die Erde öffne
te sich und Menschen und Häuser u. Thiere
sielen in den Abgrund, aus dem hochrothe
Flammen aufloderten. Schauerlich war's
in diesem Gräuel der Verwüstung!
Die Nacht, eine zweite egvptlsche Fin
sterniß, breitete den Todesmantel über
die Gegend aus. Das Erdbeben wuchs,
die Qual vermehrte sich, und Verzweif
lungsgeheul wehklagte durch die Trüm
mer des Elends. In einem der schönsten
Pallaste Messina'S, der den Hafen be
grenzte, sah man um diese Zeit, in der
Gattin des Marchese di Spedara ein
Bild des gräßlichsten Wehes! Sie lag
zu Bette sehr krank, und ihr Söhnchen,
ihr einziges Kind, lag neben ihr in der
Wiege.
Es schlief im schönsten Traume der
Unschuld, und konnte noch nicht empfin
den und verstehen, waö Grauenvolles sich
über ihm zusammenzog! Die Mutter
beugte sich oft über das Kind und küßte
ihm die Augen wach, und das Kind streck
te nach ihr die Aermchen aus. Aber die
Unglückliche legte das weinende Knäblein
auf die warmen Kissen zurück und sprang
nach dem Fenster. Wie eine Verglast
lag auf ihr der Gedanke an das nahe
Verderben. Sie schrie laut und lauter
und bang und bänger meerwärts in die
Nacht hinaus. Sie winkte mit weißen
Tüchern, doch Niemand sah sie, Niemand
konnte sie hören. Ihr Gatte war auch
nicht da! Welche Bilder, mit schwarzen
Wernichtungsfarbeu, umflatterten ihre
Seele! „Wo ist mein Gatte?" jam
merte sie; „hat ihn das Meer verschlun
gen ?" fragte sie. „Hat ihn von der
Erde die Flamme schon verzehrt?" rief
sie und kehrte zu ihrem Kinde zurück und
warf sich über die Wiege mit aufgelöstem
Haar und krampfhaft gerungenen Hän
den. Das Kind weinte bitterlich. Das
Erdbeben klang gräßlich. Hagelschauer
schlugen die Fenster durch. Der Sturm
verwehte das Licht in dem Zimmer noch.
Da lag die Mutter und betete«inbrünstig
und drückte das Keruzbild auf den bren
nenden Mund. Sie sah ihr Kind nicht
mehr. Die Nacht hielt es ihr bedeckt.
Sie siel in Ohnmacht und sank bewußtlos
neben der Wiege hin.
„Leonore! Leonore! " rief plötzlich ei
nes Mannes Stimme von der Treppe her.
Rette dich, mein Weib! sonst sind wir
Alle verloren !" Marchese di Spedara
trat ein. Es war ihr Gatte.
Er taumelte durch durch den Saal,
und konnte erst nach langem Umhertasten
das geliebte Weib auffinden. Die Furcht
gab ihm Riesenkraft. Er umfaßte sein
Weib, und als könnte er fliegen, so
schnell, so muthig stürzte er mit der ge
liebten Beute die Treppen hinunter und
ins Freie. Das HauS wankte schon lei
se. Leonore war gerettet !
Am Meeresgestade lagen einige Baum
stämme dicht nebeneinander im Grase.
Marchese di Spedara fand dieselben, als
ein Blitzstrahl die Luft erhellte. Darauf
legte der Gatte sorgsam sein Weib und
trocknete ihr den Schweiß von der Stirne.
Sie lag bewußtlos Di Spedara richte
te den dankbarsten Blick zum Himmel in
mitten der todtbringenden Ereignisse, froh
in der Seele, seine Leonore gerettet zu
haben.
Die Ungewitter zogen von allen Sei
ten mehr und mehr zusammen. Hohler
und dumpfer rauschte das Meer. Die
Die Blitze glühten wie Schlangengeringel
durch die Luft. Die Sturmglocken
teten von allen noch stehenden Thürmen.
Aus weitgedehnten Schlünden der Erde
kochten Schwefelflammen hervor, und wie
Gespenster schlichen die verjagten Einwoh
ner Messina's scheu von Ort zu Ort, und
fragten bange nach Dem und Jenem, ob
er noch lebe? und bekreuzten sich und be
teten.
