Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, July 02, 1850, Image 1

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    Wer Liberale Äcobaciilcr
Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caumies allgemeiner Anzeiger.
Neav i n ü, Denn. Gedruckt und herausgegeben vonArnold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße.
Jahrg. 11, ganze Nnm. 5««.
Bedingungen: — Der Ailier.lle Aroll.irlrtcr erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial - Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Lubscriptions - Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjäl» l>tl'er
Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Lause des lalires niebt bezahlt, dem werden HI 5,«» angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein llntersckreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Subftriptions-Ternnns geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekaninmackungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preio ein
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Die Spinne des Gefangenen.
Einst gab es einen König in Däne
mark, man nannte ihn Christian den
Zweiten, den Tyrannen, weil er mit grau
samer Gewalt und Hinterlist die Schwe
den unterdrückte und mit Mut und Hen
kerbeil und Mord die FreiheitSliebe ihrer
besten Männer strafte. Aber die Schwe
den befreiten sich dennoch von dem Tyran
nen, den endlich der 'Adel feines eigenen
Landeö gefangen nahm, nicht weil er so
wild und entsetzlich in Schweden gewüth
et hatte, fondern weil er mit Hülfe deS
gepeinigten Bauernstandes den Adel und
die Bischöfe demüthigen und die Reforma
tion einführen wollte. Im Jahre
brachten sie ihn in den Thurm zu Sonder
bürg auf das Schloß, an dessen Felsen
mauern das Meer schäumt. Da saß der
König siebzehn Jahre allein. Tag und
Nacht hörte man seine Klagen und die
wilden Ausbrücke seiner Verzweiflung,
welche aus dem schwarzen Thurme dran
gen. In seinem Kerker hatte er nichts
als einen runden Tisch von Stein, der in
der Mitte stand ; den umlief er von Angst
und Wuth getrieben ohne Aufhören und
ließ den Daumnagel auf der Steinplattze
hinschleifen, bis eine tiefe Rinne davon
entstand. Den Stein mit dieser Rinne
verwahrt man noch und zeigt ihn in Ko
penhagen alö Erinnerung an den Unglück
lichen Mann, der die schreckliche Geschichte
seiner Leiden damit der Nachwelt überlie
fert hat.
In einem alten Buche steht geschrieben,
daß König Christian, nachdem er mehrere
Jahre vor Jammer und Pein dem Wahn
sinn nahe gewesen, endlich milder und er
gebener geworden sei. Seine Gattin, die
ihn zärtlich liebte und alle seine Schicksa
le treu mit ihm getheilt hatte, war gestor
ben, seine drei Kinder waren von ihm ge
trennt, Niemand durfte den gefangenen
Fürsten sehen, als ein gefühlloser Kerker
meister, der an den Qualen des einst so
mächtigen Gebieters sich weidete. O, er
würde, hätte Christian noch seine goldene
Krone getragen, in Demuth ihm zu Füs
sen gefallen sein und seinen leisesten Wink
vollzogen haben, denn so machen es die
Menschen ; jetzt aber, wo die Hoheit von
dem unglücklichen Manne abgefallen war,
quälte or ihn, wie er es vermochte. Er
ließ ihn hungern und dürsten und gab ihm
keine Antwvlt auf alle seine Fragen, als
die eine: „Der Reichsrath hat Befehl
gegeben, daß Niemand mit dir sprechen
soll." So lag der König in einem leben
digen Grabe. Er hörte nichts von der
Außenwelt, als daö Brausender Mee'es
wogen, die an seinen Thurm schlugen ; er
konnte keinen Blick in'S Freie thun, denn
die eng vergitterten, kleinen Fenster wa
nn viel zu hoch; das hohle Echo des wü
sten Gemaches gab allein seinen Klagen
Antwort, und wenn er die Namen seiner
Kinder rief, wenn er aus wüsten Träu
men auffuhr, und seine Ritter, seine Gar
den und Getreuen vergebens aufforderte
ihm zu helfen, folgte diesen Bildern sei
ner erhitzten Phantasie meist ein wahnsin
niges Lachen und Schreien und Toben,
als sei ein wildes Thier im Kerker gefan
gen und suchte ihn zu zerbrechen. Ach, der
arme Gemarterte hatte nichts als seinen
Tisch von Stein, und wenn er in Ver
zweiflung vom Boden aufsprang, wenn
er genug die Hände gerungen, seine Brust
zerschlagen, geweint und geseufzt halte, be
gann er wieder den Tisch zu umkreisen und
die Rinne mit seinem Daumnagel auszu
höhlen, bis er ermattet auf sein Strohla
ger sank.
