Der Liberale Besuchter, Und Berks, Momgomery und Schuylkill Cannties allgemeiner Anzeiger: mcavin 8, Mnn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Cbcsnut - Straße. Jahrg. 12, ganze Nnm. S 7». Die Belagerung, Eroberung und Besitznahme von Ellingen. Ellingen ist, wie manchem Leser be kannt sein wird, ein Städtchen an der schwäbischen Rezat in Mittelfranken, süd östlich und etwa 6 deutsche Meilen von Ansbach. Es ist gegenwärtig Hauptort einer fürstlich Wrede'schen Herrschaft, welche bis 1809 dem deutschen Orden ge hörte, dessen Hochmeister seinen Sitz in der jetzt württembergischen Stadt Mer gentheim hatte. Die Fürstenthümer Ansbach und Baireuth wurden in dem Zeitraum von respektive i486 und 1598 bis 1791 von Markgrafen einer Seiten linie des Hauses Brandenburg beherrscht, standen dann bis 1805 und 7 unmittel bar unter der Krone Preußen, und Ans bach war während dieser letztern Zeit der Sitz einer k. preußischen Kriegs- und Do mänenkammer, welcher alle administrative Angelegenheiten in den beiden Fürsten thümern untergeben waren. Auch befand sich in Ansbach das General-Commando der in den Fürstenthümern stehenden preußischen Truppen. Dies zum bessern Verständniß des Nachstehenden. Es leben wenige von den Männern mehr, welche schon vor der ersten franzö- j sischenßevolution diesem oder jenem Herrn in Deutschland dienten, und die damali gen Verhältnisse der Regierungen und Unterthanen aus eigener Erfahrung ge nau kennen. Einer von diesen Uebrigen aus dem vorigen Jahrhunderte war es der einem Freunde aus dem reichen Schat ze seiner Erfahrungen gerade Folgendes mittheilte, als einige Reisende mit ihm an einem Tische im Gasthofe zu Ellingen saßen, während ihr Lohnkutscher seine müden Pferde mit Futter und Trank er quickte. Unter dem Krummstabe, sagte er, war gut wohnen. Auch unter dem Schwerte des Deutschen Ordens, der hier in der Umgegend viel Besitzthum hatte, ehe der französische Kaiser einmal übers andere in seinen despotischen Verfügungen sagte: „Dies oder das hat aufgehört zu sein !" Zumal die Einwohner unseres Städtleins wünschten niemals einen Andern ihren Herrn nennen zu dürfen, als den Hoch- und Deutschmeister, der bekanntlich in Mergentheim an der Tauber residirte. Da kam zu Ende Decembers 1796 von Ansbach her ein hoher Beamter, und verlangte im Namen seines Königs, daß man die Bürger auf das Rathhaus beru fe. Dies geschah, und er eröffnete der versammelten Bürgerschaft, daß der „Schwarze Adler" aus einem Rechte, das von uralten Zeiten herrühre, auch das gute Städtlein Ellingen unter seine Flü gel zu nehmen beschlossen habe, und daß es in diesen kritischen Zeitläufen unter sei nen Fittigen gewiß sicherer liegen werde, als unter dem alten und löcherichten Man lel des deutschen Ordens. Wer aber zu diesen schönen Redensar ten nicht Ja und Amen sprach, das wa ren die Zuhörer, Sie blieben völlig un gerührt; und als der Redner etwas inne hielt, um in den Mienen der Versammel ten eine Antwort zu lesen, sagte ihr Wort führer, die eine Hand unter der rothen Weste und die andere in der Nocktasche : „Geb' sich der Herr keine Mühe! Wir wollen bleiben wer wir sind, unsere alte Herrschaft ist uns schon recht." Der Redner fuhr in einem drohenden Tone fort, und ließ die Regimenter, Feu erschlünde und Bajonette seines Königs durchblicken, um die Leutlein, die sich nicht locken lassen wollten, zu schrecken und ein zuschüchtern. Dies schlug aber dem Faß den Boden vollends aus. Die Bürger meinten sie waren nicht da, um sich dro hen zu lassen, und gingen auseinander. Zu Hause ließen sie sich Kokarden an ih re Hüte machen, dem Reichsoberhaupte zu Ehren an die rechte Seite eine gelb und schwarze, und