Leonoren weckten das Getümmel und
die Regengüsse aus der Betäubung, wel
che wie ein sanfter kühlender Fittig auf
ihren kranken Sinnen lag. „Bedecket
mich, ihr Hügel, stürzt über mich, ihr
Berge!" so hörte sie jammernd aus ver
trockneten Menschenkehlen die Bitten
ausschreien, und wandte den Blick auf die
erste Häuserreihe Messina's hin. „Wo
ist mein Gatte? Wo ist mein Kind, ach !
mein einziges Kind ?" rief sie und stierte
hinüber nach ihrer Wohnung, die vom
Leuchten der neben in Brand stehenden
Pallaste schauerlich erhellt stand. Sie
streckte sehnsüchtig die Hände schnell em
por, und stand auf und wollte davon ei
len. „Mein Gatte! Mein Kind!" klag
te sie fort und fort, und übertönte, im
tiefsten Schmerze des erwachten Mutter
gefühles, das Gellen und Zischen der Win
de. „Dein Gatte bleibt ja bei dir, gute
trauernde Leonore!" sprach jetzt mitleids
voll di Spedara und umarmte sanft trö
stend die Weinende. „Du hier?" klang
ihr Wort. „Ja du bist es wirklich! rief
sie entzückt und schmiegte sich an seine
Brust mit zartestem Flehen: „Sei Du
mein Schutz in dieser Trübsal und mein
Stab in diesen Gefahren! Gott helfe
dir und mir!" Sie schwieg und sah
prüfend umher, und, wähnend ihr Kind
sei auch geflüchtet und schlummere seit
wärts in den grünen Halmen, erbat sie
sich vom Bater ihr Söhnchen, daß sie es
selbst an der Mutterbrust schirme, wie die
Henne ihre Jungen beschützt.
Di Spedara stand stumm, blieb starr
und wie versteinert. „Du sprichst nicht,
Gatte!" redete das von den bängsten
Ahnungen durchzitterte Weib ihn an,
„du gibst das Kind .mir nicht! Gib es
es mir doch, der feuchte Boden könnte ihm
schaden!"—„„Der feuchte Boden schadet
ihm nichts, das Kind ist ja nicht hier!
Weib! Leonore! Höre! Antworte:
Hast du das Kind denn nicht —Noch
war dieses Wort, das entsetzliche, seinem
Munde uicht ganz verklungen, und schon
flog von Geißelschlägen der Angst getrie
ben, Leonore nach ihrer Wohnung.
Der Gatte floh ihr nach, um sie zu
rückzubannen von dem sichtbarsten Unter
gange. Der Pallast lag schon bald zer
trümmert. —Leonore wollte der Gefahr
nicht achten, sie wollte retten den Sohn,
oder mit ihm sterben. Sie entwand sich
freimüthig dem Arme ihres Mannes,
warf die Thüren weit zurück und stürmte
die Marmorstufen hinauf, und sah von
Flammen schon die Wiege des Kindes
umzückt. Der Schercken hielt sie halb ge
lähmt. Sie schleppte sich mühsam nach
der Wiege, riß den Kleinen heraus, um
schlang ihn »nit beiden Händen und woll-
"Lvillig zu loben und obne Lurchr zu tadeln."
Dienstag den IS. November, 18S«.
te flüchtig wie ein gejagtes Reh, zurück
zu ihrem Gatten.
Da donnerten Erbstöße und donnerten
wieder.
Die Treppe lag schon in Trümmern
vor ihren Füßen und, o Gott! —die Ar
me versank —denn es spaltete sich die Er
de ! „Mein Kind!" rief sie und lag mit
demselben in der Tiefe. Di Spedara
sah die Versinkende. Doch die Mutter
mit dem Kinde, die edelsinnigste Gattin,
war verloren!
Wahnsinnsnächte sanken auf di Spe
dara's Seele herab. Er streckte die Hand
nach Weib und Kind aus und fand sie
auf Erden nie mehr. W. P. Stztg.
Indische Eifersucht.