Nur wenn er schlief kam Erlösung und
Ruhe über ihn. Dann brachen die fünf
Ellen dicken Mauern des Thurmes, dann
eilte er hinaus in die grüne Insel. Er
sah die Bäume und Blumen wieder, die
Sonne glänzte über Land und Meer, der
duftige Buchwald rauschte auf den Klip
pen und unter ihm ankerte seine Kriegs
flotte. Sein Heer lagerte am Strande,
seine Feinde standen gefesselt vor ihm ; er
war wieder König und hielt hoch zu Roß
im goldenen Harnisch vor seinem Zelt.
Aber ach ! mit der ersten Regung des Er
wachens zerflossen diese Träume und nichts
blieb wahr, als die nassen, kalten Kerker
maueru, an welche er seine heiße Stirn
drückte. Er wagte vor Entsetzen nicht die
Augen zu öffnen. Allmächtiger Gott!
murmelte er unter Thränen die Hände
ringend, laß mich nicht verzweifeln. Ich
leide entsetzlich, ich trage die Strafe mei
ner Sünden, ich verlange meine Krone
nicht zurück, aber eiuen Freund gib mir,
gib mir ein Wesen, das Erbarmen und
Mitleid für mich empfindet, ein Wesen,
daS mich liebt und kennt.
Aber siehe, wie er die Angen aufschlug
- ach ! es stand kein Freund an seinem
Lager—aber eine Spinne schwebte von der
Hohe des Gewölbes an ihrem feinen Sei
denfaden vor sein Gesicht.
Einen Augenblick sah König Christian
das Thier nachdenkend an, dann kam plötz
lich ein Trost in sein betrübtes Herz. —
Bist du eS, rief er aus, bist du der Freund,
den der Himmel mir sendet! Sei mein
Gefährte, höre auf meine Klagen, liebe
mich, ich will dich lieben, welche Gestalt du
auch tragen magst. O, bleib mir treu,
verlaß mich nicht, den Alle verlassen haben !
Von diesem Tage an schloß der Gefan
gene mit der Spinne einen Freundscyafls
bund. 'Wenn er sie rief, kam sie von der
Decke herunter, setzte sich auf seine Hand
und hörte stundenlang zu, was er sprach.
Die Einsamkeit war jetzt nicht mehr so
entsetzlich für ihn, sein Gemüth beruhigte
sich, er glaubte daran, daß der Himmel
sein Gebet erhört und ein Wesen ihm mit
leidig zugesandt hatte, das so sichtlich ihm
Wohlwollen bezeugte, und ein dankbares
Gefühl, em Gefühl der Hoffnung knüpf
te sich daran, daß er nicht vergessen, nicht
ganz verstoßen sei, im Himmel und auf
Erden.
Bald merkte der Kerkermeister, daß der
König nicht mehr so qualvoll leide. Er
hörte keine Verwünschungen kein Geschrei
der Nerzweiflug mehr, und zürnte darüber.
