Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, July 30, 1850, Image 1

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    Ii rasi n g, jlcnir. Gedruckt und hcrauSgcgcbcn von Arnold Pn>vcli c, in dcr Süd Kien Skrnßc, zn'ischcn der Franklin- nnd ChcSnnl - Sliaßc
Jahr«,. 11, ftn„;e Nnm.
2>cdiiigu»qei, : Der 7j.ivrr.llt IZsvh.irllll-l erscheint jeden Dienstag aus einem großen Luperial - Bogen mit schönen vettern gedruckt. Der Lubseriptions - Preis ist Sin Thaler des Zahrs, welcher in halbjährlicher
erbeten wird. im de? Lahres nitlit dem weiden I !>>> angerechnet. Aür kuriere Zeit als <i Monate wird sein Ilnterschreiber angenommen, und etwaige ?(us?ündigungen werden nur
dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Abiaus des Lubser>ptionc.-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezablt werden. Bekanntm>ul,ungen werden dankbar angenommen und den gewöhnlichen Preis ein
gerückt. Unterschreibern in hiesiger wird die Zeitung portosrei geschickt, neit.re Versendungen gesil,ehen durch die Post oder Träger, aus Kosten der llntersil,reiber. Briese und dergl. müssen p ost 112 r e'i eingesandt werden.
Schlechtes Getränk, eine gesetzliche
Entschuldigung für Verbrechen.
Nor vielen lahren, als der Staat Ge
vrgien sich noch in der Kindheit defand,
war unterdessen (Circuit Richtern ein sehr
excentrischer Mann, Namens Braun.—
Er war ein Mann von Fähigkeit, unbe
siechbarer Redlichkeit nnd bei der ganzen
Advokatenzunft beliebt und geachtet. A
her er hatte einen großen Fehler, und der
war. daß er geistige Getränke zu sehr lieb
te und gelegentlich des Guten zu viel that,
oder mit andern Worten, betrunken wur
de.—Es war beinahe seine unabänderli
che Gewohnheit, wenn er den Lircuit
machte, den Abend vor Eröffnung der
Court sich einen tüchtigen Rausch zn
trinken, wobei ihm die andern Herren von
der Bank gewöhnlich Gesellschaft leisteten.
Als die Frühsahrscourt einmal in ei
nein etwa N) Meilen entlegenen Städt
chen zu halten mar, machte sich Richter
Braun in Gesellschaft seiner Frau, die
nebenher gesagt ein Patteru von einer gn
ten Hausfrau war. in einem altmodischen
sogenannten (sarryall dahin auf den Weg.
Gegen Sonnenuntergang langten sie glück
lich an dem Orte an und nahmen Ouar
lier bei einem Verwandten seiner bessereu
Hälfte, der sich durch den richterlichen
Besuch sehr geschmeichelt fühlte und seine
Gäste auf das beste bewirthete.
Nach dem Nachtesse» machte Richter
Braun einen Gang nach dem einzigen
Wirthshanse im Städtchen, um die dort
angekommenen Bekannten' LawyerS und
Andere, welche (sourtgeschäfte nach dem
Platze geführt hatten, zu bewillkommnen.
„Gentlemen." sagte der Richter nach
den ersten Begrüßungen. ..es ist schon
lange, seit wir einander gesehen, wir müs
sen eins mit einander trinken zum Will
komm. Steritt," fuhr er zum Wirth ge
wendet fort, ,»wie steht's um euer Getränk,
ist's besser als das vorige Mal. wo wir
hier beisammen waren? selbigmal hattet
ihr erbärmlich Zeng." Der Wirth ver
sicherte, er habe einen Stock ganz vorzüg
sicher Getränke eingelegt uud stellte zum
Beweis alsofort mehrere Flaschen und
Gläs.. cmf den Schenktisch. Der Richter
traktirte die Gesellschaft sehr freigebig bis
lgegen Mitternacht, wo ihn der überhand
«ehmende Schwindel im Kopf erinnerte.
