Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, July 23, 1850, Image 1

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    Der Liberale Beobachter
Und Berks, Montgomery und Schuylkill Camtties allgemeiner Anzeiger.
t; radi » g, jlcnn Gedruckt und herausgegeben von ArnoidPu w e II e, in der Süd Llen Straße, zwischen der Franklin- nnd CheSnni. Slratzc,
Jahrq. I I, ganze Num. SK «
-Zt.i.k'i-ilk' «I-N«,irliter erscheint jeden Dienstag auf cincin großen «uperial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der >scubscriptionv - Preis ist (.in iHaler des Jahr.', welcher in halbiahrlicher
ScdingUttgcn . D.r I befahlt, dem werden 5-1 5." angerechnet. Für kürzere Zeit als li Monate wird fein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
Vorauszahlung erbennw rd. des Subsenptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewohnlichen Preis ein-
Der Ardenner Wald.
Vor fünfunddreißig bis vierzig lah'
ren war der Ardenner Wald äußerst be
rüchtigt ; es geschahen dort fortwährend
Verbrechen; Reisende von jedem Alter
und Geschlecht, welche, wie man wußte,
auf ihrer Reise in denselben gekommen
waren, verschwanden daselbst ; die Regie
rung ordnete Nachforschungen an. ver
sprach Belohnungen und wendete alle mög
lichen Mittel an, nin die Opfer wieder zu
finden, oder wenigstens zu ermitteln, auf
welche Weise sie verschwunden waren, aber
die Bemühungen der Polizei, der Gens
darmerie und selbst der zu diesem Zwecke
organisirten bewaffneten Schaaren blieben
vergebens; man durchsuchte nutzlos die
Gegend mehrere Meilen in der Runde
und der Schleier, welcher dies Geheimniß
einhüllte, war lange nicht zu lüften.
Mein Vater, ein wohlhabender Kauf
mann, ließ mich eineö Tages in sein (somp'
toir rufen und zeigte mir an. ich möge
mich bereit halten, am nächsten Tage eine
Geschäftsreise nachdem nördlichen Frank
reich anzutreten. Mein Vater erlaubte
mir, diese Reise zu Pferde zu machen, und
ich war mit meinen Vorbereitungen bald
zu Ende.
Ich mußte bei dieser meiner Reise einen
großen Theil jenes berüchtigten Waldes
durchreise», aber wenn man zweiundzwan
zig Jahre alt ist fürchtet man sich vor
Gefahren nicht; im Gegentheil schmeichel
te der Gedanke an irgend ein ungewöhn
liches Abenteuer meiner Phantasie.
Am andern Morgen übergab mir mein
Vater ein versiegeltes Packet, das für sei
nen Geschäftsfreund bestimmt war. und
fügte einen Brief an einen seiner Schul
freunde, den General M.. hinzu. ~?lls
ich ihn daö letzte Mal sah." erzählte er
mir, „warst du noch ein Kind; er ist
dein Pathe und ich kann dir die herzlichste
Aufnahme bei ihm versprechen. Das
Schloß meines Freundes liegt etwa eine
Stunde diesseits des Waldes und ich habe
Dich in dem Briefe an ihn dringend sei
ner Freundschaft empfohlen. Gott gebe
lDir eine glückliche Reise!"
Die Trauer, von meinen Eltern eine
Meit lang scheiden zu müssen, verschwand
Rald vor der Aussicht auf romanhafte
Dbenteuer. die ich zu bestehen hoffte.
Mll hatte ein tüchtiges Pferd, zwei Pisto-
Mn in den Halftern, einen wohlgespickten
»Leute! und glaubte demnach allen Gefah-
der Reise trotzen zu können. Nach
einigen Tagen kam ich auf dein Schlosse
Mieines Pathcn an, übergab meine Karte
»nd den Brief meines Vaters einem Die
?ier und brauchte nicht lange zu warten.
>Der ehrwürdige Besitzer eilte mir entge
gen und empfing mich wie einen Sohn.
Während der Mahlzeit, die er sogleich
auftragen ließ, erzählte ich ihm von dem
Zwecke uud Ziele meiner Reise und sehte
auch hinzu, daß ich wieder aufzubrechen
gedenke, sobald mein Pferd sich einiger
maßen erholt haben würde. Davon woll
te aber der General nichts hören, und als
er mich eigensinniger fand als er erwarte
te. deutete er mir ziemlich deutlich an. daß
mein Entschluß mehr als tollkühn sei. da
bereits Mittag vorüber sei und ich den
Wald vor Eintritt der Nacht kaum würde
Zeichen können. ..Du weißt, lieber Pa.