Endlich fand er die Ursache heraus und ei-
Tages, als er in dem Kerker war, sah er
die Spinne vom Gewölbe herunter kom
men, um den Arm des Gefangenen zu er
warten. Plötzlich sprang er zu, riß sie
ain Faden zu Boden und indem er sie mit
dem Fuße zeitrar, rief er hohnlachend:
~Fort mit dem Ungeziefer, kein lebendes
Wesen außer Dir darf diesen Thurm be
wohnen."
Kenig Christian schrie jammernd auf
und wollte seinem armen Gefährten zu
Hülfe eilen, aber es war zu spät. Da
faßte ihn eine grimmige Wuth über die
Niederträchtigkeit des tückischen Wächters.
Er stürzte sich auf ihn, warf ihn zu 80-!
den und hätte ihn erwürgt, wenn die Wa
chen nicht zu Hülfe geeilt wären.
Seit dieser Zeit vermauerte man die Thu-!
rrn des Thurms und ließ dem gefangenen
Fürsten was er an Nahrung empfing an !
einem Seil hinab. Lange Lahre vergin
gen ; endlich wurde er milder behandelt;
er durfte hinaus ins Freie, denn er war
alt und schwach geworden und hatte kei
nen Wunsch mehr, als den Tod. Aber
oft erzählte er mit Thränen der Rührung
von der Freundschaft seiner Spinne, von
dem Trost, den ihre Nähe ihm gebracht,
von ihrer Anhänglichkeil und ihrer Klug
heit und dem verzweiflungsvollen Schmerz,
den der grausame Kerkermeister durch ih
ren Tod über ihn gebracht hatte. Ach!
rief er dann, dieser Mann hat mir viele
Qualen zugefügt, ich verzeihe ihm Alles ;
aber den Mord meines einzigen Freundes
kann ich ihm nicht verzeihen!
Der Bär auf dem Balle.
Ein Schwank aus den, teben.
Auf einem der großen Bälle der Oper
in Paris geschah es an einem Abende in
der Faschingzeit. daß sich ein höchst origi
neller Bärenführer mit einem großen Bä
ren an der Kette einfand. Unser Bär
war einer der gebildetsten.der wohlerzogen
sten seines alten Geschlechtes, er wackelte
"IVillig zu loben und okine Furcht zu tadeln."
Dienstag den 2. Juli,
majestätisch auf seinen Hinterfüßen daher, l
er brummte ganz sanft, fast melodisch er s
war galant, artig? mit einem Worte: das
Ideal eine? Baren. l
Sein Herr ging mit dem gut abgerich l
teten Thiere im Saale herum, und Jeder-
mann hu'lt den Bären für eine der täusch- l
endsten. originellsten Masken, ohne daß es >
Jemand auch nur im Entferntesten einfiel >
den Bären für einen wirklichen zu halten- l
Herr von Laballe trat mit seinem rauhaa« l
rigeu Gefährten in eine Ouadlille. er und l
der Bär tanzten manifique, grande chaine, i
doS a dos, Oueue de Chat, alles ging vor- i
trefflich, der Bär tanzte wie Monsieur !
A retin. t
Gegen drei Uhr Morgens uahte ein >
weiblicher Domino in Rosaseide sich unse l
rem Laballe, scherzte mit ihm, neckte ihn
ließ ihn eine kleine weiße Hand, eine bezau- l
bernde Taille und durch die Maske ein paar l
allerliebste, schwarze, feurige Augen sehen. >
Laballe war entzückt.- i
Ich lade dich ein. mit mir zn souj)!ren, ?
sagte der Domino endlich mit feiner Sil j
! beistimme.— !
Mit tausendFreuden, entgegneteLadalle,
aber ich habe da meinen Freund, den ich i
! nicht verlassen kann.
Schlechte Anörede. sagte der Domino,
! noch ein Mal. willst du oder willst du
nicht. - sonst gehe ich und du siehst mich
nicht mehr wieder.
j Laballe überlegte, ein kühner Gedanke '
j blitzte durch seinen Kopf, er natim seinen
Bären führte ihn an eine Loge, schob ihn
hinein, machte die Thüre zu und folgte
dem verführerischen Domino.
