Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, August 27, 1850, Image 1

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    Neading, Mnn. Gedruckt und herausgegeben von Aru o l d Puwe l! e, iu der Sud 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße.
Jahrg. Z I, ganze Nnm. S«?».
OedittHUttgen : Der Niber.llr I!colmclilrr erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial - Bogen mit scbonen Vettern gedruckt. Der - Preis ist Ein Thaler des lahrS, welcher in halbjährlicher
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Jahres nilbt bezahlt, dem werden Hl 5,t» angerechnet. Für kürzere Zeit als l', Monate wird kein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
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gerückt, llntcrschreibern in hiesiger Etadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen gestehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreiber. Briese und dergl. müssen postfrei eingesandt werden.
Die (Hründttng vvn Peking.
Eine Erzählung von Friedrich Münch.
sGchlnß.Z
Und ohne Nutzanwendung für uns ist
auch nicht die Geschichte vom Thurmbau
in Babel erzählt. Wahrscheinlich
eS Män ner gewesen, deren Sprache Gott
der Herr verwirrte, —und er that recht!
daran; denn die hätten bei der Arbeit
daS Maul halten können. Also daran
ist unser Fall schon verschieden, daß es
dort Männer waren, bei unö aber ist'S
eine weibliche Sprachverwirrung, die wir
in unserem Peking vorfinden. Nun ist
ferner wohl zu scheiden, daß in dem alten
Neste Babel AlleS mit Einverstand an-j
fing und mit Zerwürfnis! und Zerstreu-!
ung endete. So ist denn mit Recht zu
folgern, daß, da bei unS umgekehrt mit"
Verwirrung angefangen wird, Alles in
Einverständniß und Frieden schließen, und
es unsern Frauen, hieher geweht gleich'
sam aus allen Ecken der Windrose, gelin
gen werde, den Bau und Thurm der
Einigkeit und des Friedens schließlich zu er
richten. Seid nur getrost ihr Brüder,
unsere Schönen werden besseren Gebrauch
von ihren Zungen zu machen wissen, alö
die thörrichten Schwätzer von Babylon.
Sie werden für Peking eine Sprache er
finden, worüber die gelehrte Welt er stau
nen soll, indem sie es redlich vertheilen,
was Jede von dem Ihrigen dazn steuern
möge,—und wer kann es absagen, daß
diese Mundart nicht später durch einen
Wölkercongreß zur Weltsprache erhoben
und so unser Peking die größte Sprach
lehranstalt der ganzen Welt werde? O
Leibnitz, ich sehe deine große Idee der
Verwirklichung nahe! Der Schmelz, der
Guß wird in Peking gemacht werden, da
mit die Sprachverwirrung der Mensch
heit ende.
Jede schlugerechte Predigt hat drei
Theile; darum muß ich Euch noch ein
Drittes zum Besten geben. Da ist
nämlich die rührende Geschichte der drei
Männer im Feuerofen, und auch sie steht
nicht umsonst für uns an ihrem Platze.
Kamen die Männer nicht mit heiler Haut
auS der Gluti) ? Und warum ? Weil der
Engel neben ihnen stand, der ihnen Kühl
ung zuwehte. (Es wird vermuthlich ein
weiblicher Engel gewesen sein.) Es wird
uns wohl auch manchmal heiß hier wer
den ; doch die da draußen sind, sehen das
Feuer für schlimmer an, als die mitten
darin stehen. —
Ich halte mir nämlich auS, daß unsere
Friedensengel, welcher Zone sie auch ent
sprossen sind, uns tröstend zur Seite ste
hen und Kühlung wehen auf die bren
nende Stirne. Und es würde unsere
eigene Schuld sein, wenn sie es nicht thä
ten. Denn da steht auch geschrieben von
einem weisen Manne: „ „Ein tugendsam
Weib ist eine edle Gabe die dem wird ge
geben, der Gott fürchtet," " und eS ist
nicht gesagt, daß sie polnisch, oder hollän
disch, oder hochdeutsch, oder cherokeesisch
sein müsse, oder was sonst, —und dabei
hatte es sein Bewenden. —Es lebe Pe
king ! ! !