Maß es Zeit sei nach Hause zu gehen ; beim
machte sich ein Schelm von
einem Lawyer noch den Spaß, dein Rich
ter etliche silberne Löffel des Wirths in
die Rocktasche zu praktizircn, ohne daß er
es merkte.
Am Morgen hatte Richter Braun sei
nen Rausch verschlafen, war beim Früh
stück sehr munter und begab sich dann auf
seine Stube, um sich für die Pflichten deS
Tags vorzubereiten.
..Pally," sieng er während des Anklei
dens zu seiner Frau an, „ich fühle auf die
Fralick von vergangener Nacht weit besser,
als ich geglaubt hätte."
,'Ach! wann dn die schlimme Gewohn
heit doch nur 'mal iein liefst." erwieder
te Mrs. Braun in vorwurfsvollem Tone.
..du wirst anhebends alt, lieber Mann,
und es schickt sich—"
..Ich weiß, Pally, ich weiß alles, was
du sagen willst ; aber was hilft 's schwä»
es ist eine schlimme Gewohnheit
" j„ diesem Augenblick fuhr er zu
lig mit der Hand in die Rocktasche und
m bie Löffel zu fassen- Verwundert
sie heraus und ließ sie nach minu
lem Betrachten entsetzt auf den Bo>
'N.
illy, Pally. was hab' ich gemacht!
St. ludge, was ist passirt ?
i auf die Löffel da am Boden."
'v wie bist du zu den Löffeln
gekommen bin? betracht'
Vrauf; gestohlen hab' ich
Xe?"
Der Liberale Beobachter
Und Berks, Momgomery ii»d Schuyltill Cannties allgemeiner
..Ja, gestohlen ?" rief der Richter halb
weinerlich.
..Lieber Man», du erschreckst mich ! ge
stöhlen, und vou wein?
„Vom Steritt drüben am WirthS-
Haus; beguck die Stiele, sein Name ist
darauf gravirt."
~Gut Gräschios, Mann. wie bist du
dazu gekommen?"
„Ich kau» mir's wohl einbilden, Pally,
wie 6 gekomme» ist ; ich bin fester» Abend
ziemlich duselich »ach Hause gekomme»,
tticht?"
„Leider, leider! du ke»»st dei»e schlim?
>»e Gewohnheit, we»» du mit de» Law
yers zusammen kommst."
„War ich arg betrunken. Pally?
„Ja freilich."
„Aber ich meine, ob ich total betruuke»
war, Pally?"
„Betrunken wie ein Narr. Judge, und
zehnmal einfältiger."
„Dacht' ich's doch !" rief der Richter,
sich kleinmüthig auf eiueu Stuhl setzend.
..dacht' ich's doch, daß es ei»mal so weit
kommen würde; eö schwante mir immer,
daß ich noch ein Uebel begehen, wohl gar
einen Mord verüben könne, aber niemals
hätte ich gedacht, ein gemeiner Dieb zu
werden !"
„Geb dich doch zufrieden, Mann, viel
leicht ist dir's zufällig oder aus Versehen
passirt."
„Kein Versehen, kein Zufall. Pally!
ich weiß nur zu gut. wie'ö gekommen ist.
Der Steritt hat allezeit so miserable Ge
tränke, daß sie einigen Mann zu jeder
Art Laster fähig machen ich hab s immer
gesagt. sein erbärmliches Zeug wäre schlecht
genug. einen Mann znm Stehlen zu brin
gen und nun hab' ich das Faktum a» mir
selbst erfahren !" Bei diesen Worten
stoß ihm ein Srom von Thränen über die
Wangeu.
„Sei kein Kind , Judge." sagte Mrs.
Braun tröstend, indem sie ihm die Thrä
nen abwischte," ermanne dich, bring dem
Steritt die Löffel wieder und sag ihm, dn
hättest sie snst aus Spasi eingesteckt; dann
geh' und eröffne die Court—uud kein
Hai)» wird mehr nach der Sache krähen."