Der Bär, allein in der Loge, lehnte sich
auf die Brüstung und betrachtete das tol
le Treiben des Balles mit philosophischem
! Gleichmuthe. Von Zeit zu Zeit bemerkte
eine Maske im Saale den unbeweglichen
j Träumer in der Loge, bonmotiinke darun,
j ter und warf ihm einen Witz zu ; den der
Bär aber gänzlich zu ignoriren schien.
Kurz und gut. der Bär blieb in der Lege,
nachdenkend wie ein Philosoph
! mehr Philosoph als Bär.
Allein bald leuchteten die ersten Strahlen
des Morgens bei den Saalfenstern
das Orchester beendete die letzte Ouadnlle,
die MaSken verloren sich und der Ball war
aus.
Die Logenschließerin, die ihre gewöhn
liche Tour machte, um die Logenthüren zu
schließen und nach ihnen zn sehen, ob sich
' Niemand mehr in den Logen befände, trat
auch in No. !7, wo der Bär war : Daß
die Leute doch gar nicht nach Hause wollen,
brummte sie für sich, dann sagte sie ganz
! artig : Mein Herr, es wird setz zugeschlos
j sen wollen sie die Loge verlassen halten
sie mich nicht länger auf. dcun ich falle vor
Müdigkeit fast um. —
Da diese höfliche Anrede ohne Wirkung
blieb, so klopfte ihm die Logenschließerin
auf die Schulter und sagte nachdrücklich:
Mein Herr! seien sie so gut zu gehen.
Der Bär drehte sich um, sah die Logen
schließen« einen Augenblick an und sagte
dann nichts als: Hrrumm !
Ja wenn sie Spaß machen wollen, mein
Herr, so bleibt mir nichts anderes übrig
als den Herrn Polizeikommissär zu holen.
Der Bär sagte hierauf wieder nichts,
als Hrrumm!
Der Commissär mit zwei Polizeiagen
ten erschien—Gehen sie mein Herr ! sagte
er. was soll dieser Eigensinn.—Wenn die
Madam sie schon artig ersucht hat' zu ge
hen. so hätten sie gehen und uns nicht un
nöthig herausbemühen sollen» wollen sie
also gehen?
Der Bär. höchst mißvergnügt, das; er
in seiner bequemen Lage gestört worden
l war. richtete sich hoch auf und sagte sehr
verdrießlich zum Hrn.Polizei-Commissär :
Hrrumm!
Der Spaß, mein Herr! droht der im
mer zorniger werdende Commissär, geht zu
? weit, und da sie nicht in Güte weichen wol.
len. so selie ich mich genöthigt. Gewalt zu
gebrauchen.
Zu gleicher Zeit packten die Polizeiagen
ten den Strick deS Bären und zogen ihn
ohne Wiederstand zur Loge hinaus, zur
Treppe l>i»unter.vor das Portal des Thea«
ters. Als der Bar vor der Thüre war,
lief sogleich einer der Straßenjungen. die
vor den Thealern die Industrie des Con
tremarque Verkaufs, des Nachhauseleuch
tenö ?e. betreiben, helbei und rief: Befeh
len sie einen Fiaker ?—He Fiaker !—Der
Fiaker fährt vor. der Kutscher tritt an
den Schlag. zieht den Hur ab und fragt :
Wo befehlen sie, daß ich sie hinfahren soll
er fragt zweimal, dreimal, der Bär ant
wortete nicht.—da tritt der Polizeicommis
sär an ihn heram und sagt:
Mein Herr, sie wollen ihre Adresse ange
ben, sie verweigern jede Antwort, sie wol
len die Obrigkeit verhöhnen, sie sind mir
verdächtig und werden sich jetzt bequemen,
mit mir gehen. Meine Herren, fährt er
zu den Polizeiagenten fort, bemächtigen sie
sich dieses Herrn und führen sie ihn auf
die Polizei Präfectur.