dem Deutschmeister zu Liebe an die linke eine roth und weiße. So geschmückt begaben sich dann drei Männer aus ihrer Mitte nach Mergent- heim, um ihrem geliebten Herrn über die Versuchung zum Abfall zu berichten, und die Versicherung auszudrücken, daß sie bereit wären, der Treue gegen ihn Gut und Blut zu opfern. Daß Haupt der Deutschen Herren vergoß zwar über die Hingebung der guten Leute eine Thräne, sah indeß weiter als sie, und rieth, nicht wider den Stachel zu lecken. Er rechne es, sagte er, zu seinen ersten landesherr lichen Pflichten, seine getreuen Untertha nen vor aller Unterdrückung nach seinen Kräften und nach den in dem Reichs- und Kreis-Verband liegenden Mitteln zu schirmen. Sollte aber bei dem dermali gen Reichskriege, wo die kaiserlichen Trup pen gegen den gemeinschaftlichen Feind weit entfernt im Felde ständen, eine kräf tige Abwehr der Anmaßung unmöglich sein, so könne er sich doch auch nicht ent schließen, sein Ansehen dahin zu mißbrau chen, um seinen getreuen Unterthanen die Unterwerfung unter eine widerrechtliche Gewalt selbst zu befehlen. Er müsse seinen lieben und getreuen Unterthanen, um deren eigene persönliche Freiheit und Gerechtsame es zu thun sei, es überlassen, wie sie sich dabei benehmen wollten. Doch seien hierbei die Folgen des Widerstan des, der Grad der Gefahr und das Maß der beiderseitigen Kräfte wohl zu erwä gen. Diese Antwort trugen die drei Män ner aus dem Kabinet des Deutschmeisters auf das Rathhaus, wo sich ihre Mitbür ger versammelt hatten. Mit ihnen be schlossen sie den Gedanken an Wiederstand zwar aufzugeben, aber nach Ansbach we der ein Ja noch ein Nein wissen zu lassen, sondern das Heranziehen des Sturmes abzuwarten. In Ansbach beschloß man indeß, dieses Ja zu holen, und gab dem Major von Rumohr den Auftrag, 6W Mann zu Fuß und 299 Reiter zu nehmen, nach Ellingen zu rücken und die verweigerte Huldigung uöthigenfalls mit Gewalt zu erzwingen. „Betrachten Sie," sagte der alte, wak kere General zu dem Oberstwachtmeister, als er ihm den Befehl der Riegierung mittheilte, „die Sache nur als einen mili tärischen Spaziergang. Man legt uns da und dort Windmacherei zur Last. Thun Sie also am wenigsten da, wo man den schwarzen Abler erst von Hörensagen kennt, etwas Ueberflüssiges. Kommt bei dem Vollzug ihres Auftrages kein Säbel aus der Scheide und kein Bajonet auf's Gewehr, so werden Sie mir bei ihrer Rückkunft am willkommensten sein." Allein das Wort des grauen Helden von Torgau fand in dem Herzen des Oberwachtmeisters keinen Ort. Dieser hatte von dem ihm gewordenen Auftrage eine ganz andere Ansicht, und theilte sie nach Hause gekommen, seiner Schwester mit, die ihm die Haushaltung führte, weil er noch unverheirathet war. „Ja, liebe Schwester," sagte er, „was konnt' ich machen? Ich mußte die Ehre des Regiments retten. Meine Herren, sprach der Ge neral bei der Parade, unser König ist schwer beleidigt und fordert blutige Rache. Wer unter Ihnen will sie holen? —Alle schwiegen und schlugen die Augen nieder, die Meisten erblaßten. Es war darum und daran, daß der alte Mann hätte fort fahren müssen: Nun, so will ich selbst die Ehre unseres Köuigs retten. Aber dazu ließ ich es nicht kommen, sondern sprach: Herr General, wenn ich nicht so gleich antwortete, so geschah es, weil mir theils der Unwille über die Rebellen und theils das aufwallende Blut der heißen Kampfbegierde die Stimme erstickte. Ich, ich will Rache holen, blutiger als Tylly in Magdeburg. Das Wappen des Königs will ich an die rauchenden Trümmer des Rebellennestes heften." „Da haben wir's nun!" unterbrach ihn seine Schwester. „Du thust aber auch immer so tapfer. Du hast den größ ten Schnurrbart in