Durch die Tröstungen seiner Frau er»
muthigt erholte sich der Richter von sei
nein Kleinmut!) in so weit, daß er mit ziem
lich keckem Gesicht zu Sterins ging. Er
brauchte nicht viel Worte zu machen;
denn außer, daß der Wirth von des Rich
ters unbezweifelter Redlichkeit überzeugt
war. hatte er auch noch von dem Trick
des Lawyers Kenntniß erhalten.
Richter Brauu eröffnete nun. nachdem
er seinen Sitz auf der Bank eingenommen,
die Court. Ma» wollte jedoch bemerken,
daß er während der Verhandlungen nicht
die gewohnte Thätigkeit und Umsicht zeig
te wie sonst und öfters ganz in Gedanken
versunken schien. Nach mehrtägiger Si
tzung. als sich die Courtgeschäfte ihrer Be
endigung näherten, wurde eines Morgens
ein ziemlich rauh aussehender Kunde, der
des Diebstahls angeklagt war. vor die
Schranken gebracht. Nachdem der Clerk
die Ankiagc verlesen, stellte er ihm die ge
bräuchliche Frage:
„Schuldig oder nicht schuldig?"
„Schuldig," erwiederte der Jnquisit,
„aber ich war zur Zeit betrunken.''
„Was sagt der Mann?" fragte der
Richter, der nur halb darauf gehört hat
te.
„Er erkennt sich schuldig, sagt aber,
er sei betrunken gewesen," erwiederte der
Clerk.
„In was besteht die Anklage?"
„Er ist des Diebstahls beschuldigt."
„Wie verhält sich die Sache ?" '
„So es Euer Ehren gefällt," erwieder
te der prosequirende Anwalt, „der Manu
ist gerichtlich belangt für das Stehlen ei
ner großen Summe von Steritts Colum
bus Hotel."
„Ah! Ah! und er erkennt sich—"
„Er erkennt sich schuldig, aber er habe
"IVilliq z„ loben und c>l)ne Furcht zu tadeln."
Dienstag den i<» J„li, »«»
es in der Trunkenheit gethan."
„Gültig, aber betrunken! daS ist eine
sonderbare Entschuldigung. Hört 'mal
junger Mann seid ihr ganz gewiß, daß
ihr betrunken wart ?"
„So gewiß als ich hier steh', Sir."
„Wo habt ihr das Getränk bekom
men?"
„Ans Sterirts."
„Und habt ihr nirgends wo anders ge
trunken?"
„Keinen Tropfen, Sir."
„Hr. Prosequirer," wendete sich der
Richter jetzt an den Anwalt, „thun sie mir
den Gefälle» und lassen Sie in des Man
neS Sache ein "nollc: registri
ren. Diesem Steritt seine Getränke sind
so miserabel, daß sie einen Mann zu jeder
Schlechtigkeit verleiten können. Bor et
lichen Tagen bin ich selbst daran betrnn
ken worden und ich habe in der Besoffen
heit dem Steritt seine silbernen Löffel ge
stohlen. Mr. Scheriff! sehen Sie den
Gefangenen in Freiheit. Die Court ist
vertagt."
Richter Braun soll von jener Zeit an
von der schlimmen Gewohnheit, sich zu
betrinken, völlig geheilt gewesen sein.
Entsetzlich. —Der Dampfschiff Pilot,
Schadrick von Louisville wurde vor Kur
zem durch Emma Maysi'eld, eine übel be
rüchtigte Dirne durch mehrere Stiche ver
wundet. Er wurde in das Charity-Hos
pital gebracht, wo er einige Tage darauf
an den erhaltenen Wunden starb. Der
Coroner hörte von dein Begebnisse und
verfügte sich nach dem Hospitale, um
Leichenschau über desseu Körper zu hal
ten. Als er jedoch im Hospitale anlang
te, fand er, daß die Leiche durch die Aerz
te für anatomische Zwecke zerlegt war.