Unser Bär wird gepackt, in den Fiaker
geschoben, die Agenten setzten sich zu ihm
und der Wagen rollte fort.
Zwei Minuten später kehrt Laballe von
seinem interessanten Rendezvous zurück ;
—athemloS kommt er an daS Theater, das
so eben geschlossen wird. Erlauben sie nur
einen Augenblick, sagt er zu dem Portier,
ich muß noch hinein, ich habe noch einen
guten Freund darinnen.
Es ist schon Alles leer, mein Herr.
Wie. er erwartet mich in einer Loge.
Der ist gefunden, es war ein Herr in ei'
ner Bärenniaske aber sehr unartig- sehr
unartig—man hat ihn fortgeführt.
Mein Gott, wohin? rief Laballe eiblas
send.
Auf die Polizeipra'fektur, mein Herr!
Indessen hat der Jnspektionskommis
sär den Bären verhören wollen, dieser
sagt nichts als : Hrrumm ! er befiehlt ihm
die Maske abzulegen, der Inquisit ge
horcht nicht, da packen ihn die Polizeiagen
ten, um s-e mit Gewalt herabzureißen,
aber der Bär giebt dem ersten eine Ohr
feige, daß er auf den Commissar stiegt,
und in einem Augenblicke Commissar, A
genten, Tisch, Dintenfässer und Akten,
pele-mele auf der Erde liegen.
, Auf das Hülfegeschrei stürzten die
! Gensdarmen mit gefälltem Bajonett ge
gen den frechen Rebellen herein, der Bär
reißt seinen Rachen auf und brüllt ein
furchtbares Hrrrummm! aber in diesem
kritischen Augenblicke tritt auch Laballe
mit dem BaU-Cvmmissär herein, der Bär
wird, wie er seinen Herrn sieht, sanft wie
ein Lamm—springt auf ihn, umarmt ihn,
indem er ihm seine großen Pfoten auf die
Schultern legt und sein Gesicht leckt, —
große Erkennungsscene! Commissar, A
genten und Gensdarmen sind gerührt,
was bei der Polizei eine Seltenheit ist ;
und nach einigen Erklärungen und Trink
geldern fährt Laballe mit feinem treuen
Bären nach Hause.
Laballe hat uns später est versichert,
daß sein Bär viel anhänglicher ist, als der
Rosa-Domino.
Der einsame König.
In der Gegend von Schloß Rudolfseck
lebt im Wolke noch die Sage von einem
Herrscher, der im Alterthum das umlie
gende Land sein eigen nannte und auf je
nem Schlosse seinen Sitz hatte. Mit ihm,
dem „einsamen König", bringt die Sage
eine Nixe in Verbindung, die noch den
kleinen See unmittelbar beim Schlosse be
wohnt. Auch erinnert ein alter Holz
schnitt, der im Schlosse aufbewahrt wird,
an die Sage. Man sieht auf dem Bilde
im Bordergrunde die schöne Nixe, die mit
halbem Leibe aus der geheimnißvollen
Fluth emportaucht; um sie wogen seltsa
me Wasserblumen und phantastisch ver
schlungene Schilfhalme, die das Schloß,
welches im Hintergrunde emporragt, fast
Laufende Nummer ÄS.
völlig verdecken. Von den Thürmen mit»
Zinnen, die man da sieht, ist nichts mehr
vorhanden ; das Schloß hat ein neueres
,'lnsehen; aus der alten Zeit ist nichts üb
rig geblieben, als der kleine See und sei
ne schöne Bewohnerin, wie die Sage be
hauptet.
Die schöne Seebewohnerin war ur
sprünglich eiu Wesen gleich uns, und mir
ihr Unglück wollte, daß sie zur Nixe wer
den mußte. Das Schloß, wie es der alte
Holzschnitt darstellt, bewohnte vor mehr
als tausend Jahren ein Herr, oder, wie
ihn die Sage nennt, ein König, dem alleS
Land gehörte, welches man vom höchsten
Thurme des Schlosses übersehen konnte.
