Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, August 20, 1850, Image 1

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    N e din g, Venn. Gedruckt und herausgegeben vonArnold Puwell e, ln der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Ckcsnut« Straße
Jahrg. >I, ganze Nnm. S«8.
Bedingungen: Der N.iber.'llr Levb,ic!Ncr erscheint jeden Dienstag aus einem großen Luperial - Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Lubscriptions - Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjährlicher
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Die Gründung von Peking.
Eine Erzählung von Friedrich Münch.
(Forlsetzung.)
Wir sind nun zum letzten Acte unserer
Erzählung gekommen. Zögernd nur
schreiten wir weiter, weil wir den nahen
Augenblick voraussehen, da wir von unse
rem freundlichen Leser scheiden müssen.
Doch wir kennen unsere Pflicht, welche
uns verbietet, den herzbefriedigenden
Schluß zu lange ihm vorzuenthalten.
Am zweiten Oktober—es war ein
Sonntag—schien die Sonne noch so mild.
Der Anblick der Wälder war bezaubernd,
indem die absterbenden Blätter das ma
nigfaltigste Gemisch der frischesten Far
ben, vom blassen Gelb bis zum dunkelsten
Roth, darboten. Kein Wolkchen trübte
den tiefblauen Himmel, kein Lüftchen be
rührte unsanft die Wangen der Schönen,
nichts störte den Eindruck des freundlichen
Bildes.—Mehrere Häuserreihen waren,
in der neuen Colonie entstanden und be
reits regle sich eine 'Art von Verkehrsle
ben an der Stelle, wo vor kurzem noch
die Bären des Urwaldes hausten. —Ge-
nau uni 2 Uhr Nachmittags ertönte ein
Horn aus dem Hause des Japaners.
In Nr. 7 rührte eS sich zuerst. Der
Zug wuchs mit Nr. und.l u. s. w.,
und schwoll allniälig wie zu einem mäch'
tigen Strome. Männer führten Damen,
Damen in einfach sittigem Schmucke führ
ten hüpfende Knaben und Mädchen,—
und nun angelangt im Saale, d. h. im
nett ausgezierten Blockhause: „welch ein
reicher Himmel, Stern bei Stern !"
Sprachforscher der alten Welt, hochge
lehrte Häupter, die ihr Lorbeeren ge
wonnen durch cure tiefsinnigsten Werke
über den Ursprung und Verwandtschaft
der Sprachen,—euch beklage ich, daß ihr
nicht Zeuge sein durftet der großartigen
Scene! Niemals und nirgends, glaubt
es mir, ist ein so reicher Sprachschatz
in so engem Raume zusammengedrängt
gewesen.--Die alexandrinische Bibliothek
ist nichts dagegen.
Das Umarmen hatte keine Schwierig
keit ; als aber die Unterhaltung zwischen
den Frauen beginnen sollte, da gab es
freilich einige der schlimmsten Art. Pol
nisch —ging nicht; cherokeesich —noch we
niger ; gälisch—o Jammer!
„Wir Männer," sagte der Schneider,
„machen die Frauen nur verwirrt und
verlegen; ich wette wenn wir sie einander
selbst überlassen, verständigen sie sich auf s
Beste, undAo laßt nns, bis der Kaffee
bereit ist, in Nr. 2 ziehen und unsere
Männergeschäfre vorerst zu Ende bringen
Schnell war eine Art Rednerstuhl er
richtet, dann wurde das Loos gezogen
wegen der Reihenfolge der Sprecher.
Dieser Folge sind denn auch wir gezwun
gen, uns zu bequemen.
„Ich heiße zu Deutsch Franz Bitter,
wie ihr wißt, und habe vordem als Tanz
meister Euch Allen die Beine zurechtge
setzt. Daß ich Franzose von Geburt bin,
aber sehr jung in Euer Städtchen kam, daß
Ihr Alle nichts gespart habt, um meine
Tage so zu machen, wie mein Name lau
tet, ist Euch gleichfalls wohl bewußt.