Die Schreckensreife.
Ane den Mittheilungen einee Dorfpsirrrere.
Von Ludwig Storch.
Ihr sollt die Pfarre haben, mein lieber
Herr Fidelius, sagte der gnädige Herr sehr
herablassend und gütig zu mir, nachdem
derselbe meine unterthänige Supplikation
anzuhören geruht hatte. Ihr sollt die
erledigte Stelle bekommen; doch es ist
jeher in unserer altadlichen und berühm
ten Familie Sitte und Gebrauch gewesen,
daß die Herren Candidaten und Hofmei
ster unseres Hauses, sobald wir dieselben,
kraft unseres Patronatrechtes, versorgten,
irgend eine weibliche Person aus unserer
Dienerschaft als Ehegenossin in die Pfar
re führten. Denn wir lieben, Allen, die
uns treu gedient, mit gutem Lohn zu ver
gelten und die Leute für ihr ganzes Le
ben so zu betten, daß sie uns Dank wissen.
Die Bauernsöhne, welche sich durch stu-
Der Liberale Beobachter
Und Berks, Montgomery und Schuylkill Camtties allgemeiner Anzeiger.
diren zur Gelehrsamkeit eines Schulmei
sters hinauf gearbeitet haben, werden nie
in unsern Dörfern angestellt, sie erkiesen
sich denn die noch ledige Tochter des ver
storbenen Schulmeisters, des Pfarrers,
Försters, ein hübsches Dienstmädchen aus
unserm Schloß, oder sonst ein Kind, an
dessen guter Versorgung uns gelegen ist.
So halten wir's ebenfalls mit unsern
Förstern, Schloßverwaltern Aufsehern,
Kammerdienern, Kutschern, und natür
lich ebenso mit den Herrn Eandidaten,
welche wir zu unsern Pastoren zu promo
viren gedenken- Ihr habt unserm Hau
se nun treue Dienste geleistet, mein wer
ther Herr Fidelius, Ihr sollt die Pfarre
haben, wie schon gesagt; doch müßt ihr
Euch baldigst nach einer Ehehälfte in
dem Kreise umsehen, den ich bezeichnet
habe. Da ich Euch nun kenne und wohl
weiß, Ihr habt Euch auf diesem Feld des
menschlichen Lebens, auf welchem ihr bei
solchem Veranlaß wandeln sollt, trotz Eu
res vorgeschrittenen männlichen Alters
noch keine Erfahrungen gesammelt, so
will ich es gern übernehmen, für Euch zu
wählen. Unter allen heirathsfähigen
Mädchen in unserm Kreise ist Lorchen,
daS Kammermädchen meiner gnädigen
Frau Mutter, für Erich am passendsten.
Sie ist jung, hübsch, rasch, versteht die
Wirthschaft zu führen, und wird Eure
Melancholie mit ihren Scherzen trefflich
verbannen.
Der gnädige Herr geruhte hier seiner
inhaltschweren Rede ein Ziel zu sehen;
ich fühlte an der brennenden Hitze in
meinem Gesichte, daß mir daö Blut wäh
rend des letzten Theils derselben stark zu
Kopfe gestiegen war, und machte ver-'
wirrt einen tiefen Bückling. Obgleich
ich eigentlich nicht wußte waS ich darauf
erwiedern sollte, so war eS doch meine
Schuldigkeit zu antworten, und auf's
Gerathewohl sing ich an : Dero aller
gnädigste Huld und Fürsorge ergreift
mich so mächtig, doß ich nicht Worte fin
den kann, meinen unterthänigsten Dank
auszusprechen. Ich seufzte tief auf, als
ich meine Worte, obgleich mit öfterem
Häsiren uud argen? stottern, doch so zier
lich hervorgebracht hatte.