Die Europäer, die nach Ostindien kom
men, knüpfen dort meist mit eingebornen
Mädchen Verhältnisse an, die, bis auf die
kirchliche Weihe, ganz und gar einer Ehe
gleichen, wenn die Herren vielleicht auch
in Europa Frau und Kinder zurückgelas
sen haben. Ein Herr Tempe stand mit
einer schönen Hindu auch in einem solchen
zärtlichen Verhältnisse, und er kam des
halb in die größte Verlegenheit, als er ei
nes Tages die Nachricht erhielt, daß seine
Frau aus England angekommen sei. Er
mußte sich entschließen, diesen Umstand
der Geliebten mitzutheilen und sie zu ver
mögen, sein Haus zu verlassen. Das
Mädchen gerieth darüber in die größte
Verzweiflung und beruhigte sich erst, als
Tempe ihr den Vorschlag machte, ihr ein
Häuschen in der Nähe seiner Wohnung
einzuräumen und seiner Frau nichts zu
sagen wer sie sei. Die Frau kam an,
und es vergingen mehrere Wochen. Ei
nes Tages ging sie in der Nähe ihres
Hauses spazieren und bemerkte das nied
liche Häuschen, das ihre Nebenbuhlerin
bewohnte. Da ihr Niemand sagte, wem
dasselbe gehöre, so nahm sie sich vor, hin
einzugehen. Sie wurde von einer jun
gen schönen Hindu, die ihren Namen
nannte, mit einiger Verlegenheit, doch
freundlich aufgenommen. Es gefiel ihr
sowohl, daß sie wiederzukommen versprach.
Schon am nächsten Tage besuchte sie das
Häuschen wieder, und verließ es erst spät
am Abend. In ihrem Bette fühlte sie
sich bald unwohl. Man schickte nach ei
nem Arzte, der ein bebenkliches Gesicht
machte, und sagte, sie müsse von einer
giftigen Beere oder Wurzel gegessen ha
ben.—Die Frau gestand darauf ihren
Besuch in dem Häuschen, und sie sprach
noch, als die Bewohnerin desselben, Ma
rie, hereinstürzte. —„Glaubst du, Karl,"
begann diese sogleich, „daß ich deine Liebe
überleben und sie auf eine andere über
tragen sehen konnte? Das vermag ich
nicht. Ich vermied die Versuchung Bö
ses zu thun, und hielt mich fern von allen
Menschen. Das Schicksal führte deine
Frau in meine Wohnung und ich mußte
die Gelegenheit benutzen, welche die Göt
ter meiner Väter mir boten. Ich ver
giftete sie.—NichtS kann sie retten, in
einer halben Stunde wird sie eine Leiche
sein. Vielleicht drohet man mir, aber
Niemand vermag etwas über mich; ich
werde die Frau nur wenige Augenblicke
überleben. Ich jammere nicht, wie sie,
obschon ich gleichen Schmerz fühle. Du
verstießest mich Karl; wer triumphiret
nun?" Eine Stunde später stand Tem
pe neben den Leichen seiner Frau und sei
ner Geliebten, und er ist nie wieder heiter
geworden. Seine Haare erbleichten vor
der Zeit und er kehrte mit seinem Schmerz
sobald als möglich nach Europa zurück.
Jll. Unt.-Blatt.
Die
(Spanische Novelle.)
Kürzlich wurde vor dem Gerichtshof
von Estremadura folgender Fall verhan
delt :
In Medellin, in einem Hause von
schlechtem Anschein, soll Ferdinand Cortez
geboren worden sein. Die Einwohner
zeigen ek noch mit Stolz den Fremden,
und unter den Hidalgos, deren Güter
von der Guadiana bewässert werden rüh
men sich viele der Verwandschaft mit dem
Eroberer von Mexiko.