M." setzte er hinzu. ..daß auch dieMu-
Mzsten zu einer solchen Zeit sich nicht iu
wagen ; ich muß also
deines Vaters eingreifen und
darauf, daß du wenigstens die
meinem Hause bleibst. Wenn
mich so bald verlassen willst,
du morgen früh zu jeder belie-
Reise fortsetzen."
Morgen ging ich mit so
als möglich in den Stall
da eben mein Pferd, als ich
Achsel geklopft wurde- Es
Pathe» der zu mir
~Du siehst, ein alter Soldat ist eben
so früh auf wie du. Ich kann dich nicht
allein durch den Wald reisen lassen. Ein
alter treuer Diener wird dich begleiten,
bis du außer Gefahr bist. Ich habe ihm
bereits die nöthigste» Instruktionen gege
ben. Er befindet sich jetzt i» der Küche
und kocht eine Tasse Kaffee, die du vor
dem Aufbruche trinken magst."
Ich that alles, was er haben wollte,
nahm dann von dem würdigen General
Abschied und verließ das Schloß desselben
in Begleitung seines erprobten Dieners
Peter.
Als wir u»S in der Allee hinter dem
Schlosse befanden, sah ich nach, ob meine
Pistolen sich in gntem Znstande befänden,
nnd Peter that dasselbe, denn sein Herr
hatte ihm auch ein Paar und zwar ein
furchtbares Paar' Reiterpistole» übergeben.
Wir gelangten bald in den Wald und ich
will es nicht verheimlichen, daß eS mir die
erste halbe Stunde hindurch ziemlich un
heimlich zu Muthe war. Aber ich bemühte
mich, meine Aengstlichkeit so viel als mög
lich zu verbergen, unterhielt mich deshalb
eifrig mit meinem Begleiter und der Muth
fand sich wieder je weiter wir i» den Wald
hinein kamen, bis ich endlich gar zu dem
Glauben gelangte, man habe die Gefah
ren einer Reise durch denselben zu sehr
übertrieben. Um ein Uhr waren wir
glücklich und wohlbehalten deu Wald hin
durch.
Sobald wir wieder im Freien und auf
der Straße waren, rief ich aus : „Nun Pe
ter. da sind wir denn mit heiler Haut da
von gekommen und haben uns vergebens
geängstiget; jetzt sind wir, denk' ich, ganz
in Sicherheit/'
~DaS ist so gewiß doch nicht." antwor
tete er; wir können immer noch unange
nehme Bekanntschaften machen."
Ich scherzte über seine Furchtsamkeit,
setzte mein Pferd in Galopp und forderte
ihn auf, mir zu folgen. Eine Viertel
Meile von dem Walde, etwas abgelegen
von der Straße, trafen wir ein Wirrhs
haut" das freundlicher nnd versprechender
aussah als die meisten, die man in jener
Gegend an der Straße findet. Ich be
nutzte gern die Gelegenheit etwas auszu
ruhen und einige Erfrischungen einzuneh
men.
Wir stiegen also vor dem Wirthshause
ab und ein Knabe führte uns durch eine
Nebenthür in den Stall. Während Pe
ter sich mit den Pferden beschäftigte, woll
te ich dnrch die Thüre von der Straße her
in daö Haus hinein gehen» aber meine
Aufmerksamkeit wurde in diesem Augen
blicke durch ein Mädchen von ungewöhn
licher Schönheit erregt, die mich von dem
hölzernen Balkon herab betrachtete. Sie
trat auf demselben bis an den äußersten
Rand vor und sagte zu mir:
..Kommen Sie hierher, wenn es Ihnen
gefällig ist."
Ich stieg die Treppe, die zum Balkon
führte, hinauf und Sie geleitete mich in
ein bescheiden möblirtes Zimmer, das sie
daö Speisezimmer nannte-
Seit undenklichen Zeiten haben die Rei
senden aller Länder das Vorrecht, sich ge
wisse Freiheiten mit den Mädchen in den
Wirthshäusern herauszunehmen. Ich war
gegen die Reize des schönen Geschlechts
uie unempfindlich gewesen ; wäre ich aber
auch minder empfänglich gewesen, das
schöne Mädchen das vor mir stand, hätte
Eindruck auf mich machen müssen. Ich
habe weder vor noch nachher ein schöneres
gesehen. In ihren Zügen lag eine so be
wunderungswürdige Vollkommenheit, in
dem Ausdrucke ihres Gesichtes etwas so
Ungewöhnliches und Reizendes, daß ich
wie geblendet vor ihr stehen blieb. Mit
diesen in ihrem niedern Stande so selte
nen Vorzügen verband sich eine zauberi
sche Anmuth, kurz ich verliebte mich auf
den ersten Blick leidenschaftlich in sie- Zu
meiner großen Verwunderung entfernte
"'willig zu loben und ol>ne Furcht zu tadeln."