(Pause und Räuspern.) Ich bin nichr
zum Redner erzogen, zumal in Eurer
widerspänstigen Sprache bin ich kein
Meister —und darum habt Nachsicht.
Auch zum Tanzkünstler hat mich, wie ich
jetzt denke, die Natur nicht eigentlich be
stimmt ; denn von Frühestem an schweb
te Größeres meinem Geiste vor. Ich
war immer Republikaner in meinem
Herzen, ich haßte die Tyrannen, nach
Freiheit lechzte meine Seele. Man fein
dete deßhalb mich an, ja Verfolgung sah
ich über mich kommen. Wer verdenkt es
mir, daß ich meine Blicke nach dem einzig
freien Lande ber Erde richtete? (Hier
lügt er wie ein Zeitungsschreiber; denn
es war vielmehr ein verunglückter Liebes
handel, was ihn aus dem Lande trieb.)
Aber eS bemächtigte sich meiner ein un
wiederstehlichcr Drang, die Menschen in
ihrer ursprünglichen Einfachheit zu sehen
Wer Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger
als des Schöpfers unverdorbenes Mei
sterwerk. (Die Wahrheit ist, daß, nach
dem die letzten Mittel ihm ausgegangen
waren, er sich von der Pelzhändlergesell
schaft anwerben ließ, um an den Quellen
des Missouri dem Biederfange obzuliegen,
daß er mehrere Jahre unter den Jndia
nern des Felsengebirgs in diesem Berufe
zubrachte, sich indessen der Sparsamkeit
befleißigte und so bei seiner Rückkehr sich
im Besitze einer nicht unbedeutenden Sum
me befand.) Und dort war es, wo mein
Herz, das, wie ihr wißt vordem nie ge
schmolzen war, zu den sanftesten Gefüh
len erweichte. Ein einfaches unschuldi
ges, herrliches Naturkind riß mit unbe
schreiblichem Zauber meine ganze Seele
hin; Ihr saht sie und zweifelt nicht,
daß ich ein Glücklicher bin. (Einfacher
ausgedrückt: ein halbes Dutzend seiner
Bewerbungen waren erfolglos geblieben,
und so halte er auf seiner Rückreise aus
der Wildmß, an jedem anderen Llebes
glück verzweifelnd, sich mit einer Mestize,
der Tochter eines canadischen Pelzjagers
und einer Eherokee Indianerin, verbun
den.) —Ihr wißt, daß ich einen guten
Takt habe, mit jungen Personen umzu
gehen (auf den Takt verstand er sich
allerdings etwas) und Natur und Men
schen habe ich auch studirt (am Felsenge
birge ;) demnach habe ich beschlossen, der
Schulmeister von Peking zu sein und zu
meiner Freude habe ich mich überzeugt,
daß zu einem tüchtigen jungen Anwüchse
zu dieser jüngsten allrr Städte die beste
Aussicht vorhanden ist.
Ich will den Inhalt der nun folgenden
Reden in meiner Weise geben, da der Le
ser ohnehin das meiste davon schon weiß,
auch vermuthlich an dem Punkte ange
kommen ist, wo rasche Handlung allein
der Spannung seines Geistes entspricht.
Wehe dem Erzähler, der gegen den
Schluß noch Absprünge und Umschweifl
sich erlaubt, während der Leser wie toll
in der geradesten, also kürzesten Richtung
zum Ziele hinstürmt!
Stephan d. Japaner. Ein kühner Welt
umsegler aus Neu-Vork war in die ja
panischen Gewässer gelangt und hatte dorl
ein von Sturm entmastetes und zerfelltes
Fahrzeug angetroffen, dessen Mannschaft
hoffnungslos und steuerlos auf diesem ge
fahrvollen Meere umhertrieb. Es waren
Japanesen. Menschlichkeit gebot, sie nicht
allein aufzunehmen, sondern auch zu dem
japanischen Hafen von Nangasaki hinzu
bringen.—So wenig es von diesem Vol
ke gerne gesehen wird, daß irgend ein
Fremder an ihren Küsten erscheint, so
dankbar erwies man sich doch gegen die
großmüthigen Netter der Verunglückten.
