Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, November 05, 1850, Image 1

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    Der Liberale Besuchter,
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Cannties allgemeiner Anzeiger:
mcavin 8, Mnn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Cbcsnut - Straße.
Jahrg. 12, ganze Nnm. S 7».
Die Belagerung, Eroberung und
Besitznahme von Ellingen.
Ellingen ist, wie manchem Leser be
kannt sein wird, ein Städtchen an der
schwäbischen Rezat in Mittelfranken, süd
östlich und etwa 6 deutsche Meilen von
Ansbach. Es ist gegenwärtig Hauptort
einer fürstlich Wrede'schen Herrschaft,
welche bis 1809 dem deutschen Orden ge
hörte, dessen Hochmeister seinen Sitz in
der jetzt württembergischen Stadt Mer
gentheim hatte. Die Fürstenthümer
Ansbach und Baireuth wurden in dem
Zeitraum von respektive i486 und 1598
bis 1791 von Markgrafen einer Seiten
linie des Hauses Brandenburg beherrscht,
standen dann bis 1805 und 7 unmittel
bar unter der Krone Preußen, und Ans
bach war während dieser letztern Zeit der
Sitz einer k. preußischen Kriegs- und Do
mänenkammer, welcher alle administrative
Angelegenheiten in den beiden Fürsten
thümern untergeben waren. Auch befand
sich in Ansbach das General-Commando
der in den Fürstenthümern stehenden
preußischen Truppen. Dies zum bessern
Verständniß des Nachstehenden.
Es leben wenige von den Männern
mehr, welche schon vor der ersten franzö- j
sischenßevolution diesem oder jenem Herrn
in Deutschland dienten, und die damali
gen Verhältnisse der Regierungen und
Unterthanen aus eigener Erfahrung ge
nau kennen. Einer von diesen Uebrigen
aus dem vorigen Jahrhunderte war es
der einem Freunde aus dem reichen Schat
ze seiner Erfahrungen gerade Folgendes
mittheilte, als einige Reisende mit ihm an
einem Tische im Gasthofe zu Ellingen
saßen, während ihr Lohnkutscher seine
müden Pferde mit Futter und Trank er
quickte.
Unter dem Krummstabe, sagte er, war
gut wohnen. Auch unter dem Schwerte
des Deutschen Ordens, der hier in der
Umgegend viel Besitzthum hatte, ehe der
französische Kaiser einmal übers andere
in seinen despotischen Verfügungen sagte:
„Dies oder das hat aufgehört zu sein !"
Zumal die Einwohner unseres Städtleins
wünschten niemals einen Andern ihren
Herrn nennen zu dürfen, als den Hoch-
und Deutschmeister, der bekanntlich in
Mergentheim an der Tauber residirte.
Da kam zu Ende Decembers 1796
von Ansbach her ein hoher Beamter, und
verlangte im Namen seines Königs, daß
man die Bürger auf das Rathhaus beru
fe. Dies geschah, und er eröffnete der
versammelten Bürgerschaft, daß der
„Schwarze Adler" aus einem Rechte,
das von uralten Zeiten herrühre, auch das
gute Städtlein Ellingen unter seine Flü
gel zu nehmen beschlossen habe, und daß
es in diesen kritischen Zeitläufen unter sei
nen Fittigen gewiß sicherer liegen werde,
als unter dem alten und löcherichten Man
lel des deutschen Ordens.
Wer aber zu diesen schönen Redensar
ten nicht Ja und Amen sprach, das wa
ren die Zuhörer, Sie blieben völlig un
gerührt; und als der Redner etwas inne
hielt, um in den Mienen der Versammel
ten eine Antwort zu lesen, sagte ihr Wort
führer, die eine Hand unter der rothen
Weste und die andere in der Nocktasche :
„Geb' sich der Herr keine Mühe! Wir
wollen bleiben wer wir sind, unsere alte
Herrschaft ist uns schon recht."
Der Redner fuhr in einem drohenden
Tone fort, und ließ die Regimenter, Feu
erschlünde und Bajonette seines Königs
durchblicken, um die Leutlein, die sich nicht
locken lassen wollten, zu schrecken und ein
zuschüchtern. Dies schlug aber dem Faß
den Boden vollends aus. Die Bürger
meinten sie waren nicht da, um sich dro
hen zu lassen, und gingen auseinander.
Zu Hause ließen sie sich Kokarden an ih
re Hüte machen, dem Reichsoberhaupte
zu Ehren an die rechte Seite eine gelb
und schwarze, und dem Deutschmeister zu
Liebe an die linke eine roth und weiße.