Dienstag den SS. Juli, Z
sie sich aber von mir und wies meine Lieb
kosungen in so entschlossener und würde
voller Weise zurück, daß ich für den Au
genblick etwas außer Fassung geriet!). Ich
sammelte mich indeß bald wieder und be
gann den Angriff von Neuem; aber der
Ton und das Benehmen des merkwürdi
gen Mädchens waren so entschieden, ihre
Haltung so edel, so fest und ehrfurchts
voll, daß ich mir endlich selbst wegen mei
nesßeginnens Vorwürfe machte. Es war
weder thörichte Ziererei, noch Univillen
bei ihr; sie schien mich vielmehr mit Trau
er lind Mitleiden anzusehen. Gewisser
maßen gedemüthigt, fragte ich sie endlich :
„Warum weisest du mich so hart ab? Ich
bin doch gewiß nicht der erste junge Mann,
den deine Schönheit bezaubert hat. und
ich sagte gewiß auch nichts, was Andere
nicht schon oft vor mir gesagt haben. Du
scheinst aber betrübt und traurig ;u sein."
Sie schlug die Augen zu mir empor
und warf mir einen Blick zu, dessen selt
samen Ausdruck ich heute noch nicht ver
gessen habe. „Ja," antwortete sie, „ich
bin betrübt nnd recht unglücklich. Auch
Sie würden nicht scherzen, wenn Sie
wüßten, welches Schicksal Sie erwartet."
i „Und was habe ich zu fürchten? frag
te ich mit ungläubiger Miene, weil ich
glaubte, sie wolle über mich spotten.
„Sie haben höchstens noch drei Stun
den zu leben," antwortete sie leise; „ich
weiß nicht, was mich gegen meinen Wil
len zwingt, Ihnen dieses schreckliche Ge
heimniß mitzutheilen ; aber ich kann nicht
schweigen. Die Flucht ist unmöglich;
binnnen drei Stunden werden Sie das
Schicksal zahlreicher Opfer theilen, wel
che diesen Ort betreten haben."
„Du erzählst mir da ein Mährchen,
um mich ängstlich zu machen. Vielleicht
steckt eine Liebesgeschichte dahinter und da
willst du dich auf diese Weise von meiner
Zudringlichkeit befreien."
„Gott ist mein Zeuge, daß ich Ihnen
die Wahrheit gesagt habe, aber still! . ."
Nach diesen Worten ging sie nach der
Thüre zu, dann auf den Corridor, um
zu sehen, ob Jemand uns hören könnte.
Nachdem sie hierüber beruhigt war, kam
sie zurück, schloß die Thür zu und trat
mit Thränen in den Augen zu mir.
„Betrachten Sie," sagte sie „diesen
Fußboden, diesen Sand. Haben Sie je
mals Sand in einem Speisezimmer, na
mentlich in der ersten Etage gesehen?
Ach wie viel Blut hat diser Boden schon
getrunken! Sie haben Essen bestellt;
man macht es unten bereit. Einige Mi
nuten, bevor es fertig ist, werden drei
Offiziere zu Pferde in der Uniform der
kaiserlichen Garde in den Hof herein rei
ten, den Wirth rufen, Essen, Champag
ner und dergl. verlangen. Der Wirth
wird selbst erscheinen, um Ihnen die An
kunft dieser vornehmen Gäste zu melden
und Sie zu fragen, ob Sie bei diesem
unerwarteten Besuche wohl erlauben wol
len, daß die drei Personen Ihre Mahlzeit
theilen, da die Speisen, wie er versichern
wird, wohl für fünf Personen hinreichten.
Sie werden einwilligen, denn eine Wei
gerung würde Ihren Tod nur beschleuni
gen. Dadurch, daß Sie einwilligen, ge
winnen Sie Zeit und Gott gebe, daß Sie
mit Ihrem Diener irgend ein Mittel fin
den, die Pläne der Mörder zu vereiteln."
Ich war wie versteinert und es währte
ziemlich lange, ehe ich mich wieder faßte.
Ich bat das vortreffliche Mädchen, mir
meinen Diener zu schicken, sobald sie es
thun könnte, ohne Argwohn zu erregen.
Sie that es und ich erzählte Peter Wort
für Wort, was sie nur gesagt hatte.
Anfangs wollte er mir nicht glauben, aber
die Einzelnheiten, die ich ihm mittheilte,
machten ihn aufmerksamer.