ganz Ansbach, und "TVillig zu loben und oline Furckt zu tadeln." Dienstag de« S. November, beim Exerciren arbeitest du mit deinem i Degen so viel, daß es kein Wunder ist,! wenn man Dir die gefährlichsten Aufträ ge gibt. Wem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern. Weil es nun aber einmal so ist, so will ich nur deine wollene Leibbinde zurichten. Wegen Leib schmerzen und Abweichen konntest du den Feldzug in der Champagne nicht mitma chen, und, wenn du dich nicht wohl vor siehst, so geht dir's morgen wieder so; was mir, genau genommen, lieber wäre als dieser Feldzug mitten im Winter. Die Rebellen hätte man gerade so gut, und noch besser, nächsten Sommer um bringen können." Andern Morgens zog der Major an der Spitze seiner Brigade, wie er sie nann te, aus» Auf seinem Gesichte lag der ganze Ernst einer wichtigen Sendung. Seine Leute dagegen waren lustig und guter Dinge. Denn die Januarsonne schien lieblich, und noch lieblicher war die Aussicht auf die rauchenden Kamine des Altmr'ihlthales, welche in dieser Jahres zeit voll Würste und Speckseiten hingen. Aber der ernste Führer hielt diese heitere Stimmung seines Corps für unpassend. Er ließ daher in dem königlichen oder oder markgräflichen Park von Triesdorf auf einer Wiese neben der Straße ein Ouarree bilden. In der Mitte desselben redete er seine Leute von seinem hohen Gaule folgendermaßen an: „Kinder, ich ehre zwar den heitern Muth, womit Ihr der Gefahr und der blutigen Arbeit entgegengeht; aber ich halte eS auch für meine Pflicht, Euch nicht zu verschweigen, daß es kein leichter schlesischer Feldzug ist, in welchem Ihr begriffen seid. Ueber die Rezat, deren Brücken abgebrochen und deren Hochufer wohl vertheidigt sind, sollt Ihr setzen. Die feste Burg des Deutschmeisters sollt Ihr erobern, an die hohen Mauern einer Stadt sollt Ihr die Sturmleitern legen hartnäckige und mit Waffen wohl verse hene Rebellen sollt Ihr vernichten, auf den Zinnen Ihres RathhauseS sollt Ihr diese Fahne aufpflanzen. Habt Ihr die ! Mauern erstiegen, so wird jedes Fenster leine Schießscharte, jeder Keller eine Mine sein, und das Pech, das die Weiber über Eure Häupter ausschütten werden, steht schon bereit. Aber fürchtet Euch nicht ! Wo der Kugelregen am dichtesten, wo der Kampf am wildesten, wo des Feindes Wuth am lautesten ist, da werdet Ihr mich finden. Nicht allein diese zwei Feu erschlünde werden den Tod in die Reihen Eurer Feinde tragen, auch die Hochfeste Wülzburg hat ihr Geschütz aufgefahren um ihre Blitze mit den unsrigen zu ver einigen. Soldaten! Krieger! Die Ael testen unter Euch haben schon bei Zorn dorf dem Tode kühn ins Auge geschaut; Andere haben unter der Kanonade von Valmy bewiesen, daß sie ihn nicht fürch ten ; die Uebrigen wollen in diesem Feld zuge ihre ersten Lorbeeren pflücken. Auf Euch rechnen in diesem Augenblick König und Vaterland. Hoch lebe der König; und abermals: Hoch!" Das Hoch des Helden wiederhallte dreimal in den Gliedern des geschlossenen Vierecks. Dann wurden scharfe Patro nen vertheilt und die Gewehre geladen. Schlagfertig rückte das Corps aus den Mauern des Parks und über Günzenhau sen hinab bis in das Dorf Weiboldshau sen. Je zwei oder drei Husaren streiften auf allen Seiten neben und vor dem Corps. Sie hatten den Befehl, jede verdächtige Person anzuhalten und vor den Oberwach tmeister zu bringen, wodurch, besonders da es Sonnabend und somit Botentag war, die Hausordnung des Altmühlthals be deutend gestört wurde. Der erste Verdächtige, der den Reitern in die Hände siel, war ein Candidat der Theologie, der den Tag darauf die Kan zel besteigen sollte, und auf dem Wege zu seinem Oheim war. Er ergab sich willig und folgte