Alles, was nur irgend erquicken oder nütz
lich sein konnte, wurde reichlich auf das
amerikanische Schiff gebracht, und zuletzt
langte noch ein Geschenk ganz eigner Art
an in der Person des gefangenen Natur
folfchers. Die Japanesen theilen uäm
lich die Welt ganz einfach in Japan und
Nichtjapan ein nnd bekümmern sich um
das letztere im ganzen außerordentlich we
nig. In diesem Falle also war es ein«
Gunst, ja ein Beweis von seltner Achtung
gegen Nichtjapan sdessen Unterabtheilun
gen in Welttheile, Länder, Staaten eS
nicht der Mühe werth ist, weiter zn be-
daß Japan einen nichtjapanesi
schen Gefangenen zurücklieferle. Eine
solche Gunstbezeugung schien um so mehr
am rechten Orte da man sich noch eine da
gegen auszubitten hatte, nämlich die, daß
der Nen-Vorker doch niemals wieder die
Küste des heiligen Landes berühren möge.
—So gelangte unser Stephan mit dem
Amerikaner zurück nach Java. So groß
war indessen die Achtung, welche er von
der Person seines Retters gewonnen hat
te, so stark die Anhänglichkeit au ihn, so
ermunternd Alles, was er von ihm über
daß Leben in der neuen Welt hörte, daß
er sich entschloß, ihm dahin zu folgen,
natürlich nicht ohne die inzwischen zur
vollsten Reife gelangte Gebieterin seines
"Tvillig zu loben und okne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 2v. August, 18S<».
Herzens mitzunehmen. Der Umstand,
daß der Kapitän ein Abkömmling der
Holländer war, welche vor Ist> Jahren
Neu-Vork und dessen Umgegend zuerst
ansiedelten, und zufällig eben denselben
Familiennamen wie die Aeltern der Braut
führte trug nicht wenig dazu bei, alle
Anstände zu beseitigen. —Dem natürli
chen Zuge der meisten Einwanderer in
Amerika nachgehend, hatte Stephan im
Laufe der Zeit von Neu Jork sich immer
weiter westwärts gewandt und zuletzt in
einem Städtchen von Illinois niederge
lassen, wo j>doch die Verhältnisse ihm
nicht ganz zusagten, und er die romanti
sche Idee der Mitgründer einer neuen
Stadt in der Wildniß zu werden, mit Ei
fer erfaßte. War er doch als Arzt dort
ohne Zweifel am rechten Orte.
Peter, der Pariser. Unsere Leser er
rathen es von selbst, daß Peter in der
kritischen Lage, in welche die Wiederer
kennung seiner Person ihn versetzt hat
te, in schleuniger Flucht aus dem Lande
der Galanterie sein Heil suchte. Eines
der bestsegelnden Paketboote brachte ihn
mit seiner ohne Verzug ihm angetrauten
Freundin von Havre nach New-Vork,
und schon war er, den, Laufe der Sonne
folgend, bis nach Broonville am Missouri
j gelangt, als die Kunde der beabsichtigten
Gründung von Peking ihn erreichte, wo
er sich dann das Eigenthumsrecht auf den
Hausplatz Nr. 4 an der Wasserstraße
verschaffte. Am ersten Orte ließ er nun
vorläufig seine Familie und begab sich
selbst viel früher als seine Brüder an den
neuen Ort, um als geübter Bauhandwer
ker an der Vollendung der Wohnungen
mitzuhelfen.