So geschmückt begaben sich dann drei
Männer aus ihrer Mitte nach Mergent-
heim, um ihrem geliebten Herrn über die
Versuchung zum Abfall zu berichten, und
die Versicherung auszudrücken, daß sie
bereit wären, der Treue gegen ihn Gut
und Blut zu opfern. Daß Haupt der
Deutschen Herren vergoß zwar über die
Hingebung der guten Leute eine Thräne,
sah indeß weiter als sie, und rieth, nicht
wider den Stachel zu lecken. Er rechne
es, sagte er, zu seinen ersten landesherr
lichen Pflichten, seine getreuen Untertha
nen vor aller Unterdrückung nach seinen
Kräften und nach den in dem Reichs-
und Kreis-Verband liegenden Mitteln zu
schirmen. Sollte aber bei dem dermali
gen Reichskriege, wo die kaiserlichen Trup
pen gegen den gemeinschaftlichen Feind
weit entfernt im Felde ständen, eine kräf
tige Abwehr der Anmaßung unmöglich
sein, so könne er sich doch auch nicht ent
schließen, sein Ansehen dahin zu mißbrau
chen, um seinen getreuen Unterthanen die
Unterwerfung unter eine widerrechtliche
Gewalt selbst zu befehlen. Er müsse
seinen lieben und getreuen Unterthanen,
um deren eigene persönliche Freiheit und
Gerechtsame es zu thun sei, es überlassen,
wie sie sich dabei benehmen wollten. Doch
seien hierbei die Folgen des Widerstan
des, der Grad der Gefahr und das Maß
der beiderseitigen Kräfte wohl zu erwä
gen.
Diese Antwort trugen die drei Män
ner aus dem Kabinet des Deutschmeisters
auf das Rathhaus, wo sich ihre Mitbür
ger versammelt hatten. Mit ihnen be
schlossen sie den Gedanken an Wiederstand
zwar aufzugeben, aber nach Ansbach we
der ein Ja noch ein Nein wissen zu lassen,
sondern das Heranziehen des Sturmes
abzuwarten.
In Ansbach beschloß man indeß, dieses
Ja zu holen, und gab dem Major von
Rumohr den Auftrag, 6W Mann zu
Fuß und 299 Reiter zu nehmen, nach
Ellingen zu rücken und die verweigerte
Huldigung uöthigenfalls mit Gewalt zu
erzwingen.
„Betrachten Sie," sagte der alte, wak
kere General zu dem Oberstwachtmeister,
als er ihm den Befehl der Riegierung
mittheilte, „die Sache nur als einen mili
tärischen Spaziergang. Man legt uns
da und dort Windmacherei zur Last.
Thun Sie also am wenigsten da, wo man
den schwarzen Abler erst von Hörensagen
kennt, etwas Ueberflüssiges. Kommt bei
dem Vollzug ihres Auftrages kein Säbel
aus der Scheide und kein Bajonet auf's
Gewehr, so werden Sie mir bei ihrer
Rückkunft am willkommensten sein."
Allein das Wort des grauen Helden
von Torgau fand in dem Herzen des
Oberwachtmeisters keinen Ort. Dieser
hatte von dem ihm gewordenen Auftrage
eine ganz andere Ansicht, und theilte sie
nach Hause gekommen, seiner Schwester
mit, die ihm die Haushaltung führte,
weil er noch unverheirathet war. „Ja,
liebe Schwester," sagte er, „was konnt'
ich machen?
Ich mußte die Ehre des Regiments
retten. Meine Herren, sprach der Ge
neral bei der Parade, unser König ist
schwer beleidigt und fordert blutige Rache.
Wer unter Ihnen will sie holen? —Alle
schwiegen und schlugen die Augen nieder,
die Meisten erblaßten. Es war darum
und daran, daß der alte Mann hätte fort
fahren müssen: Nun, so will ich selbst
die Ehre unseres Köuigs retten. Aber
dazu ließ ich es nicht kommen, sondern
sprach: Herr General, wenn ich nicht so
gleich antwortete, so geschah es, weil mir
theils der Unwille über die Rebellen und
theils das aufwallende Blut der heißen
Kampfbegierde die Stimme erstickte.
Ich, ich will Rache holen, blutiger als
Tylly in Magdeburg. Das Wappen
des Königs will ich an die rauchenden
Trümmer des Rebellennestes heften."
„Da haben wir's nun!" unterbrach
ihn seine Schwester. „Du thust aber
auch immer so tapfer. Du hast den größ
ten Schnurrbart in ganz Ansbach, und
"TVillig zu loben und oline Furckt zu tadeln."