gerne, weil er so auf einmal aus der Angst entnommen wurde. Aber eine Gemeinde kam dadurch um ih ren Gottesdienst. Nach ihm wurden dreißader eingebracht. Auch diese sträub ten sich nicht, weil ihre Neugierde in der großen Reisegesellschaft theils befriedigt und theils gespannt wurde; aber ihre Bartkunden kamen den andern Tag in die Kirche wie Igel in den Obstgarten. Am unwilligsten geberdeten sich zehn oder zwölf Botenweiber, die sich mit ihren Tragkörben auf dem Rücken dem Zuge anschließen mußten. Denn sie versetzten sich ganz in die Lage ihrer Pfarrherren und Pfarrfraucn, denen sie Briefe, Zei tungen, Braten, Taback, Perrücken, Hau ben, Zucker und Kaffee aus den Städten und Flecken umherbringen sollten. Man durfte sie aber so wenig als die Dorfbar biere entlassen, weil, trotz aller Bedroh ungen, ihre Zungen das Geheimniß des Feldzuges mit telegraphischer Schnellig keit verrathen haben würden. Der willkommenste Fall für den Ma jor war ein Mann aus Ellingen selbst,dem ein junger Husar den Weg verrannt und auf dem Transport zum Hauptkorps über den Zweck des Feldzuges mehr anvertraut hatte, als gerade nöthig war. Der Ein gebrachte war ein Kräuter- und Wur zeln-Sammler, der am meisten für die Hofapotheke in Ansbach lieferte, und den Major schon kannte. Unter einem nichts sagenden, ja dummen Gesicht, verbarg er eine große Schlauheit, und war immer bereit, andern etwas aufzubinden, dabei aber auch über die Folgen seiner Lügen so wenig besorgt, als weiland Sacho Pan sa, der treue Begleiter des Ritters von der traurigen Gestalt. Als er vor den Anführer des Streifzuges gebracht wor den war, wartete er die erste Frage dessel ben nicht ab, sondern siel vor ihm nieder, küßte den Steigbügel und sprach: „O Herr General ! Ew. Excellenz kommen wie ein Engel vom Himmel. Ich hab' unter den dummen, einfältigen Menschen in Ellingen nimmer bleiben mögen. Mit gefangen, mitgehangen. Wer sich unter die Kleien mischt, den fressen die Säue, mit unterthänigem Respekt zu vermelden. Wollen sich diese Tollköpfe von Eurer Excellenz todtschießen lassen, meinetwegen. Was werden ihnen alle Kanotten helfen und alle ihre Handgranaten, die auf der Stadtmauer umherliegen wie die Aepfel auf dem grünen Markt in Nürnberg? Ew. Excellenz, der Herr Generalfeldzeug meister, sind zu gewaltig !—lch aber Heis se Joseph Schlauch, und der Hofapothe ker in Ansbach kennt mich so gut wie sei nen eigenen Sohn. Ich bin auf dem Wege zu ihm gewesen, anzufragen, was für Wurzeln und Kräutlein er in diesem Jahre brauchen könne." Ein Mann, der so redete, war für un fern Oberstwachtmeister der rechte. Wäh rend die andern aufgegriffenen Personen im Nachtrab zu Fuß gehen mußten, wur de der Kräutersammler auf das Hand pferd des Anführers erhöht, und hatte die Ehre zu seiner Linken zu reiten, und ihm über die Vertheidigungsmittel, die Lage und die schwächsten Punkte von Ellingen zu berichten. Der Adjudant zur Rechten, ein Artillerie Lieutenant, der sich bei Valmy den Verdienstorden erworben datts, entdeckte wohl sogleich in dem Wurzelklauber den Schalk; aber er durfte seinem Vorgesetzten nichts darüber sagen, denn das Prädikat „Excellenz," welches ihm hier das erste Mal und so oft beigelegt wurde, hatte den Hans dampf so hoch hinaufgeschraubt, daß er mir einer vernünftigen Vorstellung nicht zu erreichen war. Auch wollte der Major das Verdienst der Eroberung von Ellingen nicht mit seinem Adjutanten theilen. Er entließ ihn daher im Nachtquartier sogleich nach dem Abendessen, und entwarf dann beim Glase Wein mir dem Kräutermann den Plan für den nächsten Tag. Der Schalk erlaubte sich zwar, unterthänigst zu be merken, 'daß an demselben das Fest der heiligen