Aber er war ein harter, menschenfeindlicher
Herr, den seine Unterthanen nur fürchten
konnten, und zwar um so mehr, weil es
jedermann bekannt war, daß er in geheim
nißvollen zauberischen Künsten wohl be
wandert und geübt war. Wer einmal
unglücklich genug war, sich sein Mißfal
len oder Haß zuzuziehen, der konnte sich
im Voraus als ein Opfer seiner Rache
betrachten. Er stammte nicht aus diesem
Lande, sondern war aus der Ferne hier
her gekommen und hatte dem frühern
Herrn die Herrschaft abgekauft. Hätten
nun die Unterthanen auch im Uebrigen
nicht schon Ursache gehabt, den neuen
Herrn zu scheuen und zu fürchten, so mach
ten sie mit der Zeit eine Erfahrung, die
schon genügend sein konnte, um sie mit
Grauen zu erfüllen. Als er ins Land
kam, war er bereits ein hochbejahrter
Mann, eisgraue Lacken umgaben sein
Haupt und ein ebenso verblichener Bart
wogte bis auf den Gürtel herab; man
konnt' ihm mindestens ein Alter von neun
zig lahren beimessen. Aber die Kinder,
die ihn in solcher Gestalt hatten die Herr
schaft übernehmen sehen, erwuchsen und
wurden selber zu alterschwachen Greisen,
während er noch immer mit der alten
Kraft unter ihnen wandelte und herrschte;
die Kinder und Kindeskinder jener Lente,
die ihm zuerst gehuldigt hatten, wurden
wieder alt und starben, ein Geschlecht nach
dem andern wuchs heran und verstarb,
aber immer waltete, wie im Anfang, der
harte düstere Herr, ganz mit demselben
Ansehn, welches er zu Anfang gezeigt hat
te.
War er ein Wesen von dieser Welt und
ein Mensch wie die andern? und welch
Mittel besaß er dann, sich Jahrhunderte
lang zu erhalten, während um ihn her
Geschlechter aufwuchsen, blühten und star
ben ?
Ein zweiter bedenklicher Umstand erfüll
te die Lente ebenfalls mit Furcht und Ent
setzen. Man hatte nämlich längst bemerkt,
daß die Dienstleute des Herrn und über
haupt alle, die um seine Person waren,
so gesund und kräftig sie auch immer auf's
Schloß kamen, doch in seiner Nähe bald
bleich wurden und endlich starben. Nie
mand hatt' am Ende noch Lust ihm zu
dienen, und nur der ungewöhnlich hohe
Gehalt (denn freigebig war er in Allem,
was seinen eigenen Nutzen betraf,) ver
mochte noch den und jenen, sich in seinem
Dienste zu opfern. Lange Zeit verging,
eh' man den Grund jener schlimmen Er
scheinung erfuhr, denn die Furcht versie
gelte den Mund jedes Betheiligten: bis
endlich Einer, der noch bei Zeiten dem
Schicksal, welches seine Genossen traf,
durch die Flucht entging, es wagte, das
Räthsel zu losen. Die Eröffnungen, die
dieser Mann machte, gingen dann schnell
von Mund zu Mund, bis alle damit ver
traut waren. Die Sache verhielt sich wie
folgt.
Es existirt ein Geheimniß, jetzt vielleicht
niemand mehr bewußt, in dessen Besitz
aber noch im vorigen Jahrhundert mancher
Chemiker war, und welches darin besteht,
daß man aus dem Blut eines Menschen
eine Leuchte bereitet und anzündet, welche
so lange fortbrennt, als der Mensch lebt
aus dessen Blut sie bereitet ist ; und stets
harmonirt sie mit dem Gemüthszustande
desselben: flackert bald wild und unruhig,