Schon gut, schon gut, mein lieber
Herr Kandidat, sagte der gnädige Herr
über die Maßen freundlich, erspart Euch
den Dank; es ist mir genug, daß ihr so
vernünftig meine gute Absicht erkennt,
und auf meinen Vorschlag eingeht. Wir
wollen darum die Sache gleich in Rich
tigkeit bringen. —Er schellte. Jungfer
Lorchcn soll sogleich kommen! rief er den»
eintretenden Diener zu, und ich begann,
ohne daß ich es wollte, noch verhindern
konnte, am ganzen Leibe wie ein Espen
laub zu zittern, im Gesichte war ich aber
eiskalt und also gewiß todtenblaß gewor
den.
Der gnädige Herr mußte es mir wohl
ansehen, denn er sagte mit einer beruhig
enden Stimme: laßt Euch'S nicht angst
sein, ehrlicher Fidelius: es ist kein Hals
brechend Stück Arbeit, sich eine Frau an-,
zuschaffen, und übrigens will ich ja für
Euch das Wort führen. Drum nur ge
trost. Es ist bald abgemacht.
Dieser huldreichen Worte ungeachtet,
und auch aller Beruhigungsgründe, wel
che ich aus der Philosophie, so ich fleißig
studirte, beizuziehen mich bestrebte, unge
achtet, fuhr ich wie ein Schulknabe zu
sammen, wenn ihn der Prezeptor auf ei
ner Sünde ertappt, als Lorchen, flink und
munter wie eine Bachstelze in'S Zimmer
hüpfte. Ich verbeugte mich, so tief eS
meine kurzen, unter den Knien festgebun
denen Beinkleider nur erlaubten; konnte
aber der langen Zeit halber, welche diese
Reverenz einnahm, nicht bemerken, ob
Jungfer Lorchen selbigen Gruß erwieder
te. Fernerhin konnte ich vor großer
Scham auch kein Auge mehr aufschlagen ;
denn der gnädige Herr begann allsobald
ein Langes und BreiteS zu reden von
meiner guten Bestallung, häuslichen Ein
richtung und meinem sehnlichen Verlan-
"Lpillig zu loben und ohne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 27. August,
gen, in den heiligen Stand der Ehe zu
treten, und wie ich, aus allzugroßer
Schamhaftigkeit, ihm gar sehr angelegen
hätte, für mich den Freier bei ihr zu ma
chen. Er schloß damit, daß er Lorchen
bei der Hand nahm, ihr gar freundlich
in's Antlitz blickte und sie fragte: Nun,
Kind, sage uns, ob du gesonnen bist, seine
sehnlichen Wünsche zu erfüllen und sein
ehelich Weib zu werden ?
Ich blinzelte etwas seitwärts nach Lor
chen hin und sah, wie sie einen tiefen
Knix machte und ihr Gesichtchen von der
Sonne der Freundlichkeit überstrahlt war.
Wenn Euer Gnaden befehlen und der
Herr da mir gewogen ist, so wäre ich
wohl nicht abgeneigt,—sagte sie lachend,
und mir lief es siedend heiß zun, Rücken
hinab.
Nun, so reicht Euch die Hände, sagte
der gnädige Herr, und Ihr mein werther
Fidclins, gebt Euerer schönen Braut den
VerlobungSkuß!
Meine Gebeine erbebten ob dieser An
muthung; dergleichen war mir noch nie,
selbst nicht einmal im Schlafe beigekom
men ; ich hätte mir auch nicht vorgestellt,
daß es bis dahin kommen würde, und
mir graußte wo das hinaus sollte. Wä
re der gnädige Herr nicht zugegen gewe
sen, so hätte ich mir wohl ein Herz ge
faßt, denn Lorchen war wirklich ein aller
liebstes, niedliches Mädchen ; wie in aller
Welt sollte ich aber in Beisein meines
gnädigen Herrn Patrons solches mit ge
hörigem, respektmäßigem Anstände aus
führen ! Wenn ich es nur vorher auf
meinem Dachstübchen für mich einen Tag
lang hätte probiren können, so wie ich
jedesmal zu thun pflegte, ehe ich den
Predigtstuhl betrat, um die Andächtige
Gemeinde durch meinen Vortrag zu er
bauen, oder wenn ich zur Theegesellschaft
der Frau Baronin-Mutter gezogen wur
de.—Eh' ich aber mit meinen Zweifeln
darübrr in Ordnung kam, bemerkte ich,
daß Lorchen sich meiner Hand bemächtigt
hatte, und mir ihr zuckersüßes Händchen
gerade unter meine Augen hielt.