sei. Denn daS Le- Laufende Rummer 1«. ben bei seinem Gönner gefiel ihm, und ein Rasttag des Festes wegen wäee mit zunehmen gewesen. Aber der Oberst wachtmeister, begierig nach den Lorbeer zweigen, die ihm so nahe hingen, ließ sich nicht daranf ein, sondern erwiederte: „Ei, was da ! desto besser, so werden die Schlin gel in Ellingen einen Vierkönigstag fei ern. Herrendienst geht vor Gottesdienst. Dergleichen Tage sind in unserem aufge klärten Lande schon längst abgeschafft." Den Morgen darauf, nachdem die Bo tenweiber und die Andern wieder auf frei en Fuß gestellt worden waren, brach die Brigade auf und rückte in das Gebiet des Deutschen Ordens. Um denen in Ellin gen so viel als möglich jeden Succurs ab zuschneiden, wurde auf den Rath deS Wurzelklaubers zuerst das Dorf Stopfen heim besetzt und die Kirche daselbst um zingelt, weil gerade darin alle Bewohner zum Gottesdienst versammelt waren. Ein Wachtmeister mit einem Trompeter mußte hinein und mit lauter Stimme ver kündigen, die Weiber sollten sich augen blicklich entfernen, die Männer aber als Gefangene der Truppen Seiner Maje stät bes Königs bleiben. Schmetternd unterbrach die Trompete den festlichen Choral, und die ungewöhnliche Proklama tion des Reiters erregte allgemeine Be stürzuug. Heulend stürzten die Kinder, Mädchen und Weiber aus der Kirche, denn sie glaubten, ihre Väter und Män» ner müßten alle über die Klinge sprin gen. Dann trat der Major, fünfzig Mann vor fünfzig Mann hinter sich, in das Gotteshaus. Wie alle Bramarbasse seiner Art, hat te auch er keinen Respekt vor einer ge weihten Stätte. Er winkte daher dem Priester, der in dem Hochamte unterbro chen worden war, von dem Altar, und stellte sich, mit dem Hut auf dem Kopfe auf eine Stufe desselben. Dann warf er einen furchtbaren Blick über das Schiff und die hohen Emporen der neuen Kirche und begann: „Es hat dem Adler, der mit dem einen Flügel bis an die Ostsee und mit dem an dern bis an die Ufer der Wörnitz reicht, gefallen, auch Euch Leute unter seine schir menden Fittiche zu nehmen. Ob er gleich wie Jupiters Vogel, den Blitz führt, der vor wenigen Jahren Oestreichs, Ruß lands, Schwedens, Frankreichs und Deutschlands Heere auseinander stäubte und vernichtete, so will er doch nicht von seiner niederschmetternden Gewalt, sondern nur von seiner überschwenglichen Gnade Gebrauch machen, und Euch sein nennen wie Euch bisher des Deutschen Ordens Oberhaupt sein genannt hat. Daß er das Recht dazu habe, welcher Sterbliche wagt daran zu zweifeln? Gehet hin in die Archive grauester Vorzeit! Perga mente, auf denen der Staub des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts liegt, werden Euch belehren, daß mein gnädig ster König auch über Euch sein Scepter ausstrecken darf. Wollt Ihr nun dieses Scepter in entgegenkommender Huldi gung küssen, so entsendet drei Männer aus Enrer Mitte an die Stufen dieses Altars." Hier schwieg der Redner und warf ei nen erwartungsvollen Blick auf seine Zu hörer. Aber keiner derselben setzte sich in Bewegung, und nur die Hintersten in der Versamlung steckten die Köpfe zusam men. Ueber dieses Zaudern wurde der Major roth und immer röther und röther wie ein Vulkan, in dessen Eingeweide sich ein Ansbruch vorbereitet. Dies bemerk te der Priester, der neben dem Altare ste hen geblieben war, und sagte halb laut zu dem Häfelein, das eben übersprudeln wollte : „Ich vermuthe, die ungelehrten Leute haben Euer Gnaden nicht verstan den." Das besänftigte den kleinen, dik. ken Mann und die Zornröthe verlor sich in seinem Angesicht. Er rief seine Or donanz, die in einer großen ledernen Tasche Kokarden und auf Blech gemalte Adler hatte, nahm eine Kokarde und ei-