Dienstag de« S. November,
beim Exerciren arbeitest du mit deinem i
Degen so viel, daß es kein Wunder ist,!
wenn man Dir die gefährlichsten Aufträ
ge gibt. Wem viel gegeben ist, von dem
wird man viel fordern. Weil es nun
aber einmal so ist, so will ich nur deine
wollene Leibbinde zurichten. Wegen Leib
schmerzen und Abweichen konntest du den
Feldzug in der Champagne nicht mitma
chen, und, wenn du dich nicht wohl vor
siehst, so geht dir's morgen wieder so;
was mir, genau genommen, lieber wäre
als dieser Feldzug mitten im Winter.
Die Rebellen hätte man gerade so gut,
und noch besser, nächsten Sommer um
bringen können."
Andern Morgens zog der Major an
der Spitze seiner Brigade, wie er sie nann
te, aus» Auf seinem Gesichte lag der
ganze Ernst einer wichtigen Sendung.
Seine Leute dagegen waren lustig und
guter Dinge. Denn die Januarsonne
schien lieblich, und noch lieblicher war die
Aussicht auf die rauchenden Kamine des
Altmr'ihlthales, welche in dieser Jahres
zeit voll Würste und Speckseiten hingen.
Aber der ernste Führer hielt diese heitere
Stimmung seines Corps für unpassend.
Er ließ daher in dem königlichen oder
oder markgräflichen Park von Triesdorf
auf einer Wiese neben der Straße ein
Ouarree bilden. In der Mitte desselben
redete er seine Leute von seinem hohen
Gaule folgendermaßen an:
„Kinder, ich ehre zwar den heitern
Muth, womit Ihr der Gefahr und der
blutigen Arbeit entgegengeht; aber ich
halte eS auch für meine Pflicht, Euch
nicht zu verschweigen, daß es kein leichter
schlesischer Feldzug ist, in welchem Ihr
begriffen seid. Ueber die Rezat, deren
Brücken abgebrochen und deren Hochufer
wohl vertheidigt sind, sollt Ihr setzen.
Die feste Burg des Deutschmeisters sollt
Ihr erobern, an die hohen Mauern einer
Stadt sollt Ihr die Sturmleitern legen
hartnäckige und mit Waffen wohl verse
hene Rebellen sollt Ihr vernichten, auf
den Zinnen Ihres RathhauseS sollt Ihr
diese Fahne aufpflanzen. Habt Ihr die
! Mauern erstiegen, so wird jedes Fenster
leine Schießscharte, jeder Keller eine Mine
sein, und das Pech, das die Weiber über
Eure Häupter ausschütten werden, steht
schon bereit. Aber fürchtet Euch nicht !
Wo der Kugelregen am dichtesten, wo
der Kampf am wildesten, wo des Feindes
Wuth am lautesten ist, da werdet Ihr
mich finden. Nicht allein diese zwei Feu
erschlünde werden den Tod in die Reihen
Eurer Feinde tragen, auch die Hochfeste
Wülzburg hat ihr Geschütz aufgefahren
um ihre Blitze mit den unsrigen zu ver
einigen. Soldaten! Krieger! Die Ael
testen unter Euch haben schon bei Zorn
dorf dem Tode kühn ins Auge geschaut;
Andere haben unter der Kanonade von
Valmy bewiesen, daß sie ihn nicht fürch
ten ; die Uebrigen wollen in diesem Feld
zuge ihre ersten Lorbeeren pflücken. Auf
Euch rechnen in diesem Augenblick König
und Vaterland. Hoch lebe der König;
und abermals: Hoch!"
Das Hoch des Helden wiederhallte
dreimal in den Gliedern des geschlossenen
Vierecks. Dann wurden scharfe Patro
nen vertheilt und die Gewehre geladen.
Schlagfertig rückte das Corps aus den
Mauern des Parks und über Günzenhau
sen hinab bis in das Dorf Weiboldshau
sen. Je zwei oder drei Husaren streiften
auf allen Seiten neben und vor dem Corps.
Sie hatten den Befehl, jede verdächtige
Person anzuhalten und vor den Oberwach
tmeister zu bringen, wodurch, besonders da
es Sonnabend und somit Botentag war,
die Hausordnung des Altmühlthals be
deutend gestört wurde.
Der erste Verdächtige, der den Reitern
in die Hände siel, war ein Candidat der
Theologie, der den Tag darauf die Kan
zel besteigen sollte, und auf dem Wege
zu seinem Oheim war. Er ergab sich
willig und folgte gerne, weil er so auf
einmal aus der Angst entnommen wurde.