Einer der reichsten von diesen, Namens
Hernando Hernandez de San Pedro y
Bachamonde y Penna Fulgida, war ei
ner jener alten Spanier, wie nur wenige
mehr in jetziger Zeit angetroffen werden. -
Obgleich er die ganze Welt durchzogen
Halle, so bewahrte er doch alle Züge des
Nationalcharakters in ihrerßeinheit. De
gen und Mantel begleiteten ihn überall
wie sein Schatten. Er hatte sein Glück
in Amerika gesucht und war dann, als die
Provinzen von Neuspanien sich von dem
Mutterlande getrennt hatten, nach Estre
madura zurückgekehrt, und brachte Geld
und eine junge, edle, schöne und leiden
schaftliche Gefährtin mit.
Donna Engracia Loyabanes war un
ter der glühenden Sonne der Tropenlän
der geboren, und vereinte mit der schein
baren Ruhe der Creolen den ganzen Un
gestüm ihrer Wünsche. Sie hegte einen
tiefen Respekt vor dem langen Schnurr
barte des Don Hernando Hernandez, al
lein sie liebte ihn nicht, wenn sie gleich
sehr das Bedürfniß fühlte zu lieben. Ih
re Wahl blieb nicht lange zweifelhaft.
Sie hatte in der Kirche einen Franzosen
erblickt; ihre Angen waren sich begegnet,
und indem sie die Wachsamkeit ihres Gat
ten zu täuschen wußte, gelang es ihr, den
Geliebten in ihr Haus eiuzuführen. Dies
Beginnen war gefährlich: allein wer
wollte Klugheit von Liebenden erwarten?
Das hieße, nach dem spanischenSprichwort
Birnen von einer Ulme fordern, oder ei
ne Katze mit drei Pfoten suchen. Der
junge Franzose war übrigens so unbeson
nen, wie die meisten seiner Nation.
Don Hernando Hernandez wußte bald
daß er betrogen war, allein es war ihm
unmöglich, die Schuldigen zu ertappen,
und er mußte daher dem Zufall den Be
weis seiner Schmach, sowie die Gelegen
heit sich zu rächen, überlassen.
In einer Rächt, als Donna Engracia
dem Geliebten ihres Herzens den Eintritt
gestatte hatte, traf es sich, daß dieser in
einem Ausbruch der Zärtlichkeit die Na
men verwechselte und ausrief: „Wie
schön bist du, meine Judith!" Ha! rief
diese, wie aus einem ängstlichen Traume
erwachend, du kennst also eine Judith ? ..
du liebst sie, treuloser Verräther! Um
sonst versuchte es ihr Geliebter, sich zu
rechtfertigen; sie hörte ihn nicht an und
erhitzte sich bei seiner Vertheidigung im
mer mehr, bis sie zur heftigen Wuth ge
langt war und ihre Stimme durch das
ganze Haus erschallen ließ, obgleich der
Herr Gemahl im Nebenzimmer schlief.
Don Hernando Hernandez erwachte
und schlug an die Thür und befahl zu
öffnen. Es bedurfte nichts mehr als die
se Stimme, um Donna Engracia zur Be
sinnung zurückzubringen. Wo sollte sie
ihren Liebhaber verbergen? Zur Flucht
wollte sich kein Ausweg zeigen.
Nur ein Teppich lag in einem Winkel
des Zimmers; man hatte ihn zusammen
gerollt, damit die Funken des Brasero
keinen Schaden brächten. Dies war der
einzige Ausweg. In einigen Secunden
war der junge Mensch hineingewickelt,
und während ihr Gatte mit dem Degen
gefäße an die Thür schlug, rief Donna
Engracia mit dem Ausdruck des Schrek
kens in einem fort: Zu Hülfe! zu Hül
fe! '
Unterdeß war die Thür den Anstren
gungen Don Hernando'S gewichen.
—Senor, sprach die junge Frau, ich
bin von Dieben aufgeweckt worden, wel
che durch das Gitter am Fenster einbre
chen wollten. Es ist nicht sicher in die
sem Hause; rufen Sie Ihre Leute, durch
suchen Sie den Garten und die Umge
gend, Sie werden die Uebelthäter gewiß
finden.
Hernandez that, als ob er ihr glaubte,
und sprach: Seid Ihr auch gewiß, daß
sie nicht wirklich in'S Zimmer eingedrun-
Laufende Rummer 12.
gen sind? Könnten sie sich nicht irgend
wo verborgen haben?