Christoph der Petersburger. Was
den Leser vielleicht um Christoph bange
machte, war gerade das Mittel seines
Heils. Wir hörten daß die Russin von
dem Entführungsprojekte genau untere
richtet war. Sie lenkte alle Schritte der
„vielgetreuen Zofe" und hatte durch sie
die Sache bis zu diesem Punkte getrieben.
Auch war es auf ihr Geheiß, daß die Zo
fe, wohlbelohnt für diesen Dienst, der
Fliehenden sich anschloß. „Recht so/'
dachte sie bei sich selbst, „mag die Polin
entweder glücklich davonlaufen, oder sich
so beschimpfen, daß sie verstoßen und ent
erbt wird, in beiden Fällen bleibt der
fürstliche Reichthum des Grafen meinen
eignen Kindern allein." fHierin irrte
sie indessen, denn auf seinem Todbette
sicherte der Pole, der zuletzt noch die kau
serliche Ungnade erfahren mußte, durch
ein Testament Adelaiden ihr kindliches
Und so war auch hier der alte
Spruch wieder wahr: „Ihr gedachtet es
böse mit mir zu machen, aber:c.
Alles gelang nach Wunsch, da Niemand
hindernd in den Weg trat. Christoph
hatte sich später in St. Louis als Kauf
mann niedergelassen, sehnte sich aber dar
nach, mehr in ländlicher Umgebung und
in weniger Geräusch den Rest seiner Ta
ge zu verleben. Demnach war ihm die
Kunde willkommen, in Folge deren er sich
entschloß, der Mitgründer von Peking zu
werden, mit Recht erwartend, daß für sei
ne Lebzeit der neue Ort seinen ländlichen
Charakter noch nicht verlieren werde.
Mathias, der Mexikaner. Nicht alle
verfallen dem bleichen Tode, welche auch
dessen Finger berührte. Mathias erhol
te sich langsam und war auf seiner Fahrt
dem Mississippi aufwärts begriffen, als
ihm die Ankündigung zu Gesichte kam,
welche ihm gerade Das darzubieten schien,
was mit seinen Wünschen übereinstimm
te. „Christoph" sagte er am Schlüsse
seines Vortrags, beabsichtigt ohne Zwei
fel, hier eine Handlung zu gründen, und
ich selbst habe dieselbe Absicht. Wir
werden unsere Geschäfte zu theilen wissen,
baß keiner dem andern im Wege ist, Alle
aber dabei sich Wohlbefinden. Als Ne
bengeschäft will ich es übernehmen, auch
Eure Stadtchronik zu schreiben, Eure
Festgedichte zu machen und erbiete mich
zugleich zum Direktor Eures künftigen >
Theaters, denn noch immer glaube ich,!
auf einige Huld der Musen rechnen zu
dürfen.
Jakob, der Schneider. Schon einmal
wie der alte Heide Virgil uns erzählt,
ist viel, und vielleicht noch manchmal seit
dem, ist es vorgekommen, daß auf irgend
einen höheren Machtdefehl der heulende
Sturmwind plötzlich verstummte und die
von den Wellen Zerschlagenen doch noch
dem Abgrunde entgingen. So auch lan
dete Jakob, den wir Alle aufzugeben die
gegründete Ursache hatten, dennoch in
Halifax, wo wir ihn sogleich wegen der
Weiterreise nach Montreal, Quebeck:c.
Erkundigungen einziehen hören. Noch
immer war der lustige Schneider, auch
trotz der zarten Bande, welche ihn jetzt
fesselten nicht zu derjenigen Stetigkeit
gelangt, die ihm ein langes Verweilen in
(Zanada oder Michigan, oder Jova mög
lich gemacht hatte. Nicht viel langsamer,
als die Sonne ihren Lauf um den alten
Erdball vollendet, wanderte er von Ort
zu Ort, immer die Gegend zum Lichtpunk
te der Weiterreise nehmend, wo er sie zu
letzt so prachtvoll hatte niedersinken ge
sehen. Eine Äaravane zum Auswan
dern nach Ealifornien hatte sich gebildet.