„Aus Vorsicht," sagte er, „werde ich
in den Statt gehen, unter dem Vorwande,
nach den Pferden zu sehen und dann un
sere Pistolen mitbringen, die ich leicht in
meinen Taschen verberge» kann."
Kaum war er wieder bei mir angekom-
men, als wir Hufschläge hörten und drei!
Offiziere in der Kleidung, wie sie das
Mädchen beschrieben hatte, in den Hof
des Wirthshauses hereinritten. Ihre Er
zählung war also bis dahin bestätiget
und auch Peter zweifelte nun nicht mehr.
„Es ist nur zu wahr," sagte er; „ich
werde, während des Besuches, den Ihnen
der Wirth machen wird, wieder in den
Stall gehen. (5s ist jedenfalls besser,
wenn er unS nicht beisammen sieht; nach
her aber werde ich Sie nicht wieder ver
lassen."
Nach einigen Minuten erschien der
Wirth. Man kann sich unmöglich ein
gutmüthigeres Gesicht als das dieses Man
nes denken. Wie das Mädchen gesagt
hatte, entschuldigte er sich zuerst wegen
des Vorschlags, den er mir machen wolle,
nämlich ob ich nicht geneigt sei, drei Offi
ziere von der kaiserlichen Garde mit mir
speisen zu lassen. Er habe genug für
fünf Personen, wenn aber die Gerichte
getheilt und in zwei Zimmer getragen
werden sollt», würden sie für dieselben
nicht wohl hinreichen. Er schloß mit der
Versicherung, daß ich nicht bedauren wür
de, jene Herren kennen gelernt zu haben ;
es wären höhere Offiziere vom besten
Tone und feiner Bildung.
Ich stellte mich so unbefangen als mög
lich und antwortete, die Gesellschaft der
drei Herren würde mir Vergnügen ma
chen. „Nur," setzte ich hinzu, „dürfen
Sie es nicht übel nehmen, daß mein Die
ner mit am Tische ißt. Ich reise meiner
Gesundheit wegen und bekomme häufig
Krämpfe, weßhalb er immer bei mir sein
muß." Ich stellte mich als bemerke ich den
Eindruck nicht, den diese unerwartete
Nachricht auf den Elenden machte, ließ
ihn fortgehen und Peter, der gleich darauf
erschien, übergab mir die Pistolen, wobei
er sagte:
„Ich habe einen Plan entworfen.
Sie setzen sich einem Räuber gegenüber
und lassen die beiden Andern an derselben
Seite des Tisches sitzen, so daß sie mir
gegenüber kommen. Sobald daS Dessert
aufgetragen ist, werde ich mein Glas er
greifen ; dann schießen Sie sogleich auf
den, welcher Ihnen gegenüber sitzt; ich
nehme die beiden Andern auf mich; nur
fehlen Sie nicht. Unsere Rettung hängt
von ihrer Kaltblütigkeit ab. Wir spie
len ein verzweifeltes Spiel und nur der
Muth kann uns retten."
Ich versprach dem treuen Peter, ihn
gut zu unterstützen, und stellte mir die
blutige Scene vor, als die angeblichen
Offiziere, in Begleitung des Wirthes,
erschienen. Sie waren sorgfältig, viel
leicht nur zu sorgfältig gekleidet, und spra
chen etwas frei, wenn auch nicht unan
ständig. Sie dankten mir für die Ehre,
die ich ihnen erzeigte, kurz sie spielten ih
re Rolle ganz gut. Die Blicke, die sie
einander zuwarfen, als sie Peter sahen,
entgingen mir nicht, und als sie ihre
Eomplimente beendigt hatten, entschuldig
te ich die Nothwendigkeit, meinen Diener
mit ihnen am gleichen Tische essen zu las
sen, und führte denselben Grund an, wel
chen ich bereits dem Wirthe genannt hat
te. Das Essen wurde aufgetragen, aber
ich konnte kaum etwas genießen; jeder
Bissen erstickte mich fast. Man bemerk
te meinen geringen Appetit, und ich schrieb
ihn meiner Kränklichkeit zu. Die Räuber
aßen, tranken, lachten und plauderten.
Die Mahlzeit war beinahe beendigt;
das hübsche Mädchen, das uns bediente,
hatte die Teller weggenommen, als einer
der Räuber, die Peter gegenüber saßen,
etwas zu suchen schien. „Da habe ich
meine Dose vergessen," sagte er, worauf
er zu Peter gewendet hinzufügte: „Woll
ten Sie wohl, guter Freund, die Gefäl
ligkeit haben nnd einmal hinuntergehen;
auf dem Büffet unten werden Sie eine
goldene Dose stehen sehen; sie ist mein,
ich habe sie eben stehen lassen. Bringen
Sie mir dieselbe herauf.