Eine Frau suchen durch die Zeitung.
Junggesellen sind heut zu Tage anhe
bends so blöde, daß sie nicht die Kurasche
haben, sich in eigener Person nach einer
Frau umzusehen nnd daher ihre Zuflucht
zu den Anzeigsspalten einer Zeitung neh
men, um sich mit einer besseren Hälfte zu
versorgen. Ein solcher blöder Schlucker
war auch der Jakob Bäschfull, der seinem
Leibe keinen Rath wußte, bis er folgende
Auzeige in einer Zeitung der Stadt hatte
einrücken lassen:
Ein junger Mann von etwas schüchter
nem Charakter und mittelmäßigen Um
ständen, wünscht sich mit einer jungen,
wohlerzogenen Dame, von hübschem 'Aus
sehen, guter Gesundheit und sanftem Ge
müthe, die im Singen und Malen geübt
ist, ehelich zu verbinde«. N. B. Sie
muß wenigstens ein Vermögen von H5OOO
besitzen, keine andere braucht sich zu mel
de». Darauf Reflektireude wollen gefäl
ligst ihre Antwort unter der Adresse Ja
kob, in dieser Office abgeben.
Nach etlichen Tagen stellte sich Jakob
in der Office ein und fragte mit pochen
dem Herzen, ob etwas für ihn da sei.
Man händigte ihm ein ziemlich verkrüm
pelteö Briefchen von kuriosem Aussehe»
ein. Ist das Alles? fragte Jakob, uud
als ihm dies mitJa beantwortet wurde, öff
nete er es mir vor Erwartung zitternden
Händen und las wie folgt:
Mister! Ich hab in der Zeitung gele
sen, daß ihr uf ehne Frau aus seid; weil
ich nau auch so gesituirt bin und gern ehn
Mann habe möcht, so könne mir des mit
enanner abmache, —wann d'ihr mir ge
fallt, heeßt des. Was das Singen an
belangt, da kann ich vielerlei, ich kann den
Mnkee Doodle, Unkel Ned, O Nancy und
viel andere poplar Reime gar hübsch sin
gen, im Nothfalle auch pfeifen; vom
Malen versteh' ich nix, als weißeln;
zanke thu ich auch net, als wenn ich bös
bin. Ihr sagt, ihr wäret in nur mittel
mäßigen Umständen, well, wann des iö,
so braucht ihr net zu denken, daß euch ein
Mädel von ,Ks>ooo nimmt ; Fiddelstick!
wann ihr euch so eppeö einbild't, muß ich
euch sagen, daß ihr ein Esel seid und des
ehn recht langohriger derzu. All was ich
euch sagen wollt', ist, daß wann ihr mich
zur Frah kriegt, so kriegt ihr eh» Juwel,
thu Schatz, mehr werth als des Cali for
mer Gold: dann guckt, ich kaun wasche,
biegte, serubbe, koche und backe wie ehn
Stieh»i'E»schei», und bin anyhau ehn
Rauser vor schaffe. Wann d'ihr nau
Lust habt, so könnt ihr vor mich nachfra
ge wo ich wohn, und deS iö in Nr».—,
Fitzwater Sraße, Mawamensing.
Eure in Hoffnung,
Jaue Cribson.
Wüthend warf Jakob die zärtliche Epi
stel dem Drucker au den Kopf lind setzte
mit einem Sprunge aus der Office. Zu
HauS dachte er darüber uach uud kam zu
der Ueberzeugung, das) ein blöder junger
Maun nur geringe Chance bei den Mäd
chen steht.
de», Wcstl'oten".^
"Die weisie
dkit» Erscheine» im Schlosse zu Berlin:e.
Es ist nicht meine Absicht, Gespenster
und 'Aberglauben zu förderu noch bin ich
im Stande, Alles darauf Bezug habende
als Unsinn und Betrug zu stempeln.