Natürlich war Jakob mit dabei, denn die
Gewässer des stillen Ozeans zu sehen ge
hörte jetzt mit zu dem Erhabensten, was
seine Phantasie ihm vorhalten konnte.
Aber ist es nicht so oft ein scheinbarer
Zufall der unbedeutendsten Art, der den
Helden gerade in der Mitte der glänzend
sten Laufbahn zum Stillstand zwingt ?
Jakob war auf seiner Reise zum Sam
melplatze bis in die Nähe der Stelle ge
langt, wo die neue Stadt im Entstehen
war, als seine irische Hälfte, früher als
er erwartet hatte, ihn abermals zum glück
j liehen Vater machte. Einiger Aufschub
war unvermeidlich ; doch durfte er noch
! immer hoffen, mit der Karawane fortzu
kommen. Der junge Halbcaledonier war
mit einer unverschämt kräftigen Tenor
-5 stimme begabt exerzirte sich auf eine Wei
se, die der Alte auf die Dauer keineswegs
! ergötzlich fand. Er mußte sich etwas er
gehen, und was konnte lockender an die
> sem schonen Apriltage sein, als ein halbes
Stündchen weit nach dem Versteigerungs
orte zu wandern und das Gedränge der
Menschen sich anzusehen. Der Rath der
Herzen ist wunderbar, und es ist schwer
zu entscheiden, woher Gedanken und Ent
schlüsse kommen, die nicht selten mit Blitz
esschnelle zwischen die natürliche Gedan
kenreihe sich eindrängen indem sie mit al
lem bis dahin Gedachten kaum irgend ei
nen erweislichen Zusammenhang haben.
Genug, Jakob that ein Gebot auf Nr. 5,
erschrak aber bis zum Tode, als das Wort
gesprochen war. Der unerwartete Zu
schlag erfolgte. Von der Bangigkeit sei
ner Seele wird er durch die erstaunens
wetthe Entdeckung defreit, um die wir be
reits wissen, und—sein Wanderleben ist
für immer zu Ende.
Melchior Süs ist der letzte in
der Folge der Loose, und ihn müssen wir
selbst hören.
„Ihr habt es, meine Brüder, vielleicht
bemerkt, daß ich von früher Jugend
ein Bewunderer Eurer liebenswürdigen
Schwester Amanda war. Aber so ferne
lagen meine Aussichten auf eine Versor
gung in dem Lande Schleiz, daß ich es
für eine Gewissenspflicht hielt, mein heis
ses Sehnen verschlossen in der Brust zu
tragen. (Gelogen guter Herr. Du
warft mit der Tochter längst im Stillen
einig und hast dann bei der Mutter einen
förmlichen Antrag gemacht, diese aber
konnte es dir nicht verzeihen, daß du als
Candidat einmal gegen die Auferstehung
der Leiber predigtest, und so versagte sie
dir rund ihre Perle.) Längst war jeder
Gedanke an künftiges Seelenglück bei
mir aufgegeben, und um dem Herzen ei
einige Ruhe zu erjagen, unternahm ich
eine Wanderung nach dem Böhmerlande.
Laufende Nummer SS.
(Er hatte dort einen alten, reichen ledigen
Oheim, welchen er zu beerben wünschte.)
Doch e6 trieb mich zurück nach der Stätte,
wo die Liebliche verweilte. (Mit der
Erdschaft war's nichts.) Aber mit den»
Donnerworte (er hat Reminiszenseil auö
Schiller) kam man mir entgegen „die du
suchest floh vmi hinnen —übern Ozean, —
inAmerika s Gefilden —weilet sie fortan."
(Die ganze Sache hatte er mit der Tochter
verabredet, nnd diese hatte die Mutter
zum Auswandern bewogen.) Die Welt
dünkte mir so leer, nachdem die Holde
auch nicht von ferne mehr sich mir zeigte,
und ich beschloß, wenigstens auf derselben
Erdhälfte zu athmen wo ihr theures Bild
verweilte. Doch zum wiederfinden war
keine Hoffnung;—wie konnte ich wissen,
wohin sie ihre Schritte wenden würde?