Nein, nein ! erwiederte die junge Frau,
es ist Niemand hier als Ihr und ich.
Und wo sollten sie sich wohl in diesem
Zimmer versteckt halten ? Ihr habt recht
Senora, sprach der Mann, indem er den
Fuß auf den zusammengerollten Teppich
setzte.
Seine wilden Blicke verriethen, was er
zu verbergen suchte.
Ihr habt recht man könnte sich hier
nicht verstecken. Jedoch als Godi in
Aranjuez von dem Volke verfolgt wurde
und sich auf den Boden des Hauses flüch
tete, verbarg er sich in eine Art von Tep
pich, wie dieser hier, und entkam so wäh
reN zwei Tagen den Nachstellungen sei«
ner Feinde. Ja, wenn ich nur da gewe
sen wäre!
Und was hättet Ihr gethan ?
Jch hätte Alles mit der Spitze meines
Degens untersucht. Allein hier ist daS
nicht nothwendig; nicht wahr, Senora?
Und indem er das sagte, stieß er einige
Male mit dem Degen in den Teppich.
Sogleich hörte man ein schmerzhaftes
Wimmern ; allein Hernando that als ver
nähme er es nicht, und sprach ironisch :
„Jetzt will ich den Spitzbuben aufsuchen."
Kaum war er aus dem Zimmer, als
die Frau die Thüre hinter sich schloß.
Sie rollte den Teppich auseinander und
fand den jungen Franzosen mit drei De
genstichen in der Brust, und ein Blut
strom stürzte aus dem Munde. Verge
bens wollte sie, neben ihm knieend, dem
Blute Einhalt thun, es rann in einem
fort; der Sterbende wollte sprechen, al
lein er konnte nur einige Worte hervor
bringen : „Ihr hattet Unrecht. . „Ju
dith" ist der Name meiner Schwester . .
ich sterbe —aber ich liebe Euch . ." Noch
einmal hob er die Augen nach ihr, und
schloß sie dann auf immer. Einige Stun
den blieb sie bei dem Leichnam ; als dieser
aber ganz kalt war, so begriff sie wohl,
daß jede Hülfe überflüssig sei, und faßte
einen raschen Entschluß. Da sie nun ih
ren Geliebten nicht mehr zu retten ver
mochte, so wollte sie wenigstens ihn rä
chen.
Nachdem sie den Todten wieder in den
Teppich gehüllt, ihre Haare geordnet und
eine ruhigere Miene angenommen hatte,
klopfte sie an die Thür ihres Gatten.
„Kommt heraus," sprach sie, „mir scheint,
daß ihr einen Christen getödtet habt.
Mein Zimmer ist mitßlut überschwemmt."
Ist er todt Sennora? desto besser!
so laßt mich schlafen.
Man wird Euch als den Thäter ver->
folgen.
Ich habe nur den Liebhaber meiner
Frau getödtet, und habe das Recht dazu.
Lasset mich schlafen.
Ich protestire gegen solche Verläum
dung; ich habe keinen Liebhaber; wenn
ich einen hätte, so würdet Ihr auch mich
tödten müssen. Kennt Ihr so schlecht
die Gesetze?
Uebrigens, fuhr die Frau fort, waö
liegt Euch daran, daß man einen Todten
in eurem Hause finde und die Gerechtig
keit sich in unsere Sache mische ? der Kör
per muß fort.
Er ist mir zu schwer, erwiederte Don
Hernando.
Ich will Euch helfen.
Und sie banden hierauf den Teppich
mit Stricken zusammen und trugen ihn
noch während der Nacht zum Ufer der
Guadiana, die an ihrem Garten vorbei
floß. Nachdem sie noch Steine, um ihn
zu beschweren, hinzugefügt hatten, ver
senkten sie ihn in den Strom, wo er am
tiefsten war.
Von diesem Augenblick an bemühte
sich Donna Engracia, ihren Gatten das
Vorgefallene vergessen zu machen. Man
weiß, wie groß die Macht der Schönen
ist. Eine Frau besitzt unendliche Hülfs
mittel, wenn es zu betrügen oder zu ver
führen gilt. Kaum waren daher einige
Monate verflossen, als Don Hernando