Peter antwortete ruhig, ohne sich auf
seinem Stuhle zu rühren, er befolge stets
Laufende Nummer «8.
nur die Aufträge und Befehle seineS
Herrn. Der Räuber, den diese Antwort
verlegen machte, und der sich auf die Lip
pen biß, wendete sich an mich, und bat
mich sehr artig,, ob ich nicht meinem Die
ner den Auftrag ertheilen wolle. Zum
Glücke erschien in diesem Augenblicke daS
schöne Mädchen mit Obst, Käse und
Butter. Ich machte dem Ofsiiziere be
merklich, daß sie die Dose wohl holen
könnte. Er trug ihr dies auf, und sie
kam bald darauf mit der Anzeige wieder,
es stehe keine Dose unten. „So bring
Ehampagner," rief ihr der Räuber zu.
Während sie fortging, um den Wein
zu holen, bemerkte der Offizier, der zu
meiner Rechten saß, daß ihm sein Taschen
tuch fehle, und er befahl barsch meinem
Peter, dasselbe unten aus dem Gastzim
mer zu holen. Der unerschrockene Die
ner antwortete darauf wie das erste Mal,
und setzte hinzu, die Magd würde sogleich
wieder kommen und könnte den Auftrag
besorgen. Der Champagner kam, und
der Stöpsel war noch nicht heraus, als
das Taschentuch sich zufällig unter dem
Tische fand.
In diesem Augenblicke verließ daS
Mädchen das Zimmer, und ich werde nie
den Blick vergessen, den sie mir zuwarf,
als sie die Thüre schloß. Sie schien sa
gen zu wollen: „Deine Stunde hat ge
schlagen, wir werden einander nicht wieder
sehen."
Die Flaschen kreiseten, und als die Rei
he an Peter kam, sich einzuschenken, sah
er mich an, als wolle er mir andeuten,
nun sei es Zeit zu handeln. Er führte
das Glas an den Mund, sehte es aber
plötzlich wieder nieder und sagte zu mir:
„Sind Sie krank, Herr?"
„Nein," autwortete ich.
Ich wußte wohl, was diese Worte be
deuten sollten, aber ich besaß nicht die ge
ringste Kraft mehr und Peter setzte hinzu:
„Ich muß Ihnen Ihr gewöhnliches
Stärkungsmittel geben."
Bei diesen Worten griff er in die Ta
sche, zog seine Pistolen heraus und schoß
mit unglaublicher Schnelligkeit die Offi
ziere nieder, die ihm gegenüber saßen.
Dann stürzte er wie ein Tieger auf den
dritten, packte ihn an der Kehle, warf ihn
nieder und rief mich zu Hülfe. Ich hat
te wieder Muth gefaßt, eilte zu ihm und
wir hielten beide den Räuber fest. Pe
ter band ihm mit einer Serviette die
Hände auf den Rücken fest und verdeckte
ihm mit einer andern das Gesicht.
„Lassen Sie den Bösewicht nicht aus
den Augen," sagte er dann, „bis ich mit
einem Sricke aus dem Stalle zurückkom
me." Nach zwei Minuten war er wieder
da und wir banden nun den Gefangenen
fest.
„Ich werde nun so schnell als möglich
nach der nächsten Stadt reiten," sagte
Peter, „die nur zwei Stunden entfernt
ist, um Hülfe zu holen. Unterdessen be
wachen Sie den Gefangenen; Sie haben
nichts zu fürchten, denn das ganze Haus
ist verlassen. Rechnen Sie auf mich, ich
werde Sie bald aus Ihrer unangenehmen
Lage befreien."
Als mein trener Diener sich entfernt
hatte, nahm ich nur vor, mein Leben so
theuer als möglich zu verkaufen, wenn
man den Gefangenen vielleicht zu befrei
en versuchen sollte. Die Thüre wurde
verrammelt und ich blickte abwechselnd
durch das Fenster hinaus und auf den
Elenden zu meinen Füßen. So ver
brachte ich die zwei längsten Stunden
meines Lebens. Endlich kam Peter mit
dem Friedensrichter und mehreren Gens
darmen. Ich übergab ihnen den Gefan
genen und das Haus wurde von oben bis
unten durchsucht. Alle Bewohner dessel
ben waren entflohen; in einem großen
Keller aber fand man mehrere Leichname
und Skelette, die später auf dem Gottes
acker zu Mezieres begraben wurden, wäh
rend das empörte Volk das Haus von
Grund aus zerstörte.
Bon dem Wirthe und dem schönen