Nun, was wird's Fidelius ? rief der
gnädige Herr, und in einer völligen Gei
stesabwesenheit, bückte ich mich, allen
Respekt vergessend, und—that, wie der
Herr befohlen hatte.
Als ich wieder zu mir selber kam, stat
tete unS sofort der Herr Baron seine
Glückwünsche ab, ich verbeugte mich sub
missest und stammelte her, wovon ich aber
selbst nichts mehr weiß.
Lorchen selbst hatte mich beim Arm ge
nommen, machte eine recht niedliche Ver
beugung und sagte: Gnädiger Herr ich
bin Zeitlebens Dero ergebenste Dienerin.
Schon gut, liebes Lorchen! ich will
mich schon zuweilen bei Dir zu Gaste bit
ten, —rief der Herr Baron lachend, und
das klang mir doch ein wenig sonderbar.
Wir schritten über die Schwelle hinaus,
und obgleich Lorchen mit mir zu liebäu
geln begann, so konnte ich doch nicht un
terlassen, mancherlei philosophische Be
trachtungen über den schnellen Wechsel
alles Irdischen anzustellen. Vor einer
guten halben Stunde war ich als ein
hoffnungsloser armer Eandidat in das
Zimmer hinein gegangen, und wie reich
ging ich wieder heraus! als ein wohlbe
stallter Pfarrherr und Bräutigam eines
runden kleinen niedlichen Mädchens. Der
wichtigste Schritt meines Lebens war ge
than, vor dem mir's im Geheimen stets
gegraußt hatte. Der Mensch ist nicht
geschaffen, daß er allein sei, hatte ich mir
oft gesagt, und dein seliger braver Vater
hatte deine gute ehrbare Mutter zum
Weibe. Aber wie eine Frau bekommen?
das war mir eine stets schwer zu lösende
Frage gewesen. Inzwischen halte ich
mich doch über diesen Punkt mit dem ge
meinen Sprichworte getröstet: Mit dem
Amte kommt auch die Frau; und sich da
der Herr hatte mir wunderbar geholfen.
Schnell war mit dem Amte die Frau ge
worden; ich war über den gefährlichen
Abgrund hingeschlüpft, ohne ihn recht zu
bemerken. Hätte ich vier Wochen früher
gewußt was heute hatte geschehen sollen
und nun wirklich geschehen war, ich hätte
ja weder Speise und Trank zu mir neh
men, noch Nachtö meiner Ruhe pflegen,
noch meinen Studien mit der gehörigen
Attention obliegen, noch meinen Schola
ren den Unterricht mit Sorgfalt ertheilen
können, und am letzten Sonntag, wo ich
zu aller Zuhörer Erbauung eine Sal
bungsvolle Predigt hielt, hätte ich gewiß
zur ewigen Schande umgeworfen, was
mich vielleicht gar um die schöne Pfarrei
hätte bringen können. —Nun sah ich erst
ein, wie weise der Herr gehandelt hatte,
diese Sache in kürzester Frist abzuthun,
und wie vielen Dank ich ihm schuldig
war.
Was meine Braut nun selbst betraf,
so war sie eine sehr heitere, ja lustige
Jungfer, machte mit meinen Zöglingen,
manchmal auch mit größeren Leuten, gar
possirliche Sprünge, trällerte und hüpfte
durch's Haus, scherzte mit dem gnädigen
Herrn, wie mit ihres Gleichen und hing
Allen gern was an. Das Letztere war
mir zu verschiedenen Malen wiederfahren
und ich ging ihr deßhalb aus dem Wege.