Meiue Erzählung ist der ~Theorie der
Geisterkuude von Joh. Heinrich Jung,
genannt Stilling," im Auszüge entnom
men. Aus den Angaben des ebenge
nannten geht hervor: daß die weiße Frau
ihre Erscheiuungen nicht auf das Schloß
in Berlin beschränkt, sondern daß sie ihre
Haupterscheinungen sogar im Schlosse
Neuhaus iu Böhmen macht, auch iu den
Schlössern zu Bayreuth Darmstadt und
Carlsruhe soll sie erschienen sein.
Im Schlosse zu Neuhaus soll sie zu
erst und zwar recht ost vor ungefähr 100
Jahren erschienen sein, man will sie oft
aus den Feustern eiues unbewohnten
Thurmes daselbst haben gucken sehen.
Sie war gauz weiß gekleidet, trug einen
weißen Witwenschleier mit langen Bän
dern, war von ziemlich langer Statur und
sittsamen Geberden. Man hat einige
Beispiele wo sie gesprochen haben soll.
Eine gewisse hohe Fürstin war mit einer
Kammerfrau in einem Zimmer des Schlos
ses vor einen Spiegel getreten, um einen
> neuen Putz zu versuchen und fragt: wie
viel Uhr ist es ? da tritt die weiße Frau
hinter einer spanischen Wand hervor und
antwortet: Zehn Uhr ist es ihr Liebchen.
Die Fürstin erschrickt heftig, wie leicht
sich zu denken, wird nach einiger Zeit
trank und stirbt.
Im Dezember ll>2B erschien sie im
Schlosse in Berlin und da will man sie
folgende Worte haben sagen hören :
Komm, richte die Lebendigen und die
Todten, das Gericht steht mir noch bevor.
Zu Neuhaus in Böhmen bestand eine
alte Stiftung, nach welcher man den Ar
men der Gegend am grünen Donnerstag
den sogeuaunten süßen Brei im Schloß-
Hofe zu essen gab, derselbe bestand auö ei
ner Hülsenfrucht mit Honig, auch erhielt
jeder Arme, so viel dünnes Bier als er
nur trinken mochte und sieben Pretzeln da
zu. Als nun die Schweden im dreißig
jährigen Kriege das Schloß erobert hat
ten und die Austheilung dieser Mahlzeit
unterließen, sing die weiße Frau derma
ßen zu toben an, daß es Niemand mehr
im Schlosse aushalten konnte, am schlimm
sten erging es der schwedischen Besatzung ;
die Schildwachen wurden verjagt, geschla
gen und von unsichtbaren Händen zu Bo
den geworfen, die Offiziere wurden Nachts
aus den Betten gerissen und auf dem Bo
den umhergeschleift.
Da man nun gar nicht wußte wie die
sem Uebel abzuhelfen sei so rieth Jemand
dem Commandanten des Schlosses, das
versäumte Austheilen des süßen BreicS
wieder einzuführen, und kaum war dies
geschehen, so war auch das Schloß vom
Zorne der weißen Frau befreit.
Aber wer ist denn nun dieses geheim
nißvolle merkwürdige Wesen; so fragte
der Verfasser der oben angeführten Schrift
und ich lasse deßhalb zur Beantwortung
dieser Frage denselben in eigenen Worten
Laufende Nummer
fortfahren: Man hat sie für eine Grä
fin von Orlamünde gehalten allein ich
finde, fährt der Verfasser fort, in den
monatlichen Unterredungen vom Reich der
Geister, ans denen ich obige Nachrichten
habe, einen merkwürdigen Aufschluß über
diese Sache. Der bekannte gelehrte Je
suit Baldiuus hat sich Mühe gegeben in
dieser dunkel» Sache Gewißheit zu bekom
men, und so hat er denn folgende sehr
wahrscheinliche Geschichte der weißen Frau
herausgebracht. Auf dem alten Schlosse
zu NeuhauS in Böhmen fand man unter
de» Bildnissen der uralten und berühmten
Rosenbergischen Familie ein Portrait wel
ches ganz genau die weiße Frau vorstellte,
sie ist nach damaliger Sitte in ein weißeö
Habit gekleidet und heißt Berchta von
Rosenberg. Die Lebensgeschichte dieser
Dame ist nun kürzlich folgende. Sie
wurde in den Jahren I 120—11!! t) gebo
ren, ihr Vater war Ulrich der Jte von
Rosenberg und ihre Mutter war Catha
rina von Wartenberg, welche 11A1 ge
storben ist. Dieser Ulrich war Oberburg
graf i» Böhmen und wurde durch Ver
anlassung des Pabstes oberster Feldherr
der römisch katholischen Truppen gegen die
Hussiteu. Seine Tochter Berchta oder
Bertha wurde im Jahre 1119 an Johann
von Lichteustei», ei»em reichen Freiherr»!