Aber eine Gemeinde kam dadurch um ih
ren Gottesdienst. Nach ihm wurden
dreißader eingebracht. Auch diese sträub
ten sich nicht, weil ihre Neugierde in der
großen Reisegesellschaft theils befriedigt
und theils gespannt wurde; aber ihre
Bartkunden kamen den andern Tag in die
Kirche wie Igel in den Obstgarten. Am
unwilligsten geberdeten sich zehn oder
zwölf Botenweiber, die sich mit ihren
Tragkörben auf dem Rücken dem Zuge
anschließen mußten. Denn sie versetzten
sich ganz in die Lage ihrer Pfarrherren
und Pfarrfraucn, denen sie Briefe, Zei
tungen, Braten, Taback, Perrücken, Hau
ben, Zucker und Kaffee aus den Städten
und Flecken umherbringen sollten. Man
durfte sie aber so wenig als die Dorfbar
biere entlassen, weil, trotz aller Bedroh
ungen, ihre Zungen das Geheimniß des
Feldzuges mit telegraphischer Schnellig
keit verrathen haben würden.
Der willkommenste Fall für den Ma
jor war ein Mann aus Ellingen selbst,dem
ein junger Husar den Weg verrannt und
auf dem Transport zum Hauptkorps über
den Zweck des Feldzuges mehr anvertraut
hatte, als gerade nöthig war. Der Ein
gebrachte war ein Kräuter- und Wur
zeln-Sammler, der am meisten für die
Hofapotheke in Ansbach lieferte, und den
Major schon kannte. Unter einem nichts
sagenden, ja dummen Gesicht, verbarg er
eine große Schlauheit, und war immer
bereit, andern etwas aufzubinden, dabei
aber auch über die Folgen seiner Lügen
so wenig besorgt, als weiland Sacho Pan
sa, der treue Begleiter des Ritters von
der traurigen Gestalt. Als er vor den
Anführer des Streifzuges gebracht wor
den war, wartete er die erste Frage dessel
ben nicht ab, sondern siel vor ihm nieder,
küßte den Steigbügel und sprach: „O
Herr General ! Ew. Excellenz kommen
wie ein Engel vom Himmel. Ich hab'
unter den dummen, einfältigen Menschen
in Ellingen nimmer bleiben mögen. Mit
gefangen, mitgehangen. Wer sich unter
die Kleien mischt, den fressen die Säue,
mit unterthänigem Respekt zu vermelden.
Wollen sich diese Tollköpfe von Eurer
Excellenz todtschießen lassen, meinetwegen.
Was werden ihnen alle Kanotten helfen
und alle ihre Handgranaten, die auf der
Stadtmauer umherliegen wie die Aepfel
auf dem grünen Markt in Nürnberg?
Ew. Excellenz, der Herr Generalfeldzeug
meister, sind zu gewaltig !—lch aber Heis
se Joseph Schlauch, und der Hofapothe
ker in Ansbach kennt mich so gut wie sei
nen eigenen Sohn. Ich bin auf dem
Wege zu ihm gewesen, anzufragen, was
für Wurzeln und Kräutlein er in diesem
Jahre brauchen könne."
Ein Mann, der so redete, war für un
fern Oberstwachtmeister der rechte. Wäh
rend die andern aufgegriffenen Personen
im Nachtrab zu Fuß gehen mußten, wur
de der Kräutersammler auf das Hand
pferd des Anführers erhöht, und hatte
die Ehre zu seiner Linken zu reiten, und
ihm über die Vertheidigungsmittel, die
Lage und die schwächsten Punkte von
Ellingen zu berichten. Der Adjudant
zur Rechten, ein Artillerie Lieutenant,
der sich bei Valmy den Verdienstorden
erworben datts, entdeckte wohl sogleich in
dem Wurzelklauber den Schalk; aber er
durfte seinem Vorgesetzten nichts darüber
sagen, denn das Prädikat „Excellenz,"
welches ihm hier das erste Mal und so
oft beigelegt wurde, hatte den Hans
dampf so hoch hinaufgeschraubt, daß er
mir einer vernünftigen Vorstellung nicht
zu erreichen war.