Früher hatte mir hinsichtlich ihrer wohl
beigchen können, daß sie für eine Pfarr
frau doch etwas zu ausgelassen und den
Freuden dieser Welt allzusehr ergeben sei,
um dem weiblichen Theil der Gemeinde
als ein gutes Muster vorzuleuchten ; nun
aber philosophirte ich sehr vernünftig,
daß mir der gnädige Herr auf der Welt
keine passendere Frau hätte wählen kön
nen. Mir fiel nämlich bei, daß wie mir
aus der Experimentalphisik wohl bekannt,
gleiche Pole sich abstoßen, ungleiche sich
aber anziehen, und einige sehr geistreiche
Psychologen das Verhältniß als Grund
typus des gesammten WeltorganißmuS,
und folglich auch der Menschen, aufgefun
den und gründlich dargestellt, und es kam
mir sehr wahrscheinlich vor, daß eine Frau,
welche gleich mir den ganzen Tag in
Büchern studire, und über die Lösuug
der großen Probleme in den Wissenschaf
ten grübele, die Wirthschaft zu Grunde
gehen lassen und auch mich niemals aujM
znheitern im Stande sein würde.
Wie ganz anders war dies bei Lorchen
der Fall!
Mein Pfarrhaus verödete gewiß nicht,
wenn sie es bewohnte, und ich habe ja die
Menschen gar lieb und freute mich mit
den Fröhlichen, wenn ich mich dessen auch
nicht so auSthuen und mich mit ihnen ab
geben kann. Ich war jetzt so recht herz
innig froh, daß ich ein so schönes, wir
recht vortheilhaftes und meiner Individu
alität so angemessenes Loos aus dem gros
sen Glückstopfe gezogen und mir das
schmucke Lorchen erworben hatte. Ich
dachte auch schon an unsere häusliche Ein
richtung und wie ich meine Bibliothek
aufstellen, und wie viele Bienenstöcke ich
gleich von Anfang unter meinem Fenster
placiren wolle. Alles dies und noch viel
Anderes dachte ich bei mir, was ich aber
nicht erzählen mag; vergaß jedoch, was
ich nachher mit Schrecken inne wurde,
mit meinem lieben Lorchen auch nur ein
einziges Wörtchen zu sprechen.
Meine künftige Hälfte zog mich, mir
selbst unbewußt, auf das Zimmer der gnä
digen Frau, der Gemahlin des Herrn
Baron, und präsentirte uns als Braut
paar, eine sehr wichtige und unerläßliche
Höflichkeitsformel, die ich im Trubel mei
ner Gedanken gewiß gänzlich vergessen
oder über die Gebühr hinausgeschoben
haben würde, hätte Lorchen nicht jetzt
schon angefangen, statt meiner zu sorgen
und zu handeln. Die gnädige Frau
machte ein essigsaures Gesicht, als sie uns
ihren kalten, kurzen Glückswunsch sagte,
und schien über unsere Verbindung keine
sonderliche Freude zu haben. Ich wußte
nicht, woher daö kam. denn ich hatte den
Respekt gegen sie nie aus den Augen ge
setzt, und sie war mir sonst sehr freund
lich gewesen.
Von da ging'S zur gnädigen Frau
Laufende Nummer ss.
Mutter, Lorchens eigentlicher Gebieterin.
Da war nun die Freude groß. Kaum
hatte Lorchen ein paar Worte fallen las
sen, aus welchen sich allenfalls unser Ver
hältniß ahnen ließ, so schlug die gnädige
alte Frau Baronin die Hände zusammen,
trippelte mit den Füßcn und rief: Ei,
Ihr lieben Leutchen, das ist ja herzig!