(Er wußte, daß Amanda und ihre Mut
ter vorerst bei einem Verwandten in
Baltimor wohnen würden, und war ih
nen auf dem nächsten Schiffe dahin ge
folgt.)—lch langte in der neuen Welt
an, aber ihre Spur war mir verloren.
sEr folgt ihr Schritt um Schritt, sieht
sie an jedem Orte, wo sie länger sich auf
hält, und steht fortwährend in Brief
wechsel mit lch versuchte Mancher
lei, um meinen Unterhalt zu sichern. In
einem Dorfe Pennsylvaniens fand ich ei
ne deutsch lutherische Pfarrstelle erledigt.
Ich halte die Probepredigt, und Alles
geht gut. Da verwirrt ein böser Dä
mon meine Sinne, daß ich „Unser Vater"
statt „Vater unser" bete; am Ende ist's
mit der Versorgung, ja ich hatte Noth,
der Steinigung zu entgehen für solche
ketzerische Entweihung des heiligen Ortes.
sNach einer andern Lesart blieb er im
Abbeten des Vater Unser, weil beim „täg
lichen Brod" seine Gedanken bei Amanda
waren, stecken und verließ beschämt den
„Vielleicht nährt mich mein mu
sikalisches Talent," dachte ich und fing
frisch an, in einem Städtchen Klavierspie
len und Gesang zu lehren. Aber die
Leute hatten leider keinen Geschmack für
höhere Kuust. sDie Wahrheit ist, daß
er mit seinen schweren Fingern alle Ta
sten zerschlug und daß bei seinem Gesang
den Leuten das Trommelfell zerspringen
Endlich zog ich das rechte Loos.
Ich habe große natürliche Anlagen für
einen Publizisten; (man hörts an seiner
Wahrheitsgetreuen Erzählung) und als
solcher machte ich mein Glück. Der un
erwartetste Zufall von der Welt (wers
glaubt) führt mich in einer der westlichen
Städte mit Amanda wieder zusammen,
ihre Mutter war indessen gestorben, und
ich beweinte ihren Tod sd. h er sah jetzt
endlich das unübersteigliche Hinderniß
seiner Verbindung mit der Tochter glück
lich beseitigt.l Die alte Neigung, nim
mer ganz verglommen, lodert hell auf,
und Amauda gesteht mir schüchtern ihre
Liebe. (Von Schüchternheit haben wir
längst nichts mehr bemerkt.)—lch bin
nun hier, um als Ortszeitungsschreiber
die Zeitereignisse jede Woche im wahrsten
(?) Spiegel vor Euren Sinnen vorüber
zuführen." —
Man glaubte, daß er zu Ende sei, nnd
fing an zu klatsche». Er aber bat sich
Aufmerksamkeit noch für zwei Augenblicke
weiter, zog sein Gesicht in die Falten
ernster Salbung und fuhr fort:
„Mitbürger, Freunde und Brüder.
Der Würfel des Schicksals, welcher viel
leicht der launenhafteste aller Würfel ist,
hat uns hier an den Ufern des gelben
Missouri zusammengeworfen, und es wä
re ein Jammer, wenn einer von Denen,
welche einmal hier sind, nicht da wäre, so
passend halte ich uns Alle, unsere hohe
Aufgabe zu erfüllen, nämlich eine neue
Stadt in der Wildniß nicht nur zu grün
den sondern auch zu bevölkern. Doch dabei
fallen mir Geschichten alter Zeiten ein.
Ihr habt von Noah u. seiner Arche gehört.
In seinem Kasten soll es bunt ausgesehen
haben wegen allerlei Gethiers, das darin
zusammengepackt war. und doch muß es