in Steiermark verheirathet. Da aber
dieser ihr Gemahl ein sehr übles, aus
schweifendes Leben führte, so wurde Ber
tha sehr unglücklich und sie mußte bei ih
rer Anverwandten Hülfe suchen. End
lich wurde diese unglückliche Ehe durch
den Tod ihres Mannes getrennt und sie
zog zu ihrem Bruder Heinrich dem -tten,
dieser hatte im Jahre 1451 angefangen
zu regieren und starb im Jahre 1457 oh
ne Erben.
Nachher hat Frau Bertha zu NeuhauS
gelebt und das dortige Schloß gebaut,
welches Werk mit großer Beschwerde der
Unterthanen, viele Jahre hindurch fort
gesetzt worden. Indessen sprach Frau
Bertha den frohnenden Arbeitern freund
lich zu und tröstete sie damit, daß die Ar
beit nun bald ein Ende nehmen würde
und daß ihnen ihr Taglohn dann richtig
bezahlt werden sollte. Unter andern hat
sie den Arbeitern gewöhnlich zugerufen:
Arbeitet für euern Herrn, ihr getreuen
Unterthaneil! arbeitet! wenn ihr das
Schloß werdet zu Stande gebracht ha
ben, will ich euch und allen euren Leuten
einen süßen Brei vorsetzen. Dieser Re
densart bedieiiten sich die Alten wenn sie
Jemand zu Gaste luden. Nachdem nun
im Herbst der Bau vollendet war, so hielt
Frau Bertha ihr Versprechen, indem sie
alle ihre Unterthanen mit einer herrlichen
Mahlzeit tractirte uud während dem Es
sen sagte sie zu ihnen: zum Andenken
eurer Treue gegen eure liebe Herrschaft,
sollt ihr alle Jahre eine solche Mahlzeit
haben, so wird das Lob eures Wohlver
halteus auch bei der Nachwelt grünen.
Nach der Hand haben die Herren von
Rosenberg und Florcto diese wohlthätige
'Armenmahlzeit auf den grünen Donner
stag verlegt.
Um welche Zeit Frau Bertha gestor
ben ist, finde ich nicht, wahrscheinlich aber
gegen das E»de des fünfzehnten Jahr
hunderts. In verschiedenen bömischen
Schlössern findet man gegenwärtig noch
ihr Portrait im weißen Wittwenhabit,
welches auf daS Genaneste mit der Erschei
nung der weißen Frau übereinkommt.
Zu Raumlen, Neuhaus, Trzebon, Jslu
bocka, Bechin und Tretzen, lauter böhmi
sche Schlösser, welche von ihren Nachkom
men bewohnt werden, läßt sie sich am
häusigsten sehen, und da auch Glieder aus
ihrer Familie in die Häuser Brandenburg,
Baden und Darmstadt verheirathet wor
den sind, so pflegt sie auch diese zu besu
chen, und überall ist ihre Absicht einen
nahen Todesfall anzuzeigen oder auch vor
Unglück zu warnen, denn sie erscheint
auch oft, ohne daß Jemand stirbt. So
weit der Verfasser der Theorie der Gei
sterkunde. —