Gratulire tausendmal! und der Johann
muß uns sogleich eine Flasche Franzwein
aus dem Keller holen! es wurde nun viel
über Oeconomie gesprochen und die gnä
dige Frau rieth mir, mich bald mit einer
guten Schafzucht zu versehen, bot mir
auch einige Böcke von ihrer eigenen
Heerde, die ihrem Vorgeben nach den Me
rinos nicht aus dem Wege gingen, für
billigen Preis an, und ermahnte mein.
Lorchen auch zum fleißigen Flachsbau;
denn, sagte sie, Woll uud Lein halten
warm und rein und putzen gar fein.
Als wir uns bestens empfohlen und
wieder entfernt hatten, zog mich Lorchcn
in ihr trautes Zimmerchen, welches ich
noch nie zuvor betreten hatte, so lange
ich auch schon das hochadelige Haus be
wohnte.
Aber sage mir nur, begann Lorchen in
einem recht ärgerlichen Tone, bist du denn
stumm geworden? Ich dächte doch, einer
Braut müßte man mehr zu sagen haben,
als ein Paar dummen Kindern, und mit
ihnen höre ich dich immer zum Ueberfluß
parliren und raisonniren. Führ ich dich
nicht herum wie des hochseligen gnädigen
Herrn Perrückenstock auf den Boden?
Durch diese Rede sowohl, als durch
daS vertrauliche unerhörte Du wie mich,
seit ich aus Tertia gerückt war, niemand
wieder genannt, ganz bestürzt, erwiederte
ich: Holdselige Jungfer Lorchen, wenn
Sie nur bedenken wollten, wie mir Alles
so plötzlich gekommen ist, wie ich mich
aber im Herzen erfreue, daß Sie nun
meine Braut
Was Sie? rief Lorchen spöttisch. E
ben weil wir ein Brautpaar sind, nennen
wir uns Dn. In vierzehn Tagen ist ja
unsere Hochzeit und Du wirst mich doch
nicht als Deine Frau „Sie" nennen wol
len ?
In vierzehn Tagen schon? fragte ich
erstaunt.
Ei freilich, versetzte Lorchen; übermor
gen werden wir zum erstenmale aufgebo
ten, über acht Tage zun, andern und in
vierzehn Tagen zum dritten und letzten
Mal; selbigen Sonntag thust Du Dei
ne Antrittspredigt und wir feiern Hochzeit.
Nun liebste Jungfer Braut, biö dahin
wollen wir unö noch Sie nennen. ES
kommt mir vor, als schicke es sich nicht
recht, gleich allzuvertraut mit einander
umzugehen. Dabei drehte ich verlegen
an irgend etwas, welches ich, um nur
meinen sehr lästigen Händen etwas zu
schaffen zu machen, in derAngst hinter dem
blüthenweißen allerliebsten Bettchen mei
ner Braut hervorgezupft hatte, neben
welchem ich saß und wo dasselbe hinter
dein Stuhle, dem Bettgestelle und der
Wand eingeklemmt war.
Wenn andere dabei sind, magst Du
mich immerhin noch Sie nennen, sagte
Lorchcn, sobald wir aber unter vier Au
gen zusammen verweilen, dutzen wir uns.
So machen's alle Liebende und so will
ich'S auch gehalten haben. Unterdessen
sah ich zu meinem Erstaunen, daß ich ein
Taschentuch deö gnädigen Herrn durch
die Finger zog, denn bei einer Wendung
leuchtete mir das in einem Zipfel gestickte
hochadelige Wappen mit Hochdero Na«
menszug, in die Augen. Lorchen mochte
mir wohl ansehen, daß ich eben nicht das
klügste Gesicht machte, sie riß mir deßhalb
das Tuch aus der Hand und verwies mir
mein ungalantes Benehmen, so daß ich,
um nur nicht zu Schanden zu werden,
mich genöthigt sah, ihr ein Schmätzchen
auf die Wange zu geben, welches mir
auch wirklich besser abging, als in Gegen
wart des gnädigen Herrn.
Siehe da, als ich Lorchen in die Augen
sah, vergoß sie ein paar Thränchen und