Auch wollte der Major das Verdienst
der Eroberung von Ellingen nicht mit
seinem Adjutanten theilen. Er entließ
ihn daher im Nachtquartier sogleich nach
dem Abendessen, und entwarf dann beim
Glase Wein mir dem Kräutermann den
Plan für den nächsten Tag. Der Schalk
erlaubte sich zwar, unterthänigst zu be
merken, 'daß an demselben das Fest der
heiligen sei. Denn daS Le-
Laufende Rummer 1«.
ben bei seinem Gönner gefiel ihm, und
ein Rasttag des Festes wegen wäee mit
zunehmen gewesen. Aber der Oberst
wachtmeister, begierig nach den Lorbeer
zweigen, die ihm so nahe hingen, ließ sich
nicht daranf ein, sondern erwiederte: „Ei,
was da ! desto besser, so werden die Schlin
gel in Ellingen einen Vierkönigstag fei
ern. Herrendienst geht vor Gottesdienst.
Dergleichen Tage sind in unserem aufge
klärten Lande schon längst abgeschafft."
Den Morgen darauf, nachdem die Bo
tenweiber und die Andern wieder auf frei
en Fuß gestellt worden waren, brach die
Brigade auf und rückte in das Gebiet des
Deutschen Ordens. Um denen in Ellin
gen so viel als möglich jeden Succurs ab
zuschneiden, wurde auf den Rath deS
Wurzelklaubers zuerst das Dorf Stopfen
heim besetzt und die Kirche daselbst um
zingelt, weil gerade darin alle Bewohner
zum Gottesdienst versammelt waren.
Ein Wachtmeister mit einem Trompeter
mußte hinein und mit lauter Stimme ver
kündigen, die Weiber sollten sich augen
blicklich entfernen, die Männer aber als
Gefangene der Truppen Seiner Maje
stät bes Königs bleiben. Schmetternd
unterbrach die Trompete den festlichen
Choral, und die ungewöhnliche Proklama
tion des Reiters erregte allgemeine Be
stürzuug. Heulend stürzten die Kinder,
Mädchen und Weiber aus der Kirche,
denn sie glaubten, ihre Väter und Män»
ner müßten alle über die Klinge sprin
gen. Dann trat der Major, fünfzig
Mann vor fünfzig Mann hinter sich, in
das Gotteshaus.
Wie alle Bramarbasse seiner Art, hat
te auch er keinen Respekt vor einer ge
weihten Stätte. Er winkte daher dem
Priester, der in dem Hochamte unterbro
chen worden war, von dem Altar, und
stellte sich, mit dem Hut auf dem Kopfe
auf eine Stufe desselben. Dann warf
er einen furchtbaren Blick über das Schiff
und die hohen Emporen der neuen Kirche
und begann:
„Es hat dem Adler, der mit dem einen
Flügel bis an die Ostsee und mit dem an
dern bis an die Ufer der Wörnitz reicht,
gefallen, auch Euch Leute unter seine schir
menden Fittiche zu nehmen. Ob er gleich
wie Jupiters Vogel, den Blitz führt, der
vor wenigen Jahren Oestreichs, Ruß
lands, Schwedens, Frankreichs und
Deutschlands Heere auseinander stäubte
und vernichtete, so will er doch nicht von
seiner niederschmetternden Gewalt, sondern
nur von seiner überschwenglichen Gnade
Gebrauch machen, und Euch sein nennen
wie Euch bisher des Deutschen Ordens
Oberhaupt sein genannt hat. Daß er
das Recht dazu habe, welcher Sterbliche
wagt daran zu zweifeln? Gehet hin in
die Archive grauester Vorzeit! Perga
mente, auf denen der Staub des zwölften
und dreizehnten Jahrhunderts liegt,
werden Euch belehren, daß mein gnädig
ster König auch über Euch sein Scepter
ausstrecken darf. Wollt Ihr nun dieses
Scepter in entgegenkommender Huldi
gung küssen, so entsendet drei Männer
aus Enrer Mitte an die Stufen dieses
Altars."
Hier schwieg der Redner und warf ei
nen erwartungsvollen Blick auf seine Zu
hörer. Aber keiner derselben setzte sich
in Bewegung, und nur die Hintersten in
der Versamlung steckten die Köpfe zusam
men. Ueber dieses Zaudern wurde der
Major roth und immer röther und röther
wie ein Vulkan, in dessen Eingeweide sich
ein Ansbruch vorbereitet. Dies bemerk
te der Priester, der neben dem Altare ste
hen geblieben war, und sagte halb laut
zu dem Häfelein, das eben übersprudeln
wollte : „Ich vermuthe, die ungelehrten
Leute haben Euer Gnaden nicht verstan
den." Das besänftigte den kleinen, dik.
ken Mann und die Zornröthe verlor sich
in seinem Angesicht. Er rief seine Or
donanz, die in einer großen ledernen
Tasche Kokarden und auf Blech gemalte
Adler hatte, nahm eine Kokarde und ei-